QUEERFEMINISTISCHER KALENDER – Interview mit dem afbl

Frage: Was bedeutet für euch F*Antifa und wen oder was adressiert ihr mit eurer Kritik?

Fantifa Gruppen waren in den 1980er und 90er Jahren vor allem in Westdeutschland verbreitet. Danach gab es wenige Versuche der Kontaktaufnahme oder Zusammenarbeit mit ostdeutschen feministischen Antifas. Es ist also keine Tradition, in der wir uns sehen (können). Wie schön es ist ohne Männer organisert zu sein merken wir aber auf fast jedem gemischtgeschlechtlichen Bündnistreffen. Es fällt nicht nur viel Angeberei und Wiederholung weg (-hatte seine Vorrednerin das eben nicht genauso gesagt?-), sondern führt dazu die eigenen Kenntnisse und Fähigkeiten im Theoretischen und Praktischen weiterentwickeln zu können. Wir könnens empfehlen.

Da wir uns selbst nie unter dem F*Antifa Begriff gefasst haben, bedeutet er für uns als Gruppe recht wenig. Wie wir schon auf unserer Homepage schreiben, sind wir antideutsch und feministisch, israelsolidarisch und linksradikal, eine Antifa-Gruppe, die es seit über 25 Jahren gibt, und mehr l, b, t und q, als unser Name vermuten lässt.

Uns sind Argumente allerdings wichtiger als Label und Identitäten. Also lest unsere Texte, wenn ihr wirklich wissen wollt, wofür wir stehen. Wir diskutieren zum Beispiel über Kapitalismus und Geschlecht, materialistische Sprachkritik, gegen das postnazistische Deutschland und über die sexistische und antisemitische Linke. Auf dem Papier und auf der Straße.

Frage: Ist die kleinbürgerliche Familie noch immer die Keimzelle des Faschismus?

Eure Frage suggeriert, Familie war zumindest mal die Keimzelle des Faschismus. Ganz abgesehen von der Frage, auf welche Zeit und auf welchen Faschismus ihr euch bezieht, stellen wir diese These insgesamt in Frage. Mit dem Wissen, dass Max Horkheimer 1936 diesen Ausdruck geprägt hat, aber Ende der 1940er quasi selbst widerrufen hat und dann Familie als „Gegeninstanz gegen den Rückfall in die Barbarei“ bezeichnete. Keine Frage, Familie kann systemstabilisierend sein, egal auf welches System man sich gerade bezieht. Das ist eine Binsenweisheit, aber kein Argument für eure These.

Ohne den Antisemitismus, der nicht nur Jüdinnen und Juden aus der Volksgemeinschaft ausschließt, sondern die komplette Auslöschung aller jüdischen Menschen zum Ziel hat, ist Nationalsozialismus nicht vorstellbar. Ebenso wenig ohne den spezifischen Nationalismus oder die Idee einer weißen Herrenrasse, deren natürliches Recht es ist, über alle anderen zu herrschen. Diese Ideologien sind weder innerhalb der klein- noch der großbürgerlichen Familie geboren worden, auch wenn sie dort weitergegeben wurden und werden.

Wir versuchen so wenig wie möglich in Floskeln zu argumentieren, unserer Ansicht nach, können Gründe und Ursachen für Entstehung und Fortleben von faschistischen Ideen nicht auf einen Satz heruntergebrochen werden. Die Schuld kann sicherlich nicht auf die Existenz von bürgerlichen, heterosexuellen Familien geschoben werden. Genauso wenig wie das Kapital immer hinter dem Faschismus steht. Das Kapital steht zum Beispiel in Deutschland sehr gerne hinter den Labeln Diversität und Weltoffenheit.

Selbstverständlich heißt das nicht, dass dies nicht auch mit Rassismus oder Antisemitismus einhergehen kann. Wenn wir eure These, die Familien sei die Keimzelle des Faschismus, ablehnen, heißt es auch nicht, dass sie es nicht sein kann. Wir leben in Sachsen. Wir sehen hier die Nazieltern, die ihre Teenies mit auf Nazidemos nehmen, wir erleben Kinder von Leuten, gegen die Antifas in den 1990ern gekämpft haben, die jetzt gegen Pride-Fahnen oder jede Art von zivilisatorischem Fortschritt ausrasten.

Wir suchen die Schuld nicht in der generellen Existenz von Familien. Eine Idee, die ohnehin zu häufig dabei landet, Müttern die Schuld am Verfall von Gesellschaft zuzuschieben (zu wenig / zu viel Kümmern ums Kind, nicht genug häusliche Stabilität, zu viel Individualisierung etc pp).

Frage: In Berlin und Leipzig gab es 2024 zum 8. März Demonstrationen mit einem feministisch- universalistischem Anspruch. Wieso sollten wir Feminismus universalistisch denken?

Dass wir als Teil eines Zusammenschlusses linker Leipziger Gruppen zum emanzipatorischen 8. März eingeladen haben, hatte vor allem damit zu tun, dass wir nach dem 7. Oktober 2023 nicht unbeantwortet lassen wollten, dass sich autoritäre rote Gruppen als Teil des 8. März Bündnisses an der inhaltlichen und organisatorischen Gestaltung des Tages beteiligen konnten. Gruppen wie Zora oder Handala nutzten den 8. März, um wiederholt den Terror der Hamas zu verharmlosen und antisemitische Narrative zu verbreiten.

Für uns steht das im Widerspruch zu unserem Anspruch an den Feminismus als emanzipatorische politische Praxis und dem universellen Anspruch der Befreiung für Alle aus den Verhältnissen der Zurichtung. Wir meinen nicht einen bürgerlichen Universalismus, der immer nur partikular sein kann und sich zum Beispiel in der Form des Kapitalismus und des Patriarchats als Machtverhältnis festgeschreibt. Unsere feministische Gesellschaftskritik setzt an diesen bestehenden Verhältnissen an, die niemals Freiheit für alle, sondern nur für einige bedeuten.

Dennoch ist im bürgerlichen Universalismus angelegt, was wir uns für eine Gesellschaft von Gleichen unter Gleichen in Verschiedenheit wünschen, in ihm aber nicht zur Geltung kommt: politische und moralische Prinzipien mit universaler Gültigkeit. Dieses Spannungsverhältnis ist innerhalb der Verhältnisse nicht aufzulösen, was aber nicht bedeutet, die Idee des Universalismus verwerfen zu müssen. Das ist für uns eine Position der Freiheit für alle, ohne z.B. Rücksicht auf Kultur oder Religion zu nehmen. Gerade in der feministischen Kritik der Verhältnisse liegt die Möglichkeit das als Universales verschleierte Partikulare aufzudecken, Ausschlüsse und Machtverhältnisse sichtbar zu machen und daraus solidarische Praxen zu entwickeln, die auf eine emanzipatorische Transformation der Gesellschaft für alle gerichtet sind.

Rote autoritäre Gruppen sind sowohl aufgrund ihrer hierarchischen dogmatischen Organisation, als auch wegen ihres aggressiven Antisemitismus und Befreiungsnationalismus keine Bündnispartner:innen für uns. Sie stehen weder für Emanzipation noch für eine befreite Gesellschaft für alle. Wo es nötig ist werden wir uns daher auch künftig mit anderen gegen die Vereinnahmung emanzipatorischer Kämpfe durch rote K-Gruppen stellen.

Frage: Wer kann bei euch mitmachen?

Wir sind keine offene Gruppe. Jede, die unsere Themen und Inhalte teilt und Interesse an einer verbindlichen Organisiserung hat, kann an uns herantreten. Wir schauen dann gemeinsam, ob es passt.

Frage: Die Antifa ist eine immer noch von männlichem Verhalten dominierte Welt, kann es Antifa ohne Macker[tum] geben?

So gerne man auch die Augen davor verschließen mag: Antifaschistische Bewegungen und Gruppen können nicht außerhalb der Gesellschaft gedacht werden. Das bedeutet, solange es patriarchale Herrschaftsverhältnisse gibt, wird es auch Macker in der Antifa geben. Auch wenn wir uns mit den strukturellen Gegebenheiten erstmal abfinden müssen, können wir in unserer alltäglichen politischen Praxis fordern, dass Mackertum rauszulassen. Wir schaffen es ja auch seit über 25 Jahren antifaschistisch organisiert zu sein gänzlich ohne Mackertum – zumindest ohne das von cis-Männern.

Doch sollten wir nicht, bevor wir uns fragen, ob es Antifa ohne Mackertum geben kann, darüber reden, was genau männliches Verhalten sein soll. Erinnert das hier an den Pranger gestellte „männliche“ Verhalten doch sehr an essentialistisch gedachte Eigenschaften, die cis-Männern zugeschrieben werden. Natürlich wünschen wir uns eine Antifa-Welt ohne Menschen, die zu allem eine Meinung aber wenig Ahnung haben. Aber wir wünschen uns Antifas, die das Wort ergreifen, ihre Meinung laut kundtun und nicht klein bei geben, die bei Demos in der ersten Reihe stehen und sich zutrauen, Redebeiträge zu halten. Auf jeden Fall freuen wir uns, wenn das immer mehr Frauen machen.

Frage: Ist es okay, mit den Macker-Boys auch mal ein Bier trinken zu gehen?
Auf keinen Fall. Sex: ja, Alkohol: nein!

Was ist eigentlich schlimmer? Der FEMEN – Feminismus von vor 10 Jahren oder der Insta- Slide-Feminismus von heute?

Wie wir feministische Aktionsformen bewerten ist eine Sache, Kritik könnten wir an beiden formulieren. Sie gegeneinander auszuspielen fänden wir aber antifeministisch.

Wer ist beim politischen Subjekt Frau (mit)gemeint?

Wenn wir von Frauen sprechen bzw. schreiben dann meinen wir alle, die sich als Frau definieren oder von der Gesellschaft als solche behandelt werden. Für uns ist es wichtig, das Subjekt Frau weiterhin als Analysekategorie zu verwenden, da unsere Gesellschaft bis heute vom strukturellen Patriarchat durchdrungen ist. Das heißt, selbst wenn wir davon ausgehen, dass das Denken in Geschlechtern überwunden werden kann, läuft die Diskriminierungslinie im strukturellen Patriarchat nach der Binarität Männer und Frauen. Obwohl es in den letzten Jahrhunderten und Jahrzehnten viele Verbesserungen für Frauen gab, bleibt die Geschlechterhierarchie zum Nachteil von Frauen bestehen.

Es bleibt wichtig Benachteiligungen, strukturellen Sexismus und aucGewalt gegen Frauen zu benennen und in ihrer historischen Genese aufzuzeigen.
Frauen, Lesben, inter, trans und agender Personen, wie es oft geschieht, einfach unter dem Akronym FLINTA zu subsumieren, ist oft nicht sinnvoll, da alle Personengruppen unterschiedlich diskriminiert werden. Je nach Kontext oder worüber man spricht, ist es also wichtig, genau zu benennen, ob es sich um Diskriminierung von Frauen oder z.B. von trans Personen handelt.

Seid ihr die Omas gegen Antifemismus?

Schlaue Postionen hängen nicht am Alter, weder der Individuen noch der Gruppe. Ansonsten verstehen wir die Frage nicht.

Quelle: https://www.afbl.org