Uwe Steimle erklärt in Chemnitz: „Ich wähle nicht die AfD“

Der jüdische Gastwirt Uwe Dziuballa lud den Dresdner Kabarettisten auf eine Chemnitzer Bühne ein. Das Gespräch unter Freunden lieferte unerwartete Einsichten.

Chemnitz. Da isser wieder. Ausgerechnet am Aschermittwoch bekommt Uwe Steimle eine Bühne auf dem Kaßberg. Eine passende Gelegenheit zur politischen Generalabrechnung, könnte man meinen, für Provokationen, wie man sie von ihm zur Genüge kennt. Doch Sachsens umstrittenster Kabarettist schlägt an diesem Nachmittag über weite Strecken ernste, nachdenkliche Töne an. Sein Rollenverständnis lautet, den Weltschmerz in Pointen zu packen. Er sagt: „Wenn die Menschen über mich lachen, sieht man das Weinen nicht.“

Der Dresdner ist zu einem Freundschaftsbesuch gekommen, so stand es in der Ankündigung des soziokulturellen Zentrums Kraftwerk. Mit ihm auf der Bühne: Uwe Dziuballa, Inhaber des jüdischen Restaurants „Schalom“. Die beiden verbindet eine enge Freundschaft – und das Publikum, die 150 bis 200 Menschen im Saal, sollen an einem Gespräch unter Freunden teilhaben.

Das Kulturhaus ist ein Ort, an dem er ein wenig zur Besinnung kommt

Vor einem Jahr war Steimle in Chemnitz auf der Küchwaldbühne ausgeladen worden. Es gab einen Riesenwirbel und einen brechend vollen Saal, als er kurz darauf beim Kraftwerk-Verein auftrat, den Dziuballas Ehefrau leitet. Damals war mehr Kabarett, Steimle wedelte mit einem Friedensfähnchen, sang mit dem Publikum „Kleine weiße Friedenstaube“.

Aber es war bereits zu spüren, dass dieses Kulturhaus in Chemnitz ein Ort ist, an dem er ein wenig zur Besinnung kommt. Ein Forum, bei dem es tatsächlich einmal gelingen kann, verbal abzurüsten und Missverständnisse auszuräumen.

Dziuballa sagt: Wenn er mit Steimle spricht, dann sei es für ihn „eine Übung in Demokratie“. Steimle sei für ihn ein ziemlich wichtiger Freund geworden. Justin Sonder brachte sie zusammen, der 2020 verstorbene Chemnitzer Auschwitz-Überlebende , für den sie in diesem Jahr mit gemeinsam gesammeltem Geld ein Denkmal auf dem Brühl aufstellen wollen. Dziuballa sagt aber auch: „So sehr wir uns verstehen, austauschen, so sehr streiten wir uns teilweise.“

Steimle fühlt sich in die falsche Ecke gerückt. Als er voriges Jahr zu einer Friedensdemo vor dem Kulturpalast in Dresden aufrief, kamen auch Rechtsextremisten. Dziuballa sprang seinem Freund zur Seite und wurde ebenfalls angefeindet. Zwei Tischreservierungen in seinem jüdischen Restaurant, so erzählt der Gastwirt, seien damals mit der Begründung abgesagt worden: „Wir essen nicht bei Nazis.“ Steimle habe ihn aus der Schusslinie nehmen wollen und ihm angeboten, er könnte ja öffentlich sagen, dass sie jetzt verstritten seien.

Er unterhält sich mit Chrupalla – und würde gern Wagenknecht treffen

Sie reden über Krieg und Frieden und die Demokratie. Steimle sagt, es gehöre sich nicht, zu sagen: Mit denen rede ich nicht. „Das hat mit Demokratie nichts zu tun.“ Als ein Mann aus dem Publikum seine Fassungslosigkeit über die aktuelle Debatte um Anschaffung von Atomwaffen zum Ausdruck bringt und betont, er denke nicht daran, die AfD zu wählen, sehe aber schwarz bei der Gesamtsituation im Land, antwortet Steimle: „Ich bin nicht für Atomwaffen.“

Und er stellt klar: „Ich wähle auch nicht die AfD, unterhalte mich aber trotzdem mit jemandem wie Tino Chrupalla.“ Liebend gerne würde er auch Sahra Wagenknecht treffen. „Aber da gibt‘s Brandmauern.“

Steimle sagt auch, was er immer wieder vertritt: „Kriege sind Scheiße.“ Er erinnert an 1983, an die Massenkundgebungen in der BRD gegen die Stationierung der Pershing-II-Raketen. „Das war links.“ Damals demonstrierten Vertreter von Kirchen, Gewerkschaften und Studenten. „Heute ist Ami go home rechts. Verstehen Sie das? Ich auch nicht. Und darüber müssen wir reden.“

Bisweilen scheint Steimles zu hinterfragendes Grundverständnis von den heutigen politischen Verhältnissen als eine Art Fortsetzung der DDR unter kapitalistischen Vorzeichen wieder durch. „Es hat sich doch nichts geändert“, behautet er. Und wenn ihm die Debatte um mehr Waffen für die Ukraine zu bunt wird, will er „die gesamte Ampel an die Ostfront“ schicken.

Uwe Dziuballa sagt, er schaue Uwe Steimles „Aktuelle Kamera“. Die Youtube-Sendung findet der Freund mal unterhaltend, mal nachdenklich. Manchmal aber lässt sie ihn fragend zurück.