Linke und CDU stimmen für Migrationsvorschlag von Rechtsextremen

Mit Ausnahme der SPD hat der Stadtrat von Aue-Bad Schlema für einen Antrag gestimmt, der auf die verfassungsfeindliche Partei »Freie Sachsen« zurückgeht. Die Linke zeigt sich reuig, die Union schweigt.

Es ist ein Vorgang, der grundsätzliche Fragen aufwirft: Im sächsischen Aue-Bad Schlema hat der Stadtrat mit überwältigender Mehrheit einem Vorstoß der rechtsextremen Kleinpartei »Freie Sachsen« zugestimmt. Dem Antrag, formell eingebracht von der Stadtverwaltung, stimmten nicht nur Volksvertreter der ebenfalls rechtsextremen AfD zu, sondern auch Vertreter von CDU und Linken. Gegenstimmen gab es nicht, lediglich die einzige SPD-Stadträtin enthielt sich.

Bei der Stadtratswahl im vergangenen Jahr hatte die AfD mit knapp 22 Prozent die meisten Stimmen erhalten, die »Freien Sachsen« bekamen zwölf Prozent. Auf eine absolute Mehrheit kommen die beiden rechtsextremen Fraktionen mit zusammen 8 von 22 Sitzen jedoch nicht. Zweitstärkste Kraft im Stadtrat ist die CDU (5 Sitze), Linke und SPD haben jeweils einen Vertreter, die anderen sieben Stadträtinnen und Stadträte gehören lokalen Gruppen an.

Die Linke übt Selbstkritik

Die Empörung über den Vorgang ist bislang überschaubar, selbstkritisch äußert sich nun lediglich die sächsische Linke. Die Zustimmung ihres Stadtratsmitgliedes in der Sitzung am 29. April sei ein Fehler gewesen, sagt ein Parteisprecher dem SPIEGEL. Das Abstimmungsverhalten widerspreche dem Parteibeschluss, »unter keinen Umständen Initiativen von extrem rechten Parteien zuzustimmen.«

Die »Freien Sachsen« hatten »Maßnahmen zur Erhöhung der Sicherheit und Bewältigung der Migrationssituation« beantragt, woraufhin die Stadtverwaltung von Oberbürgermeister Heinrich Kohl (CDU) diesen Vorschlag leicht modifizierte und als eigenen Antrag vorlegte.

In dem Papier ist von einer »unzureichenden Bewältigung von Migrationsbewegungen« die Rede, von einer »Notlage«. Auf diese solle Kohl nun bei den übergeordneten Behörden hinweisen und so beispielsweise erreichen, dass »Asylbewerber, die Straftaten begehen, künftig nicht mehr im Stadtgebiet von Aue-Bad Schlema untergebracht werden«.

»Für mich bleibt das Schlimmste der Imageverlust, den unsere Stadt durch dieses Problem auf dem Postplatz erleidet.« – CDU-Stadtrat Thomas Colditz

Der Antrag war bereits im städtischen Verwaltungsausschuss verabschiedet worden, dort sogar ohne Enthaltungen und Gegenstimmen. Nach der Zustimmung des Stadtrats sprachen die »Freien Sachsen« von einer »Sensation im Erzgebirge« und einer »Implosion der Brandmauer«. Jene politischen Kräfte, die lange eine Willkommenskultur gepredigt hätten, seien nun angeblich zur Vernunft gekommen.

Hintergrund der Debatte ist, dass es auf dem Postplatz in der Stadt zuletzt mehrere Gewalttaten unter männlichen Geflüchteten gab. Das bestreitet auch die Linke nicht, die den Ratsbeschluss nun aber als falsch bezeichnet. Richtig gewesen wäre es demnach, sich »konkret mit den Tätern auseinanderzusetzen und Wege einer besseren Integration aufzuzeigen, die das Problem lösen können«.

Standpauke für Abgeordnete

Der Parteisprecher kündigte Konsequenzen an: »Wir werden noch mal inhaltlich sehr klar mit den Abgeordneten aller Ebenen darüber reden, dass die Normalisierung extrem rechter Politik für uns inakzeptabel ist.«

Die »Freien Sachsen« existieren als Partei erst seit vier Jahren, das Landesamt für Verfassungsschutz stufte sie schon wenige Monate nach ihrer Gründung als erwiesen verfassungsfeindlich ein.

Laut Parteichef Martin Kohlmann, einem Chemnitzer Rechtsanwalt, gehe es darum, »dem Gegner das Leben schwerer zu machen«, also den Demokratinnen und Demokraten. An Wahlen nehme man teil, »weil uns diese Positionen, in die man da gelangen kann, Zugang zu Informationen bietet, die wir sonst nicht bekommen.«

Die CDU wehrt sich gegen den Vorwurf, sie habe den Schulterschluss mit Rechtsextremisten gesucht. Es gehe nicht um Brandmauern, sagte laut der »Freien Presse«

der Stadtrat Thomas Colditz: »Für mich bleibt das Schlimmste der Imageverlust, den unsere Stadt durch dieses Problem auf dem Postplatz erleidet.« Die sächsische CDU ließ Fragen zu dem Vorgang unbeantwortet.

Den Schulterschluss suchen derweil andere: Der AfD-Bundestagsabgeordnete Matthias Helferich aus Nordrhein-Westfalen meldete sich am Montag per Video aus Aue und bejubelte den Erfolg der »Freien Sachsen«. Der Vorgang sei »ein guter Ausblick für unseren Kommunalwahlkampf« im September, sagte er: »Da werden wir auch die ein oder andere Brandmauer einreißen.«

Helferich ist einer der radikalsten Vertreter der AfD, er hatte sich mal als »freundliches Gesicht des NS« bezeichnet hatte – angeblich ironisch, wie er später behauptete.