Leipzig: Stadtrat beschließt Straffreiheit für Schwarzfahrer

Die Leipziger Verkehrsbetriebe sollen Fahren ohne Fahrschein nicht mehr zur Anzeige bringen. Das hat der Stadtrat am Mittwoch beschlossen. Er folgt damit dem Beispiel anderer Städte.
Schwarzfahren in Bussen und Straßenbahnen wird künftig in Leipzig strafrechtlich nicht mehr verfolgt. Der Stadtrat hat am Mittwoch einen Antrag der Grünen angenommen, wonach die Leipziger Verkehrsbetriebe (LVB) Fahren ohne Ticket in öffentlichen Nahverkehrsmitteln nicht mehr zur Anzeige bringen sollen. Wer ohne gültigen Fahrschein erwischt wird, muss dann nur noch das erhöhte Beförderungsentgelt von 60 Euro zahlen.
Erschleichen von Beförderungsleistungen steht unter Strafe
Fahren ohne gültigen Fahrschein erfüllt in Deutschland den Straftatbestand des „Erschleichens von Beförderungsleistungen“. Dies kann mit Geldstrafe oder bis zu einem Jahr Haft geahndet werden. Über die Verhältnismäßigkeit der Sanktionen werden seit längerer Zeit auf der Ebene des Bundesgesetzgebers Diskussionen geführt. Doch zu einer entsprechenden Reform des Strafrechtes, die sich die im November 2024 gescheiterte Ampelregierung von SPD, Grünen und FDP vorgenommen hatte, ist es nicht mehr gekommen.
Umso mehr verteidigte Grünen-Stadträtin Chantal Schneiß am Mittwoch im Stadtrat den Vorstoß ihrer Fraktion. „Deutschlandweit kommen jedes Jahr 7000 Menschen wegen Schwarzfahrens in Haft.“ Es treffe aber in der Regel die Falschen. „Es sind nicht Trickser oder Schmarotzer, sondern die Mittellosen“, hob Schneiß hervor. Bestraft würden diejenigen, „die am wenigsten haben“.
Der Stadtrat könne zwar nicht das Strafrecht ändern, räumte sie ein. Er könne in dem konkreten Fall aber die Anwendungspraxis verändern. Andere Städte wie etwa Bremerhaven, Dresden, Halle und Köln verzichteten schließlich auch schon auf Strafanzeigen. Dies würde Strafverfolgungsbehörden und Gerichte entlasten.
Die Meinungen darüber gehen allerdings auseinander. Armut sei nicht der Hauptgrund fürs Schwarzfahren, hielt Sven Morlok (FDP) von der Freien Fraktion entgegen. „Wenn wir den Gedanken zu Ende denken, heißt das: Dann ist auch der Diebstahl in Shops nicht mehr strafbar.“ Das würde unsere Gesellschaft verändern, warnte Morlok vor einem übereilten Schritt. Roland Ulbrich von der AfD warf den Grünen vor, mit ihrem Vorschlag „Schwarzfahren legalisieren zu wollen“.
LVB zeigen bislang nur Wiederholungsstraftäter an
Tatsächlich lassen die LVB laut eigenen Angaben nicht jeden Schwarzfahrer strafrechtlich verfolgen. Das Unternehmen erstatte nur Anzeige bei Wiederholungsstraftätern. Und zwar konkret dann, wenn jemand innerhalb kurzer Zeit zum dritten Mal ohne gültigen Fahrschein in Bussen oder Straßenbahnen angetroffen wird. Im Jahr 2023 habe das 1700 Schwarzfahrer betroffen. Das Unternehmen hält diese Praxis aus Gründen der Gerechtigkeit denen gegenüber, die mit ihren Ticketgelder das Nahverkehrsangebot mitfinanzieren, für notwendig.
Im Übrigen gebe es neben dem Deutschlandticket für monatlich 58 Euro zahlreiche Vergünstigen für unterschiedliche Zielgruppen. So hatte der Stadtrat erst in der vergangenen Woche die Fortsetzung des vergünstigten Deutschlandtickets beschlossen. Sobald der neue Haushalt genehmigt ist, können Personen mit geringen Einkommen, die einen Leipzig-Pass haben, das bundesweit gültige Nahverkehrsticket wieder für 29 Euro bekommen.
Die bisherige Strafanzeigenpraxis der LVB dürfte nach dem Ratsbeschluss, der mit den Stimmen von Grünen, Linken, SPD und Teilen der Freien Fraktion zustande kam, bald der Vergangenheit angehören. Oberbürgermeister Burkhard Jung (SPD) soll als Eigentümervertreter nun dafür sorgen, dass der Ratsbeschluss durch die LVB auch umgesetzt wird.
Städtetag soll Reform des Strafgesetzbuches voranbringen
Gleichzeitig beauftragte der Stadtrat auf Initiative der SPD-Fraktion den Oberbürgermeister, der auch Vizepräsident des Deutschen Städtetags ist, sich über den Städtetag für eine bundesweite Reform des Strafgesetzbuches einzusetzen. Der Paragraph 265a, der das Erschleichen von Leistungen unter Strafe stellt, stamme aus dem Jahr 1935 und sollte „endlich gestrichen werden“.