AfD-Spitzenkandidat Krah – Der gefährliche Clown
AfD-Spitzenkandidat Maximilian Krah hat der Partei Skandale sowie den Bruch mit den Koalitionspartnern in der EU gebracht – und doch erreicht, was sich mancher von seiner Wahl erhoffte.
Im Abgeordnetenrestaurant des Bundestags werden Ende Januar Lachshäppchen gereicht, Weinflaschen kreisen. Es ist der jährliche Medienempfang der AfD-Fraktion. An Stehtischen reden Journalisten mit AfD-Abgeordneten, um die Parteivorsitzenden bilden sich kleine Trauben.
Vor der Tür beugt sich ein gut gelaunter Maximilian Krah in einem Ledersofa nach vorne, breitet die Arme weit aus. Er wisse, er biete jede Menge Angriffsfläche, sagt er. „Die Kunst dabei ist: Man muss die Angriffe gewinnen.“ Krah winkt mit den Händen, als rufe er einen Gegner zum Kampf, den Kopf hält er geduckt wie ein Boxer kurz vor dem Schlag des Gegners. „Ich sage: Kommt doch!“
Wie man die Kämpfe gewinnt? Krah lässt die Arme sinken, lächelt, lehnt sich zurück. „Ich mache nie einen Zug, der nicht gedeckt ist.“
Nur vier Monate später sieht es so aus, als habe Krah etliche ungedeckte Züge gemacht: Die Generalstaatsanwaltschaft Dresden prüft Ermittlungen gegen ihn, als Spitzenkandidat darf er nicht mehr auftreten, aus dem Bundesvorstand der AfD musste er sich zurückziehen. Und im EU-Parlament wurde die gesamte AfD wegen Krah aus der Rechtsaußen-Fraktion ID geworfen.
Medien titeln „Der tiefe Fall der AfD“ oder „Die peinlichste Partei Europas“ – und zeigen dabei Krahs Foto. Der Tenor ist klar: Krah, der Verlierer.
So simpel ist die Rechnung allerdings nicht. Denn Krah hat in nur vier Monaten gewirkt wie ein Brandbeschleuniger – in wie außerhalb der Partei. Er hat öffentlich mit dem Nationalsozialismus geflirtet, rechtsradikales Gedankengut rehabilitiert. Er hat den eigenen Vorstand vorgeführt, die AfD auf internationaler Ebene an die Wand manövriert. Und er hat damit genau das getan, was sich mancher von seiner Wahl zum EU-Spitzenkandidaten erhoffte.
Krah hat die Partei, die sich schon so oft ins immer Extremere gehäutet hat, in nur vier Monaten an den vielleicht finalen Scheideweg geführt, hin zur möglicherweise finalen Häutung.
Auch in der AfD reibt sich mancher noch die Augen: Wie konnte es so schnell so weit kommen?
Wie konnte das passieren?
Es ist eine AfD wie auf Koks, die Maximilian Krah im Sommer 2023 in Magdeburg als EU-Spitzenkandidaten wählt. Die Partei hat so gute Zustimmungswerte wie nie, gerade hat sie im Höcke-Land Thüringen ihren ersten Landrat gewonnen. Je enthemmter die Reden auf der Bühne, je rassistischer, desto lauter der Applaus.
Der radikale Krah pflegt in seinen Reden den „Ritt auf der Rasierklinge“, wie er es nennt. Frauenverachtung, Minderheiten- und Grünen-Beleidigung, NS-Verharmlosung – es ist die Klaviatur, die die 600 Delegierten laut beklatschen. Doch Krahs Wahl am ersten Morgen des Europaparteitags hat nichts mit seinem Stil am Mikrofon zu tun.
Über Wochen hat es vor dem Parteitag hinter den Kulissen Absprachen gegeben. Zum ersten Mal überhaupt haben Strippenzieher aus allen AfD-Landesverbänden Konsenslisten ausgearbeitet, nach denen sich die 600 Delegierten in der Halle bei der Kandidatenwahl richten sollen. Auf beiden Listen, die kursieren, steht ein Name auf Platz 1: Maximilian Krah.
Krah erobert im Hinterzimmer den Spitzenplatz nicht ohne Widerstände. Zu umstritten ist er schon da in der Partei: Skandale pflastern seinen Weg, zweimal wurde er aus der EU-Fraktion suspendiert, Wegbegleiter im EU-Parlament warnen davor, dass er nicht unter Kontrolle zu bringen sei. Und viele nehmen ihn nicht ernst: Die zu engen Luxusanzüge, die Zigarren, sein Faible für Champagner und Frauen, seine acht Kinder von drei Partnerinnen, sein angeblich so tiefer katholischer Glaube. Oft wirkt er wie eine Karikatur, so überzeichnet ist sein Stil, sein Habitus.
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Vor allem westliche Landesverbände, darunter Berlin und Hessen, erheben Einspruch gegen ihn. Dass Krah es dennoch an die Spitze schafft, hat vor allem zwei Gründe: Es mangelt an anderen starken Kandidaten. Und Krah ist ein hervorragender Netzwerker. Ob erzkatholische oder rechtsextreme Gruppen, ob lateinische Messe oder Nachtclub – der Jurist kommt herum, bleibt gerne lang, sammelt Nummern und Handschläge.
Der Netzwerker
Am wichtigsten ist in Magdeburg beim Europaparteitag sein Schnellroda-Netzwerk. Die neurechte Denkschmiede unter Leitung von Götz Kubitschek steht außerhalb der Partei, prägt die AfD aber massiv. In Kubitscheks Verlag ist kurz vor dem Parteitag Krahs Buch „Politik von rechts“ erschienen, vermarktet wird es als „Manifest“ der Neuen Rechten und beworben gemeinsam mit Neuerscheinungen von den Rechtsextremisten Martin Sellner und dem neurechten Politikwissenschaftler Benedikt Kaiser. Kurz vor dem Parteitag stellt das Trio die Werke gemeinsam in einflussreichen Kreisen vor.
Mit diesen starken Verbindungen ist Krah auch eine potenzielle Gefahr für den aus Sachsen stammenden AfD-Chef Tino Chrupalla und den sächsischen Landeschef Jörg Urban. Weder in Dresden noch in Berlin wollen die beiden Funktionäre Krah haben, sondern wie bisher weit weg in Brüssel. Um ihre Macht zu sichern, unterstützen sie Krahs Bewerbung um den Spitzenplatz aus dem Landesverband heraus, so berichten es Quellen aus Parteikreisen übereinstimmend. Und Co-Parteichefin Alice Weidel hält sich, wie so oft, heraus.
Damit ist klar: Krah genießt den Rückhalt der Parteispitze. Wer trotzdem gegen ihn kandidiert, läuft höchste Gefahr, sich zu verbrennen. Einen Gegenkandidaten erhält Krah dennoch, Berlin schickt ihn ins Rennen. Doch der ist in der Partei völlig unbekannt, sein Antritt ist aussichtslos, mehr eine Fußnote des Protests. Krah wird mit 65 Prozent der Stimmen gewählt.
Krah beschwört den Geist von Riesa
Und Krah verliert keine Zeit, schon in seiner Rede in Magdeburg gibt er einen Vorgeschmack, wo die Reise mit ihm hingehen wird. Er beschwört den Geist von Riesa: Bei dem Parteitag in der NPD-Hochburg rebellierten 2022 die radikalen Kräfte in der AfD gegen den Vorstand, bis die Parteichefs die Versammlung vorzeitig abbliesen. Sie fürchteten, dem rechtsextremen Flügel des Thüringer AfD-Chefs Björn Höcke könnte der Durchmarsch gelingen. Eine Machtdemonstration, seit der klar ist: Diese Kräfte haben in der AfD die Überhand.
In Riesa hätten die Richtigen gewonnen, ruft Krah, „und das sind wir hier im Saal, liebe Freunde“. Auskehren will Krah die letzten Nationalkonservativen, die vergleichsweise oft noch gemäßigteren Kräfte in der AfD, daran lässt er wenig Zweifel. Ohne Namen zu nennen, richtet er sich gegen ihr Lager: „Ist es nicht an der Zeit, heute den Dreckwerfern endlich mal die rote Karte zu zeigen, dass wir uns nach vorn bewegen können?“
Im Saal jubeln sie, klatschen laut, johlen. Ein Teil springt von seinen Stühlen auf. Krah hat damit die von AfD-Politikern so oft beschworene Jagd eröffnet – nur nicht auf die Konkurrenz, auf die Regierungsmitglieder, sondern auf die eigenen Kollegen.
„Gott oder Schlange, Jesus oder Barabas“
Wenn Krah über die Nationalkonservativen in der AfD spricht, die die Partei in manchem Punkt zurückführen wollen auf eher rechtspopulistische Pfade, liegt Verachtung in seiner Stimme. „Libkons“ nennt er sie, also „Liberalkonservative“. Und er fällt das in AfD-Kreisen härteste Urteil: „Da habe ich sogar mehr Respekt vor den Grünen“, sagt Krah. „Das halte ich alles für irre, für Schund, die haben aber immerhin eine Idee für die Zukunft.“
Die eigenen Parteifreunde, die sind für ihn das größere Problem. Mutlos. Schwach. Verräter an der eigenen Sache. Bewahrer eines Systems, das er überwinden will. Denn Krah will etwas anderes.
Auf einem Rittergut in Schnellroda feiert er kurz nach dem Parteitag in Magdeburg mit jenen, denen er seinen Sieg maßgeblich verdankt: dem Verleger Götz Kubitschek und dessen Frau Ellen Kositza. Gemeinsam sitzen sie an einem Tisch, trinken Champagner, Krah raucht eine Zigarre. Eine Stunde lang unterhalten sie sich vor laufender Kamera, das Video ist in Schwarzweiß gehalten.
Offiziell sind die Schnellroda-Denker der AfD zu radikal, die Verbindungen aber sind stark. In Kubitscheks Verlag erscheinende Autoren beeinflussen maßgeblich den ideologischen Unterbau der AfD, in vielen Abgeordnetenbüros ist ihnen nahestehendes Personal untergebracht, bei Podiumsdiskussionen in Schnellroda sammeln sich regelmäßig AfD-Funktionäre. Maßgeblich berät Kubitschek auch einen anderen mächtigen Strippenzieher in der AfD: Björn Höcke.
Krah dankt den beiden in dem Video: „Sie haben immer gestanden, Sie hatten die richtigen Hinweise, Sie haben die richtigen Ratschläge gegeben – ich wäre nicht Spitzenkandidat ohne Ihrer beider Hilfe.“
Und er gibt einen Ausblick auf den anstehenden Wahlkampf. Zum ersten Mal trete nun die „Post-Riesa-AfD“ an. Schluss solle deshalb sein mit einem Wahlkampf der „sekundären Argumente“, stattdessen müsse es um das Grundlegende gehen, Klartext müsse gesprochen werden. „Gott oder Schlange, Jesus oder Barabbas, ja ja – nein nein“, sagt Krah. „Das ist die Herausforderung, die Chance, das Risiko, auch der große Test dieses Wahlkampfs.“
Kubitschek nickt. Man befinde sich in einer „Entweder-oder-Zeit“, es gehe um die Substanz. „Da muss man mit Leuten arbeiten, die bereit sind, harte Dinge zu sagen und darüber nachzudenken, wie harte Dinge umgesetzt werden können.“
Rechtsradikalismus mit Spaß
Krah ist dazu bereit. Seinen großen Test startet er auf TikTok, der Videoplattform für Jugendliche. Nur rund eine Minute lang sind seine Aufnahmen, er spricht direkt in die Kamera, bunte Textkacheln hämmern seine Botschaften ins Gedächtnis seiner Zuschauer.
Er wirbt dort für eine Neubewertung des Nationalsozialismus. Mit der Botschaft „Echte Männer sind rechts“ startet er, bald aber schon folgt: „Unsere Vorfahren waren keine Verbrecher“. Herausfinden sollen seine Zuhörer, wofür „Oma und Opa, Uroma und Uropa gekämpft und gelitten haben“ – und sie sollen, was sie lernen, an ihre Kinder weitergeben. Stolz sein sollen sie, sich aufrichten. „Denn wir sind ein Volk.“
Das Konzept für Krahs TikTok-Videos stammt maßgeblich von Rechtsextremen, die offiziell außerhalb der AfD stehen: Die Jugendorganisation der Identitären Bewegung, deren geistiger Vater Kubitschek und deren Kopf der Österreicher Martin Sellner ist, beraten Krah bei der Konzeption und unterstützen bei den Drehs. Andere AfD-Abgeordnete werden seinen Stil von da an kopieren.
Meist löst Krah bei den politischen Gegnern zunächst Amüsement aus. Lächerlich finden ihn viele, wie einen Clown, der fordert, was er selbst nicht einhält. Zu weich, zu opportunistisch scheint Krah, um wirklich gefährlich zu sein. Auch Journalisten lachen über ihn. Im Gegensatz zu Höcke erregt Krah keine Angst, weniger Unbehagen.
Genau das aber ist Krahs Erfolgsrezept: Rechtsradikalismus zu verkaufen, der Spaß machen soll. Menschenfeindlichkeit gepaart mit einem guten Schuss Selbstironie. Ein wenig wie die „Deutschland den Deutschen“-Parolen, die in ein paar Monaten auf Sylt mit einem Aperol Spritz am Strand gesungen werden und danach durch ganz Deutschland wabern.
Grenzen verschieben, mit jedem Video ein wenig. Um so langsam sagbar zu machen, was lange nicht sagbar war.
Krahs Faible für Diktaturen
Es geht aber auch darum, nach außen Grenzen zu verschieben. Die Nähe zu autoritären Staaten wie China und Russland zu suchen, die den Schnellroda-Denkern ideologisch näher stehen als die demokratische Bundesrepublik.
Krah ist ihnen nicht nur nahe gekommen, er hat sie nach Brüssel und Berlin gebracht, in die Schaltzentralen der Macht. Seit 2019 sitzt Krah bereits im EU-Parlament – und sein Büro hat sich in dieser Zeit einen einschlägigen Ruf erarbeitet.
Parteikollegen beschreiben manche von Krahs Assistenten als „Blut- und Kettenhunde“: Sie kommunizieren in die Partei hinein, als roh und brutal gilt ihr Stil, Gegner würden hemmungslos niedergemacht. Andere sind für die Kommunikation ins Ausland zuständig, für die Kontaktpflege hin zu Diktaturen. Der chinesischstämmige Jian G. übernimmt dabei China, der Franzose Guillaume P. bis 2022 die Pflege pro-russischer Kontakte.
Sie organisieren Reisen für Krah, planen Konferenzen und Diskussionsrunden, auf denen Krah die ausländischen Regime lobt und aggressive Expansionspläne als reine Verteidigung gegen den Westen verharmlost. Desinformationsportale verbreiten Krahs Botschaften im Ausland.
Doch Krah hat hier womöglich eine Grenze zu viel überschritten. Ermittler beobachten die Aktivitäten seines Büros schon lang, im April schreiten sie ein. Jian G. sitzt seither in Untersuchungshaft, der Vorwurf: Spionage für China, ein besonders schwerer Fall.
Auch das Büro von Guillaume P., der inzwischen bei einem anderen Abgeordneten arbeitet, wird durchsucht, es geht um den Verdacht von Korruption, Propaganda, Einmischung im Sinne Putins Russland. In beiden Fällen wird Krah Medienberichten zufolge verdächtigt, Geld von seinen Assistenten erhalten zu haben, das womöglich aus dem Ausland stammen könnte.
Krah wechselt vom Angriffs- in den Verteidigungsmodus, wird vom Boxer zum Schachspieler – und opfert seine Bauern kalt. Er distanziert sich von G. und P., weist alle Vorwürfe von sich. G. fordert er sogar rasch zum Austritt aus der AfD auf, obwohl noch immer die Unschuldsvermutung gilt, die in der AfD sonst ein so hohes Gut ist.
Krahs ehemaliger Assistent Guillaume P. aber setzt an dem Morgen, als sein Büro durchsucht wird, einen Post auf Facebook ab, der seitdem in AfD-Kreisen kursiert: „Derjenige ist kein guter Mensch, der ohne Widerspruch zulässt, dass in seinem Namen Unrecht begangen wird“, heißt es da.
Mittelfinger an die Parteispitze
Für die Parteispitze in Berlin ist ihr Spitzenkandidat nun ein massives Problem. Doch sie gibt sich kaum Mühe, ihn zu maßregeln und zu kontrollieren. Sie weiß, dass sie scheitern wird, an Krahs Starrköpfigkeit und der Macht seiner Unterstützer. Weidel und Chrupalla wollen sich die öffentliche Blamage ersparen.
Nach G.s Festnahme verordnet der Bundesvorstand dem Spitzenkandidaten zwar kurzzeitig Auftrittsverbot – der aber feiert schon ein paar Tage später sein Comeback. Und zwar im Krah-Stil: Mit einem Jaguar fährt er im bayerischen Holzkirchen vor, zwei russischsprachige Models umrahmen ihn, die eine hält eine Deutschland-, die andere eine AfD-Flagge.
Krah will sich als „Mad Max“ inszenieren, als heldenhafter Kämpfer in einer dystopischen Welt. Die Lederjacke ist alt und sitzt schlecht, das Auto ist geliehen, nur 50 Zuschauer sind gekommen – egal, Hauptsache ein paar Fernsehsender sind auch da.
Und wieder stammt die Idee von Krahs engsten Mitstreitern: Maßgeblich organisiert und beworben wird sein Comeback von Jurij Kofner. Der bayerische AfD-Funktionär lebte und studierte jahrelang in Moskau, schüttelte bei Veranstaltungen auch Außenminister Lawrow die Hand, gründete in Deutschland ein pro-russisches Institut. Dessen Ziel: die „Befreiung Europas von der US-amerikanischen Hegemonie“. Eng kooperierte Kofners Institut in der Vergangenheit mit der Kubitschek-Schmiede und Kräften der „Identitären Bewegung“.
Den Partnern reißt der Geduldsfaden
Während die AfD-Spitze schweigt, reißt ihren internationalen Partnern der Geduldsfaden. Auslöser ist ein Interview, in dem Krah die SS verharmlost. Bei vielen europäischen Rechten kommt das nicht gut an, zu brutal hat die SS in Europa gewütet. Zu weit geht ihnen Krah, das hemmungslos selbstbewusste Auftreten des AfD-Spitzenkandidaten. Aber auch in anderen Punkten kommt man schon lange nicht mehr mit der AfD überein, die Außenpolitik zählt dazu.
Erst kündigt Marine Le Pen, die Grande Dame der französischen Rechten, der AfD die Zusammenarbeit im EU-Parlament auf. Seit Jahren schon steht sie mit Krah auf Kriegsfuß, auch viele in ihrer französischen Delegation kommen nicht mit ihm zurecht. Die italienische Lega zieht nach. Es folgt: der Rauswurf der AfD aus der Rechtsaußen-Fraktion „Identität und Demokratie“ (ID).
Es ist ein fatales Signal für die AfD-Spitze kurz vor der Europawahl. Komplett ohne Partner steht sie nun da. Doch wieder greift sie nicht durch, Krah darf die Konsequenzen selbst ziehen und sein Gesicht wahren: Er zieht sich aus dem Bundesvorstand zurück, verkündet, nicht mehr im Wahlkampf auftreten zu wollen.
Der Plan von der „Hooligan-Fraktion“
Es dauert nicht lange, bis Krah erneut wortbrüchig wird und sich in Dresden an einem Wahlkampfstand zeigt – begleitet von Kameras des „Deutschlandkuriers“. Es ist ein ausgestreckter Mittelfinger an die Parteispitze, der Geist von Riesa: Schaut her, wer die Stärkeren sind. Ich tue, was ich will.
Der Bruch mit den Koalitionspartnern im EU-Parlament ist das, was Kubitschek, Höcke und Krah sich für die AfD schon lange wünschen: Raus aus den Kooperationen mit den französischen und italienischen Rechten, die sich in den vergangenen Jahren gemäßigt haben, um Aussicht auf höhere Zustimmung und Regierungsmacht zu erhalten.
Krah hat darüber bereits mit Verbündeten geredet, ihm schwebt die Neubildung einer Fraktion mit anderen Parteien im Parlament vor. „Hooligan-Fraktion“ nennt er das Konzept angeblich in aller Deutlichkeit. „Resterampe“ nennen es die Kritiker in der Partei. Denn die Größe der Fraktion sei entscheidend im EU-Parlament. Die „Resterampe“ bedeute Fundamentalopposition, de facto den Verlust jeder Gestaltungsmacht im EU-Parlament, das Verschwinden im Abseits, klagen sie.
Es formiert sich Widerstand
Doch inzwischen formiert sich Gegenwehr unter den künftigen AfD-Abgeordneten in Brüssel. Krah ist vielen zu weit gegangen, man will sich von ihm nicht als eine der mitgliederstärksten Delegationen im rechten Spektrum des EU-Parlaments in die Bedeutungslosigkeit verbannen lassen.
In aller Ernsthaftigkeit wird diskutiert, Krah nicht in die AfD-Delegation aufzunehmen und Le Pen so zu besänftigen, um zurück in die ID kehren zu können. Wie sicher die Mehrheiten unter den Abgeordneten in spe dafür aber sind, ist zurzeit noch unklar. Um Krahs Einfluss zu schmälern, mehr Kontrolle auszuüben, will man die Gründung der Delegation deswegen womöglich in Berlin vollziehen statt in Brüssel.
Der Plan: Krah soll geopfert werden, um die AfD in der ID zu retten.
Krah bliebe das Mandat im EU-Parlament, ein hohes Gehalt, seine Mitarbeiter. Doch dieser Schritt würde seinen Sturz in die Irrelevanz bedeuten. Krah selbst sieht aber angeblich Chancen, das noch zu verhindern: „Es gibt Gegenwind, aber auch sehr viel Unterstützung. Das ist wie immer nicht eindeutig“, behauptet er im Gespräch mit t-online am Montag.
Der Wahlkampf sei anders verlaufen, als erwartet, räumt er ein. „Die Intensität der Attacken hatten wir so nicht erwartet.“ Er zieht aber eine durchaus gemischte Bilanz: „Im Wahlkampf wurde über keine Partei so viel geredet wie über uns. Und die Mobilisierung der Jugend ist geschafft.“ Den Rest müsse das Wahlergebnis zeigen.
Sogar mancher Krah-Kritiker zweifelt daran, dass sein Ende schon besiegelt ist. Zu oft sei Krah schon tief gefallen und doch wiedergekehrt, zu oft habe er ein Sprichwort wahr gemacht: Totgesagte leben länger.