Tausende Wohnungen vor Verkauf: Immobilien-Riese Adler macht Abflug in Leipzig
Mit der Tochterfirma BCRE sollen in den nächsten Wochen Tausende Wohnungen in Leipzig verkauft werden. Der wirtschaftlich angeschlagene Immobilien-Riese Adler Group will sich künftig umorientieren. Das wirft auch Fragen zu zwei schon begonnenen Bauprojekten auf.
Leipzig. Der Immobilienriese Adler Group will sich von Leipzig verabschieden. Im Rahmen eines Sparkurses habe das hoch verschuldete Unternehmen entschieden, nun einen „Übergang zu einem ausschließlich in Berlin verankerten Portfolio“ einzuleiten, teilte Verwaltungsratschef Stefan Kirsten in einer kurzfristig einberufenen Pressekonferenz mit. Zugleich sollen die Investitionen begrenzt und nur noch wenige ausgewählte Bauprojekte weiterverfolgt werden.
Für Leipzig dürfte die neue Strategie erhebliche Folgen haben. Denn einerseits besitzt Adler hier über das Tochterunternehmen Brack Capital Real Estate (BCRE) mehr als 3200 Wohnungen. Andererseits werden dem Konzern mit Sitz in Luxemburg zwei prominente Bauprojekte an der Prager Straße zugeordnet: das frühere Technische Rathaus und das „Ostforum“ am Ostplatz.
Leipziger Häuser kosten 400 Millionen Euro
Schon Anfang November war durchgesickert, dass Adler einen neuen Anlauf zum Verkauf aller Wohnungen im Raum Leipzig unternimmt. Der Eigentümer führe dazu Gespräche mit einem Finanzinvestor, setze als Wert für diese Häuser 400 Millionen Euro an, berichtete das „Handelsblatt“. Die Verhandlungen würden nur noch wenige Wochen brauchen, hieß es weiter. Sie könnten allerdings ebenso auf den letzten Metern scheitern – wie das schon mal vor einigen Monaten passiert war.
Brack Capital trat 2011 zum ersten Mal größer in der Messestadt in Erscheinung. Damals kaufte das aus Israel stammende Unternehmen der stark verschuldeten Leipziger Wohnungs- und Baugesellschaft (LWB) 96 Häuser mit 2577 Wohnungen und 19 Gewerbeeinheiten ab. Aus heutiger Sicht lag der Preis mit 72,8 Millionen Euro sehr niedrig. BCRE übernahm bald weitere Objekte von anderen Eigentümern – wie 2013 die riesige „Residenz am Zoo“ mit 500 Wohnungen in der Nordstraße. Dieses Haus hatte die Genossenschaft Wogetra 1997 unter mysteriösen Umständen an einen Geschäftsmann aus Bayern verkauft, was sechs Jahre später zum Rauswurf von zwei Wogetra-Vorständen (mit je 80.000 Euro Abfindung) führte.
Im Hauptbüro in der Ostheimstraße in Sellerhausen betreut BCRE auch Bestände in Magdeburg. Bei den Leipziger Beständen geht es oft um teilsanierte Altbauten – zum Beispiel in Großzschocher, Meusdorf, Connewitz, Gohlis, Wahren oder Mockau. 2018 gab Adler bekannt, man habe an der Börse in Tel Aviv 70 Prozent der BCRE-Mutter BCP erworben – und zwar für 550 Millionen Euro. Zu BCP gehörten seinerzeit mehr als 11.000 Wohnungen, die sich überwiegend in Leipzig, Bremen, Hannover, Kiel und Dortmund befanden. Seit einiger Zeit versilbert Adler jedoch massiv Wohnungen und Baugrundstücke, um seinen Schuldenberg von fast sieben Milliarden Euro zu verkleinern.
„Befreiungsschlag“ soll die Pleite abwenden
Letzten Freitag informierte Verwaltungsratschef Kirsten über eine Umschuldungsaktion in Höhe von 938 Millionen Euro. Er sprach von einem „Befreiungsschlag“ – andernfalls hätte die Gruppe Insolvenz anmelden müssen. Jedoch würden für die Fristverlängerungen und frisches Geld Zinssätze von stolzen 12,5 Prozent fällig. In Abstimmung mit den Gläubigern wolle man nun zeitnah einen Chefsanierer berufen. Hintergrund: Nach Vorwürfen über Verschleierungen findet der Konzern seit Monaten keinen Wirtschaftsprüfer mehr, der die Bilanz testieren würde. Die Börsenkurse sind abgestürzt. Auch monierte die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) brisante Rechenfehler in früheren Bilanzen, die sich auf Milliardenbeträge summiert hätten. Adler wies alle Vorwürfe zurück.
Angesichts der Großwetterlage ist es fast schon ein Wunder, dass die Luxemburger am Leipziger Ostplatz nach wie vor mit Hochdruck das künftige „Ostforum“ errichten lassen. Zwischen der Prager Straße und Sachsens ältester Kleingartenanlage „Johannistal 1832“ soll dabei ein Ensemble aus drei Neubauten mit elf, sieben und fünf Geschossen entstehen. Die Häuser für Büros und Wohnungen erhalten im Erdgeschoss eine Einkaufszone sowie eine zweistöckige Tiefgarage (190 Stellplätze). Im ersten Quartal 2024 können die ersten Einzüge stattfinden, hatte Adler-Sprecher Matteo Twerenbold Anfang September gegenüber der LVZ erklärt. Inzwischen stehen die ersten Etagen im Rohbau.
Leere Versprechen am Technischen Rathaus
Jedoch hatte Twerenbold gleichzeitig angekündigt, dass die Sanierung vom früheren Technischen Rathaus in der Prager Straße 20-28 im September 2022 wieder aufgenommen würde. Dieser Elfgeschosser steht gleich neben dem künftigen „Ostforum“. Er wurde 1976 für das Kombinat Chemieanlagenbau Leipzig-Grimma errichtet, ist 171 Meter lang und 38 Meter hoch. Vor drei Jahren wurde der Umbau zu 280 Wohnungen nach einem Brandanschlag auf Baukräne unterbrochen – und seitdem nicht wieder gestartet. Entgegen der Ankündigung des Sprechers war auch am gestrigen Mittwoch noch keinerlei Leben auf der Bummelbaustelle zu sehen.
Die neue Konzernstrategie mit Fokus auf Berlin macht es sehr unwahrscheinlich, dass Adler das Technische Rathaus noch selbst fertigstellen kann. Immerhin wären dafür Investitionen von über 100 Millionen Euro nötig. Alle anderen Bauprojekte in Leipzig hat Adler bereits abgestoßen – zum Beispiel das „Quartier Kreuzstraße“ nahe der Ludwig-Erhard-Straße mit 192 Wohnungen. Es wird nun vom Leipziger Bauprojektentwickler Quarterback fertiggestellt.
Jens Rometsch 07.09.2022
Bummelbaustelle Technisches Rathaus soll endlich weitergehen
Seit mehr als zweieinhalb Jahren herrscht Stille auf einer der größten Baustellen in Leipzig. Der Investor Adler Group sammelte derweil negative Schlagzeilen, was nichts Gutes für die Sanierung vom früheren Technischen Rathaus in der Prager Straße ahnen ließ. Doch nun soll es vor Ort einen Neustart geben.
Leipzig. Bei der größten Bummelbaustelle in Leipzig soll es jetzt endlich wieder vorwärts gehen. Noch in diesem Monat startet die Sanierung des früheren Technischen Rathauses in der Prager Straße 20-28, teilte der Investor Adler Group auf LVZ-Anfrage mit. „Im September werden die Abbrucharbeiten fortgesetzt; anschließend können die Rohbauarbeiten ab Frühjahr 2023 weitergeführt werden“, erläuterte Konzernsprecher Matteo Twerenbold. Geplant seien rund 280 Wohnungen und 4250 Quadratmeter Mietflächen für Gewerbe.
Die Ankündigung kommt etwas überraschend. Denn der mit mehreren Milliarden Euro verschuldete Immobilien-Konzern (Sitz in Luxemburg) hatte zuletzt vor allem Negativ-Schlagzeilen gesammelt. Für 2021 verbuchte er hohe Verluste. Obendrein verweigerten die Wirtschaftsprüfer der KPMG ihren Segen für die Bilanz, weil ihnen das Management des börsennotierten Unternehmens „Zugang zu bestimmten Informationen“ verweigert habe. Daraufhin stürzte der Aktienkurs an der Börse ab. Adler wechselte große Teile der Führungsriege aus und versuchte, die Schulden durch etliche Verkäufe zu verringern. Wirtschaftszeitungen berichteten dennoch, auf wichtigen Baustellen der Gruppe gebe es nur wenig Fortschritte – so zum Beispiel in Stuttgart, Düsseldorf, Hamburg, Berlin.
Gröner stieg im März 2020 aus
Leipzig spielte jedoch eine gewisse Sonderrolle. Hier hatte der Bauunternehmer Christoph Gröner ab 2017 Anteile seiner Firma CG-Gruppe in jenen Verbund eingebracht, der heute Adler Group heißt. Drei Jahre später trennten sich die Wege wieder. Etwa ab März 2020 schuf sich Gröner eine neue, unabhängige Firma namens Gröner Group. Einige seiner früheren Grundstücke und Projekte verblieben allerdings bei Adler – darunter das ehemalige Technische Rathaus in der Prager Straße.
Dieser Elfgeschosser wurde zu DDR-Zeiten (1976) für das Kombinat Chemieanlagenbau Leipzig-Grimma errichtet. Er ist 171 Meter lang und 38 Meter hoch. Bald nach der Wiedervereinigung zog dort das Technische Rathaus der Stadt Leipzig ein, das auch den benachbarten Flachbau als Kantine nutzte. 2009 wechselten die Ämter dann aber an einen anderen Standort: weiter südlich in der Prager Straße. Zwischen dem modernen „Haus des Buches“ und der denkmalgeschützten Kleingartenanlage „Johannistal 1832“ (die älteste in Sachsen) steht das Hochhaus seitdem leer.
Gröners frühere CG-Gruppe hatte das Areal 2013 von privaten Vorbesitzern erworben und später die Idee entwickelt, in das Hauptgebäude drei senkrechte Schneisen einzuschneiden – damit vier Wohntürme mit Tageslicht von allen Seiten entstehen. 2018 begannen die entsprechenden Arbeiten mit der Ankündigung, es würden mehr als 90 Millionen Euro investiert. Im Oktober 2019 gab es jedoch einen Stopp nach einem verheerenden Brandanschlag auf Baukräne, den die Polizei nicht aufklären konnte. Im März 2020 übernahm Adler das Zepter auf der Baustelle – ließ die Arbeiten aber seitdem ruhen. Das soll sich nun diesen Monat ändern. Fertigstellung: 2024/25.
Projekt „Ostforum“ kommt voran
Sehr wahrscheinlich handelt es sich bei der Ankündigung nicht nur um ein leeres Versprechen. Denn direkt nebenan lässt derselbe Investor seit 2021 mit Hochdruck das künftige „Ostforum“ errichten. Dabei entsteht – unmittelbar am Ostplatz – ein Ensemble aus drei Häuser mit elf, sieben und fünf Geschossen. Die gemeinsame, zweistöckige Tiefgarage (190 Stellplätze) ist bereits im Rohbau fertig. Darüber sind erste Wände vom Erdgeschoss zu sehen. Den Rohbau führt die Firma Hysen aus Berlin aus.
Auch das Vorhaben am Ostplatz hatte einst Gröners frühere CG-Gruppe ersonnen. Sie gab die Investitionshöhe mit 70 Millionen Euro an, überließ das Projekt dann aber ebenfalls im März 2020 der Adler Group. Geplant sind 12.000 Quadratmeter Büroflächen in den beiden höheren Häusern, außerdem Einzelhandel sowie 50 Wohnungen, die im ersten Quartal 2024 bezugsfertig sein sollen. „Die Arbeiten am Projekt Ostforum laufen planmäßig“, so Adler-Sprecher Twerenbold. Die Entwürfe für beide Großvorhaben an der Prager Straße stammten übrigens vom Leipziger Architekturbüro Homuth+Partner.
Noch 3200 Wohnungen in Leipzig
„Darüber hinaus haben wir keine weiteren Projektentwicklungen in Leipzig“, erklärte Twerenbold. Ein Baugrundstück in Connewitz, wo an der Ecke Arthur-Hoffmann-/Arno-Nitzsche-Straße 24 Wohnungen geplant waren, habe Adler jüngst wieder verkauft. Auch vom „Quartier Kreuzstraße“ trennte sich der Konzern nach einem langen Baustopp, übertrug es im Frühjahr 2022 für 17 Millionen Euro an den Leipziger Bauprojektentwickler Quarterback. Dieser nahm umgehend die Arbeiten in der Ludwig-Erhard-Straße 23-25 wieder auf, wo jetzt 192 neue Wohnungen entstehen.
Zur Adler Group gehört jedoch ebenfalls noch der Großvermieter Brack Capital Properties (BCP/BCRE), welcher in Leipzig über 3200 Mietwohnungen verfügt. Eigentlich wollte die Konzernspitze auch die Aktienmehrheit bei BCP veräußern, doch im August 2022 zog der Wettbewerber LEG-Immobilien sein Kaufangebot wieder zurück. Zur Zukunft dieser Wohnungen wollte sich Twerenbold nicht äußern.
26.02.2022
Bauunternehmer und Millionär Christoph Gröner: „Ich denke mehr über mein Auftreten nach“
Der Bauunternehmer Christoph Gröner polarisiert in Leipzig – und spricht im LVZ-Interview über sein Image in der Stadt, warum er gerne in Grünau investieren würde und ob es eigentlich noch günstige Mieten in der Stadt gibt.
Leipzig. Der Bauunternehmer Christoph Gröner polarisiert in Leipzig – und spricht im LVZ-Interview über sein Image in der Stadt, warum er gerne in Grünau investieren würde und ob es eigentlich noch günstige Mieten in der Stadt gibt.
Sie haben vor 27 Jahren in Leipzig die CG-Gruppe gegründet und seitdem tausende Wohnungen saniert oder neu gebaut. Wo genau gibt es heute bei Ihnen überhaupt noch günstige Mieten?
Die meisten Wohnungen haben wir verkauft an Selbstnutzer oder Investoren. Aber es gibt durchaus Häuser von uns, wo die Kaltmiete nach wie vor sechs oder sieben Euro auf den Quadratmeter beträgt – auch in guten Lagen wie im Waldstraßenviertel. Und wir werden weder die Mieten drastisch erhöhen noch diese Mieter dort vertreiben. Aber was wir eben sehen hier wie in anderen Städten: Die Leute wollen alle gerne in bestimmte Viertel ziehen. Aber es können nicht alle in die Südvorstadt. Wir müssen sehen, dass wir die Attraktivität von anderen Standorten in der Stadt erhöhen, wo es jetzt Leerstand gibt; beispielsweise an der Eisenbahnstraße.
Ihre Neubauten sind aber deutlich teurer als diese sechs oder sieben Euro?
Da liegen wir zwischen acht und zwölf Euro. Luxus-Projekte, die darüber hinaus gehen, fassen wir nicht an. Ich glaube, dass die Kaufkraft in Leipzig für noch höhere Mieten viel zu klein ist. Deshalb geht die Masse der Wohnungen in der Stadt noch immer für sechs bis acht Euro weg. Der natürliche Feind von Projektentwickler- und Bauunternehmen wie wir es sind – das sind die Spekulanten, die Grundstückspreise in aberwitzige Höhen treiben. In den deutschen Metropolen macht der Grundstückspreis oft schon mehr als die Hälfte der künftigen Miete aus, in Leipzig etwa ein Drittel.
„Sicherlich trifft man in Leipzig einige Leute, die über Gröner meckern“
Von Spekulanten kaufen Sie nichts?
Mit der heutigen Gröner Group und ihrer größten Tochter CG Elementum können wir bei überzogenen Angeboten sehr gut „Nein danke“ sagen. Auch deshalb kommen inzwischen 90 Prozent unseres Umsatzes aus Gewerbeobjekten, nur zehn Prozent vom Wohnen. Statt früher um die 500 Wohnungen pro Jahr bauen wir aktuell vielleicht noch 70 bis 100, möglichst günstig und klimagerecht.
Es gibt durchaus auch Menschen, die ihr Unternehmen als natürlichen Feind betrachten. Die linke Satirepartei „Die Partei“ plakatierte im letzten Bundestagswahlkampf in Leipzig: „Vonovia und CG enteignen!“ Ärgert Sie das?
Sicherlich trifft man in Leipzig einige Leute, die über Gröner meckern. Doch das sind bestimmt nicht unsere Mieter. Wenn wir ein Haus kaufen, bekommt jeder Haushalt einen Brief, in dem wir unsere Wertschätzung kundtun und versichern, dass bei CG noch niemand wegen wirtschaftlicher Nöte rausgeworfen wurde. Vor 15 Jahren hatten wir die Plagwitzer Höfe in desolatem Zustand mit 228 Mietern übernommen und danach weitgehend saniert. Trotzdem sind noch 180 Mieter der ersten Stunde bis heute dabei. Und es kamen viele neue dazu – meist Start-ups oder der Club Täubchenthal oder der CO2-positive Schokoriegel-Hersteller „the nu company“. Im Oktober 2022 zieht als nächstes in der Zschocherschen Straße auf 2100 Quadratmetern das Medienunternehmen RTL ein. Außerdem bauen wir an der Weißenfelser Straße gerade das erste Null-Emissions-Heizkraftwerk in Leipzig.
Das müssen Sie erklären.
Im Plagwitzer Quartier A – dazu gehört die Halle mit dem Flugzeug auf dem Dach – schaffen wir eine Anlage, die 30.000 Quadratmeter Gewerbe- und Wohnflächen emissionsfrei mit Strom und Wärme versorgen kann. Dafür wird die größte Photovoltaikanlage Leipzigs, die wir dort schon 2019 auf die Dächer gebracht haben, noch mal deutlich erweitert. Herzstück ist aber ein Blockheizkraftwerk, das Wasserstoff verbrennt. Den Wasserstoff gewinnen wir vor Ort per Methan-Plasmalyse. Hinzu kommt, soweit möglich, noch Geothermie, um keinerlei Kohlendioxid mehr in die Luft zu blasen.
„Wenn ich meinen Kindern erzähle, Papa hat heute viel Geld verdient, werde ich ausgebuht“
Wann soll dieses Wunderwerk starten?
Wir bereiten gerade die Anträge zur Genehmigung bei der Stadt und beim Freistaat vor und streben eine Inbetriebnahme im Herbst 2022 an. Ministerpräsident Michael Kretschmer war jedenfalls sehr angetan von dem Projekt, bei dem immerhin erstmals in Sachsen Wasserstoff zum CO2-freien Heizen eingesetzt wird. Bei der Methan-Plasmalyse kostet der Wasserstoff nur ein Viertel gegenüber anderen Erzeugungsmethoden wie der Elektrolyse. Das macht ihn schon jetzt erschwinglich, nicht erst in zehn Jahren.
Ihre Firma, die CG Elementum, hat angekündigt, nur noch Energiesparhäuser im sehr hohen Standard zu bauen. Ist Herr Gröner jetzt ein Grüner?
Wissen Sie, wenn ich abends zu Hause meinen vier Kindern erzähle, Papa hat heute viel Geld verdient, dann werde ich ausgebuht. Die jungen Leute erwarten ernsthafte Taten, damit die Gesellschaft nicht auseinanderbricht, und natürlich Taten für den Klimaschutz. Ich möchte auch nicht, dass unsere Luft verpestet oder dass arme Menschen das Dach überm Kopf verlieren. Ich bin für die Mietpreisbremse, damit die Gesellschaft nicht weiter auseinanderdriftet – und ich bin für eine Begrenzung der Modernisierungsumlage auf drei Prozent. Aber ich halte nichts vom Milieuschutz, wenn er bedeutet, dass eine vierköpfige Familie nicht zwei Waschbecken haben darf.
Früher haben Sie sich gern als Selfmade-Millionär inszeniert und den Spruch geprägt, wenn jemand erst mal 215 Millionen Euro hat, kann er das Geld zum Fenster rauswerfen und es kommt trotzdem noch mehr vorn zur Tür wieder herein. Wie passt das zu Ihren jetzigen Aussagen?
Nun, das war vor vier Jahren. Ich hatte damals eigentlich eine Studie vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung zitiert, laut der die Reichen im Land automatisch immer reicher werden. Ich habe nicht gemeint, dass ich das so völlig in Ordnung finden würde. Aber ich habe diesen Satz gesagt, also muss ich zu ihm stehen.
Die neue Bundesregierung will pro Jahr 400.000 Wohnungen schaffen, um den Mietenmarkt in den Metropolen zu entspannen. Darüber müssten Sie sich als Bauunternehmer doch freuen?
Ich finde das ebenso richtig wie das Ziel der Ampel-Koalition, bis 2045 alle Häuser klimaneutral zu haben. Aber das wird in der Realität nur funktionieren, wenn man die Investoren und die Immobilienbranche nicht als Feind betrachtet, sondern deren Stärken nutzt. Die öffentliche Hand allein baut nicht billiger, besser oder schneller als die Privaten. Das ist ideologisches Wunschdenken. Die Realität haben wir etwa beim Flughafen BER gesehen.
„Die Lösung des Problems kann man sich bei den Autowerken abschauen“
Auch Neubauten mit zehn Euro Kaltmiete sind für viele Leipziger unbezahlbar. Was tun Sie, um die Mieten günstiger zu halten?
Dazu muss ich kurz ausholen. In der Automobilbranche gehörte es stets zum guten Ton, dass sich alle Angestellten einen modernen Wagen leisten können. Am Bau ist das leider nicht so, dort werden heute mehrheitlich Niedriglohnkräfte aus dem Ausland engagiert. Die Lösung des Problems kann man sich bei den Autowerken abschauen. Sie setzen auf digitale Planung und möglichst viel Vorfertigung der Bauteile. An der Limburgerstraße in Plagwitz setzen wir dazu gegenwärtig ein Pilotprojekt um. Wir bauen da 120 Wohnungen mit Fertigteilen, die ein nagelneues Werk bei Erfurt liefert. Solche modernen Werke arbeiten robotergestützt. Sie können für fast jeden Architekturentwurf die passenden Bauteile individuell herstellen. Zudem sparen sie klimarelevante Ressourcen, der Betonverbrauch liegt oft um 20 Prozent niedriger, auf der Baustelle gibt es weniger Fehler und Doppelarbeit. Insgesamt sinken die Baukosten so um bis zu 300 Euro pro Quadratmeter.
Wenn das so toll ist – warum haben Sie Ihre Anteile an dem Werk in Erfurt jüngst verkauft?
Das Werk wurde auf über 4000 Wohnungen pro Jahr ausgelegt. Das passt gut zur Nokera AG, die ja zum Beispiel auch in Leipzig mit dem Eutritzscher Freiladebahnhof das größte Zukunftsquartier errichten will. Wir nutzen aber die Fertigung in Erfurt weiterhin. Unsere Strategie zielt stärker auf Gewerbeobjekte ab. Deshalb wollen wir selbst zwei neue Fertigteilwerke errichten, die noch flexibler sind – und zwar in Leipzig und in Hohrhausen bei Koblenz. Sie werden für den Beton bis zu 65 Prozent Recyclingmaterial nutzen können, außerdem auch Fertigteile aus Holz für Hybridhäuser bewältigen. In diesem Sommer eröffnen wir bereits ein Forschungs- und Ausbildungszentrum in einer früheren Glühlampenfabrik an der Riesaer Straße in Paunsdorf. Dort wird auf 14.000 Quadratmetern auch ein Entwicklungsbereich arbeiten, der das Prinzip der seriellen Fertigung auf den Innenausbau überträgt – zum Beispiel für Wand- und Bodenbeläge oder Lüftungsschächte. Ziel ist, dass ein Fliesenleger nicht mehr 20 Arbeitsstunden für eine Wohnung braucht, sondern künftig vielleicht nur noch zwei. Zugleich sind die Jobs dann höher qualifiziert, was eine bessere Entlohnung mit sich bringt.
„Für meine Nachfolger gibt es nach wie vor keinen rechtskräftigen Bebauungsplan“
Den Eutritzscher Freiladebahnhof zu bebauen, war Ihre Idee. Schmerzt die Wunde noch, dass dieses Projekt nun jemand anderes zu Ende bringen soll?
Ich musste das Gelände vor drei Jahren verkaufen, weil die Verlängerung meiner Finanzierung an vorhandenes Baurecht gebunden war. Diesen Fakt samt Termin hatte ich der damaligen Leipziger Baubürgermeisterin von Anfang an klar kommuniziert. Seit dem Ausstieg sind drei Jahre vergangen, für meine Nachfolger gibt es nach wie vor keinen rechtskräftigen Bebauungsplan. Das zeigt: Meine Entscheidung war richtig. Solche Verzögerungen kosten Millionen an Zinsen, die zwangsläufig auf die Mieten durchschlagen.
Trotzdem weist CG Elementum allein für Leipzig aktuelle Projekte mit einem Volumen von mehr als einer Milliarde Euro aus. Was macht Sie so sicher, dass die Stadt weiter wachsen wird?
Wir sind bundesweit in fast allen Top-Städten aktiv und ich kann nur sagen: Leipzig hat eine unschlagbare Mischung aus Kultur, Kreativität und Wirtschaft. Dieser Magnet wird weiter funktionieren. Obwohl ich aus Karlsruhe stamme, sehe ich Leipzig schon lange als meine Heimat an.
Was haben Sie in dieser Heimat noch so vor?
Eine Menge. Zum Beispiel sanieren wir nun gegenüber vom Plagwitzer Bahnhof ein Bürohaus als Toreinfahrt in die Plagwitzer Höfe. Dort entstehen 80 Wohnungen mit großer Dachterrasse im fünften Stock. Dahinter kommt 2023 ein Hotel mit 140 Zimmern, Restaurant und Büroflächen als Neubau hinzu. In Eutritzsch wollen wir östlich der Wittenberger Straße große Gewerbeflächen revitalisieren. Wir würden übrigens auch gern das frühere Technische Rathaus in der Prager Straße kaufen, um die Baustelle zu einem erfolgreichen Ende zu bringen. Hier läuft zurzeit ein Findungsprozess beim Eigentümer Consus, mit dem wir seit rund zwei Jahren nicht mehr unternehmerisch verbunden sind. Der Ausgang ist noch offen.
„Die haben sensationell schöne Wohnungen aus ihren Plattenbauten gemacht“
Wenn wir über bezahlbaren Wohnraum reden in der Stadt Leipzig: In Grünau beispielsweise stehen hunderte Wohnungen, gar ganze Blöcke leer. Was sagt der Unternehmer Gröner: Warum lässt sich das nicht zu bezahlbarem Wohnraum entwickeln?
Also ich würde das sehr gerne tun – und da gleich morgen investieren. Wenn wir mal nach Litauen oder Lettland schauen: Die haben dort sensationell schöne Wohnungen aus ihren Plattenbauten gemacht. Wenn man da mit viel Fantasie und vielleicht auch dem Know-how anderer Länder rangeht, kann man da einen super Stadtteil draus machen. Aber es ist schwer, an diese Immobilien heranzukommen – die sind ja meist in Genossenschaftshand. Hier ist nicht immer die Innovationskraft vorhanden für so ein Mega-Projekt. Aber auch da könnte der Staat natürlich rangehen. Und es wäre auch für unsere Stadt eine gute Sache, das aufzuwerten. Ganz klar: In der Innenstadt muss die Gentrifizierung aufgehalten werden, um zu verhindern, dass nur Menschen mit viel Geld dort wohnen. Wir müssten versuchen, auch nach weiter draußen Menschen zu bekommen, die mehr bezahlen können und Spaß dran haben, dort zu wohnen. Das wiederum kann Gegenden ankurbeln und für alle verbessern.
Der Kampf um Wohnraum wird zuweilen erbittert, sogar gewaltsam geführt. Auch auf Ihren Baustellen brannten schon Kräne und Bagger. Haben Sie Verständnis dafür, dass es Menschen gibt, die mit solchen Mitteln gegen aus ihrer Sicht hochpreisigen Wohnungsbau vorgehen?
Gewalt ist nicht akzeptabel. Zumal das immer Leben und Gesundheit von anderen Menschen gefährdet. Unabhängig davon überlege ich natürlich: Was kannst Du tun, wie kannst Du dich ändern, damit die Dissonanz zwischen denen, denen es schlechter oder besser geht, nachhaltig verringert wird? Es ist keine Marketingaktion, wenn wir im sozialen Wohnungsbau aktiv sind oder Initiativen wie die Leipziger Tafel, den Straßenkinderverein, ein Hospiz oder den FC International unterstützen. Das werden wir in Zukunft noch deutlich verstärken. Zweitens denke ich mehr über mein eigenes Auftreten nach. Ich versuche, in meinen Äußerungen weniger zu polarisieren als noch vor zwei, drei Jahren. Und ich überprüfe mich stärker, ob das, was ich sagen möchte, jemand falsch verstehen kann.
„Es ist und wird nichts wieder, wie es vorher war“
Für wen wird gebaut in dieser Stadt – für Investoren oder für Menschen?
Natürlich bauen wir für die Menschen in dieser Stadt! Wir sind ein stückweit Dienstleister zwischen den Menschen, die hier leben, und Menschen, die diese Werte schaffen – wie die Unternehmer, Handwerker etc. Wir sitzen da in der Mitte. Und wenn Wohnungen teuer verkauft und gemietet werden, ist das gut. Aber natürlich können nicht nur teure Stadtviertel gebaut werden. Es geht da immer um den Ausgleich. Wichtig ist, dass die Politik uns und die anderen Bauunternehmer vor den Karren spannt und gemeinsam mit uns nach den Visionen für eine moderne Stadt Projekte gemeinsam umsetzt.
Im vergangenen Dezember fand in der Leipziger Nikolaikirche die Trauerfeier für ihre kleine Tochter Freya statt. Was macht es mit einem Menschen, wenn man ein neugeborenes Kind nach 35 Tagen wieder verliert?
Das sind Dinge, über die ich mich nicht gerne öffentlich äußern möchte. Ich kann Ihnen nur sagen, dass nichts wieder so ist und wird, wie es vorher war. Als bekennender Christ durfte ich mit meiner Lebensgefährtin neben der Unterstützung durch unsere Familie und Freunde auf die Unterstützung der Leipziger evangelischen Kirche zurückgreifen. Das hat uns sehr geholfen.
05.01.2022
Leipziger Bummelbaustelle: Wie geht es am früheren Technischen Rathaus weiter?
Ein 171 Meter langes Gebäude-Gerippe steht seit zwei Jahren unverändert an der Prager Straße in Leipzig. Zwar verspricht der Eigentümer, dass die Arbeiten am früheren Technischen Rathaus 2022 fortgesetzt werden. Doch er trennt sich gerade von vielen Immobilien in Ostdeutschland.
Leipzig. Bereits seit rund zwei Jahren ruhen die Arbeiten am frühere Technische Rathaus in Leipzig. Eigentlich sollte der Büroriese in der Prager Straße 20-28 spektakulär umgebaut werden und dabei 296 Wohnungen sowie 4300 Quadratmeter Gewerbeflächen im Sockelbereich erhalten. Doch über dem 95-Millionen-Euro-Projekt schweben derzeit mehr Fragezeichen denn je.
Bereits im Januar 2018 hatte der Eigentümer Consus Real Estate das Gebäude an die Bayerische Versorgungskammer (BVK) verkauft. Dabei verpflichtete sich Consus, das Haus schlüsselfertig zu übergeben. In den 171 Meter langen und 38 Meter hohen Block sollten mehrere Lücken eingeschnitten werden, sodass vier gut belichtete Wohntürme mit eher kleinen Apartments entstehen.
Deal mit Versorgungskasse rückabgewickelt
Doch bald nach einem politisch motivierten Brandanschlag auf Baukräne am 3. Oktober 2019 kamen die Arbeiten zum Erliegen. Laut Medienberichten bestätigte die Bayerische Versorgungskammer unlängst, dass mehrere sogenannte Vorwärtsdeals mit Consus im Jahr 2021 rückabgewickelt wurden. Neben den früheren Technischen Rathaus in Leipzig gehörten dazu auch ähnliche Vorhaben in Köln, Düsseldorf und Offenbach.
Consus wurde mittlerweile vom Immobiliengiganten Adler Group (13 Milliarden Euro Anlagevermögen) übernommen. Auf LVZ-Anfrage versicherte Konzern-Sprecher Matteo Twerenbold, für das frühere Technische Rathaus würden Planungen voranschreiten. „Es werden zurzeit Anpassungen und Optimierungen zur Projektplanung und baulichen Umsetzung durchgeführt und wir rechnen mit einem äußerlich sichtbaren Fortschreiten der Bauarbeiten in einigen Monaten.“
14.300 Wohnungen in Ostdeutschland verkauft
Allerdings hatte Adler in den vergangenen Monaten wiederholt große Immobilien-Bestände mit Tausenden Wohnungen verkauft, um die Verschuldung des Konzerns zu senken und sich auf die „Top-7-Städte in Deutschland“ zu konzentrieren. Leipzig gehört nicht zu diesen sieben Metropolen, wird in der Immobilienwelt aber meist gleich dahinter auf Platz 8 einsortiert.
Zum Beispiel verkaufte Adler im Oktober 2021 rund 14.300 Wohnungen „in Immobilien, die sich hauptsächlich in mittelgroßen Städten in Ostdeutschland“ befinden. Ob auch das einstige Technische Rathaus in Leipzig dazu gehörte, dies wollte Sprecher Twerenbold auf Nachfrage nicht beantworten. Er versicherte, die Adler Group sei wirtschaftlich solide aufgestellt. Dies zeige sich auch daran, dass drei andere Baustellen der Tochterfirma Consus in Leipzig ohne Unterbrechungen weiterliefen.
Tatsächlich wurde zum Beispiel direkt neben dem Technischen Rathaus schon eine riesige Baugrube für das sogenannte Ostplatz-Forum ausgehoben. Dort sollen bis Mitte 2023 drei neue Häuser (elf, sieben und fünf Geschosse) über einer zweistöckigen Tiefgarage entstehen. Bei dem fast 70 Millionen Euro teuren Vorhaben sind hauptsächlich Büro- und Einzelhandelsflächen geplant. In Richtung der Kleingärten im Johannistal kommen 50 Wohnungen hinzu.
11.08.2021
250 000 Wohnungen in Privatbesitz – Wem gehört Leipzig?
Vom großen Ausverkauf nach der Wende bis zum Monopoly der Gegenwart – Immobilien in Leipzig waren immer heiß begehrt. Die Mehrzahl der 340 000 Wohnungen gehört heute Westdeutschen, 250 000 sind in Privatbesitz. Was bedeutet das für die 86 Prozent Mieter?
Leipzig. Wem gehört die Stadt? Diese Frage ist in Leipzig nicht leicht zu beantworten, weil es dazu keine offizielle Statistik gibt. Die LVZ hat Fachleute befragt und Dokumente gewälzt, um dennoch ein realistisches Bild der Eigentümerstruktur zeichnen zu können. Ergebnis: Die Mehrzahl der 340 000 Wohnungen in Leipzig gehört Privatpersonen, Unternehmen, Fonds oder Pensionskassen aus Westdeutschland. Was das für die 86 Prozent Mieterhaushalte in Sachsens größter Stadt bedeutet und wie es zu diesem außergewöhnlichen Verhältnis kam – auch davon handelt dieser Text.
Wem gehört Leipzig? Größter Grundbesitzer ist die Stadt
Größter Immobilienbesitzer in Leipzig ist zweifelsfrei die Stadt selbst. Laut dem letzten Liegenschaftsbericht der Kommune besitzt sie fast ein Drittel des Stadtgebiets: nämlich 9600 der insgesamt 29 800 Hektar. Weitere 700 Hektar gehören kommunalen Firmen, wodurch der Anteil auf 35 Prozent steigt. Wie der unabhängige Gutachterausschuss auf Anfrage mitteilte, sind weitere 32 Prozent des Leipziger Stadtgebiets privaten Einzeleigentümern zuzuordnen, 26 Prozent den privaten Gesellschaften und Unternehmen. Die übrigen acht Prozent der Flächen besitzen andere Träger der öffentlichen Hand wie Land und Bund oder Kirchen und Stiftungen.
Doch alle diese Zahlen sagen nur wenig über die wahren Besitzverhältnisse aus. Zum Beispiel wird ein Drittel des Stadtgebiets landwirtschaftlich genutzt – bei eher niedrigen Bodenpreisen für die Felder.
Bei den städtischen Flächen handelt es sich oft um Parks und Wälder, Straßen, Wege oder solche Gebäude, die nahezu unverkäuflich sind. Dazu zählen 263 Schulen, 25 Kulturhäuser und Museen, 167 Sporthallen. Das Neue Rathaus hat als Immobilie einen Buchwert von über 50 Millionen Euro – man kann es aber kaum gewinnträchtig vermieten.
Der große Ausverkauf: Leipzigs Immobilienschatz ist seit der Wende extrem geschrumpft
Der wahre Immobilienschatz der Kommune ist in den 30 Jahren nach der deutschen Wiedervereinigung extrem geschrumpft. Am 3. Oktober 1990 hatte die Stadt das „volkseigene“ Wohnungsvermögen aus DDR-Zeiten übernommen. Das waren 65 Prozent der damals 258 000 Wohnungen in Leipzig. Weitere 25 Prozent (64 500) wurden durch Genossenschaften verwaltet und lediglich zehn Prozent (25 800) noch privat.
Im Dezember 1990 gründete die Stadt die Leipziger Wohnungs- und Baugesellschaft (LWB) und gab ihrem Tochterunternehmen als Mitgift 137 000 der etwa 167 700 Wohnungen des früheren VEB Gebäudewirtschaft mit auf den Weg. Man muss sich diese Zahlen noch mal vor Augen führen, um zu sehen, welchen dramatischen Wandel der Immobilienmarkt seitdem vollzog.
Heute zählt Leipzig durch Eingemeindungen, Neubauten und Umnutzungen früherer Fabriken etwa 340 000 Wohnungen. Davon sind 250 000 (73,5 Prozent) in Privatbesitz. Die übrigen 90 000 gehören der LWB, Genossenschaften und anderen sozial orientierten Vermietern – darunter gut 5000 verschiedenen Stiftungen, Kirchen, Land und Bund.
Aus Sicht von Karsten Gerkens, der von 1991 bis 2018 das Amt für Stadterneuerung und Wohnungsbauförderung leitete, war der „große Ausverkauf“ nach der Einheit politisch gewollt. Zuvor hatte das staatlich gelenkte Wohnungswesen der DDR gerade auch in Leipzig eine Ruinenlandschaft erzeugt. Der Verfall und Abriss vieler historischer Häuser war einer der wichtigsten Gründe, warum sich die Friedliche Revolution im Herbst ’89 ausgerechnet in Leipzig ihre Bahn brach.
Immobilien in Leipzig: 2,2 Milliarden Euro an Steuerersparnis
Im Einigungsvertrag wurde das Prinzip „Rückgabe vor Entschädigung“ festgeschrieben, rekapituliert Gerkens. Auch durch das Altschuldenhilfegesetz seien Genossenschaften und Kommune faktisch gezwungen worden, große Teile ihrer Bestände zu verkaufen. „Das nutzten viele Glücksritter aus dem Westen – zumal sie dabei vom Staat unterstützt wurden“, berichtet der gebürtige Hamburger, der längst in der Dübener Heide lebt. „Allein in Leipzig konnten die Käufer dabei etwa 2,2 Milliarden Euro an Steuerabschreibungen geltend machen.“
Zum Vergleich: Die Stadt Leipzig besitzt aktuell keine Wohnungen mehr. Bei ihrer Tochter LWB sind es 36 500 mit einem Buchwert von gut einer Milliarde Euro. Den Genossenschaften gehören im Stadtgebiet nun etwa 48 500 Wohnungen. Inflationsbereinigt dürfte das heutige Gesamtvermögen der sozial orientierten Vermieter damit ungefähr bei jener Summe liegen, die nach der Wende als Sonderabschreibungen an Privatkäufer in Leipzig floss.
Wer kaufte Leipzig auf? „Zahnwälte“ aus dem Westen
Für die Käufer wurde bald das geflügelte Wort der „Zahnwälte aus Stuttgart“ geprägt. Viele erwarben jedes Jahr ein oder zwei, manchmal auch fünf Wohnungen an der Pleiße, um Steuervergünstigungen zu nutzen. Manche besichtigten das Objekt nicht mal selbst, sondern vertrauten auf Prospekte, die ihnen Vermittler wie AWD von Carsten Maschmeyer oder aus dem Bereich der Ärzte- und Apothekerbank frei Haus lieferten. Die Legende der „Boomtown des Ostens“ reichte oft schon für eine Kapitalanlage aus.
In der Folge existiert bis heute kaum eine andere Metropole in Deutschland, die eine so kleinteilige Struktur bei den Privateigentümern aufweist. Das sagt Dieter Rink, Professor für Stadtsoziologie am Leipziger Umweltforschungszentrum. „In den Häusern der Gründerzeit ist es nicht selten, dass jede Wohnung einem anderen Anleger gehört.“ In einer Untersuchung im Jahr 2013 ermittelte Rinks Department, dass rund 72 Prozent der Leipziger Gründerzeitwohnungen Westdeutschen gehörte, zu 15 Prozent waren es ortsansässige Eigentümer, zu 12 Prozent andere Ostdeutsche und nur zu reichlich einem Prozent Personen oder Firmen mit Sitz im Ausland. Das Verhältnis dürfte sich seitdem nicht grundlegend geändert haben – auch wenn in Leipzig der Anteil der Einheimischen unter den Käufern von Eigentumswohnungen seit fünf Jahren vorsichtig steigt.
86 Prozent der Leipziger leben heute zur Miete. Laut dem jüngsten Wohnungsmarktbericht der Stadt stammen 33 Prozent aller Quartiere aus der Gründerzeit (vor 1918), 16 Prozent wurden bis 1948 erbaut, 28 Prozent zu DDR-Zeiten und 23 Prozent nach der Wiedervereinigung.
Bei den Neubauten nach der Wende dürfte die Quote westdeutscher Besitzer eher noch höher als in der Gründerzeit liegen, schätzt Roman Grabolle von der Initiative „Stadt für alle“ ein. Hier hätten sich außer den „Zahnwälten“ jedoch vor allem Pensionskassen, Fonds und Versicherer eingekauft. In letzter Zeit nahmen zunehmend Großvermieter wie Vonovia aus Bochum (besitzt inzwischen 9200 Wohnungen in Leipzig) die Messestadt in den Fokus.
Wohnungsmarkt in Leipzig: Sehr wenig selbst genutztes Eigentum
„In jedem Fall gehört mehr als die Hälfte des ganzen Leipziger Wohnungsbestandes westdeutschen Eigentümern“, sagt Grabolle. „Eine Besonderheit ist auch, dass der Anteil selbst genutzten Wohneigentums in Leipzig selbst für ostdeutsche Verhältnisse besonders niedrig liegt.“
Wenn die Mieten weiter so stark steigen wie in den letzten Jahren, drohten der Mieterstadt Leipzig massive soziale Probleme, warnt er. Zumindest habe das Rathaus nicht den „Fehler von Dresden“ nachgemacht und alle kommunalen Wohnhäuser an einen Konzern verkauft, der mittlerweile zu Vonovia gehört.
Sowohl die Genossenschaften als auch die LWB hätten alle Verkäufe gestoppt, versuchten nun vielmehr, ihre Bestände wieder zu vergrößern. „Allerdings sind sie am stärksten in den 14 DDR-Großwohnsiedlungen vertreten. Es gibt Gründerzeit-Stadtteile wie Alt-Lindenau, wo sie fast nichts mehr haben.“ Deshalb versuchten neue Genossenschaften wie die SoWo eG, gerade in diesen Vierteln Häuser dem Kapitalmarkt zu entziehen und an Selbstnutzer zu übertragen. Mit Hilfe der Kommune sei das bislang für geschätzt 1500 Wohnungen gelungen, so Grabolle.
Der große Ausverkauf: Private haben Altbauten gerettet
Auch UFZ-Professor Rink spricht vom „großen Ausverkauf“ nach der Wende. Ohne das Engagement der Privaten hätte Leipzigs Altbausubstanz aber nicht gerettet werden können, betont er zugleich. Die kleinteilige Eigentümerstruktur und der Sanierungsboom nach der Wende hätten den hiesigen Mietern lange Zeit fast paradiesische Zustände beschert. „Sie sind der Hauptgrund, dass Leipzigs Bestandsmieten noch immer deutlich unter denen vergleichbarer Metropolen liegen.“
Jedoch sieht auch Rink aktuelle Bestrebungen großer Konzerne kritisch, hier stärker Fuß zu fassen. Vonovia wolle über die Tochter Buwog den Hauptteil des Areals am Bayerischen Bahnhof bebauen. Mit den Plänen für riesige Quartiere auf dem früheren Eutritzscher und Thüringer Bahnhof oder dem Krystallpalast-Areal könnten Wohnungskonzerne von außerhalb ihre Marktmacht vergrößern, die schon länger in Leipzig auf Einkaufstour sind.
Völlig einig sind sich Rink, Grabolle und Gerkens in einem Punkt: Am meisten profitiert vom Ausverkauf bei Leipzigs Immobilien haben nicht die „Zahnwälte“ in den ersten 25 Jahren. Einen Gutteil von deren Steuerersparnis hätten die hier tätigen Projektentwickler und Bauträger nämlich oft schon von vorn herein auf den Verkaufspreis aufgeschlagen. Richtig durch die Decke gingen die Renditen ausgerechnet erst zu dem Zeitpunkt, als die Stadt den Ausverkauf gerade stoppte – also vor etwa fünf Jahren.
Seit 2017 steigen die Immobilienpreise massiv, weil große Kapitalanleger nur noch in „Betongold“ eine Chance sehen, den Negativzinsen am Kapitalmarkt zu entkommen. Inzwischen sind Eigentumswohnungen in Leipzig so teuer, dass immer öfter gleich ganze Häuser an Fonds oder Konzerne verkauft werden. Und diese dürften früher oder später versuchen, sich das Geld von den Mietern zurückzuholen.
08.07.2021
Endlosbaustelle Technisches Rathaus – so ist der Stand
Nachdem Christoph Gröner 2020 beim M-Dax-Konzern Consus ausgestiegen ist, ruhten auch einige Großbaustellen der Consus in Leipzig – wie das frühere Technische Rathaus. Am Ostplatz, in der Kreuzstraße und in Eutritzsch geht es nun aber wieder voran.
Leipzig. Am Leipziger Ostplatz wirbeln nun wieder die Bagger. Gleich neben der Kreuzung Prager Straße/Johannisallee wird die Baugrube für das geplante Ostforum aus drei Gebäuden, gemeinsamen Campus und Tiefgarage ausgehoben. „Das beinhaltet Erdarbeiten und Spezialtiefbau“, erklärt Vincent Pfeifer, Sprecher der Adler Group.
Entstehen sollen 14.500 Quadratmeter Gewerbeflächen in einem Elf- und einem Siebengeschosser direkt an der Prager Straße. Die Dächer werden begrünt. Ebenerdig ist Einzelhandel vorgesehen. In Richtung der Kleingärten im Johannistal kommt noch ein Fünfgeschosser mit 50 Wohnungen hinzu. Voraussichtlich werde das fast 70 Millionen Euro teure Vorhaben im Frühjahr oder Sommer 2023 fertig, so Pfeifer. Dann solle auch die Endlos-Baustelle nebenan erfolgreich abgeschlossen sein.
Die Endlosbaustelle – das ist das frühere Technische Rathaus in der Prager Straße 20-28. Seit über anderthalb Jahren tut sich dort nicht mehr viel. Erst hatte ein politisch motivierter Brandanschlag auf Baukräne am 3. Oktober 2019 für erhebliche Behinderungen gesorgt. Die Täter sind bis heute nicht geschnappt. Dann stieg der bekannte Bauunternehmer Christoph Gröner im März 2020 aus jener Firma aus, die unter anderem das Technische Rathaus mit 280 Wohnungen und 4300 Quadratmetern Gewerbeflächen im Sockelgeschoss sowie das benachbarte Ostforum realisieren wollte. Schließlich kam auch noch Corona obendrauf.
Branchengigant Adler übernimmt fünf Projekte
Inzwischen haben sich die Dinge aber neu sortiert. In Leipzig gingen dabei fünf größere Projekte an den Entwickler Consus Real Estate, der mittlerweile zum Branchengiganten Adler Group gehört. „Am ehemaligen Technischen Rathaus werden momentan vor allem Planungsmaßnahmen durchgeführt“, berichtete Pfeifer. Es bleibe dabei, dass der Baukörper aus DDR-Zeiten große Einschnitte erhält, durch die vier Türme zum Wohnen entstehen. Investitionsvolumen: 95 Millionen Euro.
Nach der Übernahme durch die Adler Group seien Evaluierungen bei einigen Projekten nötig geworden, bat der Sprecher um Verständnis für Verzögerungen. Mittlerweile liefen aber überall die Bau- oder Planungsarbeiten weiter. So gehe das Neubauensemble „Magnolia“ in Eutritzsch (an der Ecke Hamburger/Dessauer Straße) samt Tiefgarage gerade auf die Ziellinie. „Die 187 Wohnungen, Fenster und Fassaden sind bereits zum großen Teil fertig.“ Bis zum Jahresende sollen alle Restarbeiten erledigt sein. Investvolumen: 39 Millionen Euro.
Im Graphischen Viertel habe die Adler-Group jüngst Arbeiten am Projekt Quartier Kreuzstraße gestartet (zwischen Ludwig-Ehrhard- und Lange Straße, mit Tiefgarage, 52 Millionen Euro). „Voraussichtlich bis zum Sommer 2023 werden dort 192 Wohneinheiten sowie 890 Quadratmeter Gewerbefläche entstehen.“ Für einen Neubau mit 24 Wohnungen an der Ecke Arthur-Hoffmann-/Arno-Nitzsche-Straße (acht Millionen Euro) in Connewitz liege die Baugenehmigung vor, fänden derzeit aber noch Detailplanungen statt.
Richtfest für „Mansfeld Hallen“ in Paunsdorf
Gröner ist mit Adler nicht mehr verbandelt, in Leipzig gleichwohl mit seiner neuen Holding Gröner Group sowie dem dazugehörigen Projektentwickler CG-Elementum weiterhin höchst aktiv. Erst an diesem Mittwoch begrüßte er über 100 Handwerker zum Richtfest für die „Mansfeld Hallen“ in der Riesaer Straße. Die denkmalgerechte Sanierung dieser völlig maroden, früheren Fabrik „Chn. Mansfeld“ hatte im Sommer 2020 begonnen. Einst wurden dort Maschinen zur Papierverarbeitung, auch Schreibmaschinen hergestellt.
Auf 9000 der 14.000 Quadratmeter Nutzflächen öffnet schon bald ein Innovations- und Ausbildungszentrum der CG-Elementum. Dazu gehören Lehrwerkstätten, Schulungsräume und Apartments für 42 Jugendliche, außerdem Bereiche zur seriellen Vorfertigung von Ausbauelementen wie Wand- und Bodenbeläge. Die übrigen Flächen in der traditionsreichen Paunsdorfer Fabrik stehen für Gewerbe- und Büromieter zur Verfügung, hieß es bei der Veranstaltung.
03.10.2019
Baukräne brennen an der Prager Straße in Leipzig – Polizei geht von Anschlag aus
Die Polizei vermutet einen Anschlag, das Landeskriminalamt hat die Ermittlungen übernommen: Mehrere laute Explosionen weckten in der Nacht zu Donnerstag Anwohner in der Prager und der Platostraße in Leipzig. Auf dem Gelände des ehemaligen Technischen Rathauses waren zwei Baukräne in Brand geraten.
Leipzig. Die Polizei geht von Brandstiftung aus: Bei einem mutmaßlichen Anschlag sind in der Nacht zum Tag der Deutschen Einheit in Leipzig drei Autokräne schwer beschädigt worden. Zwei Fahrzeuge brannten vollständig aus, ein weiterer Kran ist vorerst nicht nutzbar. Zudem entdeckten die Ermittler an einem Bagger ebenfalls Brandspuren.
Die Fahrzeuge befanden sich in einem Umkreis von rund 50 Meter und fingen nahezu zeitgleich Feuer. Leipzigs Polizeipräsident Torsten Schultze machte sich am Morgen selbst ein Bild vor Ort. „Wir gehen von einer vorsätzlichen Tat aus. Wer solches tut, aufgrund welcher Motivation auch immer, und dabei zusätzlich billigend in Kauf nimmt, dass auch Dritte Gefahren für Leib und Leben ausgesetzt sind, hat jeglichen Wertekompass verloren und agiert verbrecherisch“, sagte er.
Die Ermittlungen hat inzwischen das Polizeiliche Terrorismus- und Extremismus-Abwehrzentrum (PTAZ) beim Landeskriminalamt (LKA) Sachsen übernommen. „Ein politisch motivierter Hintergrund der Tat kann hier nicht ausgeschlossen werden, insbesondere am heutigen Datum, dem Tag der Deutschen Einheit. Unabhängig davon wird in alle denkbaren Richtungen ermittelt“, erklärte Polizeidirektor Dirk Münster, Leiter der Abteilung Staatsschutz im LKA Sachsen.
Auch Oberbürgermeister Burkhard Jung (SPD) meldete sich zu Wort. „Wir sind konfrontiert mit einer massiven Gewalttat, bei der die Täter kaltblütig ohne Rücksicht auf das Leben der Nachbarn gehandelt haben. Die Polizei verdient jede Unterstützung, um die Hintergründe aufzuklären. Dies ist ein Terroranschlag, auf den der Staat mit ganzer Konsequenz antworten muss“, so Jung.
Anwohner vernahmen gegen 0.30 Uhr auf der Baustelle am ehemaligen Technischen Rathaus an der Prager Straße explosionsartige Geräusche. Beim Eintreffen der Feuerwehr brannten die beiden Spezialfahrzeuge bereits in voller Ausdehnung, so die Beamten. Die Kranfirma geht in einer ersten Einschätzung von einem Millionenschaden aus. Verletzt wurde nach ersten Erkenntnissen niemand.
Die Polizei sperrte das Gebiet sofort großräumig ab. Weil die Gefahr bestand, dass die brennenden Kräne umstürzen könnten, wurde das direkt neben dem alten Technischen Rathaus liegende Gebäude in der Platostraße geräumt. Rund 40 Bewohner mussten ihre Unterkünfte bis 3 Uhr verlassen. Auch Bereiche der angrenzenden Kleingartenanlage „Johannistal“ bleiben am Donnerstag vorerst abgeriegelt. Dort hatten während der Löscharbeiten noch einige Pächter zu nächtlicher Stunde gefeiert. Sie mussten nach Angaben von Polizeisprecher Alexander Bertram ihre Parzellen verlassen. Bei umstürzenden Kränen wären ihre Flächen unmittelbar gefährdet gewesen.
Gasflaschen explodieren
Die Feuerwehr musste bei den Löscharbeiten besonders vorsichtig vorgehen, weil weitere Detonationen die Arbeiten erschwerten. Im Umfeld der brennenden Fahrzeuge waren Gasflaschen gelagert, die für Bauarbeiten bestimmt waren und nun ebenfalls ein Opfer der Flammen wurden. Helfer bemerkten bei den Detonationen regelrechte Druckwellen. Auch Baumaterial habe gebrannt und stark gequalmt. Rings um den Ort des Feuers lag der Gestank von brennendem Kunststoff in der Luft. Überall in den umliegenden Straßen standen Einsatzfahrzeuge von Polizei und Feuerwehr sowie Rettungswagen. Das Areal war weiträumig abgesperrt.
Polizisten gingen in der Platostraße von Tür zu Tür und alarmierten die Bewohner. Wie einige von ihnen der LVZ berichteten, sei den Leuten gesagt worden, dass sie sich in Richtung Innenstadt in Sicherheit bringen sollten.
Mehrere Mieter hatten sich in einem Durchgang an der Prager Straße versammelt und verfolgten aus der Ferne die Löscharbeiten. Einige der jüngeren Bewohner hatten sich Getränke mitgenommen, ließen Musik laufen und machten so aus der Räumung eine kleine Partyrunde.
Polizei schließt Zufahrtsstraßen
„Wir wollten eigentlich am Feiertag in den Urlaub starten“, berichtete ein Bewohner, der mit seiner Frau in dem Durchgang wartete. Auf dem Rücken trug er einen Rucksack mit wichtigen Dingen, die beide vor Verlassen der Wohnung zusammengepackt hatten. „Wir hörten gegen drei Viertel eins einen lauten Knall aus Richtung der Baustelle“, sagte der Mann. Das sei in der Vergangenheit schon öfter vorgekommen, dennoch sei er nach unten gegangen, um nachzuschauen. Sofort habe er beißenden Rauch wahrgenommen, sagt er.
Wenig später sei auch schon die Feuerwehr vor Ort gewesen. Als er für eine bessere Sicht auf die andere Straßenseite wechselte, habe es weitere Explosionen gegeben, schilderte der Mann weiter. Aus Sorge vor womöglich herumfliegenden Teilen habe er Schutz gesucht. Wegen der anstehenden Urlaubsreise wollte das Paar danach das schon gepackte Auto aus der Tiefgarage fahren. Doch die Polizei hatte die Ausfahrt in der Goldschmidtstraße zu diesem Zeitpunkt bereits geschlossen. Denn in der Straße standen wegen des direkten Zuganges zur Brandstelle viele Lösch- und Einsatzfahrzeuge.
Die Stabilität der beschädigten Kräne müsse im Laufe des Tages überprüft werden, hieß es. Die Feuerwehr war am Morgen noch mit den Nachlöscharbeiten beschäftigt.
Bauträger schon mehrfach Anschlagsopfer
Ein Vertreter des Bauherren war am Donnerstag gegen 7 Uhr vor Ort. CG-Vorstandschef Christoph Gröner sagte : „Wir warten das Ergebnis der Ermittlungen ab“, sagte er. Die Bauarbeiten sollten so schnell wie irgend möglich fortgesetzt werden, die Fertigstellung des Objekts sei für Mitte 2020 vorgesehen, hieß es zudem aus der Leipziger Unternehmenszentrale. Die Baukräne gehören den Beamten zufolge allerdings einer beauftragten Fremdfirma. Ein Bekennerschreiben lag zunächst nicht vor. Der 171 Meter lange und 38 Meter hohe ehemalige Büroriese wird derzeit von der CG-Gruppe umgebaut. In vier Wohntürmen sollen dort 296 Wohnungen entstehen. Von der Zahl vier abgeleitet ist auch der Name „FourLiving“ für das Projekt, welches vorab an die Bayerische Versorgungskammer verkauft wurde – für 90 Millionen Euro.
Wie andere Projektentwickler auch, war die CG Gruppe in Leipzig schon mehrfach Ziel von Anschlägen geworden. So brannten 2016 in einer Nacht etliche Firmenfahrzeuge. 2017 – als es in Berlin Auseinandersetzungen um ein von Autonomen besetztes Haus in der Rigaer Straße 94 gab – folgten Anschläge in mehreren Städten, zum Beispiel in Dresden mit Explosionskörpern auf ein Haus im Barockviertel. Oder in Leipzig auf Anlagen des Jugendfußballvereins FC Inter, der durch CG gesponsert wird. Erst im November 2018 gab es einen Großbrand im früheren Postbahnhof an der Leipziger Adenauerallee – dieser wird zurzeit durch CG in ein Technologie- und Gewerbezentrum umgewandelt.
Das LKA sucht nun nach Zeugen, die sich in der Nacht zum Donnerstag im Umfeld der Prager Straße und nahe der Baustelle aufhielten.