Zittauer Montagsdemos: Erstmals gegenseitiges Dialogangebot

Ein Teilnehmer der Anti-Rechts-Demo spricht in Zittau auf der anderen Seite und unterbreitet ein Angebot. Doch bezüglich des Gegenangebots gibt’s Skepsis.

Die beiden Gruppen, die jeden Montagabend am Zittauer Rathaus demonstrieren, scheinen einander unversöhnlich. Die einen demonstrieren seit Jahren beginnend mit Protesten gegen die Corona-Politik mittlerweile so gegen ziemlich alles, was die Bundesregierung macht. In diesen Reihen finden sich auch Teilnehmer mit in rechtsextremen Kreisen gebräuchliche Flaggen – etwa die Wirmer-Flagge oder die der rechtsextremen „Freien Sachsen“.

Die anderen sind dezidiert anti-rechts, rekrutieren sich teilweise aus der Antifa-Bewegung und skandieren jeden Montag „Nazis raus!“. Doch als am Montagabend ein Teilnehmer dieser Anti-Rechts-Demo das Wort ergriff, geschah ein kleines Wunder. Erstmals kam es zu einem gegenseitigen Angebot des Dialogs.

Der Name des Mannes ist Stefan Kühne – der viele Jahre an der Hochschule Mitarbeiter des Gründungsrektors Professor Peter Dierich war. Dierich organisiert die Ringspaziergänge und die „klassische“ Montagsdemo mit. „Ich bin mit seinem Kurs nicht einverstanden – deshalb stehe ich auch auf der anderen Seite des Marktplatzes“, sagt er. „Ich bin genau wie Ihr, ein Bürger dieser Region, der sich genau wie Ihr auch weiterhin Demokratie wünscht und bereit ist, auch für diese Demokratie einzutreten.“ Aber die Stimmung sei ihm mittlerweile ein wenig zu laut und aufgeheizt. „Ich möchte heute aber auch mal ein paar leisere Töne in die Veranstaltung einbringen“, sagte er – und es waren auch versöhnliche Töne.

„Deshalb sind das nicht gleich Nazis“

Zu Anfang sei es richtig gewesen, laut zu sein – aus Protest gegen das vom Recherche-Kollektiv „Correctiv“ aufgedeckte Treffen von AfD-Politikern und Rechtsextremen in Potsdam, wo es um „Remigration“ ging. „Aus meiner Sicht ein gefährliches Treffen. Wehret den Anfängen“, sagte er. Nun aber müsse man zur „Sachpolitik“ übergehen, konkret werden und überlegen wie es weitergehen soll. „Wir sagen mehrmals an diesem Abend auf dem Markt „Nazis raus“ – immer auch mit dem Blick auf die Gruppe auf der anderen Seite des Marktes.

Aber ich bin überzeugt, das ist nicht die Mehrheit dieser Gruppe. Da sind ganz sicherlich auch Leute dabei, die eine neonazistische Grundeinstellung haben oder zumindest diesbezügliches Sympathisieren hegen. Aber sehr viele dieser Menschen jenseits des Rathauses sind meist nur mit der gegenwärtigen Politik nicht einverstanden, sind verunsichert oder haben einfach nur Angst.“

Auch stünden dort sicherlich viele Leute dabei, die mit der Asylpolitik der Regierung nicht einverstanden seien. „Aber deshalb sind es nicht gleich Nazis. Das dürfen wir nicht vergessen.“ Dennoch sei der Protest dieser Montagsdemonstranten nicht der richtige Weg, „dass diese Menschen Woche für Woche ihren Unmut und ihren Frust hier rauslassen und im Gegenzug keine konkreten Lösungen aufzeigen wie es besser werden könnte“. Bisher habe er noch keinen konkreten und auch keinen machbaren Lösungsvorschlag aus dieser Gruppe gehört, wie es besser werden kann. „Immer nur dagegen sein – das ist mir zu einfach“, sagte er.

Und dann streckte er die Hand aus: „Es ist aus meiner Sicht keine Lösung, sich unversöhnlich gegenüberzustehen, sich gegenseitig zu belauern und auf dem jeweiligen Standpunkt zu beharren. Die Gesellschaft ist gespalten, das sehen wir jetzt hier ganz deutlich, aber nicht nur hier, in allen Landesteilen ist das so. Jede Seite fühlt sich im Recht und Gespräche scheinen kaum mehr möglich zu sein. Und deshalb mein Aufruf an Euch alle, wir müssen ins Gespräch kommen.“ Er wolle die Menschen auf der anderen Seite nicht „den rechten Extremisten überlassen“. „Zeigen wir Ihnen, dass es einen Dialog geben kann und sie nicht nur in die rechte Ecke gestellt werden sollen“, rief Kühne den Teilnehmern zu.

Treffen in „neutralem Raum“

Er griff damit einen Vorschlag von Professor Dierich auf. Der hatte eine Woche zuvor am Rande der Demo vorgeschlagen, dass es ihm lieber wäre, ins Gespräch zu kommen, statt sich gegenseitig niederzubrüllen. „Dann nehmen wir ihn doch beim Wort, gehen auf die andere Seite zu und bieten ein Gespräch an“, sagte er und forderte zur Teilnahme auf. Das Vorgehen sei zuvor mit der Demo-Anmelderin Dorothea Schneider von der Initiative „Augen auf“ abgestimmt gewesen, aber nicht mit Dierich. „Die hat mir gesagt: Machen Sie’s“, sagt Kühne. Unmittelbar nach seinem Auftritt ging er auch mit einer kleinen Delegation auf die andere Seite des Marktes und durfte dort auch auf der Bühne sprechen.

„Wir sind dialogbereit“, sagte er da und bot ein Treffen mit Delegationen beider Seiten in einem „neutralen Raum“ an. Es gehe schließlich darum, Lösungen für die Oberlausitz zu finden. „Wir haben nur die eine Oberlausitz, in der wir gemeinsam leben. Wir können sie nicht in eine rechte und eine linke Oberlausitz teilen“, sagte er dazu auch auf SZ-Anfrage.

Professor Dierich begrüßt diese Dialogbereitschaft. Er habe am Montagabend auch bereits mit Kühne telefoniert, um ein solches Treffen zu organisieren. Die lange Bekanntschaft zu Kühne sieht er als gute Gesprächsgrundlage. „Es macht wenig Sinn, sich gegenseitig zu bekämpfen. Wir müssen ins Gespräch kommen“, sagt er auf SZ-Anfrage. Er habe den Eindruck, dass die Teilnehmer auf der Gegenseite gar nicht wüssten, worum es bei den Montagsdemos eigentlich gehe. „Wenn die rufen „Nazis raus“ nach der Formel „unbequem ist gleich rechtsextrem“, ist ein falscher Eindruck entstanden“. Bei einem Treffen müsse es auch darum gehen, die gegenseitigen Anliegen zu verstehen. „Die Sorge, dass es zu einem Erstarken des Nationalismus kommen könnte, kann ich nachvollziehen“, sagt er. Diese Angst sei bezüglich der von ihm mitorganisierten Demo aber grundlos. Dennoch: „Wenn sich dieser Eindruck verfestigt, haben wir nichts gekonnt.“

Das den Montagsprotest organisierende „Bürgerbündnis Grüner Ring“ hat mittlerweile auch seinerseits mit einem Dialogangebot an die andere Seite reagiert. In einem Brief an „Augen auf“-Initiatorin Schneider heißt es: „In Gesprächen sollten wir gemeinsam versuchen, einen Beitrag zur Überwindung der in den letzten Jahren aufgebrochenen Gräben in unserer Gesellschaft zu leisten. Wir sind für entsprechende Gesprächsformate offen. Lassen Sie uns überlegen, wie wir zu einem offenen und vor allem direkten Austausch der Argumente kommen könnten.“

Dorothea Schneider sagt dazu auf SZ-Anfrage, dass sie es in Ordnung gefunden habe, Stefan Kühne bei der Kundegebung die Plattform für sein Vorhaben zu geben. Sie selbst sehe in einem solchen Dialog keine große Chance. „Die Montagsdemos haben mit ihren Redebeiträgen die Grenze überschritten und hier ein gesellschaftliches Klima von Hass und Hetze geschaffen“, sagt sie. Sie sei nicht bereit, „eigene Ressourcen“ für so einen Dialog aufzuwenden.


04.02.2024 Thomas Christmann

Zittaus Ring-Spaziergänger ziehen wegen Gegen-Demo um

Das Bündnis „Grüner Ring“ veranstaltet seine wöchentliche Kundgebung am Montag vorerst zum letzten Mal auf dem Marktplatz. Dafür kommt nun „Zittau ist bunt“ vor das Rathaus.

Die zwei parallelen Montagskundgebungen auf dem Zittauer Markt gehören der Vergangenheit an.

Das Bürgerbündnis „Grüner Ring“ hat sich entschieden, seinen Versammlungsort ab dem 12. Februar auf den Rathausplatz zu verlagern. „Um Provokationsmöglichkeiten der Gegendemo möglichst zu minimieren“, teilt Anmelder Peter Dierich mit, der so auch der Beschallung aus dem Weg gehen will. Daher sind die vor allem aus Ring-Spaziergängern bestehenden Teilnehmer kommenden Montagabend letztmalig auf der Ostseite des Marktes zu finden, wo sie sich seit 2022 wöchentlich vor dem Rathaus versammeln.

Ihren Platz nimmt ab 12. Februar das Bündnis „Zittau ist bunt“ ein, dem sich Dorothea Schneider von „Augen auf“ und ihre Gruppe mittlerweile angeschlossen hat. Sie meldete im Januar dieses Jahres erstmals zwei Veranstaltungen an zwei Montagabenden aufeinander auf dem Markt an, als Gegenpol zu den Demos vom Bündnis „Grüner Ring“. Die Kundgebungen liefen bislang auf der Westseite vor dem Brunnen. Dass die Demo von Dorothea Schneider nun einen neuen Platz bekommt, liegt an der schnelleren Anmeldung. Somit hätten die Ring-Spaziergänger vor den Brunnen umziehen müssen. „Dass das dem Anmelder nicht schmeckt, kann ich mir gut vorstellen“, meint sie.

Allerdings laufen die Veranstaltungen von „Zittau ist bunt“ nur aller 14 Tage, im Wechsel mit einer gleichgearteten in Görlitz. So soll sich gegenseitig unterstützt werden. „Menschen reisen selten zwischen den Städten, um Veranstaltungen zu besuchen“, erklärt Dorothea Schneider. „Wir möchten Vorbild sein.“ Ihr Problem sei nicht nur eines der Menschen in Görlitz oder Zittau, sondern ein gemeinsames. Und demokratiefeindliche und rechtsextreme Akteure würden ähnlich agieren, so die Anmelderin.

Nach Demos gegen die „aufgedeckten Deportationspläne“ und dem Motto „Vielfalt ist unsere Stärke“ lautet das Thema am 12. Februar „Fasching statt Faschismus“. Der Tag soll laut Dorothea Schneider bunt und lustig werden. „Wir versuchen, für alle Termine gute Themen zu finden und auch Unterstützung von außerhalb“, berichtet sie. So hätte es unter anderem Gespräche mit Sebastian Krumbiegel von der Band „Die Prinzen“ gegeben, der sich sehr über die Kundgebungen in Zittau freue.

Peter Dierich hingegen wollte schon nach der ersten parallelen Veranstaltung bei der Versammlungsbehörde des Landkreises Görlitz erreichen, dass nicht mehr beide Demos mit jeweils mehreren Hundert Teilnehmern auf dem Markt abgehalten werden. Doch seinem Ansinnen erteilte sie eine Absage, weil dieser öffentlich zugänglich ist und allen Teilnehmern ausreichend Platz bietet. Somit weicht das Bündnis „Grüner Ring“ nun generell auf die andere Seite des Rathauses aus, das damit 14-tägig zwischen den Demos steht. „Wir haben wenig Interesse daran, sich gegenseitig zu bekämpfen“, sagt er. „Eher daran, ins Gespräch zu kommen.“

So soll das Format der Ring-Spaziergänger zur „Diskussion über den Zustand der Gesellschaft“ ungestört fortgeführt werden, das sich inhaltlich vor allem mit der Aufarbeitung der Corona-Zeit und Folgen beschäftigt. Es bestehe die Gefahr und gebe Anzeichen, dass gleich schädigende Methoden wieder angewendet werden könnten, so Peter Dierich. Am 12. Februar hat sein Bündnis Christoph Berndt eingeladen, der als Fraktionsvorsitzender der AfD in Brandenburg über Erfahrungen mit den beiden Corona-Ausschüssen in seinem Landtag berichtet.