nochmal zum 13.12.

„Fuck alle die beim Angriff auf die Moschee waren Ihr nehmt es hin Menschen zu gefährden die nichts zu tun haben(die Moscheegänger*innen, nicht DITIB) und wenn ein Linker Raum dann 2 Schafsköpfe, Böller und sonst nichts abkriegt heult man rum.. Linxxnet hat zwar auch mit nichts zu tun in dem Kontext,und haben die Angriffe auf die Moschee zurecht verurteilt,aber ich hätte euch/Demogängern der #le1312) den Schafkopf persönlich vor die Füße geballert wenn ihr daran beteiligt wart.“ (CedricSchulz bei twitter)

„Niemand hat jemals die Scheibe von so ner dummen Konversationstherapie LGBTIQ+feindlichen Christen eingeschlagen. Oma könnte ja hingehen, aber dann ne Moschee angreifen. Einfach dumm. (Bitte macht generell keine Gebetshäuser kaputt)“ (lin.a.tari bei twitter)

„Autonome Militanz die nicht-erklärend oder gar rassistisch ist muss innerhalb der „Szene“ isoliert werden. Militanz ohne (revolutionäres) Subjekt/Motiv führt zu keinerlei Ausdruck von Wut im Kontext der Ausweitung eines möglichen Riots durch andere Menschen die sich entsprechend der Tat anschließen. Insofern ist #le1312 eine unpolitische bis rassistische Aktion gewesen.“ (SchwierigerFall bei twitter)

„Laut Berichten stieß der angriff schon an Ort und Stelle auf Unmut. Ein gutes Zeichen dafür, dass sich manche der Komplexität bewusst sind die ein Nachdenken über andere Strategien als die (z.B. von der Bekämpfung von Neonai-Infrastruktur) gewohnt notwendig macht“(mouflonkarim bei twitter)

„Wer Gebetshäuser angreift ist nicht links, ohne „wenn und aber“. Islamophobie stoppen!“(Ingo Jaeger bei twitter)

„Anschläge auf Moscheen in Deutschland, gar in Sachsen? Geht gar nicht!“ (Juliane Nagel bei twitter)

„Gewalt gegen Menschen oder Sachen ist jedoch kein der der Meinungsfreiheit. Wir verurteilen daher den Angriff auf die Moschee aufs schwärfte. Neben dem fragwürdigen Anlass der Demonstration muss auch konstatiert werden, dass die Teilnehmerinnen und Teilnehmer die aktuelle schwierige Corona-Situation ignorieren.“(Anja Feichtinger, SPD in einer Presseerklärung)

So und so ähnlich äußerten sich etliche Socialmedia-Junkies bereits kurz nach Bekanntwerden der Ereignisse auf der Sponti anlässlich des 13.12.2021 in Leipzig, bei welchem eine Scheibe einer DITIB-Moschee mit einem Stein eingeworfen worden war. Und auch im Nachgang blieben die Gemüter erhitzt – zuletzt Anfang Februar wurde ein Text unter dem Titel 13.12. veröffentlicht, der in das gleiche Horn stieß: „Wir fordern, dass ein solches Verhalten bei zukünftigen Aktionen Konsequenzen hat und diese Destruktionslust als Selbstzweck als das begriffen was sie ist: unglaublich dumm und sinnlos. Gezielte Aktionen gegen Nazis und Islamisten sind etwas anderes als Hooliganismus und Gewaltkult.“

Die Schuldigen für die ganze Misere sind jedenfalls schon seit Beginn der Debatte bekannt: Es sind irgendwelche „Almans“, „Männermob-Hooligans“, Menschen die ihrem „rücksichtslosen Gewaltfetisch“ als einem „Selbstzweck“ folgen, oder eben kurz zusammengefasst: „linke Autonome“.

Aber zu der befürchteten Eskalation der Gewalt, die manche herbeifantasierten, nachdem vermutlich als „Rache“ für den Steinwurf auf die Moschee vor dem Linxxnet zwei Schafsköpfe abgelegt und gleich mehrere Böllern gezündet wurden, kam es nicht. Lag es an den „Gesprächen“, die unbedingt geführt werden müssten? Am Spendenaufruf für die Moschee? Vielleicht gar an Handzetteln, auf denen sich für das unsägliche Verhalten auf der Demo entschuldigt wurde? Wir wissen es nicht, vielleicht war es ja das Zusammenwirken und der Schulterschluss vieler Akteuer:innen der besseren radikalen oder auch nicht so radikalen Linken. Eine Eskalation der Auseinandersetzung, eine Eskalation im Konflikt mit – ja wem eigentlich genau? – blieb jedenfalls aus und auch das Viertel rund um die Eisenbahnstraße ist im Grunde trotz der Sponti die gleiche Straße geblieben.

Eigentlich alles so weit so gut. Gemecker über Spontis, bei denen irgendwas kaputt gemacht wird, gibt es eigentlich immer, und zwar recht gleichgültig, was da genau eingeworfen wird. Linke, die Militanz als Mittel ablehnen, oder nur in absoluten Ausnahmefällen gutheißen, finden immer einen Grund, warum dieser oder jener Stein jetzt gar nicht geht, das falsche Ziel getroffen hat, die eigene Sache gefährdet, die Anstrengungen, Menschen für die eigene Sache zu gewinnen um Jahre zurückwirft, nicht vermittelbar war, Ausdruck von Polithooliganismus war, Ausdruck eines Gewaltfetisches, nur dummes Mackertum, und so weiter und so weiter. Das ist eigentlich keine große Sache. Mit einem Teil der Vorwürfe wird sich auseinandergesetzt, mit einem anderen nicht, mal ist ein Vorwurf gerechtfertigt, mal nicht.

Diesmal aber erscheint es sinnvoll, doch mal etwas auf die geäußerte „Kritik“ zu erwidern. Es wurde – und wir denken einfach mal aus unserer freundlichen Art heraus, dass es ein bisschen so im Überschwang und unter Schock geschah – einfach so viel Unüberlegtes geäußert wurde, dass es nötig ist, dazu etwas anderes zu sagen; ansonsten könnte es noch dazu kommen, dass jemand diese getätigten Äußerungen für richtig hält, einfach weil sie so oft (und auch immer noch anhaltend) wiederholt werden.

DITIB

In seinem Text „Die 13.12. Sponti und die falsche Kritik daran – Über dämliche Gewaltkultur und linke Solidarität mit Faschisten“ schrieb der AK Geht‘s noch?! über den Zusammenhang zwischen der DITIB, dem Erdogan-Regime und den Grauen Wölfen und wieso ein irgendwie gearteter positiver Bezug auf diese, beziehungsweise eine Bereitschaft zum Dialog hier völlig fehl gehen und spart nicht mit Kritik:

„Den Vogel schießen die hier kritisierten Teile aus der radikalen Linken dann völlig ab, wenn sie im Anschluss an den Angriff auf das linxxnet, wie die Landtagsabgeordnete Nagel, dazu aufrufen für die eingeschlagenen Scheiben der Moschee Geld zu spenden. Gleichzeitig wird dazu aufgerufen mit DITIB in einen Dialog zu treten. Oder etwa ein Leipziger Twitteraccount, der den rappenden Linkenhasser und Faschofreund Omik K. in seiner Sicht auf die Dinge der Sponti beipflichtet. Omik K. teilte anschließend eine Drohung gegen das linxxnet auf Instagram, bevor dieses dann tatsächlich angegriffen wird. Weitere ahnungslose Antirassist:Innen verteilen mittlerweile Zettel auf der Eisenbahnstraße, auf welchen sie wiederum den Angriff als rassistisch labeln und ihre Solidarität mit den Betroffenen, also auch mit islamisch-reaktionären bis offen faschistischen Teilen, die sich unter dem Verband von DITIB-Moscheen finden, ausdrücken. Die Tage kommt man angesichts solcher Reaktionen von sich als links und emanzipatorisch Begreifenden gar nicht mehr raus sich die Hände vors Gesicht zu schlagen.“

Und auch der Text „13.12.“ wird dazu entsprechend deutlich:

„Viele Einordnungen nach der Sponti haben uns sprachlos gemacht. Auf einmal wurde die DITIB Moschee zum „migrantischen Safespace“ gekürt und Linke haben Spendenaufrufe initiiert und die Wichtigkeit des „Gesprächsfadens“ betont.

Was ist das für ein Safespace, in dem gegen Kurd:innen und Homosexuelle gehetzt wird? In denen Märtyrerspiele veranstaltet werden, bei denen Kinder in türkischer Uniform Krieg spielen und wo für den türkischen Angriffskrieg gegen die Menschen in Rojava gebetet wird? In dem der Völkermord an den Armenier:innen geleugnet wird? Seit wann sind „Safespaces“ von türkischen Nationalist:innen verteidigenswert?

Um es deutlich zu sagen: DITIB Moscheen sind nie nur Gebetshäuser, sondern ein politisches Projekt der Türkei. In ihnen wird spioniert, Oppositionelle bedroht und angegriffen. DITIB untersteht der türkischen Religionsbehörde Diyanet, dessen Präsident Ali Erbas Homosexualität als „widernatürliche Perversion“ und den CSD als Ketzerei bezeichnet hat. Die Imame in DITIB Moschee werden damit von einer von Erdoğan unterstellten Behörde entsandt und bezahlt. Die Wortwahl der Freitagspredigten kommt direkt aus der Türkei. DITIB und ihre Funktionäre sind eng mit den Grauen Wölfen verbunden, der größten rechtsextremen Organisation in Deutschland. Und Linke setzen sich dafür ein, dass Spenden an DITIB fließen?!“

Damit ist ein großes Wirrnisse aufgeklärt, das in vielen anderen Statements auftaucht: die völlig widersinnige Annahme, eine Moschee sei ein allgemeiner Schutzraum für Muslim:innen. Bei vielen Linken scheint nämlich eine Differenzierung noch schwer zu fallen: es gibt schlichtweg „die Muslim:innen“ und ihre Moscheen. In diesem Denken kann auch nicht differenziert werden, dass ein Angriff auf eine Moschee weder zwangsläufig gegen Moscheen im Allgemeinen gerichtet sein muss, noch dass ein solcher Angriff nicht auch Muslim:innen aus dem Herzen sprechen kann und gerade ein Angriff auf die Struktur darstellt, die ihre Unterdrückung und Geringstellung innerhalb der Gesellschaft und auch offene Gewalt (etwa aufgrund sexueller Orientierung, Zugehörigkeit zu einem nichtmännlichen Geschlecht oder auch einfach abweichender islamischen Glaubensrichtung) organisiert. Darüber hinaus hängt damit die ebenso herabsetzende Ansicht zusammen, dass ein:e Muslim:a nicht erkennen könne, wogegen der Angriff auf eine Moschee sich richten würde, und dadurch zwangsläufig und immer nur in Angst und Schrecken versetzt werde. Dieses Denken ist dann auch die Voraussetzung dafür, dass irgendwelche Beknacktis sich darin gefallen, sich mit einem Typen wie Omik K. gemein zu machen. Dass jemand hier einen Schulterschluss suchen und auf der anderen Seite gegen Mackertum schimpfen kann, ist Ausdruck dessen, wie oberflächlich bei manchen die Kritik an Männerbündelei und Mackertum bleibt.

Autonome Hooligans

Trotzdem schaffen es die Verfasser:innen der oben genannten Texte nicht, die eigenen Gedanken bis zum Ende zu verfolgen. So heißt es etwa beim AK Geht‘s noch?!:

„Auch bei diesem Angriff zeigt sich der Unwillen einiger Spontigänger:innen über die Vermittlung und Auswirkung von militanten Aktionen nachzudenken. Die Kritik ist berechtigt, dass anscheinend kein Gedanke daran verschwendet wurde, das bei einem vermummten Mob, der zuerst wahllos Autos von dort wohnenden Menschen und anschließend eine Moschee im als migrantisch geprägten Viertel bekannten Eisi Kiez angreift, die Assoziation an einen rassistischen Mob in Sachsen wohl deutlich näher liegen kann, als dass allen Leuten klar wäre es handelt sich um einen Angriff auf türkische faschistische Strukturen. Damit nimmt man in Kauf von Rassismus Betroffene in Angst zu versetzen.“

Und beim Text „13.12.“:

„Es war eine Demo, die teilweise Angst und Verunsicherung bei den umstehenden Menschen ausgelöst hat, weil von außen noch nicht einmal deutlich wurde, ob es sich um Linke oder Rechte handelte.“

Zwar wird eingeräumt, dass DITIB sehr wohl ein sinnvolles Ziel linker Politik sein kann. Aber sie dürfen es dann doch nicht sein, zumindest dann nicht, wenn ein Vorgehen gegen sie dazu geeignet ist, „Betroffene in Angst zu versetzen“, oder eben „Angst und Verunsicherung bei den umstehenden Menschen“ auszulösen. Was hier als einfühlsamer Antirassismus und Solidarität mit den von Rassismus Betroffenen daher kommt, ist aber im Grunde genommen der Vorbehalt gegen militantes Vorgehen im Allgemeinen. Denn was hier vermeintlich für Angst und Verunsicherung sorgt, ist ja nicht das Ziel, sondern die Art des Vorgehens: schwarz gekleidete Vermummte zünden Pyrotechnik und schmeißen mit Steinen – in welche Kontext wäre denn ein solches Vorgehen dazu geeignet nicht für Angst und Verunsicherung zu sorgen? Im Moment des Angriffes ist eine Vermittlung ja doch nur in absoluten Ausnahmefällen möglich und für Außenstehende sind doch die Motive der Handelnden ganz häufig nicht ersichtlich. Darüber hinaus: Selbst wenn es Hinweise – und mehr als Hinweise sind ja in so einem Moment wirklich nicht zu erwarten – gibt, so führt dies ja nicht allgemein zur Beruhigung der Umstehenden, beziehungsweise deren Gleichgültigkeit gegenüber dem Geschehen (als ein Beispiel: Wenn jemand eine Straße entlangläuft und alle SUVs auf dem Weg in Brand setzt, wird das die Umstehenden sicherlich „verunsichern“, auch wenn diese Person sehr deutlich machen könnte, es ginge nicht gegen Autos im Allgemeinen oder deren Besitzer:innen, sondern es ginge um den Klimawandel). Militantes Vorgehen richtet entweder Schaden an oder verletzt einen Menschen, darüber hinaus geht es nicht ohne Gesetzesverstoß, beides wird im Allgemeinen und erwartbar aber abgelehnt.

Dies bedeutet aber in der Konsequenz, dass wir eben nur das tun dürften, wenn wir uns an dem orientieren, was eben keine Angst und keine Verunsicherung auslöst. Mithin: Es müsste eine Übereinkunft geben, welche Aktionsart sowohl bei den Ausführenden und den „Umstehenden“, akzeptabel wäre. Ein solcher Konsens lässt sich aber nicht erzeugen; immerhin erzeugen ließe sich vielleicht ein Konsens derjenigen, die an der Aktion, in diesem Fall der Sponti teilnehmen. Dass zumindest Teile der Bewegung davon ausgehen, dass ein solcher Konsens bereits bestünde, davon zeugt wiederum der Text „13.12.“:

„Wir haben es so beobachtet, dass der Aktionskonsens von einzelnen Personen das Ziel der Demo verfehlt hat und dem Aktionskonsens eines Großteils der Gruppe widersprochen hat. So haben wir beobachtet, dass Menschen, die Autos und Mülltonnen beschädigt und angezündet haben, aus dem Demozug angeschrien wurden, sie sollen „den scheiß lassen“. Auch als die DITIB Moschee angegriffen wurde, gab es lauten Widerspruch aus der Demo.“

So ganz klar ist nicht, was mit „Wir haben es so beobachtet, dass der Aktionskonsens von einzelnen Personen das Ziel der Demo verfehlt hat und dem Aktionskonsens eines Großteils der Gruppe widersprochen hat“ gemeint ist, aber dass „der Aktionskonsens von einzelne Personen“ nicht dem „Aktionskonsens eines Großteils der Gruppe“ entsprochen hat, dass es also eine Mehrzahl von Aktionskonsensen gegeben zu haben scheint, verweist wohl darauf, dass es gar keinen Aktionskonsens gegeben hat. Überhaupt ist der „Aktionskonsens“ eine Erfindung postautonomer Färbung und hat mit autonomen Aktionsformen gar nichts zu tun. Er ist für sich schon eine Frechheit, weil er einen Konsens behauptet, der gar nicht besteht. Ein Konsens ist schließlich etwas, wo alle zustimmen, nachdem es eine Debatte gab, an der auch alle, die am Konsens beteiligt sein sollen, teilnehmen konnten. Ein Konsens ist definitiv keine Weisung von oben; als solche kommt sie aber daher, wenn ein „Konsens“ festgelegt wird, ohne dass sich alle daran beteiligen konnten. Es ist dann eine autoritäre Setzung, die mit dem Begriff „Konsens“ nur beschönigt wird, weil in linken Kreisen „Aktionskonsens“ eben besser klingt als „Aktionsanweisung“. Merkwürdigerweise hat sich das aber in weiten Kreisen durchgesetzt, ein „Aktionskonsens“ ist nun etwas, was diejenigen, die zu einer Aktion einladen, festlegen können. Sie sagen dann, was ok ist und was nicht, wer sich nicht daran hält, verstößt gegen den Aktionskonsens. Natürlich könnte geantwortet werden, dass diejenigen, die zu einer Aktion mit einem bestimmten „Konsens“ erscheinen, durch ihr Erscheinen dem Konsens zustimmen. Unter dieser Perspektive könnte dann allerdings selbst die Bundeswehr von einem solchen Konsens sprechen, weil sie ja nur über Menschen kommandiert, die freiwillig dort sind und diesem Umstand durch ihren Bundeswehrbeitritt zustimmen.

„Wir als einzelne Personen sind sehr enttäuscht darüber, wie die Demo verlaufen ist und in gewisser Weise auch geschockt von uns selbst, dass wir Teil davon waren. Wir sind enttäuscht, dass sich einzelne Personen so gegen den Demokonsens und gegen den Aufruf verhalten haben. Wir hätten damit rechnen müssen, dass Autonome am 13.12. immer Dinge kaputt machen wollen. Aber der Ort und das Ziel der Demo hat uns glauben lassen, dass es nicht zu so einer Zerstörungswut kommt, sondern ein gemeinsamer Kampf gegen Staat und Polizei möglich ist.“ (Textauszug „13.12.“)

„Am Abend des 13.12. zog eine Sponti auf die Eisenbahnstraße im Leipziger Osten gegen Bullen und ihre Gewalt. Der Kiez rund um die Eisenbahnstraße ist einer der sehr wenigen migrantisch geprägten Viertel in Leipzig. Es wurde Pyro gezündet, Barris angezündet und ein paar Leute begannen wahllos geparkte Autos der Nachbarschaft einzuhauen. Wieso diese Autos? Keine Ahnung.“ (AK Geht‘s noch?!)

Es ist wohl unbestreitbar, dass das Thema der Demo durch das Datum gesetzt wurde, es also wie hier geschrieben um den „Kampf gegen Staat und Polizei“ ging. Es ist daher auch verständlich, dass vielleicht eher ein Angriff auf die Polizei erwartet wurde, denn ein Angriff auf DITIB und „geparkte Autos“. Ob dieses Einhauen so „wahllos“ war, wie es der AK Geht‘s noch?! behauptet, entzieht sich unserer Kenntnis. Wir wissen schlichtweg nicht genug zu den jeweiligen Autos, die dort eingehauen wurden, was aber nicht bedeutet, dass sie „wahllos“ eingehauen wurden. Was wahllos erscheint, muss ja nicht wahllos sein. Dass es wahllos ist, kann ja nur jemand behaupten, der die eigene Kenntnis über die dort eingehauenen Autos höher einstuft, als die Kenntnis derjenigen, die die Autos eingehauen haben. Ob das nun auf den AK Geht‘s noch?! oder die Verfasser:innen vom Text „13.12.“ zutrifft, wissen wir nicht, zumindest macht es nicht den Eindruck, als dass sie das wirklich behaupten wollten („Wieso diese Autos? Keine Ahnung.“, AK Geht‘s noch?!). Es wirkt eher wie eine prinzipielle Erwägung, dass das Einhauen von Autos auf der Eisenbahnstraße grundsätzlich wahllos ist, beziehungsweise falsch.

Frei nach dem Motto „Wer schweigt, stimmt zu“, ist es dann eben auch wichtig, sich im Nachhinein davon zu distanzieren. So waren es die Verfasser:innen vom „13.12.“-Text jedenfalls nicht, sondern es waren „Autonome“, die „am 13.12. immer Dinge kaputt machen wollen“. Noch weiteres ist über sie bekannt: es waren „Almans“, die einen „Männermob“ bildeten, um dann ein „Hooliganverhalten“ an den Tag zu legen. Wir wollen das nun gar nicht bestreiten, weil wir es nicht wissen, aber wir wollen dem zumindest nicht einfach zustimmen, weil es doch nun schon ein starker Vorwurf ist zu sagen, es habe sich um einen „Männermob“ aus „Almans“ gehandelt, die nur gekommen waren, um „Hooliganverhalten“ an den Tag zu legen. Unter dieser Perspektive ist ja auch der Angriff auf DITIB gar nicht mehr politisch, sondern eher Ausdruck von Willkür, oder noch Schlimmeres. Das kann auch sein, aber wer solche Vorwürfe erhebt, sollte dann auch wirklich darüber Bescheid wissen. Uns jedenfalls fällt das eher schwer, immer direkt zu erkennen, ob unter der Maskierung ein Almanhooliganmann steckt und wir finden es darüber hinaus auch nicht richtig, darüber zu spekulieren. Die Spekulation scheint uns jedenfalls standardmäßig aus der anderen Richtung zu kommen: etwas wird als „wahllos“ oder „mackrig“ erlebt, daraus wird dann geschlossen, dass es wohl Hooliganmänner gewesen sein müssen, und weil man eben den Angriff auf die Moschee aus einer starken Position kritisieren will, müssen es auch „Almans“ gewesen sein. Eine Kritik an Migrant:innen mit Gewaltfetisch, die ein Hooliganverhalten an den Tag gelegt hätten, haben wir jedenfalls von Linken noch nicht gelesen. Ein solches Verhalten gibt es, oder zumindest wird es nur hier kritisiert, für viele Linke sowieso nur von „Almanmännern“. Insgesamt scheint es uns jedenfalls so, dass es tatsächlich weniger tatsächlich um die beschädigten Autos ging (auch wenn das für manche auch ein echtes Problem zu sein scheint, wenn jemand Hand an irgendwessens Auto legt), oder um DITIB, sondern darum eben nicht in diese unsägliche Kategorie zu fallen, die es so schwer macht, sich selbst als progressiven Menschen zu erleben.

Dabei ist das Problem, dass es zu viel an linker, autonomer und vor allem unreflektierter Militanz gibt, einfach nur eine Imago, ein Schreckgspenst, das durch die Gesellschaft weht, ohne, dass es jemals schon Wirklichkeit gewesen wäre. Wie oft geht den tatsächlich etwas kaputt? Wie oft kommt es zu militantem Vorgehen? Und: Wie oft kommt es zu militantem Vorgehen, wonach dann nicht der Kübel Scheiße ausgegossen wird? Es ist daher gar nicht nachvollziehbar, wieso copwatch in ihre Text zum 13.12. schreibt:

„Außerdem erfordert es Selbstreflexion, insbesondere auch ob und wann bzw. wie militante Aktionen als strategisches Mittel zur Beseitigung von Gewalt und Ungerechtigkeit eingesetzt werden. Dazu gehört auch die Frage, wann wir nur unseren eingeübten selbstreferentiellen Fetischen und Codes folgen, die ihrerseits auch wiederum mackrige und damit patriarchale Hierarchien reproduzieren.“

Ganz so, als wäre das Problem, dass Militanz „mackrige und damit patriarchale Hierarchien reproduzieren“. Tatsächlich ist es doch so, dass es kaum Militanz gibt. „Mackrige und damit patriarchale Hierarchien reproduzieren“ sich an allen möglichen Orten und auf häufig auch ganz subtile Weise. Das kann auch bei einer ganz friedliche Demo sein, bei einer Küfa, oder auch bei einem ganz banalen Spaziergang über die Eisenbahnstraße. Bei Militanz wird immer so getan, als steche hier das Mackrige besonders hervor. Aber was ist mackrig an einer Sachbeschädigung, oder daran Steine zu werfen? Anscheinend wurden auf der Eisenbahnstraße Autos beschädigt, die in den Augen der Kritiker:innen nicht zu beschädigen waren, es war falsch, sie zu beschädigen. Das kann ja auch sein, aber wieso ist es denn einfach nur mackrig, in dieser Frage zu einer anderen Einschätzung zu kommen?

Copwatch fordert „Selbstreflexion, insbesondere auch ob und wann bzw. wie militante Aktionen als strategisches Mittel zur Beseitigung von Gewalt und Ungerechtigkeit eingesetzt werden.“ Diese Forderung ist nicht neu. Sie taucht als Forderung regelmäßig auf, wenn irgendetwas kaputt gemacht wurde und die Öffentlichkeit sich empört. Die Frage, die sich hieraus aber ergibt ist: Wann kommt es denn nun zu dieser reflektierten Militanz? Es waren jedenfalls noch keine Anmerkungen zu lesen, dass diese oder jene Aktion Ausdruck einer solchen Militanz gewesen sei. Vielmehr ist es so, dass der Grund, sich über militantes Vorgehen zu echauffieren darin zu liegen scheint, dass die Distanz zu den Militanten klargestellt werden soll und zwar insbesondere dann, wenn sie in der Öffentlichkeit an den Pranger gestellt werden. Dies war beispielsweise gut zu sehen, als bei der „wir sind alle linx“-Demo das Transparent mit dem Spruch „Dirk Münster bald ist er aus dein Traum – dann liegst du im Kofferraum“ zu lesen war. Niemand störte sich an dem Transparent, bis dieses in der Öffentlichkeit skandalisiert wurde. Anstatt gegen diese schwachsinnige Skandalisierung einzutreten, wurde sich reihenweise vom „menschenverachtenden Inhalt“ distanziert, um ein Image von sich zu erzeugen, nicht zu den „unreflektierten Menschenverachter:innen“ zu gehören. Es wäre jedenfalls interessant, wie viele Linke sich öffentlich so drastisch geäußert hätten, wenn beim Steinwurf auf die Moschee in der Folge öffentlich wahrnehmbar mehr Zustimmung auch aus migrantischen Kreisen gekommen wäre. Ob dies so ist, entzieht sich unserer Kenntnis. In der Kritik wurde jedenfalls vor allem auf öffentlich geäußerte Kritik Bezug genommen, ganz in dem Glauben, es gäbe keine Zustimmung, nur weil diese nicht auf twitter oder ähnlichem zu lesen war. Darauf dass gerade jene, die aus eigener Betroffenheit vielleicht gerade nicht ihre Zustimmung in die Öffentlichkeit bringen können, wird jedenfalls kein Gedanke verschwendet.

Zustimmung zu Militanz gibt es wohl nur, wenn sie von „Betroffenen“ ausgeführt wird:

„Es ist schlichtweg etwas anderes, wenn kurdische Jugendliche eine DITIB Moschee gezielt angreifen wie 2015 in Stuttgart geschehen, als wenn deutsche Autonome wahllos Moscheen einwerfen weil es „ja Faschos sind“.“ („13.12“)

Wieso das allerdings so ist, wird nicht erklärt. Es ist schlichtweg so. Dabei bleibt fraglich, wie im Moment des Angriffs für Außenstehende erkennbar gewesen sein solle, dass es sich um „kurdische Jugendliche“ handeln würde, zumindest wenn ihnen nicht abgesprochen wird, sich vermummen zu dürfen, oder anderweitig ihre Identität zu verschleiern. Wären die „kurdischen Jugendlichen“ in der Pflicht, nach dem Angriff zu sagen, dass sie Kurd:innen sind? Zumindest ein Teil der durch den Angriff verunsicherten Linken scheint dies zu bejahen, sie hätten sich, wenn sie gewusst hätten, dass es Kurd:innen waren, entspannt zurückgelehnt und den Angriff vielleicht sogar beklatscht. Dass damit das Fass aufgemacht wird, dass ein kurdischer Jugendlicher halt kein Linker sein kann und nicht auf Spontis mitläuft, ist den Verfasser:innen des Textes „13.12“ entweder gleichgültig oder nicht bewusst. Überhaupt ist es Ausdruck eines verzerrten Weltbildes, wenn die Frage, ob ein Angriff reflektiert und vermittelbar ist, an der Nationalität festgemacht wird, denn zumindest das müssten wir aus dem Statement „13.12.“ ableiten: „Kurdische Jugendliche“ greifen eine Moschee an bedeutet der Angriff ist reflektiert und vermittelbar, „Alman-Autonome“ greifen eine Moschee an bedeutet, dass der Angriff nicht vermittelbar ist. Migrant:innen jedenfalls werden durch Militanz seitens anderer Migrant:innen nicht „beunruhigt“, wie auch folgende Textpassage erläutern soll:

„2016 wurde eine DITIB Moschee in Dresden von Rechtsextremen angegriffen, aber an den möglichen Traumatisierungseffekt für Muslime in Sachsen haben diese Autonomen keinen Gedanken verschwendet.“

Aus irgendeinem Grund jedenfalls ist es so, dass sollten „kurdische Jugendliche“ eine Moschee angreifen, keine Traumatisierung stattfindet und zwar losgelöst davon, ob die „Muslime“ auch nur einen feuchten Dreck auf den kurdischen Kampf geben.

Mackertum und Militanz

Es soll nun nicht gesagt werden, dass es im Rahmen von Militanz nicht auch Mackertum gibt, oder dass dieses nicht kritisiert werden dürfe. Es muss eben aber mehr sein, als dass „Mackertum“ einfach als Motiv der Militanten angenommen wird, weil einem eine Aktion nicht gefallen hat. Militantes Mackertum findet seinen Ausdruck auch weniger auf Aktionen als in der Selbstinszenierung vor und nach Aktionen. Sich mit „Held:innentaten“ aufspielen, Militanz und sich selbst mit einem Härtekult umgeben, Geringschätzung gegenüber anderen Aktionsformen oder derer, die sich nicht so viel trauen, sich darin sonnen, dass im Grunde alle wissen, „was man für einer ist“ und das durch Habitus und Andeutungen verstärken, sich mit der Übernahme schwieriger Aufgaben aufspielen, körperliche Fitness als Voraussetzung für Militanz behaupten, sind ein paar Beispiele davon, was Mackertum und Militanz ausmachen. Auch auf Aktionen gibt es Mackertum, wie etwa eine Sache nur machen, um im Rampenlicht zu stehen, andere übertrumpfen wollen, noch „eins drauflegen“, wo es keinen Sinn mehr macht oder anderen Kompetenz absprechen. Aber gerade bei dynamischen Aktionen ist es nicht immer leicht auseinanderzuhalten, ob es sich bei einem Verhalten um Mackertum oder einfach um Aufregung handelt. Gerade von Außenstehenden wird schneller Ersteres angenommen, als das gerechtfertigt wäre. Militanz im Rahmen von Demos und Spontis etwa kann eine psychisch sehr belastende Situation sein, die sozial wünschenswertes Verhalten sehr erschwert. Der Hintergrund dafür ist aber nicht die Selbstüberschätzung oder Geringschätzung anderer. Es kann durch Aufregung und Nervosität auch zu Einschätzungen kommen, was gerade noch Sinn macht oder angemessen ist, die vor außen betrachtet unsinnig wirken. Damit soll „Mackerverhalten“ nicht in Schutz genommen oder verdeckt werden. Es soll nur aufgezeigt werden, dass eine militante Aktion nicht schon per se Ausdruck von Mackertum ist und Militante auch nicht im Speziellen dafür anfällig sind. Mackertum bei militante Aktionen mag sich in der Ausgestaltung von Mackertum in anderen Kontexten unterscheiden, es ist jedoch genauso in ziemlich jedem beliebigen Kontext anzutreffen, wenn auch hier nicht so sehr in den Fokus gerückt. Es kann uns in einer Koch-, Bau-, Lesegruppe genauso gut begegnen. Dass es in Bezug auf diese Kontexte weniger häufig öffentlich problematisiert wird, liegt wohl eher daran, dass es die Vermischung mit Gewalt nicht gibt. Ob am Ende eine brennende Barrikade oder eben ein Kuchen herauskommt, ist ein Unterschied auch in Hinblick darauf, wie stark derjenige in den Fokus gerät, der für das jeweilige Ergebnis verantwortlich gemacht wird; bei Militanz wird der Umstand, dass Gesetze übertreten, Sachschaden angerichtet oder Körperverletzungen begangen werden, mit der psychischen Motivation, aus welcher heraus gehandelt wird, vermengt, ganz so, als ob das Hauptmotiv, wenn jemand etwas kaputt macht, wäre, Aufmerksamkeit auf sich zu lenken; demgegenüber ist es aber erst einmal vor allem die Zerstörung oder Gewalt, die Aufmerksamkeit auf sich zieht.

Wer gegen Mackertum vorgehen will, tut sich jedenfalls keinen Gefallen, mit Küchenpsychologie über die Motive Militanter zu spekulieren, wenn einem die Aktion nicht passt oder diese Verunsicherung auslöst. Ebenso ist es kein Ausdruck von Empathie, wenn man die migrantischen und/oder muslimischen Bewohner:innen des Eisenbahnstraßenviertels zu einer homogenen Masse zusammenfasst, die als solche dann „beunruhigt“ oder „traumatisiert“ wird und deren einzelnen Individuen durch diese Zusammenfassung als Masse auch noch abgesprochen wird, sich mit dem Angriff beschäftigen zu können, eine eigene Abwägung eines Fürs und Widers zu treffen und die eigenen, spontanen Gefühle in Hinblick auf eine militante Aktion zu reflektieren. Letzteres würde auch einigen Linken gut zu Gesicht stehen.