Presse-Artikel zu den Demonstrationen gegen „Rechts“ in Sachsen

Nach „Zusammen gegen rechts“: Weitere Demos in und um Leipzig geplant

Der große Zuspruch der Bevölkerung für die Demo „Zusammen gegen rechts“ hat Rückenwind gegeben. Das Bündnis „Leipzig nimmt Platz“ arbeitet an schon länger geplanten weiteren Kundgebungen. Sprecherin Irena Rduolph-Kokot äußerte sich am Montag zur Teilnehmerzahl und Kritik.

Nach der Demo ist vor den Demos. Am Tag nach dem Protest „Zusammen gegen rechts“ in Leipzig, an dem laut Veranstalter 70 000 Menschen teilnahmen, geht die Planung von „Leipzig nimmt Platz“ weiter. Laut Sprecherin Irena Rudolph-Kokot (SPD) hat sich der Blick auf den Kampf gegen Rassismus innerhalb des Bündnisses weniger verändert als für viele, die am Sonntag dabei waren und ihn als Aufbruchsignal empfunden haben.

Auf die Frage, ob der Erfolg der Demo nun mehr Kundgebungen nach sich zögen, antwortet die Mitorganisatorin: „Wir gehen schon seit langer Zeit regelmäßig auf die Straße, um gegen rechts und für Demokratie zu sensibilisieren, nur haben Bevölkerung und Medien das weniger registriert als am Sonntag.“ Die Schlagzahl der Demos werde sich nicht erhöhen, jedoch konstant bleiben.

Nächste Demo am 30. Januar

Die nächste größere Versammlung ist nur noch eine Woche entfernt. Der Anlass: Am 30. Januar jährt sich die Ernennung Adolf Hitlers zum Reichskanzler 1933 – und damit die Machtübernahme der Nazis. „Wir verweisen auf die Historie, um auf dem Augustusplatz vor deren Wiederholung zu warnen“, so Rudolph-Kokot. Der Blick geht außerdem nach Dresden, wo im Februar der 79. Jahrestag der Bombenangriffe der Alliierten „wieder viele Hardcore-Rechte auf den Plan rufen wird“.

Rückenwind spürt „Leipzig nimmt Platz“ aus zwei Gründen. Der Sonntag habe gezeigt, dass der Zivilgesellschaft die Dringlichkeit klar geworden sei, Zeichen gegen Nazis zu setzen. Außerdem mache sich die seit vergangenen Herbst existierende neue „Solidarische Vernetzung Sachsen“ positiv bemerkbar. Sie vereint mehrere Initiativen und Bündnisse im Freistaat, sowohl in Großstädten als auch im ländlichen Raum. Das vereinfache Kooperationen und sorge für eine bessere Struktur.

„Kleinere Orte stärken“

„Es gilt vor allem, kleinere Orte wie Döbeln, Pirna oder Grimma zu stärken“, sagt Rudolph-Kokot. Auch dort sind zum 30. Januar Aktionen gegen rechts geplant. Sachsenweit im Blick habe man die Kommunal- und Europawahl am 6. Juni sowie die Landtagswahl am 1. September.

Auch wenn der vergangene Sonntag als Erfolg verbucht wird, gab es auch Kritikpunkte. „Aufhören“-Rufe kassierte die Vertreterin der Initiative „Eltern gegen Polizeigewalt“, die OBM Burkhard Jung (SPD) das Recht absprach, bei der Demo zu reden. Er mache das nur aus Kalkül wegen der Kommunalwahl – was keinen Sinn ergibt, denn Jung tritt dort nicht an.

Kritik an Rednerin

„Diese Annahme war ein Missverständnis“, so kommentiert es seine Parteigenossin. Dass die Rednerin eine Bühne bekam, obwohl sie inhaltlich vom Kampf gegen rechts abwich, erklärt Rudolph-Kokot so: „Wir lassen uns die Beiträge nicht vorher zeigen und üben keine Zensur aus. Wer spricht, tut das in eigener Verantwortung.“ Im Vorfeld der Kundgebung habe auch sie kritische Äußerungen dazu erhalten, dass Jung Redezeit bekäme.

Rudolph-Kokot vermutet, dass bei der Rednerin auch Frust mit hineinspielte. Die „Eltern gegen Polizeigewalt“ würden noch immer auf eine Stellungnahme des OBM warten, warum er bei den „Tag X“-Demos im Juni 2023 linke Teilnehmerinnen und Teilnehmer als „durchgeknallte Straffällige“ bezeichnet habe. Auch Bürgerrechtlerin Gesine Oltmanns hatte kritisiert, dass vor allem junge Menschen bei den vergangenen Demos kriminalisiert worden seien.

Drohnen-Aufnahmen ausgewertet

Nach jüngsten Erkenntnissen von „Leipzig nimmt Platz“ geht das Bündnis inzwischen fest von 70 000 Teilnehmern bei „Zusammen gegen rechts“ aus. „Wir haben mehrere aussagekräftige Drohnen-Aufnahmen ausgewertet, diese Zahl haut hin.“ Die Polizei hingegen sprach am Sonntag von einem Zuspruch im mittleren fünfstelligen Bereich. Eine nicht ungewöhnliche Lücke in den Angaben zwischen Demo-Organisatoren und Behörden.

Mit denen war Irena Rudolph-Kokot weitgehend zufrieden, aber: „An ein paar Bereichen der Sperrung schien die Polizei überfordert und hat unglücklich agiert.“ In Höhe der Bosestraße soll ein Auto versucht haben, den Aufzug zu durchfahren, wie auch die Polizei bekannt gab. „Das hätte nicht passieren dürfen. Wir prüfen die Hintergründe dazu noch“, sagt Rudolph-Kokot.


MDR 22.01.2024

Weitere Demonstrationen gegen Rechtsextremismus in Sachsen

Nach einem Wochenende voller Demonstrationen in Mittedeutschland fanden auch am Montagabend mehrere Kundgebungen und Proteste in Sachsen statt. Im Fokus stand dabei erneut die Aufdeckung der von Rechtsextremisten geplanten Deportation von Migranten und Andersdenkenden. In mehreren sächsischen Städten füllten Demonstranten mit ihren Forderungen für Demokratie und Menschenwürde lautstark die Marktplätze.

In Sachsen sind am Montagabend wieder Tausende Menschen gegen Rechtsextremismus und für Demokratie auf die Straße gegangen. So fand in Meißen unter dem Motto „Meißen erhebt sich für Menschenwürde“ auf dem Marktplatz eine Kundgebung statt. Organisiert wurde der Protest vom Verein Buntes Meißen.

Unter den Teilnehmern war auch Liedermacher Gerhard Schöne. Im Gespräch mit MDR SACHSEN sagte er: „Menschen, denen Demokratie wichtig ist, müssen zu den Demos gehen und heute auch in Meißen sein.“ Auf Schönes Plakat stand: „Aus den Fehlern der Geschichte lernen“. Er sang später unter Beifall spontan auf der Bühne ein Friedenslied.

Aus Fehlern der Geschichte lernen

Im Laufe der Veranstaltung forderte eine Rednerin die Kommunalpolitiker dazu auf, nicht mit der AfD zusammenzuarbeiten. Weiter sagte sie: „Wir stehen hier gegen Rechtsextremismus. Das ist ein langer Lauf. Wir müssen unsere Stimme erheben und für Demokratie eintreten. Das heißt, auch in Vereine eintreten, sich gesellschaftlich engagieren und sich einmischen. Wir müssen gemeinsam laut sein“.

Sorgen vor Plänen der AfD

Unter den Demonstranten waren auch zwei aus der Ukraine geflüchtete Frauen Ende 30. Im Gespräch mit MDR SACHSEN sagten sie: „Wir machen uns Sorgen, was die AfD plant. Wir wissen, was die Nazis vor 1939 gemacht haben und wohin dann alles führte. Das wollen wir nicht. Wir wollen normal hier leben, arbeiten, für unsere Kinder und uns.“ Auch SPD-Politikerin Susann Rüthrich erinnerte auf der Kundgebung in Meißen an die Geschichte Deutschlands: „Wir kennen die Geschichte vom Ende her, viele waren sich sicher, dass uns das nicht wieder passieren wird. Wirklich?“

Eine MDR-Reporterin schätzte die Teilnehmerzahl in Meißen auf rund 1.000 Teilnehmerinnen und Teilnehmer. Die Organisatoren gaben an, sie hätten „nicht mit so einem Andrang gerechnet“.

Demonstrationen auch in Freiberg und Zittau

Ähnlich viele Menschen waren auch zum Montagsprotest in Freiberg erschienen. Das Bündnis „Freiberg für alle“ hatte unter dem Motto „Zusammen gegen Faschismus! – Freiberg steht auf – gegen Rechtsextremismus und neonazistische Netzwerke“ eine Kundgebung auf dem Obermarkt organisiert. Laut Polizei kamen zu der einstündigen Veranstaltung rund 1.000 Teilnehmer. Zuvor habe es eine Gegendemonstration als Autocorso mit 70 bis 80 Teilnehmerinnen und Teilnehmern gegeben, teilte die Polizei weiter mit. Auch rund 120 sogenannte Montagsspaziergänger seien im Nachgang der großen Kundgebung in der Stadt unterwegs gewesen.

Auf dem Marktplatz im ostsächsischen Zittau versammelten sich unter dem Motto „Kundgebung gegen die aufgedeckten Deportationspläne“ laut Polizei rund 400 Menschen. Als Gastredner sprach Oberbürgermeister Thomas Zenker (Freie Wähler) zu den Anwesenden.

Recherche über Geheimtreffen Auslöser für Proteste

Bereits am Sonntag hatte es zahlreiche Demonstrationen in vielen sächsischen Städten gegeben. Insgesamt sollen in Städten wie Leipzig, Dresden, Görlitz und Chemnitz mehr als 100.000 Menschen an den Protesten teilgenommen haben. Ausgelöst hatte die Proteste eine Recherche des Journalisten-Netzwerks Correctiv über ein geheimes Treffen von AfD-Vertretern mit Neonazis und Unternehmern Ende November in Potsdam. Bei diesem war über Pläne für eine Ausweisung und Deportation von Menschen mit Migrationsgeschichte gesprochen worden. Teilgenommen hatten den Recherchen zufolge auch Mitglieder der CDU und der rechtskonservativen Werteunion.


Swen Uhlig 22.01.2024 Freie Presse

Geplante Kundgebung gegen Rechts in Plauen: Vogtland-CDU zeigt sich verärgert

Nach den Protesten gegen die AfD in mehreren deutschen Städten ist für den kommenden Samstag auch eine Veranstaltung auf dem Plauener Altmarkt geplant. Das Zustandekommen sorgt vorab für Misstöne.

Plauen.Mehrere Organisationen und Parteien haben für den kommenden Samstag auf dem Plauener Altmarkt zu einer Kundgebung unter dem Motto „Zusammen gegen Rechts“ aufgerufen. Anschließend soll es ein Friedensgebet in der Lutherkirche geben. Veranstalter der Kundgebung ist die Linksjugend und damit die Jugendorganisation der Linkspartei. Wie Anmelder Jonas Uhlig sagte, rechne man mit 500 bis 1000 Teilnehmern.
Mittlerweile tragen den Aufruf weitere Gruppierungen mit. Unterstützung kommt vom Bündnis für Demokratie, Toleranz und Zivilcourage Vogtland, in dem Linke, SPD, FDP sowie Grüne Mitglied sind.

Veranstalter will „CDU die Hand reichen“ – dort ist man verärgert

Bislang nicht zu den Unterstützern zählt die CDU. Jonas Uhlig betont, es sei wichtig, dass auch die Christdemokraten mitmachen. Man wolle daher der CDU die Hand reichen, „obwohl wir wissen, dass deren Verhältnis zur Linksjugend schwierig ist“.

In der Tat reagiert man in der Partei verhalten auf das Angebot. Offiziell habe niemand angefragt, man habe lediglich das Banner des Protestaufrufs über einen Messengerdienst zugeschickt bekommen, sagt CDU-Kreischef Sören Voigt. Entsprechend verärgert fällt seine Reaktion aus. „Es ist bedauerlich, wenn es heißt, man will gemeinsam Gesicht zeigen, und dann ist die CDU im Vorfeld nicht eingebunden“, erklärt er. „Ohne Rücksprache sollen wir uns nun einreihen – da tue ich mich schwer.“

Zudem stößt den Christdemokraten das Motto „Zusammen gegen Rechts“ auf. „Was ist denn Rechts?“ fragt Voigt und erklärt, es wäre besser gewesen, „wenn da Rechtsextremismus gestanden hätte“. Dennoch werden CDU-Mitglieder dem Kundgebungsaufruf folgen, kündigt er an. „Wir sind gegen Rechtsextreme und Rechtsextremismus“, betont Voigt. Er selbst könne aus terminlichen Gründen allerdings nicht an der Kundgebung teilnehmen.

Plauener CDU-Chef zeigt sich irritiert und will dennoch Aufruf unterstützen
Auch Plauens CDU-Stadtverbands-Chef Jörg Schmidt reagierte irritiert auf den Aufruf. „Wenn wir als Demokraten gemeinsam auftreten sollen, wäre es schon schön gewesen, wenn man vorab kontaktiert worden wäre“, sagte er. Das sei bis Montagmittag ausgeblieben. Dennoch werde er am Samstag teilnehmen, weil das Anliegen der Kundgebung richtig sei, wie er sagte. Schmidt: „Wir müssen Farbe bekennen und Kante zeigen.“ (su)

Anmerkung Der Veranstalter der Kundgebung ist nicht verwandt mit dem Autor dieses Beitrages.


LVZ Mark Daniel 22.01.2024

Die größte Demo seit 1989: Diese Proteste brachten Zigtausende auf Leipzigs Straßen

Bis zu 70.000 Menschen protestierten am Sonntag in Leipzig unter dem Motto „Zusammen gegen rechts“ . Das wäre die größte Demonstration seit der Friedlichen Revolution. Stimmt das? Ein Überblick über die größten Proteste in Leipzig.

Bis zu 70 000 Menschen sollen am Sonntag in Leipzig an der Demonstration „Zusammen gegen rechts“ teilgenommen haben – einer von vielen bundesweiten Protesten, die Berichte des Recherchenetzwerks Correctiv über ein Treffen von AfD-Politikern mit Neonazis nach sich zogen.
Von der größten Demo der Stadt seit der Friedlichen Revolution – mit der Höchstzahl von 300 000 am 30. Oktober 1989 – ist die Rede. Hier ein Überblick über die größten Proteste seitdem.

1991: Gegen Arbeitslosigkeit

Die Umgestaltung der ostdeutschen Wirtschaft nach marktwirtschaftlichen Kriterien zieht die Abwicklung zahlreicher Betriebe und Entlassung des Personals nach sich, ein dramatischer wirtschaftlicher Einbruch folgt. Wut und Frustration brechen sich Bahn am 11. März 1991, über 20 000 Menschen demonstrieren gegen Arbeitslosigkeit und Sozialabbau. Zu dieser Aktion hat die IG Metall aufgerufen. Am 8. April sind es sogar 25 000, die sich auf dem Augustusplatz versammeln. Zum Gedenken an den ermordeten Treuhandchef Detlev Rohwedder wird eine Schweigeminute eingelegt.

2004: Gegen Hartz IV

Ab August 2004 gehen in Leipzig wie in vielen deutschen Städten Tausende gegen die Arbeitsmarktreformen durch das Hartz-IV-Konzept auf die Straße. Für die „Agenda 2010“ hatte Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) ankündigt, soziale Leistungen des Staates zu kürzen, um Eigenverantwortung zu fördern. Ihren Höhepunkt erreichen diese „Montagsdemonstrationen“ am 30. August mit 60 000 Menschen auf dem Augustusplatz. Dort hält der ehemalige SPD-Parteichef Oskar Lafontaine eine Rede – unter Beifall, aber auch unter Pfiffen und Eierwürfen. An den Montagen darauf sackt die Teilnehmerzahl deutlich ab.

2005/2006: Gegen Nazi-Aufmärsche

Seit Ende der 1990er versuchen Neonazis, mehrfach angeführt vom Rechtsextremen Christian Worch, am 1. Mai zum Völkerschlachtdenkmal zu marschieren. Am 1. Mai 2006 verhindern etwa 12 000 Gegendemonstranten durch Blockaden zwei Aufzüge von 500 Neonazis in der Stadt. Der weitgehend friedliche Widerstand wird überschattet von Ausschreitungen von etwa 3000 Linksextremisten, die Müllcontainer anzünden und Fensterscheiben zerstören. Jeweils am Vorabend des 1. Mai findet bis heute unter dem Motto „Courage zeigen!“ ein Konzert gegen Rassismus und Gewalt statt. 2006 kommen 20 000 Menschen. 2007 sagt Worch langfristig weitere Aktionen in Leipzig ab.

2015: Gegen „Legida“

Die Organisation Pegida, Kurzform für „Patriotische Europäer gegen die Islamisierung des Abendlandes“, verzeichnet bei den sogenannten „Spaziergängen“ in Dresden ab Dezember 2014 wöchentlich mehr als 10 000 Teilnehmer. Als „Legida“ hoffen die neurechten und rechtspopulistischen Akteure in Leipzig auf einen ähnlich großen Zustrom. Doch den etwa 4000 Protestlern stellt sich am 11. Januar 2015 eine große Gegendemonstration in den Weg: Rund 35 000 blockieren „Legida“. Anwohner beschallen bei geöffneten Fenstern die Straßen mit Beethovens „Ode an die Freude“, der Hymne Europas. Etwa zwei Jahre lang versucht „Legida“, Fuß zu fassen, gibt dann aber auf.

2019: Fürs Klima

Die Klimaschutz-Bewegung Fridays for Future verzeichnet ihre bisher größte Demonstration in Leipzig am 20. September 2019. Rund 25 000 Menschen werden gezählt, die sich dem Aufruf „Alle fürs Klima“ anschließen. 2021 werden 15 000 Teilnehmerinnen und Teilnehmer gezählt.

2020: Gegen Corona-Maßnahmen

Auf dem Leipziger Innenstadtring protestieren laut Schätzung der Initiative „Durchgezählt“ 45 000 sogenannte „Querdenker“ in Leipzig gegen Corona-Maßnahmen und die Impfpflicht. Die Behörden gehen von 20 000 Teilnehmern aus, aufseiten des Veranstalters ist von bis zu 60 000 Menschen die Rede. Darunter befinden sich gewaltbereite Hooligans und Rechtsextreme. Durch deren Unterstützung gelingt es dem Zug, eine Polizeiabsperrung zu durchbrechen. Mehrfach gerät die Lage außer Kontrolle. Die Polizei bilanziert mehr als 100 Straftaten, 140 Ordnungswidrigkeiten, dutzende Festnahmen.

 2024: Gegen AfD und Rechtsextreme

Stimmt die Zahl von 70 000 Menschen, ist „Zusammen gegen rechts“ am vergangenen Sonntag die bislang größte Demonstration in Leipzig seit 1989. Unter anderem mehrere Drohnenaufnahmen, die den Aufzug vom Markt bis zum Johannisplatz aufgezeichnet haben, würden diese Zahl sehr wahrscheinlich machen, heißt es.

Die Polizei spricht zuletzt von einer „mittleren fünfstelligen Zahl“. Einzige ähnlich stark frequentierte Aktion auf dem Augustusplatz nach der Wende war nur das Konzert „Gewalt ätzt“ am 27. März 1993 vor 70 000 Zuschauern – eine Veranstaltung gegen die Angriffe auf Migrantinnen und Migranten unter anderem in Hoyerswerda und Rostock-Lichtenhagen. Zu den Auftretenden gehörten BAP, Die Prinzen, Zöllner, Keimzeit und Konstantin Wecker.


LVZ Mathias Wöbking 22.01.2024

Leipziger Forscher sieht drei Gründe für die aktuellen Massenproteste

Warum gehen auf einmal so viele Menschen gegen die AfD auf die Straße? Was bringt die Bewegung gegen rechts und wie wird es mit ihr weitergehen? Der Leipziger Protestforscher Alexander Leistner im Interview.

Hunderttausende sind am Wochenende bundesweit auf die Straße gegangen, um gegen die AfD zu demonstrieren – unter anderem in Leipzig, Dresden, Chemnitz, Döbeln, Torgau, Görlitz, Pirna und Radeberg.

Woher kommt der Protest auf einmal? Und wird er bis zu den Landtagswahlen im September bleiben? Der Leipziger Protestforscher Alexander Leistner im Interview.

Wieso haben offenbar auf einmal so viele Menschen das Bedürfnis, ein Zeichen gegen Rechtsextremismus und die AfD zu setzen?

Mindestens drei Entwicklungen sind zusammengekommen. Erstens gibt es eine Kulisse aus Umfragen und Wahlprognosen, die als bedrohlich wahrgenommen wird. Vor den Landtagswahlen in Sachsen, Thüringen und Brandenburg kommt die AfD überall auf hohe Werte. Zweitens war die demokratische Zivilgesellschaft auf der Straße ein Stück weit in der Defensive. Vor allem im Osten: In den vergangenen Jahren fanden die meisten Protestzüge unter rechtsextremer Beteiligung statt, etwa die sogenannten Montagsspaziergänge. Zuletzt versuchte die rechtsradikale Bewegung „Freie Sachsen“, auch die Bauernproteste in Dresden zu vereinnahmen. Drittens die Correctiv-Enthüllung: Sie machte deutlich, dass Deportationsfantasien, wie sie vielleicht bereits in Texten von Björn Höcke vorkamen, in breiteren Kreisen besprochen werden.

„Viele Bürger sind besorgt – aber anders als bei Pegida“

Die AfD beansprucht immer wieder, Sprachrohr einer schweigenden Mehrheit zu sein. Gab es dadurch auch das Bedürfnis zu sagen: nicht in unserem Namen?

Das war eine Motivation, und es ist gleichzeitig ein Effekt der großen Demonstrationen. Jetzt bekommen Stimmen Raum oder nehmen ihn sich selbst, die auf der politischen Agenda kaum noch abgebildet waren. Es zeigt sich, dass viele Bürgerinnen und Bürger besorgt sind – aber anders als bei Pegida und allem, was darauf folgte. Und dass sich viele bedroht fühlen, weil sie selbst eine migrantische Familiengeschichte haben, allerdings wohl mehr in Westdeutschland.

Was bewirken die Demonstrationen?

Eine Frage ist: Wie geht die Politik damit um? In den vergangenen Jahren ist es rechtsextremen Akteuren immer besser gelungen, ihre Themen als wichtig auf die politische Agenda zu setzen. Jetzt gibt es das deutliche Signal, dass auch Menschen, die sich um die Demokratie sorgen, gehört werden wollen. Aber solche Demonstrationen haben auch eine emotionale Seite. Man darf nicht unterschätzen, was die Erkenntnis bedeutet, mit dieser Sorge nicht allein zu sein. Das hilft, Lähmung und Resignation zu überwinden.

 Am Wochenende haben die Menschen nicht nur in den größeren Städten, sondern zum Beispiel in Döbeln, Torgau, Pirna und Radeberg gegen die AfD demonstriert …

… und das ist vielleicht sogar noch wichtiger. Denn es betrifft vielfach Regionen, in denen die AfD besonders stark ist und wo die strukturell ohnehin schlechter aufgestellte Zivilgesellschaft durch das Dauerprotestgeschehen seit 2020 sehr in die Defensive geraten ist.

Deutlichere Worte im Bekannten- oder Kollegenkreis

Erreicht dieses Zeichen auch Menschen, die damit liebäugeln, im September in Sachsen und Thüringen AfD zu wählen?

Die Kernwählerschaft zeigt sich erfahrungsgemäß wenig beeindruckt. Das sind oft Menschen, die unser politisches System ganz grundsätzlich ablehnen. Doch es gibt auch Unentschiedene, die ihr Kreuz bei der AfD machen wollen, um damit zu zeigen, dass sie mit einem konkreten Thema oder mit handwerklichen Regierungsfehlern unzufrieden sind. Hier kann der Protest die Augen öffnen, was auf dem Spiel steht. Noch wichtiger könnte aber die Diskussion sein, die durch die Proteste entfacht ist.

Frischer Wind für unangenehme Gespräche mit Nachbarn oder Verwandten, die wir zuletzt lieber vermieden haben?

Genau. Für viele Bürgerinnen und Bürger war die Sorge vor der Stärke der AfD bisher vielleicht eher diffus. Die Furcht ist nun aber konkret geworden. Man findet deutlichere Worte – und das eben auch, wenn man im Bekannten- oder Kollegenkreis über die anstehenden Wahlen spricht.

„Die Frage eines AfD-Verbots stellt sich neu“

Wird der Protest bis zu den Landtagswahlen in mehr als sieben Monaten vielleicht trotzdem verpuffen?

Welche Auswirkungen die jetzigen Demonstrationen auf die Wahlen haben, ist schwer vorherzusagen. Wir sind keine Glaskugel-Wissenschaft. Es ist jedenfalls nicht damit zu rechnen, dass sich die Dynamik auf dem Niveau ungebrochen fortsetzt. Aber die Aktivierbarkeit ist wohl gestiegen: Viele Menschen wären schnell bereit, wieder auf die Straße zu gehen, sollte es neue Anlässe geben. Abgesehen von der Straße bilden sich gerade breite zivilgesellschaftliche Bündnisse, etwa in Thüringen. Auch die Frage eines AfD-Verbots stellt sich neu – egal, wie man selbst dazu steht. Die eigentliche Frage lautet ja: Wie kann sich Demokratie wehren, wenn sie bedroht ist?

Nicht jede Forderung, die etwa auf dem Leipziger Marktplatz aus den Lautsprechern drang, wird unter den Zehntausenden mehrheitsfähig gewesen sein. Wie kann es gelingen, dass der Protest so breit bleibt?

Auch die Organisatoren waren von der Menge überrascht. Sie waren in den vergangenen Jahren am Thema drangeblieben. Das ist sehr verdienstvoll, aber ihre Form des antifaschistischen Protests deckte sich am Wochenende auf einmal nicht mehr in jedem Detail mit der Meinung vieler Menschen vor ihnen. Die Bündnisse entstehen neu. In Bonn wird „Freude schöner Götterfunken“ gesungen, in Leipzig hat „Dona Nobis Pacem“ Tradition. Da ist vieles offen. Es sind Demonstrationen der Vielen, und diese Vielstimmigkeit lässt sich an den selbstgemalten Plakaten besser als an den Reden ablesen. Ich habe Leute beobachtet, die selbstbewusst entschieden: An der Stelle laufe ich nicht mit und reihe mich lieber anderswo ein, wo ich mich wohlfühle.


LVZ Jan Sternberg 22.01.2024

„Systemaufmärsche“: So reagiert die AfD auf die Demonstrationen für Demokratie

Nach den Enthüllungen über das Potsdamer Treffen ist die AfD in der Defensive. Die Welle an Kundgebungen zur Verteidigung der Demokratie lässt Politiker der teils rechtsextremen Partei zu drei unterschiedlichen Strategien greifen.

900.000 Menschen beteiligten sich nach Polizeiangaben am Wochenende an Demonstrationen für Demokratie und gegen die AfD. Auch am Montag wurde in einer Reihe von Städten demonstriert. Die AfD sieht sich in der Defensive. Ihre Vertreter und andere Rechtsextreme reagieren mit drei unterschiedlichen Strategien: Verharmlosen, Verleumden und das Schließen der eigenen Reihen.

 Verharmlosen

Der österreichische Rechtsextremist Martin Sellner, dessen in Potsdam vorgetragene Forderungen zur millionenfachen Deportation von „nicht assimilierten eingebürgerten Staatsbürgern“ der Funke zu den Massenprotesten für Demokratie waren, verweist in einem Video auf die österreichischen Erfahrungen: „Wir aus Österreich haben das alles schon durch. 1992, Lichtermeer, 300.000 Leute am Heldenplatz in Wien, damals noch gegen Jörg Haider. Das sind ganz normale Reflexe einer untergehenden Kulturhegemonie auf den Aufstieg einer echten Opposition.“ Die Demos seien „Systemaufmärsche“ wie in der untergegangenen DDR und „Sperrfeuer“ zur Vorbereitung eines AfD-Verbots.

Der AfD-Spitzenkandidat für die Europawahl, Maximilian Krah, schrieb auf dem Netzwerk X (vormals Twitter): „Vielleicht erzeugen die Demonstrationen ein Strohfeuer – vermutlich nicht mal das –, aber mehr nicht.“ Sie änderten nichts „an Deindustrialisierung, Masseneinwanderung, Verarmung der Mittelschicht, Abstieg Deutschlands und Krieg“.

Verleumden

Der rechtsextreme Thüringer AfD-Chef Björn Höcke verglich eine abendliche Leipziger Kundgebung mit Aufmärschen der Nationalsozialisten. „Man hat zwar Taschenlampen, also Handyleuchten, in den Himmel gehalten. Aber es sah so ein bisschen aus wie 1933 die Fackelmärsche der Nazis“, sagte der Geschichtslehrer Höcke. Auf seinem Telegram-Kanal sinnierte er über „Massenkundgebungen mit Jubelkomparsen“ in „totalitären Systemen“ und die Paraden in der DDR, an denen die Teilnahme „nicht ganz freiwillig“ gewesen sei. Auch heute solle mit einem „Demonstrations-Schaulaufen suggeriert werden“, dass die Mehrheit „doch hinter der Regierung steht“. Es handele sich aber ausschließlich um „Berufsdemonstranten“, die von den Protesten der Bauern und Selbständigen ablenken sollten.

AfD-Chefin Alice Weidel schrieb bei X von einer „inszenierten Medienkampagne“. Als Beleg teilte sie einen Einzelfall: In Frankfurt interviewte die ARD die Journalistin und Aktivistin Hadija Haruna-Oelker als Demoteilnehmerin und erwähnte dabei nicht, dass sie auch beim Hessischen Rundfunk arbeitet.

Mehrere AfD-Politiker, so der Europawahl-Kandidat Tomasz Froelich, teilten Bilder und Karikaturen, in denen die Demonstrierenden als Schafe dargestellt sind.

Reihen schließen

Die AfD versucht, ihre Flügelkämpfe einzustellen und ihre Reihen zu schließen. Dass Parteichefin Weidel ihren Referenten Roland Hartwig wegen dessen Teilnahme am Potsdamer Treffen ausschloss, wird intern von vielen kritisiert. Gerade die radikalsten Teile der Partei fordern jetzt einen Schulterschluss. Der Vorsitzende der AfD-Jugendorganisation Junge Alternative (JA), der Bundestagsabgeordnete Hannes Gnauck, schrieb bei X: „Keine Distanzierungen mehr. Keinen Meter zurückweichen. Sie wollen am Ende uns alle kleinkriegen.“ Er reagierte auf die Forderung von Grünen-Chef Omid Nouripour, die JA zu verbieten. Gnauck schrieb: „Sie werden die AfD nicht verbieten können. Deshalb will Nouripour das Vorfeld vom Staat zerschlagen lassen.“

Wie fest die Partei die Reihen bereits geschlossen hat, war an einem Fernsehauftritt des Hamburger AfD-Bundestagsabgeordneten Bernd Baumann zu sehen. Der Parlamentarische Geschäftsführer der Bundestagsfraktion gehörte bisher zu den bürgerlich auftretenden AfD-Kadern. Im „Bericht aus Berlin“ wurde er mit einem Video konfrontiert, in dem bayerische AfD-Landtagsabgeordnete in einer grölenden Menge in einer Disko zu sehen sind. Skandiert wird: „Deutschland den Deutschen, Ausländer raus.“ Baumann wand sich: „Die haben da Bier getrunken und alles Mögliche gemacht“, und an dem Satz sei nichts Verwerfliches. „Ausländer, wenn sie keine Schutzberechtigung haben, müssen das Land verlassen.“


LVZ Barbara Barkhausen, Gerd Höhler, Dominik Straub, Martin Dahms, Birgit Holzer, György Polgar und Susanne Ebner 22.01.2024

„Germania anti-Nazi“ – So reagiert das Ausland auf die Anti-AfD-Proteste

Wenn es um Rechtsextremismus in Deutschland geht, wird schnell auch das Ausland hellhörig. Die ausländischen Reaktionen auf die Anti-AfD-Proteste am vergangenen Wochenende reichen von Anerkennung bis hin zur Sorge.

Die Anti-AfD-Proteste erhalten viel Aufmerksamkeit, auch über die deutschen Staatsgrenzen hinaus. Unsere Korrespondenten aus Europa und Australien erzählen, wie Menschen und Medien vor Ort reagierten.

 „Germania anti-Nazi“

Die Massendemonstrationen in Deutschland gegen Rechtsextremismus und gegen die AfD blieben auch in Italien nicht unbeachtet. „Germania anti-Nazi“, also „Anti-Nazi-Deutschland“, titelte die Turiner Zeitung „La Stampa“ am Montag auf der Frontseite, mit einem Bild von Demonstrantinnen und Demonstranten in Berlin. Auch alle anderen großen Medien berichteten ausführlich über die Kundgebungen. Betont wird in allen Berichten, dass es sich um einen parteiübergreifenden Protest handle – um eine „onda democratica“, eine „demokratische Welle“, wie die Römer „La Repubblica“ schrieb. Das große Interesse an den deutschen Kundgebungen in Italien dürfte – zumindest teilweise – auch daran liegen, dass rechtsextreme Umtriebe im eigenen Land derzeit sehr viel weniger Reaktionen der Behörden und der Regierung auslösen als in Deutschland: Als vor zwei Wochen in Rom 1000 Neofaschistinnen und Neofaschisten aufmarschierten, schritt die Polizei nicht ein, und Ministerpräsidentin Giorgia Meloni blieb stumm. Das hat viele Italienerinnen und Italiener irritiert. Die Rechtsregierung in Rom hat auch die Massendemonstrationen in Deutschland nicht kommentiert.

In Griechenland wird an Deutschlands Stärke gezweifelt

In der Schuldenkrise galt Griechenland den Deutschen als das Sorgenkind Europas. Jetzt sind es die Griechen, die sich Sorgen um Deutschland machen. Das Erstarken der AfD, das Treffen im Gästehaus in Potsdam, bei dem Pläne zu Massendeportationen geschmiedet wurden, und nun die Massendemonstrationen gegen den Rechtsextremismus in deutschen Städten – das alles wird in Griechenland sehr genau wahrgenommen.

Anfangs dominierte die Sorge, das schwächelnde Deutschland werde ganz Europa in eine Rezession mitreißen. „Europas Wirtschaftslokomotive entgleist“, schrieb die Wirtschaftszeitung „Naftemporiki“. Nun wächst die Furcht vor politischer Instabilität in Deutschland: Eine zerstrittene Koalition, ein Kanzler, dessen Partei bei der Sonntagsfrage nur noch auf 13 Prozent kommt, die rechtsextreme AfD mit 22 Prozent als zweitstärkste politische Kraft nach der Union – viele in Griechenland fragen: Kann dieses Deutschland seine Rolle in Europa überhaupt noch wahrnehmen?

Britische Medien sehen „explosive“ Debatte

Die Deutschen interessieren sich in der Regel mehr für die Briten als umgekehrt. Die Großdemonstrationen gegen rechts in zahlreichen Städten der Bundesrepublik fanden jedoch auch auf der Insel Beachtung und wurden am Wochenende unter anderem von der BBC und der Tageszeitung „The Guardian“ aufgegriffen. Britische Medien zeigten Bilder der Menschenmassen etwa in Berlin, Hannover oder München und betonten, dass Deutschland vor einer möglicherweise „explosiven“ Debatte über ein Verbot der Alternative für Deutschland (AfD) stehe. Auch das Interview der AfD-Fraktionschefin Alice Weidel mit der „Financial Times“ sorgte auf der Insel am Montag für Aufmerksamkeit. Darin brachte sie ein Referendum über die EU‑Mitgliedschaft nach britischem Vorbild ins Spiel und sagte, der Brexit sei absolut richtig gewesen.

In Australien bemerkte man Proteste – obwohl Europa sonst unter dem Radar bleibt

Obwohl in Australien europäische Politik nur in seltenen Fällen behandelt wird – mit Ausnahme der britischen Politik –, gab es durchaus einige (wenige) Berichte über die Proteste gegen rechts in Deutschland. Allerdings wurde die Nachricht bei den meisten Medien eher als eine von vielen behandelt. Die australische Ausgabe des „Guardian“ hatte einen Bericht, den Mitarbeiter mit Unterstützung der Agence France Press geschrieben hatten, die führende Tageszeitung „Sydney Morning Herald“ arbeitete mit einem Bericht der Agentur AP. In Letzterem hieß es, dass Größe und Ausmaß der Proteste „bemerkenswert“ seien, obwohl es in den vergangenen Jahren auch schon andere Proteste gegen die extreme Rechte gegeben habe. „Die große Beteiligung in ganz Deutschland hat gezeigt, wie diese Proteste den Widerstand der Bevölkerung gegen die AfD auf neue Weise mobilisieren.“ Der internationale Sender SBS sprach das Thema in seinem morgendlichen „Bulletin“ immerhin an zweiter Stelle an – gleich nach dem Zyklon, der noch diese Woche die Ostküste Australiens treffen soll, und noch vor Nachrichten über die Australian Open, die derzeit die australische Sportwelt beherrschen.

Spanien ist mit sich selbst beschäftigt

Die Demonstrationen in Deutschland gegen die AfD sind ein Thema in Spanien, aber kein großes, denn das Land hat seine eigenen Sorgen. Bemerkenswert ist ein längerer Artikel vom Sonntag in „El Mundo“, der sehr aufgeregt beginnt: „Deutschland läuft Gefahr, in die Hände der extremen Rechten zu fallen und seine dunkelste Vergangenheit wieder aufleben zu lassen“ – um seine Leser ein paar Zeilen später zu beruhigen: „Die deutsche politische Szene hat nichts mit den 1930er-Jahren zu tun.“ Für „La Vanguardia“ sind die Protestmärsche ein Zeichen „nationaler Empörung“: „Die Deutschen sind auf die Straße gegangen.“ „El Confidencial“ fallen in der deutschen Debatte die Worte des spanischen Trainers von Bayer Leverkusen, Xabi Alonso, auf: „Ich bin hier nach Deutschland gekommen, um das Beste von mir mitzubringen und mich in die Gesellschaft einzupassen, so wie viele Leute aus aller Welt.“

Anerkennung aus Frankreich

Auch die Deutschen seien zu „Monster-Kundgebungen“ in der Lage – das stellten die französischen Medien nach diesem Wochenende anerkennend fest. Sonst gelten die Nachbarn als weniger demonstrier-freudig als die Menschen in Frankreich. Dort wird der Aufstieg der AfD in den Umfragen beim Nachbarn durchaus mit Sorge wahrgenommen, während der rechtsextreme Rassemblement National (RN) längst ein Dauerhoch in der Wählergunst erreicht hat. Der RN dringt derart in die gesellschaftliche Mitte vor, dass man sich an die guten Beliebtheitswerte und Wahlergebnisse gewöhnt hat. Zu Demonstrationen gegen dessen Vormarsch kurz vor der Präsidentschaftswahl im Frühjahr 2022, bei der Marine Le Pen die zweite Runde erreicht hatte, gingen landesweit nur rund 22.000 Menschen auf die Straße. Das war 2002 noch anders, als ihr Vater Jean-Marie Le Pen überraschend in die Stichwahl gegen Jacques Chirac gelangte. 1,3 Millionen Menschen protestierten damals gegen den Rechtsextremen – fast so viele wie nun in Deutschland.

Kein Kommentar aus Ungarn

Die nationalkonservative ungarische Regierung ist für ihre strikte Antieinwanderungspolitik bekannt und steht der AfD in vielen Fragen nahe. Bei Problemen, die mit der liberalen Migrationspolitik in Verbindung gebracht werden können, wird immer wieder die EU oder bevorzugt Deutschland angeprangert. Interessanterweise hat sich bisher niemand aus Regierungskreisen zu den Demonstrationen geäußert.

Die Medien – sowohl die regierungsnahen als auch die unabhängigen – haben bisher nur sachlich über Fakten, wie die wachsende Zustimmung zur AfD, die von rechtsextremen Kreisen gewollte „Remigration“ oder die beeindruckende Zahl der Demonstranten berichtet.

Vielmehr beschäftigen die ungarische Bevölkerung die brennenden Probleme, die sie am eigenen Leibe spürt, allen voran die unerträglich hohe Inflation oder die staatliche Vetternwirtschaft und Korruption.

In den USA berichten konservative und liberale Medien gleichermaßen

Von der linksliberalen „New York Times“ (NYT) bis hin zum konservativen Sender Fox News – die Anti-AfD-Proteste kamen in den US‑amerikanischen Medien vor. Während zahlreiche Medien ihre Berichte kurz hielten, brachte die „NYT“ eine ausführliche Analyse. Die Warnungen deutscher Politikerinnen und Politiker vor dem Rechtsextremismus hätten seit dem Potsdam-Treffen neue Dringlichkeit erreicht. Die wachsende Zustimmung für die AfD führe in ein Dilemma. Ein Verbot könne das Vertrauen der AfD-Sympathisanten in das politische System weiter schwächen. Gleichzeitig gibt es eine starke Unterstützung und gute Argumente für ein Verbot.

Auf CNN wird die Ähnlichkeit des Potsdam-Treffens zur Nazi-Zeit betont. Viele Deutsche fänden es gerade jetzt sehr wichtig, gegen die AfD aufzustehen, weil die Partei in Wahlumfragen Rekordwerte verzeichnet.


LVZ Andreas Debski, Mark Daniel und Christiane Raatz 22.01.2024

Protest gegen Rechtsextremismus – Sachsen startet Kampagne für mehr Bürgerbeteiligung

In Leipzig sollen nach der größten politischen Demonstration seit 1989 die Proteste in der kommenden Woche fortgesetzt werden. Sachsen startete außerdem eine Kampagne für mehr Bürgerbeteiligung.

Nach den Demonstrationen gegen Rechtsextremismus und die AfD in Leipzig, Dresden und weiteren Orten am Sonntag planen die Veranstalter bereits die nächsten Kundgebungen. Am 30. Januar jährt sich die Ernennung Adolf Hitlers zum Reichskanzler 1933 – und damit die Machtübernahme der Nazis. „Wir verweisen auf die Historie, um auf dem Augustusplatz vor deren Wiederholung zu warnen“, sagte die Sprecherin von „Leipzig nimmt Platz“, Irena Rudolph-Kokot.

Auch zum diesjährigen Gedenken der Zerstörung der Stadt im Zweiten Weltkrieg am 13. Februar 1945 will Dresden mit einer Menschenkette eine klare Friedensbotschaft in die Welt senden. Sie sei „das deutlich sichtbare Signal, dass wir wachsam sind und gemeinsam Verantwortung für das Bewahren von Freiheit, Toleranz und Menschenwürde übernehmen“, sagte die Rektorin der Technischen Universität Dresden, Ursula M. Staudinger.

Größte Demo in Leipzig seit 1989

Rückenwind fühlen die Organisatoren aus zwei Gründen. Der Sonntag habe gezeigt, dass der Zivilgesellschaft die Dringlichkeit klar geworden sei, Zeichen gegen Nazis zu setzen. In Leipzig hatten sich den Veranstaltern zufolge rund 60 000 Menschen an den Protesten beteiligt. Nach der Auswertung von Drohnenaufnahmen sprachen sie am Montag sogar von 70 000 Demonstrierenden. Mehr Menschen sind in Leipzig seit den Montagskundgebungen 1989 nicht mehr für politische Ziele auf der Straße gegangen. Die Polizei legte sich nicht genau fest und sprach von einer fünfstelligen Teilnehmerzahl.

„Es tut sehr gut, viele Hunderttausende in Deutschland zu sehen, die für Freiheit, Demokratie und Rechtsstaatlichkeit demonstrieren – und die diesen Rechtsextremisten zeigen: Wir sind die Mehrheit in diesem Land. Es ist ein gemeinsames Zeichen, dass wir zusammenhalten und dass das Gemeinsame viel wichtiger als das Trennende ist“, sagte Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) am Sonntag in Görlitz. Und Sachsens SPD-Generalsekretär Henning Homann betonte: „Die Zeit taktischer Spielchen, die Zeit des stillen Beobachtens, die Zeit des bequemen Protestes ist vorbei.“

Sachsen mit Kampagne für Bürgerbeteiligung

Der Freistaat will mit einer am Montag gestarteten Kampagne für mehr Bürgerbeteiligung die Demokratie stärken. „Wir brauchen wieder mehr Miteinander, sonst ist unsere Demokratie in Gefahr. Diese Bedrohung müssen wir mit allen Mitteln abwenden“, sagte Justizministerin Katja Meier (Grüne). Es gehe darum, sich antidemokratischen Bestrebungen klar und entschieden entgegenzustellen und zu verhindern, dass legitime Proteste und Kritik unterwandert und missbraucht werden. „Wir wollen die Zivilgesellschaft stärken und den Sächsinnen und Sachsen mehr Mitsprache vor Ort ermöglichen.“

Meier zufolge soll die Kampagne „ein Gegenangebot zu Stimmungsmache, Desinformation und Populismus“ sein. „Wir informieren, befähigen, laden zum Mitmachen ein und würdigen gelungene Projekte – überall in Sachsen, besonders in Kommunen und kleineren Gemeinden.“ Ziel sei es, vor Ort einen konstruktiven Dialog zu fördern und gemeinsam demokratische Lösungen finden.

Sachsens Wirtschaft fürchtet Imageschaden

Die sächsische Wirtschaft fürchtet angesichts der jüngsten Umfrageergebnisse für die AfD einen Imageschaden für Sachsen. „Wir müssen daran denken, dass wir auf die besten Köpfe weltweit angewiesen sind – sowohl in der Wissenschaft als auch in der Industrie und im Handwerk“, sagte die stellvertretende Sprecherin des Vereins Wirtschaft für ein weltoffenes Sachsen, Sylvia Pfefferkorn. Es werde zunehmend schwieriger, Menschen für Sachsen als Lebens- und Arbeitsort zu begeistern und davon zu überzeugen, „dass die Sachsen durchaus gastfreundliche Menschen sind.“ Dem Verein gehören rund 100 Unternehmen an, darunter etwa Industrie- und Handelskammern, der Chiphersteller Infineon, VW Sachsen, die Mitteldeutsche Flughäfen AG oder Sachsen Energie.

Zahlreiche Unternehmen schauten „sehr vorsichtig“ in das Wahljahr 2024, so Pfefferkorn. Verlässliche politische Rahmenbedingungen seien wichtig. „Einige Unternehmen sagen uns, dass sie überlegen, ihren Sitz woanders hinzuverlegen. Das ist eine Gefahr, die den Wohlstand in Sachsen durchaus gefährdet“, so Pfefferkorn. Gerade die geplanten Erweiterungen und Neuansiedlungen etwa in der Halbleiterindustrie können nach Einschätzung des Vereins nicht ohne internationale Fachkräfte und eine entsprechende Willkommenskultur realisiert werden.


LVZ Mark Daniel 21.01.2024

„Fühlt sich an wie 1989“: Gut 60.000 demonstrieren in Leipzig gegen Rechtsextremisten und AfD

Mehrere Zehntausend Menschen haben sich am Sonntag an der Demonstration „Zusammen gegen rechts“ im Leipziger Zentrum beteiligt. Einigkeit herrschte im Protest gegen AfD und Rechtsextremisten. Doch bei den Redebeiträgen gab es Unmut.

Ein Teilnehmer ist sichtlich berührt. „Das fühlt sich an wie der 9. Oktober 1989“, sagt der Mann, der am frühen Sonntagabend auf die Abschlusskundgebung der Demonstration „Zusammen gegen rechts“ wartet. Hier, am Johannisplatz, endete der wohl größte Leipziger Protest seit dem Mauerfall: Die Polizei vermutete eine mittlere fünfstellige Teilnehmerzahl, von mindestens 60.000 sprachen die Veranstalter.

Der geographische Ausgangspunkt war der Markt, der emotionale waren die Berichte des Recherchenetzwerks Correctiv über ein Treffen von AfD-Politikern mit Neonazis und die Erwägungen zur Vertreibung von Deutschen mit ausländischen Wurzeln. Schon vor Beginn kurz nach 15 Uhr wurde deutlich, dass diese Demonstration eine andere Dynamik und großen Zuspruch aus der Zivilgesellschaft erhalten würde: Die Straßenbahnen auf dem Weg ins Zentrum waren so verstopft, dass viele den Weg zu Fuß nahmen.

Plakat-Wald mit vielen Appellen

Der Markt vor dem Alten Rathaus war schnell voll, auch in den angrenzenden Einkaufsstraßen drängelten sich die Menschen. Ein Plakat-Wald aus Bekenntnissen und Appellen wogte über den Köpfen: „Der Regenbogen hat kein Braun“, „Wir sind AfD-negativ“ oder „Nazis raus, Liebe rein“.

Bürgerrechtlerin Gesine Oltmanns sprach für die Stiftung Friedliche Revolution und von damals, von 1989 und den Errungenschaften der Demokratie. „Die lassen wir uns nicht von krakeelenden Faschisten und Nazis zerstören.“ Ausdrücklich bedankte sie sich „bei den jungen Aktivistinnen und Aktivisten, die sich schon seit Langem gegen rechts engagieren und von der Stadtgesellschaft allein gelassen wurden“. Das dürfe nicht mehr passieren.

„Es ist zum Kotzen“

Beklatscht wurden auch Beiträge von Ex-Thomaskirchenpfarrer Christian Wolff („Wir haben es in der Hand, dass die Rechten in die Schranken gewiesen werden“) und Oberbürgermeister Burkhard Jung (SPD), der rassistische Zitate von AfD-Politikern verlas und kommentierte: „Hierzu fällt mir nichts ein außer: Es ist zum Kotzen!“

Die Ansage der beiden Moderatorinnen, Kritik an Parteien und Regierungsentscheidungen sollten an diesem Tag keinen Platz haben, befolgten nicht alle, die das Mikrofon bekamen. Zu ihnen gehörte die Vertreterin der Initiative „Eltern gegen Polizeigewalt“. Sie sprach dem OBM das Recht ab, bei der Demo zu reden, denn die sei von Menschen organisiert worden, die er bei der linken „Tag X“-Kundgebung im Juni 2023 als „durchgeknallte Straffällige“ bezeichnet habe. Jung trete nur wegen der diesjährigen Kommunalwahlen vor die Menge. Dafür kassierte die Rednerin „Buh“- und „Aufhören“-Rufe.

„Wunderbar, welches Signal von Leipzig ausgeht“

Wegen der enormen Zahl von Teilnehmerinnen und Teilnehmern setzte sich der geplante Protestmarsch bereits vor dem Ende aller geplanten Beiträge in Bewegung, darunter auch Sachsens Sozialministerin Petra Köpping (SPD) und der stellvertretende Ministerpräsident Wolfram Günther (Grüne). „Es ist mal wieder wunderbar, welches Signal von Leipzig ausgeht“, sagte Köpping, und Günther machte dieser Nachmittag „richtig Mut. Dieses Engagement für eine demokratische, vielfältige Gesellschaft muss jetzt weitergehen.“

Von Höhe der Thomaskirche aus bewegten sich die Massen Richtung Hauptbahnhof und weiter Richtung Augustusplatz – der Schnittstelle zweier unterschiedlicher Welten: Während an und auf der Open-Air-Schlittschuhbahn der „Eistraum“ gefeiert wurde, bewegte sich die Demo-Spitze mit „Alerta Antifascista“-Rufen den Georgiring hoch.

Zug wird zum Johannisplatz umgeleitet

Weil dort, am ursprünglichen Endpunkt der Demo, wegen des Andrangs die Fläche zu klein war, leitete die Polizei den Zug zum Johannisplatz um. Und obwohl einige am Ring ihre Teilnahme beendeten, sammelten sich an der Kreuzung vor dem Grassimuseum viele Tausende. Unter anderem Dominik Brähler. „Ich finde es wunderbar, dass diese Bewegung auch aus der Bürgerschaft kommt und Menschen aus allen Generationen ein Zeichen setzen“, sagte der 56-jährige Leipziger.

Als der Johannisplatz längst überfüllt war, waren noch nicht alle Teilnehmer vom Leipziger Markt auf dem Demo-Weg. Die Polizei verzeichnete wenig Zwischenfälle, ermittelt jedoch wegen des Abbrennens von Pyrotechnik und zu einem Verstoß gegen das Versammlungsgesetz. Außerdem wurde bekannt, dass kurz vor 17 Uhr ein Auto in Höhe der Bosestraße den Aufzug durchfahren haben soll. Verletzt wurde offenbar niemand. Es besteht der Verdacht einer Verkehrsstraftat.

Rudolph-Kokot glücklich über enormen Zuspruch

Schon während des Gangs um den Ring zeigte sich Irena Rudolph-Kokot (SPD), Sprecherin des mitveranstaltenden Bündnisses „Leipzig nimmt Platz“, glücklich über den enormen Zuspruch. „Das sind sogar mehr als beim großen Protest der Bevölkerung gegen Legida 2015, als 30.000 gegen rechts auf die Straße gingen.“

Zuvor hatte Rudolph-Kokot die Erwartungen noch gebremst und nicht unbedingt mit mehr als den 10 .000 Menschen gerechnet, die am vergangenen Montag in Leipzig demonstriert hatten. Im Vorfeld der Demo am Sonntag hatten auch mehrere Stadtratsfraktionen, Kirchen und Verbände zur Teilnahme aufgerufen. In anderen sächsischen und deutschen Städten setzten Menschen ebenfalls ein Zeichen gegen Rechtsextremismus und die AfD.


Polizeidirektion Leipzig 21.01.2024

Die Polizeidirektion Leipzig führte heute mit Unterstützung der sächsischen Bereitschaftspolizei einen Einsatz zur Absicherung von angezeigten Versammlungen im Bereich der Leipziger Innenstadt sowie in Torgau durch.

Gegen 14:30 Uhr sammelten sich etwa 30 Teilnehmende einer Versammlung unter dem Motto „Angriffe auf Rojava Kampf dem Faschismus überall“ auf dem Kleinen Willy-Brandt-Platz. Nach der Auftaktkundgebung lief die Versammlung als Aufzug über die Nikolaistraße und Grimmaische Straße bis zum Marktplatz.

Teilnehmende der Kundgebung schlossen sich nachfolgend einer angezeigten Versammlung des Bündnisses „Leipzig nimmt Platz“ unter dem Motto „Zusammen gegen Rechts!“ an. Diese startete als Aufzug gegen 16:10 Uhr mit einer Teilnehmerzahl im mittleren fünfstelligen Bereich und lief auf der beschiedenen Strecke um den Leipziger Innenstadtring. Da die Zahl der Teilnehmenden bereits vor Versammlungsbeginn deutlich die angezeigte Teilnehmerzahl überschritt, wurde der Ort der Abschlusskundgebung auf den Bereich zwischen dem Johannisplatz und Grimmaischen Steinweg erweitert.

Die Spitze des Aufzugs erreichte gegen 16:45 Uhr den Ort der Abschlusskundgebung, während sich noch immer zahlreiche Versammlungsteilnehmer am Ausgangspunkt befanden. Die letzten Teilnehmenden erreichten den Johannisplatz gegen 17:45 Uhr, wo die Versammlung gegen 18:30 Uhr durch die Versammlungsleitung beendet wurde.

Während der Abschlusskundgebung wurde gegen 18:00 Uhr eine Spontanversammlung mit Aufzug bei der Versammlungsbehörde angezeigt und genehmigt. Diese startete gegen 18:30 Uhr unter dem Motto: „Zurück nach Hause“ mit etwa 40 Teilnehmenden und lief über die Nürnberger Straße, Richard-Lehmann-Straße bis zum Connewitzer Kreuz. Um 19:10 Uhr wurde die Versammlung ohne Vorkommnisse beendet.

An der Versammlung „Zusammen gegen Rechts“ in Torgau nahmen in dem Zeitraum von 15:00 Uhr bis 16:15 Uhr etwa 300 Personen teil. Alle Versammlungen verliefen friedlich.

Im Zusammenhang mit dem Versammlungsgeschehen wurden unter anderem Ermittlungsverfahren wegen des Abbrennens von Pyrotechnik sowie wegen eines Verstoßes gegen das Versammlungsgesetz eingeleitet. Darüber hinaus wurde bekannt, dass gegen 16:55 Uhr ein Pkw in Höhe der Bosestraße den Aufzug durchfahren haben soll. Verletzt wurde nach bisherigen Erkenntnissen niemand. In diesem Zusammenhang wurden Ermittlungen wegen des Verdachts einer Verkehrsstraftat aufgenommen.

Insgesamt waren etwa 140 Kräfte im Einsatz.


LVZ Hannah Suppa 21.01.2024

Auf Leipzig ist Verlass

Leipzig hat am Sonntag eine der größten Demonstrationen seit 1989 auf die Straße gebracht – und sich damit bundesweit in die Großproteste eingereiht, um sich gegen Rechtsextremismus zu stellen. Dabei hat der Protest die breite Bevölkerung erreicht, meint LVZ-Chefredakteurin Hannah Suppa.

Mit Leipzig war zu rechnen – natürlich. Wenn bundesweit Hunderttausende Menschen auf die Straßen gehen, um gegen Rechtsextremismus zu demonstrieren, wenn in Dutzenden Städten die breite Gesellschaft zusammenkommt, um zu zeigen, dass rassistisches Gedankengut nicht die Mehrheit hat – dann produziert natürlich auch die Stadt der Friedlichen Revolution eindrucksvolle Bilder: bunte Plakate für die Demokratie, ein übervoller Markt, überfüllte Bahnen und Nebenstraßen. Die größte Demonstration in der Stadt – vielleicht sogar seit 1989.

Es geht in diesen Tagen eine Kraft von Deutschland aus, die durch bloße Präsenz ausgestrahlt wird: Es gibt mehr Menschen in diesem Land, die für die Demokratie und ihre Werte einstehen, als Menschen, die sie bekämpfen. Was für eine wichtige Botschaft! Losgetreten durch die journalistischen Recherchen von Correctiv.

Ein wichtiges Signal im Jahr von Kommunal- und Landtagswahlen
Auch in Leipzig, wo Bündnisse wie „Leipzig nimmt Platz“ regelmäßig gegen Rechtsextremismus auf die Straße gehen, waren mehr Menschen motiviert, sich einzubringen als zuvor. Ein wichtiges Signal im Jahr der Kommunal- und der Landtagswahl in Sachsen. Es braucht die Breite der Gesellschaft für den Ruck gegen erstarkendes rechtes Gedankengut.

Unnötig und deplatziert wirkte es da, dass die Gruppe „Eltern gegen Polizeigewalt“ auf den „Tag X“ referenzierte und dem Oberbürgermeister Wahltaktik vorwarf, weil er auf der größten Demonstration der letzten Jahre in seiner Stadt spricht. Oder dass Parteipolitik keinen Platz haben sollte und dann doch zahlreiche Redner konkrete politische Entscheidungen und Parteien im demokratischen Spektrum kritisierten.

Die Proteste in Leipzig, Dresden, Görlitz, München, Hamburg oder Köln dürfen nicht bloße Bilder bleiben: Es gilt, die Werte des Grundgesetzes auch am Tag nach der Großdemo zu leben und dahinter zu stehen, auch wenn es kompliziert wird. In Diskussionen im Kleinen den Mut zu haben, sich entgegenzustellen. Und für Miteinander, Gemeinwohl und Menschlichkeit einzutreten in den kleinen Entscheidungen des Alltags. Spätestens bei den Wahlen.


LVZ Matthias Schwarzer 21.01.2024

Wie Björn Höcke die Demos gegen rechts mit Desinformationen kleiner machen

will

Hunderttausende Menschen sind in den vergangenen Tagen gegen Rechtsextremismus auf die Straßen gegangen. In den sozialen Netzwerken versuchen Akteure nun, die Teilnehmerzahlen in Zweifel zu ziehen. Dafür nutzen sie mitunter irreführende Fotos.

Nach den Demonstrationen gegen Rechtsextremismus mit deutschlandweit etwa 300.000 Teilnehmenden hat in den sozialen Medien ein Kampf um die Deutung der Proteste begonnen. AfD-Politiker und ihre Anhängerinnen und Anhänger ziehen in Dutzenden Social-Media-Beiträgen die Teilnehmerzahlen der Demonstrationen in Zweifel. Genutzt werden dafür mitunter irreführende Fotos.

In einem prominenten Beispiel geht es um die Demonstration in Hamburg, zu der laut der Organisatoren am Freitag etwa 80.000 Menschen gekommen waren. Blogger und Internetpersönlichkeiten der rechten Szene stellen in Posts zwei verschiedene Bilder des Hamburger Jungfernstiegs gegenüber – das eine wurde vom Hamburger Senat auf der Plattform X gepostet, das andere vom ZDF. Auf der Collage rot eingekringelt ist eine Auffälligkeit: Auf dem Senatsfoto sieht man am linken Bildrand das Wasser der Alster, auf dem ZDF-Foto sieht man dort nur eine Menschenmasse.

Die Akteure drehen auf X daraus nun eine Verschwörungstheorie: Die Alster sei wegretuschiert worden, stattdessen seien Menschenmassen per Photoshop ins Bild gezaubert worden, so der Vorwurf. Die Erzählung ist auch zum Thüringer AfD-Chef Björn Höcke vorgedrungen: Er postete das Bild am Samstag auf X mit der spöttischen Textzeile: „Die Demonstration in Hamburg war lauf ZDF so überfüllt, daß die Menschen sogar in der Alster stehen mussten …“ In der Bildüberschrift spricht Höcke von „Bildmanipulationen“ und fragt Medien: „Warum haben sie das nötig?“

Ein Bild, zwei Perspektiven

Tatsächlich wird auf den zweiten Blick schnell klar, warum sich die beiden Fotos so unterscheiden – und warum auf dem ZDF-Foto die Alster nicht sichtbar ist: Die Bilder wurden aus verschiedenen Blickwinkeln aufgenommen. Das Senatsfoto wurde hoch oben in der Luft geschossen, das ZDF-Bild deutlich näher am Boden. Die Menschenmasse wirkt auf letzterem Foto dadurch gewaltiger, breiter – und die Alster am linken Bildrand ist wegen der Perspektive kaum zu erkennen.

Die Urheberin des ZDF-Fotos, die Nachrichtenagentur dpa, hatte am Samstag unmittelbar auf den Höcke-Beitrag reagiert. „Es handelt sich bei dem von @ZDFheute veröffentlichten Bild um ein Original-@dpa-Foto, an dem selbstverständlich nichts manipuliert wurde“, schrieben die Journalistinnen und Journalisten auf X.

Gelöscht oder korrigiert wurde der Beitrag des Thüringer AfD-Chefs seither nicht. Auf eine Anfrage des RedaktionsNetzwerks Deutschland (RND), ob dies noch geplant sei, antwortete Höcke am Sonntag zunächst nicht. Verbreitet wurde die Desinformation auch von anderen AfD-Politikern, darunter etwa der ehemalige Fraktionsvorsitzende im Berliner Abgeordnetenhaus Georg Pazderski.

Angebliche „Fakes“ sind schnell erklärbar

Von Posts dieser Art sind derzeit mehrere im Umlauf. In einem oft geteilten Beitrag etwa behaupten User, auf einer Luftaufnahme aus Münster seien Hinweise auf Manipulationen zu erkennen. Der Urheber des Bildes erklärte die auffälligen Bildartefakte später auf X mit einem technischen Problem: Er habe ein Panoramabild in Photoshop erstellen wollen und dieses mit vier einzelnen Bildern gefüttert – das Programm habe dann „Murks“ gemacht. Der Domplatz in Münster war am Freitag aber tatsächlich sehr voll: 20.000 Menschen kamen nach Angaben der Polizei.

In einem anderen Post behauptet ein User, das Foto eines Instagram-Fotografen aus Köln sei in Wirklichkeit mit KI erstellt worden. Der Grund: Auf dem Bild sei mitten im Winter ein grüner Baum zu sehen. Tatsächlich hatte der Fotograf auf seinem Instagram-Account nicht nur Fotos, sondern auch eine Videoaufnahme geteilt. Sie zeigt: Auf dem Heumarkt waren am Dienstag tatsächlich sehr viele Menschen – nach offiziellen Angaben der Polizei kamen rund 30.000. Der Baum auf dem Foto trägt derweil gar keine Blätter – er wird nur durch grüne Beleuchtung angestrahlt.

Eine weitere oft verbreitete Szene zeigt wieder den Jungfernstieg in Hamburg. Auf der Collage eines Bloggers sind zwei Bilder gegenübergestellt. Das obere zeigt den Jungfernstieg mit relativ wenigen Menschen, das untere einen angeblichen Fake mit vielen Menschen. Als vermeintlichen Beweis führt der Nutzer an, dass das Eis auf der Alster im zweiten Bild nicht mehr sichtbar sei, im ersten aber schon. Bei dem vermeintlichen Fake-Foto handelt es sich einmal mehr um das Foto des Hamburger Senats. Die Herkunft des ersten Bildes ist nicht ganz klar. Vieles spricht aber dafür, dass es zu einem früheren Zeitpunkt aufgenommen wurde – und das Eis zwischenzeitlich geschmolzen ist.

X hat ein Problem mit Desinformationen

Gezielte Desinformationen in den sozialen Medien haben sich in den vergangenen Jahren zu einem immer größer werdenden Problem entwickelt. Auch der Verfassungsschutz warnt inzwischen davor. Der frühere Niedersächsische Verfassungsschutzpräsident Bernhard Witthaut sieht in Fake News eine zentrale Herausforderung für die Sicherheitsbehörden und nannte 2022 gegenüber der dpa mitunter Rechtsextremisten, die sogenannte „Querdenker“-Szene, aber auch Russland als Akteure. Das Land setzt Desinformationen auch zur hybriden Kriegsführung ein, um Gesellschaften und das politische System zu destabilisieren.

Insbesondere die Plattform X war nach der Übernahme durch den Techmilliardär Elon Musk wegen immer neuer Fälle von Desinformation in die Kritik geraten. Die EU‑Kommission hatte den Dienst im Oktober wegen der Verbreitung von Falschinformationen im Zusammenhang mit dem Krieg zwischen Israel und der Hamas verwarnt, später leitete sie ein Verfahren wegen der „Verbreitung illegaler Inhalte“ ein.

Ob die Plattform X gegen die irreführenden Fotos zu den deutschen Demos vorgehen will, bleibt unklar. Auf eine Anfrage des RND verschickte der Dienst am Sonntag nur eine automatische Antwort: „Busy now, please check back later“ – „Im Moment beschäftigt, bitte versuchen Sie es später.“


LVZ Denise Peikert 21.01.2024

„Diese Menge ist heilend“: Was Menschen zum Protest gegen die AfD auf die

Straße treibt

Viele Tausend Menschen haben am Sonntag in Leipzig gegen Rechtsextremismus und die AfD demonstriert. Wir haben einige gefragt, warum sie dabei sind.

Im ganzen Land sind seit der vergangenen Woche Zehntausende Menschen gegen Rechtsextremismus auf die Straße gegangen. Anlass der Protestwelle waren Recherchen zu einem Treffen der AfD mit Rechtsextremen, auf dem es auch um Pläne gegangen war, wie Ausländer und Deutsche mit Migrationshintergrund aus dem Land vertrieben werden können.

Viele Menschen, die am Sonntag in Leipzig unterwegs waren, treiben aber auch andere Dinge an, jetzt auf die Straße zu gehen.

Rosalie Pfirschke (25), Ärztin

„Meine Meinung zur AfD steht schon lange fest – heute trage ich sie zum ersten Mal auf eine Demo. Ich möchte zeigen, dass ich mit dem politischen Einfluss der Partei nicht einverstanden bin. Bei den Umfragen vor der Landtagswahl in Sachsen könnte man denken, man sei alleine damit. Aber hier sieht man, dass das nicht so ist.“

Martin Abbrent (39) mit Hermine (7)

„Es fühlt sich richtig an, mit und für meine Familie hier dabei zu sein. Eigentlich haben zuletzt eher Klimafragen unseren Protest geprägt. Die bleiben weiter wichtig – aber mindestens genauso wichtig ist es, gegen den Rechtsruck aufzustehen. Und wahrscheinlich hat das eine auch etwas mit dem anderen zu tun.“

Gloria-Brigitte Brinkmann (79), Rentnerin

„Ich war immer ein politischer Mensch, habe schon in den Achtzigern gegen Atomkraft demonstriert. Seit zehn Jahren lebe ich in Leipzig – weil es eine schöne Stadt ist, aber auch, weil die Menschen hier 1989 gerufen haben ,Wir sind das Volk!‘ – ein kraftvoller Satz, der heute oft missbraucht wird. Dagegen müssen wir aufstehen.“

Familie Eyle

„In den vergangenen Jahren hat man vor allem rechte Kräfte auf den Straßen gesehen. Wir sind heute hier, um zu zeigen, dass die nicht in der Mehrheit sind. Nach den Recherchen zu den Abschiebeplänen der AfD ist das auch dringend nötig. Wir wollen ein weltoffenes Deutschland und eine demokratische Zukunft, auch für unsere Kinder.“

Matthias Schwarzmüller (69), Rentner

„Ich bin 1989 auf die Straße gegangen und war bei den Demonstrationen gegen den Irak-Krieg dabei. Jetzt sind die Zeiten so, dass man wieder gehen muss. Es motiviert mich, dass so viele da sind, auch in den anderen Städten. Vielleicht können wir zusammen doch einige Menschen davon überzeugen, ihr Kreuz nicht bei der AfD zu machen.“

Jule (22) und Miriam (23), Studentin und Auszubildende

„Dass die AfD ein Problem darstellt, ist ja längst klar. Vielleicht gelingt es, über die Proteste auch auf den generellen Rechtsruck aufmerksam zu machen. Die Verschärfung der Asylgesetze zum Beispiel, die schien kaum jemanden aufzuregen. Außerdem sind wir hier, weil Demokratie nicht selbstverständlich ist – man muss dafür kämpfen.“

Günter Schoßböck (64), Schauspieler und Regisseur

„Wir sehen doch, was Rechtsextreme in anderen Ländern anrichten: mehr Armut, schwache Justiz, Verachtung der Kunst. Mir wird himmelangst, wenn wir es nicht schaffen, das zu stoppen. Wollen wir uns wirklich von einer Partei, die Neonazis feiert, unsere immer noch verdammt erfolgreiche Demokratie und Kultur untergraben lassen?“

Henri Bechert (28)

„Käme die AfD an die Macht, wäre das eine Katastrophe – menschlich und strukturell, aber auch speziell für die Arbeitnehmerrechte. Für die trete ich bei „Wir fahren zusammen“ ein, einer ÖPNV-Kooperation von Fridays for Future und Verdi. Ich bin oft auf viel kleineren Demonstrationen. Diese Menge hier ist heilend angesichts der Umfragewerte für die AfD.“

Bettina Klausing-Khorosh (55), Unternehmerin

„Die AfD versucht, aus einer rechtsextremen Ideologie heraus zu definieren, wer zu uns gehören darf und wer nicht. Ich bin heute hier, um Teil dieser großen Gemeinschaft zu sein. So gemischt wir hier alle stehen, jung und alt, verschiedene politische Lager – das ist einfach schön und schon deshalb ein Zeichen gegen die AfD.“

Julius Hoderlein (29), Student

„Ehrlich gesagt bin ich überrascht, dass gerade so viele Menschen so überrascht sind. Mich hat es überhaupt nicht gewundert, dass die AfD zusammen mit Rechtsextremen Deportationspläne schmiedet. Es ist natürlich trotzdem toll, dass so viele Menschen deswegen jetzt mobilisiert sind, zu demonstrieren. Mir ist es wichtig, dabei zu sein.“


LVZ Dirk Wurzel 21.01.2024

Großer Zulauf bei Demo gegen Rechtsextremismus in Döbeln – Rechte Gegendemo mit zweistelliger Teilnehmerzahl

Um die 400 Menschen waren am Sonnabend in Döbeln auf der Straße. Die übergroße Mehrheit davon demonstrierte gegen Rechtsextremismus. Die rechte Gegendemo kam nur auf eine zweistellige Teilnehmerzahl.

In der Döbelner Innenstadt haben am Sonntag laut Polizei etwa 350 Menschen gegen rechts demonstriert. Sie waren dem Aufruf des Bündnisses „Döbeln bleibt bunt“ gefolgt. Die Teilnehmerschar war bunt gemischt.

Menschen aus der bürgerlichen Mitte dominierten die Demo. Auf den Plakaten und Transparenten waren beispielsweise durchgestrichene Hakenkreuze zu sehen und Schriftzüge wie „AfNee“ zu lesen. Auch Antifa-Fahnen schwenkten manche Teilnehmer auf dem Obermarkt.

Überwiegend bürgerlicher Protest in Döbeln

„Zum Faschismus gibt es nur zwei Haltungen: Entweder ist man dafür oder dagegen. Wer dagegen ist, ist Antifaschist“, sagte ein Redner, der sonst den Christopher Street Day in Döbeln organisiert, über die Antifa-Fahnen.

Die übergroße Mehrheit der Demonstranten stammt nicht aus Kreisen, die man der linksextremen Szene zuordnen würde. Darunter waren Liberale wie Bernd Wetzig, der als Döbelner Bürger an der Versammlung teilnahm, Menschen aus dem Bildungsbürgertum, auch Linke, Leute aus den Kirchgemeinden und Kommunalpolitiker, wie der Leisniger Bürgermeister Carsten Graf.

Auch viele ältere Menschen demonstrierten am Sonntag auf dem Obermarkt. Sie hörten Redebeiträge aus einem breiten demokratischen Spektrum.

„In der AfD werden ernsthaft Deportationen diskutiert“, sagte Henning Homann, Landtagsabgeordneter der SPD. Dabei gehe es nicht mehr um Ausländer. „Es geht um uns alle“, sagte er und verdeutlichte: „Da wird der Pfarrer abgeholt, weil er einen koptischen Christen aufgenommen hat und dann der Fußballtrainer, weil er einen Syrer in seiner Mannschaft aufgestellt hat.“

Für die Demokratie einstehen

Dr. Rudolf Lehle von der CDU sah in der Demonstration ein wichtiges Zeichen, „Hand in Hand für unsere Demokratie einzustehen.“ Bereits 2019 sei man gegen Björn Höcke „und seinen Gefolgsmann Lars Kuppi“ aufgestanden. Gegen Extremismus müsse man Gesicht zeigen und Stellung beziehen, sagte Dr. Lehle und machte dabei keinen Unterschied zwischen Linksextremismus, Rechtsextremismus und religiösen Extremismus.

Beileibe nicht alle Demonstranten kamen aus Döbeln. Angela Grigo war aus Tanndorf angereist und hielt ein Transparent auf dem stand: „Menschenrechte statt rechte Menschen“. Sie findet es gut, dass auch im ländlichen Raum solche Proteste stattfinden und war deshalb extra nach Döbeln gekommen. „In Leipzig demonstrieren schon genug Leute.“

 Kritik an harter Flüchtlingspolitik

Auch Mittelsachsens Landrat Dirk Neubauer (parteilos) war zur Demo gegen rechts in Döbeln erschienen und sprach ins offene Mikrofon: „Ich freue mich, dass es so viele sind, die hier auf der richtigen Seite stehen.“ Manche Redebeiträge sollten dann zeigen, dass die Ablehnung des rechten Extremismus der kleinste gemeinsame Nenner der Demonstrationsteilnehmer war, es zu anderen Fragen aber unterschiedliche Ansichten gibt.

So kritisierten Redner aus den Reihen der Migrationsbefürworter die Abkehr in der Flüchtlingspolitik mit verstärkteren Abschiebungen und forderten die Abschaffung der Abschiebehaft. Wenn die Flüchtlinge weg seien, sage einer, würden die Rechten neue Feindbilder aufbauen. Dann könnte die Hetze Schwule, Lesben und nicht binäre Menschen treffen.

Versammlungen blieben friedlich

Mit deutlich kleinerer Teilnehmerzahl fand am Sonnabend im hinteren Bereich des Obermarktes eine rechte Gegendemonstration statt. Laut Polizei nahmen an dieser etwa 50 Menschen teil. Diese Versammlung wurde offenbar recht kurzfristig angezeigt. „Wir mussten deswegen Kräfte aus Chemnitz nachordern“, sagte Kay Kießling, Erster Polizeihauptkommissar und Einsatzleiter.

Auf beiden Versammlungen blieb es friedlich. Lediglich ein lauter Knall brachte kurzzeitig den Redner auf der Demo gegen rechts zum Schweigen. Die Polizei vermutet, dass da jemand einen Böller nicht deutscher Herkunft gezündet hatte. Nach dem Knall seien „drei Halbwüchsige“ weggerannt, so Kay Kießling.


MDR 21.01.2024

Mehr als 100.000 Menschen demonstrieren in Sachsen gegen Rechts

Deutlich wie nie haben sich in ganz Sachsen Menschen gegen die AfD, Rechtsextremismus und Ausgrenzung positioniert. Aktuellen Schätzungen zufolge gingen am Sonntag mehr als 100.000 Menschen auf die Straße und haben damit die Erwartungen der Organisatoren weit übertroffen. Die größten Kundgebungen gab es in Leipzig, Dresden und Chemnitz. In Görlitz hielt Ministerpräsident Michael Kretschmer eine Rede.

In Sachsen sind am Sonntag mehr als 100.000 Menschen gegen Rechts auf die Straße gegangen. Mehrere Bündnisse, Gewerkschaften und Parteien hatten zu Kundgebungen in Leipzig, Dresden, Chemnitz, Görlitz, Döbeln, Pirna, Radeberg und Torgau aufgerufen.

Teilnehmerzahlen übertreffen alle Erwartungen

Dabei wurden die Erwartungen der Organisatoren in allen Fällen deutlich übertroffen. Die größten Kundgebungen gab es in Leipzig und Dresden, wo laut Organisatoren 60.000 beziehungsweise 40.000 Teilnehmer gezählt wurden. Die Polizei in Leipzig spricht von einer Zahl im „mittleren fünfstelligen Bereich“, die Polizei Dresden gibt auf Anfrage von MDR SACHSEN eine vorsichtige Schätzung von 30.000 Menschen ab.

Tränen der Freude in Chemnitz

In Chemnitz hatten die Veranstalter 200 Teilnehmer angemeldet. Am Ende beteiligten sich hier rund 12.000 Menschen, wie Veranstalter und Polizei übereinstimmend mitteilten. „Wir haben alle Tränen der Freude in den Augen“, berichtet Erik Neubert von der Grünen Jugend im Gespräch mit MDR SACHSEN. Und auch wenn die Freude über so viele Unterstützer groß sei, sei man sich bewusst, dass mit einer Demonstration der Faschismus nicht besiegt werden kann. Ein AfD-Verbot könne nur ein erster Schritt sein.

Das Verbot der AfD kann nur ein erster Schritt sein. Faschismus wird nicht im Parlament bekämpft, sondern auch am Arbeitsplatz und im Sportverein.

Erik Neubert Grüne Jugend Chemnitz

Demos in Dresden und Leipzig müssen umgeleitet werden

In Dresden und Leipzig mussten die Demonstrationsrouten wegen des großen Andrangs umverlegt werden. Tyran Sobadky von Fridays for future Dresden sagte MDR SACHSEN, dass niemand mit einem solchen Andrang gerechnet habe. „Wir sind stolz darauf, dass so viele Menschen gekommen sind. Es war die größte Demo, die wir bislang organisiert haben.“ Angemeldet waren in Dresden rund 1.000 Teilnehmende.

Die unerwartet hohe Teilnehmerzahl führte dazu, dass der Schlossplatz völlig überfüllt war und die Menschen auch auf der Brühlschen Terrasse und der Augustusbrücke standen, dort allerdings von den Reden der Kundgebung nichts hören konnten.

Teilnehmerin in Dresden hofft auf „Ruck in der Gesellschaft“

Der Stimmung tat das keinen Abbruch. Die Teilnehmer, unter ihnen sowohl sehr viele Familien mit Kindern, aber auch ältere Dresdner, warteten geduldig, bis sich der Demonstrationszug in Bewegung setzte. Auch wenn viele von ihnen nicht glauben, dass die jüngsten Recherchen über Rechtsextremismus in der AfD überzeugte Wähler umstimmen werde, so bliebe die Hoffnung, dass in der schweigenden Mitte einige aufwachten. „Mich haben die Enthüllungen nicht überrascht“, erklärt die Dresdnerin Melanie, die mit ihrem Sohn Ole regelmäßig an Protesten gegen Rechts teilnimmt. „Aber vielleicht geht ein Ruck durch die Gesellschaft“, hofft sie.

Kretschmer in Görlitz: „Hier wird niemand remigriert“

In Görlitz sprach vor den nach Veranstalterangaben rund 2.800 Demo-Teilnehmern Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer. Eine MDR-Reporterin berichtet von einer „flammenden Rede“ des CDU-Politikers, die von den Menschen vor Ort viel Applaus bekommt.

Kretschmer forderte den Zusammenhalt der Gesellschaft, trotz der aktuellen Probleme wie den Agrardiesel oder die Migration. Er appellierte an die staatsbürgerliche Verantwortung jedes Einzelnen, um die Demokratie zu erhalten. „Dieses Zeichen aus Görlitz ist so wichtig“, so Kretschmer. „Hier wird niemand remigriert, weder unser Oberbürgermeister, noch unser Lieblingsitaliener, noch unser Nobel-Preisträger, noch unsere Technologie-Professoren.“

Freie Sachsen mit Störaktion in Döbeln

Wenn auch deutlich kleiner als in Sachsens Großstädten, so zeigten sich beispielsweise auch die Organisatoren in Döbeln zufrieden. Laut Veranstalter Clemens Albrecht kamen rund 350 Menschen auf den Obermarkt, wo unter anderem Oberbürgermeister Sven Liebhauser (CDU) und Mittelsachsens Landrat Dirk Neubauer (parteilos) zu den Kundgebungsteilnehmern sprachen.

Für eine Stadt im ländlichen Raum sei das „ein starkes Statement“, so Albrecht. Vor Ort hätte sich sogar spontan die Gruppe „Omas gegen Rechts Döbeln“ gegründet. Eine Störaktion der rechtsextremen Kleinstpartei „Freie Sachsen“ sei von der Polizei abgeschirmt worden.

In einer ersten Bilanz der zuständigen Polizeidirektionen in Sachsen verliefen alle Demonstrationen am Sonntag weitgehend friedlich ab.


LVZ Paul Hildebrand 21.01.2024

Demo gegen Rechtsextremismus – Leipziger Stadträte rufen zu Protest auf

Mehrere Parteien im Leipziger Stadtrat rufen zum Protest gegen Rechtsextremismus auf. Zusammen mit dem Aktionsnetzwerks „Leipzig nimmt Platz“ wollen sie am heutigen Sonntag auf dem Ring demonstrieren. Auch Leipzigs Oberbürgermeister ist dabei.

Mehrere Leipziger Stadtratsfraktionen rufen zum Protest gegen Rechtsextremismus auf. Linke, Grüne, SPD und Freibeuter/FDP wollen am Sonntag parteiübergreifend „Zusammen gegen Rechts“ demonstrieren, teilten die Fraktionen am Freitag gemeinsam mit. „Unsere Freunde und Nachbarn, die Demokratie und unser Rechtsstaat sind in Gefahr“, heißt es im Aufruf. Die Enthüllungen der Correctiv-Redaktion über Treffen der rechtsextremen Szene und Mitgliedern der AfD sowie deren Pläne zur Deportation von Millionen Menschen hätten das gezeigt.

Es brauche „entschiedenen Widerspruch der Mehrheit unserer Gesellschaft“, schreiben die Parteien. „Wir stehen gemeinsam für unsere Demokratie, für Freiheit, Toleranz und eine solidarische Gesellschaft ein!“ Man wolle die demokratische Mehrheit in Leipzig mit einem breiten Protestbündnis sichtbar machen. Auch Oberbürgermeister Burkhard Jung (SPD) wird Teil der Veranstaltung sein. Die Stadt bestätigte am Freitag, „dass Herr Jung am Sonntag an der Demo teilnehmen und sprechen wird“.

Die Leipziger CDU unterschrieb den Aufruf nicht. Nach eigenen Angaben lag der Partei kein Aufruf der Ratsfraktionen vor, erklärte ein Sprecher auf LVZ-Anfrage. Voraussichtlich würden aber auch Mitglieder und Mandatsträger der Leipziger CDU am Sonntag an der Versammlung teilnehmen und „damit unserer feststehenden Überzeugung Ausdruck verleihen, dass rechtsradikale Kräfte die größte Bedrohung für unsere Demokratie darstellen“.

Demonstration gegen Rechtsextremismus läuft über den Stadtring

Das Aktionsnetzwerk „Leipzig nimmt Platz“ hat für 15 Uhr am Sonntag eine Demonstration angemeldet, die auf dem Markt starten soll. Von dort aus ziehen die Teilnehmerinnen und Teilnehmer zur Thomaskirche und weiter über den Dittrich-, Goerdeler- und Tröndlinring zum Willy-Brandt-Platz. Über den Georgiring läuft die Demonstration zum Augustusplatz, wo bis spätestens 19 Uhr die Abschlusskundgebung stattfinden soll. Das Bündnis rechnet mit 1000 bis 5000 Teilnehmerinnen und Teilnehmern, teilte das Ordnungsamt mit. Entlang der Route kann es zu Verkehrseinschränkungen kommen.

Gegenkundgebungen wurden nicht angemeldet. Einzig auf dem Markt wird von 13 bis 14 Uhr auch für ein „Russland ohne Putin“ demonstriert. Die Leipziger Polizei bereite sich nicht auf eine Gefahrensituation vor, sagte eine Sprecherin am Freitag. Man werde zwar von der Bereitschaftspolizei bei der Absicherung der Demonstration unterstützt, rechne aber nicht mit Ausschreitungen.

Zweite Demo gegen Rechtsextremismus in Leipzig in dieser Woche

Mit einem sachsenweiten Bündnis wirbt „Leipzig nimmt Platz“ zudem für gleichzeitige Proteste in Dresden, Pirna und Görlitz. Bundesweit sollen am Sonntag weitere Demonstrationen stattfinden. Bereits Samstagnachmittag ist ein Protest in Halle geplant.

Die Veranstaltung am Sonntag ist die zweite Leipziger Demonstration gegen Rechtsextremismus und die AfD in dieser Woche: Am Montag zogen laut Polizeiangaben mindestens 6000 Menschen vom Richard-Wagner-Platz aus über den Ring.


Susanne Sodan 21.01.2024 Sächsische Zeitung

Görlitzer Demo gegen Rechts zieht 2.000 Menschen auf den Marienplatz

Trotz der Kälte, zahlreiche Menschen kamen am Sonntag nach Görlitz, um ein Zeichen gegen Rechtsextremismus zu setzen – auch Sachsens Regierungschef Michael Kretschmer.

„Wltffnht“ ist auf Theresa Liebichs Plakat zu lesen. Das Plakat ohne Vokale stammt von einer schon älteren Aktion gegen rechte Strömungen. Trotzdem, „Weltoffenheit“, darum geht es ihr auch jetzt. Die Görlitzerin kam mit Freunden am Sonntagnachmittag auf den Marienplatz – so wie zahlreiche andere Menschen au. Um die 2.000 Teilnehmer zählte die Polizei bei der Görlitzer Demo gegen Rechts am Sonntag, trotz klirrender Kälte. Davon zeigte sich selbst Demo-Anmelderin Samira Schrenk vom Bündnis“Klare kante“ überrascht. Die Teilnehmer: bunt gemischt. Eine ältere Dame fordert auf ihrem Plakat „Nein zu Gewalt und Krieg“ und eine junge Frau teilt auf dem ihren mit: „Ich kann nicht glauben, dass ich gegen Menschenhass demonstrieren muss.“

Manche nahmen für Demo weite Wege auf sich

Die meisten Teilnehmer scheinen aus Görlitz zu kommen, manche reisten aber auch aus umliegenden Orten an, darunter eine Freundesgruppe aus Weißwasser. „Wir sollen ein Zeichen setzen“, sagt ein junger Mann. Welche Inhalte die AfD propagiere, sei zwar längst bekannt. „Aber dieses Geheimtreffen in Potsdam hat noch mal so richtig bewusst gemacht, wie radikal und menschenfeindlich das alles ist.“ Das Treffen zwischen AfD-Vertretern, Mitgliedern der Werte-Union und Rechtsextremisten in Potsdam, bei dem es etwa um „Remigration“ ging, sorgt seit Tagen bundesweit für Demonstrationen gegen Rechtsextremismus.

Die Sorge, dass die AfD wirklich demokratische Strukturen auflösen könnte, sollte sie früher oder später eine Mehrheit erlangen, trieb auch Kathrin Frahm aus Herrnhut nach Görlitz. „Ich habe einfach Sorge, dass dann Rücksichtlosigkeit und Aggression sich noch weiter breit machen würden“, sagt sie. „Ich will aber noch in einem Jahr in der Oberlausitz leben.“

Trotz der Sorgen, trotz der Kälte: Die Stimmung auf dem Marienplatz ist gut. Viele Familien haben sich offenkundig aufgemacht, so einige prominente Gesichter auch: Schulleiter, Ärzte, Bürgermeister Benedikt Hummel oder auch Günther Hasinger, Leiter des neuen Deutschen Zentrums für Astrophysik. Bunt ist auch die Liste der Redner: Daniel Preißler von „Görlitz bleibt bunt“, Julia Schlüter, Leiterin des soziokulturellen Zentrums Rabryka, Karsten Günther-Töpert, Vorsitzender der „Bürger für Görlitz“-Fraktion, Mirko Schultze, Stadtrat und Landtagsmitglied für die Linkspartei, Kristina Seifert von der Stadtratsfraktion Motor Görlitz/Bündnisgrüne, Christiane Schulz, Chefin des CDU-Stadtverbandes. Landrat Stephan Meyer (CDU) stand auf der Bühne, wie auch der Görlitzer Oberbürgermeister Octavian Ursu.

Emotionale Worte vom Görlitzer OB

Erschüttert und fassungslos sei er gewesen, als er von den Inhalten des Geheimtreffens in Potsdam, die vor einer reichlichen Woche bekannt wurden, hörte. Görlitz sei zu einer internationalen Stadt geworden, so Octavian Ursu. „Hier arbeiten Menschen aus aller Welt. Wir lassen uns diese Entwicklung nicht von einer Handvoll Rechtsextremisten kaputt machen.“ Erst am Vormittag war er bei der ältesten Görlitzerin, um ihr zum 109. Geburtstag zu gratulieren. Eine Frau, die von Vertreibung und Krieg betroffen gewesen sei. Ihr Mann sei im Zweiten Weltkrieg gefallen, erzählt Ursu. „Solche Dinge wie zu Zeiten des Nationalsozialismus, dürfen nie wieder passieren. Ich habe ihr versprochen, dass wir auf unsere Stadt aufpassen werden.“

Seit bald vier Jahren gibt es in Görlitz die „Montagsdemo“, die während der Corona-Pandemie entstanden und deren Organisatoren kürzlich als extremistisch eingestuft wurden. Ursu – und auch andere – hatten dazu mehrfach Stellung bezogen in der Vergangenheit. Auch zur Demo auf dem Marienplatz war die „Montagsdemo“ mehrfach Thema.

Ziemlich begeistert von der Teilnehmerzahl zeigte sich auch Spontangast Harald Baumann-Hasske, ehemaliges Landtagsmitglied der SPD, das sei ein starkes Zeichen. Wohl das prominenteste Gesicht beim Görlitzer Protest: Sachsens Regierungschef Michael Kretschmer. Er verwies etwa darauf, in wie vielen Bereichen – ob Küche oder Technologie – Menschen aus anderen Ländern für Verbesserungen und Fortschritt in Sachsen sorgen. „Hier wird niemand remigriert“, rief er, weder der Lieblingsitaliener, noch der Görlitzer Oberbürgermeister – Ursu stammt aus Rumänien – noch ein Wissenschaftler.

Demo blieb friedlich

Er freue sich besonders, dass die Europastadt Görlitz-Zgorzelec ein solches Zeichen setze und zitierte Jean-Claude Juncker: „Er hat gesagt: Wenn Sie an Europa zweifeln, wenn Sie an Europa verzweifeln, dann gehen Sie einmal auf Soldatenfriedhöfe. Dann wissen Sie, warum es so wichtig, dass wir zusammenhalten.“ Kretschmer appellierte, das Gemeinsame zu suchen, statt das Trennende und auf sachlicher Ebene Lösungen zu finden für bestehende Probleme. „Wir wissen alle, was auf dem Spiel steht.“

In Görlitz bekam Michael Kretschmer viel Applaus – aber auch Kritik. Mirko Schultze von der Linkspartei nannte die CDU zwar nicht beim Namen in seiner Rede, machte aber deutlich: AfD-Forderungen zu übernehmen, helfe nicht. Vielmehr müsse dem rechten Spektrum deutlich gezeigt werden: „Hier ist Schluss.“

Vertreten waren tatsächlich alle Görlitzer Fraktionen – am Rande der Demo sah man auch AfD-Mitglieder. Im Laufe des Nachmittags wurde auf dem benachbarten Postplatz eine Spontandemonstration gegen die Demo gegen Rechts auf dem Marienplatz angemeldet. Vom wem ist bislang nicht bekannt. 14 Teilnehmer zählte die Polizei bei der Postplatzdemo. Insgesamt zog die Polizei ein positives Fazit, Zwischenfälle gab es nach bisherigem Stand keine.


Susanne Sodan 23.01.2024 Sächsische Zeitung

Nach Demo gegen Rechts in Görlitz: Die Einigkeit ist schnell Streit gewichen

Am Sonntag sah es auf dem Marienplatz so aus, als wenn die etablierten Parteien und die rund 2.000 Demonstranten gemeinsam für Demokratie und gegen Rechtsextremismus auftraten. Doch das scheint ein Irrtum zu sein.

Rund anderthalb Stunden, nachdem am Sonntag auf dem Görlitzer Marienplatz die Demo gegen rechts gestartet war, trat die Organisatorin noch einmal ans Mikrofon. Auf dem benachbarten Postplatz, teilte sie mit, gebe es eine Gegendemo. Laut Polizei hatten sich 16 Personen versammelt, um „gegen linke Strukturen in Görlitz“ zu demonstrieren. So kündigte Samira Schrenk an, dass man nach der Demo gemeinsam durch die Stadt bis zum Bahnhof gehen würde, damit alle sicher nach Hause kommen. Einen Aufzug bis zum Bahnhof kündigten allerdings auch die Gegendemonstranten an. So gab es für die Polizei dann doch noch zu tun.

Schon auf dem Postplatz hatte sie eine Anzeige gegen einen der dortigen Teilnehmer geschrieben, wegen einer sogenannten Schutzbewaffnung. Dinge wie Helme, Protektoren oder, wie in diesem Fall, Zahnschutz sind bei Versammlungen nicht erlaubt, weil sie annehmen lassen, dass man nicht in ganz so friedlicher Absicht zur Demo gekommen ist. Am Bahnhof dann sollen Teilnehmer des Gegenprotestes Teilnehmer der Demo gegen Rechts bedroht haben. Außerdem wurden zwei Verstöße wegen des Verwendens verfassungsfeindlicher Kennzeichen angezeigt.

Kritische Statements nach Demo

Bundesweit wurde am Wochenende gegen Rechtsextremismus demonstriert. Hintergrund ist das Geheimtreffen in Potsdam zwischen AfD-Vertretern, Mitgliedern der Werte-Union und Rechtsextremisten, dessen Inhalte durch das Recherchekollektiv Correctiv bekannt wurden. Redner unterschiedlichster politischer Couleur sprachen sich in Görlitz vor rund 2.000 Menschen für demokratische Grundwerte und gegen Rechtsextremismus aus – alle erhielten Applaus. Doch die gepriesene Einigkeit hielt keinen Tag.

Vor allem der Auftritt von Ministerpräsident Michael Kretschmer erhitzt die Gemüter. Dass von der AfD Kritik kommen würde, war absehbar: So sieht der AfD-Kreisverband Görlitz in der Berichterstattung über die Correctiv-Recherchen eine „offensichtliche Inszenierung und Kampagne“. Politiker wie Kretschmer würden sich nun von Journalisten instrumentalisieren lassen und „unter Missachtung aller demokratischer Grundsätze und vor allem der Meinungsfreiheit“ an den Demos teilnehmen, „da es ihnen lediglich um den eigenen Machterhalt geht“. Wie das gemeint ist – Nachfragen von Facebook-Nutzern blockt der AfD-Kreisverband ab.

Während Kretschmer dem rechten Spektrum offenbar zu „links“ ist, sieht man das im linken Lager ganz anders: „Es ist schwer, wenn Konservative wie Michael Kretschmer einen Haufen Redezeit bekommen“, teilte nach der Demo Lukas Kotzybik, Vorsitzender des Görlitzer Linken-Verbandes, auf Instagram mit, „denn sie sind Teil des Problems und übernehmen rechte Narrative.“

Die Görlitzer Demo war angelegt darauf, die möglichst breite Gesellschaft anzusprechen. Das gelang den Organisatoren, auch durch den Auftritt Kretschmers, der tatsächlich eine durchschnittliche Redezeit hatte.

Dass es sicher nicht hilfreich sei, Forderungen der AfD zu übernehmen – es geht vor allem um die CDU-Forderungen in der Asylpolitik -, sprach auch Mirko Schultze, Landtagsabgeordneter und Stadtrat der Linkspartei, auf der Demo an, allerdings in versöhnlicherem Ton als später Kotzybik: Es gebe Konservative, die eine glaubhafte Haltung haben, schreibt er auf Instagram – doch Michael Kretschmer sei damit nicht gemeint, „dem kaufen wir das selbst nach fünf Schnäpsen nicht ab“.

Es wirkt, als würde der Junge-Union-Vorsitzende in Görlitz, Johann Wagner, darauf reagieren, als er am Montag den Titel der Görlitzer Demo kritisierte: gegen Rechts. Diese Formulierung sei ihm zu pauschal, suggeriere „das Gegenteil von vielfältigem demokratischem Austausch“, so Wagner. Im Grunde: So wie es eine demokratische Linke gebe, so gebe es auch eine demokratische Rechte.

Wagner: „Die Polarisierung und Radikalisierung unserer Zeit geht vor allem darauf zurück, dass über Jahre vollkommen legitime, demokratisch rechte Positionen in eine Ecke mit Neonazis gestellt wurden“, behauptet er. Ein „gefährliches Spiel“, das auch die CDU lange mitgespielt habe. Mit Michael Kretschmer habe sich die CDU wieder deutlicher positioniert. Er fordert, Konservative sollten sich „endlich wieder selbstbewusst und lautstark im demokratischen Spektrum rechts der Mitte zu verorten.“


LVZ Mark Daniel 19.01.2024

Leipziger Proteste gegen AfD: „Generationsübergreifend ein Bedürfnis, sich zu positionieren“

Am Sonntag werden in Leipzig erneut Menschen gegen AfD und Rechtsextremismus auf die Straße gehen. Die LVZ sprach im Vorfeld mit Demo-Organisatorin Irena Rudolph-Kokot über den Protest.

Unter dem Slogan „Zusammen gegen rechts“ ruft für den 21. Januar ein breites Bündnis aus zivilgesellschaftlichen Organisationen zur Teilnahme an Demonstrationen. In mehreren Städten wird gegen Rassismus und gegen die AfD protestiert. Nach Berichten des Recherchenetzwerks Correctiv hatten sich AfD-Politiker mit Neonazis in Potsdam getroffen und über die Vertreibung von Deutschen mit ausländischen Wurzeln diskutiert.

Auch dagegen richtet sich nun der Protest. Zu Ablauf, Erwartungen und Hoffnungen äußert sich Mit-Organisatorin Irena Rudolph-Kokot (SPD) von „Leipzig nimmt Platz“.

Wie kam die Kooperation zu sachsenweiten Demonstrationen zustande?

Irena Rudolph-Kokot: Nach der Demo am vergangenen Montag und dem sehr großen Zuspruch war klar, dass die Proteste weitergehen müssen. Das haben auch sehr viele Anfragen über verschiedene Kanäle gezeigt. Durch die gute Vernetzung von Initiativen und Projekten gegen Rechts haben wir das schnell auf die Beine gestellt. Das Engagement in der Zivilgesellschaft ist groß.

Da der Vorlauf nun deutlich länger ist: Rechnen Sie mit noch mehr Teilnehmerinnen und Teilnehmern?

Ich hoffe, dass der Leipziger Markt voll wird. Man muss aber bedenken, dass diesmal viele Menschen nicht aus anderen Städten kommen werden, weil die Demos ja auch bei ihnen selbst stattfinden. Zudem werden einige Leipziger auch in kleinere Städte fahren, um den Protest dort zu unterstützen. Deswegen ist nicht unbedingt mit einer größeren Teilnehmerzahl als den zuletzt über 10.000 zu rechnen.

Nach Kundgebung um den halben Ring

Was ist für den Sonntag in Leipzig geplant?

Die etwa einstündige Kundgebung auf dem Markt beginnt 15 Uhr. Zu den Rednern wird der Oberbürgermeister (Burkhard Jung, SPD; d. A.) gehören. Danach nimmt die Demo über die Thomaskirche den Weg über den Ring Richtung Hauptbahnhof bis zum Augustusplatz. Dort gibt es eine Abschlusskundgebung.

Bei vielen Demos gegen Rechts war in der Vergangenheit die jüngere Generation deutlich stärker präsent als Leute über 40. Wie kommt das? Und gehen Sie davon aus, dass sich daran etwas ändert?

Schon am Montag habe ich deutlich mehr etwas ältere Teilnehmer gesehen, und ich bin zuversichtlich, dass auch jetzt viele dabei sind. Für einige spielt oft sicher die berufliche oder familiäre Beanspruchung eine Rolle. Doch mittlerweile ist das Bedürfnis in der Gesellschaft, sich zu positionieren, generationsübergreifend zu spüren. Dafür spricht ja auch, dass aus dem Profifußball mehrere Aufrufe kommen, sich am Protest zu beteiligen.

„Es gibt keinen Zweifel mehr“

Wie wahrscheinlich ist es, dass Sie Leute erreichen, die bisher mit der AfD sympathisierten?

Diese nicht allzu große Gruppe derjenigen, die ein verfestigtes rechtes Weltbild hat, wird sich nicht überzeugen lassen. Ich bin aber zuversichtlich, dass nun viele nachdenklich werden, die zuvor aus Protest gegen die Regierung die AfD gewählt haben. Spätestens seit Bekanntwerden des Treffens, auf dem hochrangige AfD-Politiker mit Neonazis die Deportation von Millionen von Menschen aus Deutschland geplant haben, gibt es keinen Zweifel mehr daran, dass diese Partei faschistische und demokratiefeindliche Ziele verfolgt.

Zur Person
Irena Rudolph-Kokot, Sprecherin des Aktionsnetzwerk „Leipzig nimmt Platz“, wurde 1973 geboren. Sie lebt seit 1989 in Leipzig, nun mit ihrem Mann und ihrem Sohn. Seit 2006 ist sie Angestellte im Städtischen Eigenbetrieb Behindertenhilfe, in dem sie jetzt als Personalratsvorsitzende wirkt. Von 2021 bis 2023 war sie Vorsitzende des Leipziger SPD-Stadtverbandes, der sie als Direktkandidatin für die Landtagswahl 2024 aufgestellt hat.


LVZ 23.01.2024 

Genderverbote, Demo gegen Rechts und Böhmermann: Die Meinungen der LVZ-Leser

Die große Demonstration gegen Rechtsextremismus und AfD vom 21. Januar in Leipzig bewegt viele Leserinnen und Leser der LVZ. Außerdem geht es in den Zuschriften um den Satiriker Böhmermann und seinen Gerichtsstreit mit einem Imker aus Meißen, Renten sowie den „Kleinen Muck“.

Eine der größten Demonstrationen seit Jahrzehnten hat am 21. Januar in Leipzig stattgefunden. Der Protest gegen Rechtsextremismus und die AfD hat wohl 60 000 Menschen in die Innenstadt gezogen. Das bewegt natürlich auch die Leserinnen und Leser der Leipziger Volkszeitung zu Wortmeldungen.

Andere Themen haben ebenfalls zu Meinungsäußerungen geführt. Es sind unter anderem Leserbriefe zum Aus für die Rügenwalder Schinken-Spicker, zu Satiriker Böhmermann und seinem Gerichtsstreit mit einem Imker aus Meißen sowie Genderverboten eingangen. Auch der „Kleine Muck“ kommt vor.

Es ist legitim, die Demos zu vergleichen

Es ist legitim, die Leipziger Sonntagsdemonstration gegen Rechtsextremismus und die AfD und die Montagsdemos der friedlichen Revolution 1989 mit dem Demokratiemaßstab zu vergleichen. 1989 wurde in einer krisenhaften Situation gegen die pseudodemokratische Regierung einer pseudodemokratischen Republik für Demokratie und freie Wahlen demonstriert. Jetzt beteiligt sich in einer krisenhaften Situation die demokratisch gewählte Regierung an Demonstrationen für den Erhalt von Demokratie und freien Wahlen. Damals wie heute ging es mit Bekenntnissen wie „Keine Gewalt!“ und „Hass ist keine Meinung“ friedlich zu.

Das Ziel ist identisch: Nie wieder soll die Kontrolle über Parlament, Staat, Justiz, Polizei, Medien, die Kultur, Wirtschaft, das öffentliche und private Leben in die Hände einer undemokratischen Partei gelangen. Lediglich, dass am Sonntag zahlreiche Redner konkrete politische Entscheidungen und Parteien im demokratischen Spektrum kritisierten, war unnötig und deplatziert – denn das vieltausendfache Zeichen gegen Rechtsextremismus und die AfD kommt ganz ohne Parteipolitik aus. (Stephan Thieme, per E-Mail)

 Anliegen Herzenssache, einige Parolen nicht

Seit Langem war ich mal wieder auf einer Demo dabei. Das Anliegen war mir Herzenssache. Die unerwartet große Beteiligung beeindruckte sehr und erinnerte mich an 1989. Ich rechne mich selbst in meiner Grundeinstellung der bürgerlichen Mitte zu. Deshalb befremdeten mich auf dem Markt und beim anschließenden Demonstrationszug um den Ring immer wieder die dominierenden Parolen auf Plakaten aus der linksradikalen Szene, wie zum Beispeil der in Ihrer heutigen LVZ-Ausgabe zitierte Ruf „Alerta Antifascista“. Nach dessen Bedeutung musste ich überhaupt erst mal googeln. Ähnlich wie mir ging es mehreren Demonstrationsteilnehmern meiner Generation (älter als 60). (Andreas Mansch, Leipzig)

Beeindruckende Masse, aber Lösungsvorschlag?

Ich habe mir das angeschaut. Als Erstes sollte man erwähnen, dass es eine beeindruckende Masse war. Nur den Spruch („Ganz Leipzig hasst die AfD“) finde ich übertrieben und nachdenklich. Demokratie und ganz Leipzig sieht nach meinem Verständnis anders aus. Und kein Lösungsvorschlag der Redner, zur demokratischen Bekämpfung der AfD. Das war dünn. (Sven Petzold, per Facebook)


LVZ 15.01.2024

Protest gegen Pläne der AfD am Montagabend in Leipzig

Bei einem Treffen von Rechtsextremen mit AfD- und CDU-Politikern wurden Pläne diskutiert, wie Millionen Menschen aus Deutschland verbannt werden sollen. Am Montagabend regt sich dagegen auch in Leipzig Protest.

Nach Bekanntwerden eines Geheimtreffens von Rechtsextremen mit Vertretern von AfD und CDU, auf denen Deportationspläne im Falle eines AfD-Wahlsieges thematisiert wurden, rufen Initiativen auch in Leipzig nun zum Gegenprotest auf. Die Demonstration soll am Montagabend um 18 Uhr auf dem Richard-Wagner-Platz beginnen. Am Wochenende hatten bereits Zehntausende in Berlin und Potsdam gegen die Pläne von Rechtsaußen protestiert.

„Das ist ein Dammbruch“, sagt Irena Rudolph-Kokot vom Aktionsnetzwerk „Leipzig nimmt Platz“. „Hier schmieden prominente Akteure rechter Parteien und rechtsradikaler Organisationen mit ihren reichen Unterstützern Pläne, Menschen, die nicht in ihr weltfremdes, autoritäres und völkisches Weltbild passen, millionenfach zu deportieren.“ Die gemeinsam mit der Interventionistischen Linken organisierte Demo am Montag soll ein Zeichen gegen diese Vertreibungspläne setzen. Nach dem Auftakt auf dem Richard-Wagner-Platz soll es durch die Innenstadt gehen.

In der vergangenen Woche hatten Recherchen des „Correctiv“-Medienkollektiv offen gelegt, wie sich hochrangige Politiker der AfD sowie Vertreter der CDU-Plattform „Werte Union“ in einem Gasthof in Potsdam mit führenden Rechtsextremen wie Martin Sellner getroffen hatten. Dort soll Sellner ein Konzept der „Remigration“ vorgestellt haben – das nach der Machtübernahme der AfD in Deutschland schrittweise umgesetzt werden soll. Neben Menschen mit Migrationshintergrund sollen auch Personen aus Deutschland ausgewiesen werden, die mit diesen sympathisieren. Unter anderem soll ein Land in Afrika als Zielpunkt der Ausweisungen genutzt werden.

Mehrere Zehntausende demonstrieren in Berlin und Potsdam

Mehrere Zehntausend Menschen hatten bereits am Sonntag in Potsdam und Berlin ein Zeichen gegen Rechts gesetzt. Allein in Berlin versammelten sich rund 25.000 Demonstranten vor dem Brandenburger Tor. In Potsdam sprach Oberbürgermeister Mike Schubert (SPD), der zu dem Protest aufgerufen hatte, vor rund 10.000 Teilnehmern bei einer Kundgebung auf dem Alten Markt.

Bei der Kundgebung in Potsdam hielten Demonstranten Plakate mit Aufschriften wie „Potsdam bleibt bunt“ und „Wir halten zusammen“ hoch. Unter den Teilnehmern waren auch Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) sowie die Bundestagsabgeordnete und Bundesaußenministerin Annalena Baerbock (Grüne).


LVZ Antonie Rietzschel 15.01.2024

Tausende Menschen demonstrieren in Leipzig gegen die AfD

Bei einer Großdemonstration auf dem Richard-Wagner-Platz in Leipzig haben sich am Montagabend mehrere Tausend Menschen versammelt, um gegen die AfD zu demonstrieren. Der Protestzug zog am Abend über den Ring zum Simsonplatz.

Das Klima, es ist rau in diesen Tagen – meteorologisch und politisch: Am Montag trotzen Tausende Menschen Eiseskälte und Schneefall, um in Leipzig gegen die AfD, Rassismus und Rechtsextremismus zu demonstrieren. Laut Schätzungen der Polizei drängen sich bereits zum Auftakt etwa 6000 auf dem Richard-Wagner-Platz, halten Plakate in die Höhe, mit Botschaften wie „Nazis abschieben“ oder „Jetzt können wir es besser machen, als unsere Großeltern“. Und ein Spruch schallt immer wieder durch die Stadt: „Ganz Leipzig hasst die AfD“.

Die Partei ist der Anlass, warum seit Tagen in verschiedenen Städten Zehntausende Menschen auf die Straße gehen. Oder genauer: Anlass sind die Recherchen des Recherche-Netzwerks Correctiv: Journalisten hatten über ein Treffen berichtet, bei dem AfD-Funktionäre, CDU-Politiker und Martin Sellner von der rechtsextremen „Identitären Bewegung“ zusammenkamen. Bei dem Gespräch in einem Potsdamer Hotel entwarfen die Beteiligten einen Plan, wonach Menschen mit Migrationshintergrund aus Deutschland deportiert werden sollen.

Gekommen sind auch Menschen, die sonst nie auf der Straße sind
Die Recherchen seien keine Überraschung – das betonen jene, die während der Demonstration auf dem Richard-Wagner-Platz am Montag in Leipzig das Wort ergreifen. „Wir sind ungeduldig, weil wir mehrfach auf die Pläne aufmerksam gemacht habe“, sagt eine Rednerin. Es sei Zeit Bündnisse zu bilden, eine andere.

Zu der Kundgebung hatten protesterprobte Initiativen wie „Leipzig nimmt Platz“ aufgerufen, es kamen: Der sächsische Flüchtlingsrat, der Verein „Seebrücke“, die „Interventionistische Linke“, Gewerkschafts- und Parteienvertreter, der Pfarrer Christian Wolff – aber auch Menschen, die sich kaum engagieren, selten auf der Straße sind.

Da ist die 73-jährige Edith. In der einen Hand hält sie ein kleines Plakat, an der anderen hält sie ihre Tochter, die immer wieder in die Sprechchöre einfällt. Vor Jahrzehnten ist Edith aus Ungarn nach Deutschland gekommen. Mit Sorge hat sie beobachtet, wie ihr Heimatland weiter nach Rechts gerückt ist. „Ich dachte immer in Deutschland wäre man einigermaßen sicher vor so einer Entwicklung“, sagt sie. Jetzt sei es aber Zeit, Gesicht zu zeigen.

Das finden auch Anke und Hanfried Ostermann. „Wir wollten nicht mehr nur am Küchentisch über Politik diskutieren“, sagen sie. Das Paar ist besorgt: Wegen des AfD-Höhenflugs, der Diskursverschiebung in der Gesellschaft. Hanfried Ostermann kommt aus einer kleinen Gemeinde, nicht weit von Leipzig entfernt. In den letzten Wochen waren sie zweimal da, fuhren mehrfach am Ortseingangsschild vorbei, an dem jemand einen Galgen und eine Ampel befestigt hatte. Für die Ostermanns ein klarer Gewaltaufruf, der im Ort aber nur sie zu stören schien.

Jetzt gehen sie hier in Leipzig auf der Straße, gegen die AfD, aber auch für sich selbst. Man kann doch eh nichts machen – es ist ein Satz, den sie schon häufig im Bekanntenkreis gehört haben, der sie auch ein Stück weit lähmte. „Hier fühlt man sich nicht so hilflos“, sagt Hanfried Ostermann.

Großdemo führt über den Leipziger Ring zum Simsonplatz

Die Zahl der Demonstrierenden wuchs im Laufe des Abends auf bis zu 7000 Menschen an. Es sind schließlich zu viele für den ursprünglichen Plan, durch die Innenstadt auf den Marktplatz zu ziehen. Also läuft der Pulk über den Ring Richtung Simsonplatz. Und dort versammeln sich alle noch einmal, halten ihre Handys in die Höhe, beleuchten den Platz und rufen: „Alle zusammen gegen den Faschismus.“ Es ist ein Signal, von dem aber keiner weiß, ob sich die Strahlkraft über die Stadtgrenzen Leipzigs hinaus entfalten wird.