Gedenkstätte für Zwangsarbeit Leipzig muss Angebote kürzen – auch andere Vereine schlagen Alarm
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Die Gedenkstätte für Zwangsarbeit Leipzig hat ihre Öffnungszeiten verkürzt und die Angebote eingeschränkt. Der Grund ist die unklare Fördermittellage des Freistaats. Der Gedenkstätte geht es nicht allein so.
Die Lage ist schwierig, die Unsicherheit groß. Die Gedenkstätte für Zwangsarbeit Leipzig (GfZL) fährt sowohl Öffnungszeiten als auch Angebote in der Permoser Straße 15 vorerst herunter. Der Grund: Weil die Haushalte für den Freistaat Sachsen und der Stadt Leipzig für 2025 noch immer in der Schwebe sind, ist die Finanzierung unklar.
„Die derzeitige finanzielle Situation setzt uns enge Grenzen“, sagt Jonas Kühne vom Trägerverein Erinnern an NS-Verbrechen in Leipzig e. V., „wir wissen zum einen nicht, welche finanziellen Mittel uns im Jahr 2025 tatsächlich zur Verfügung stehen. Zum anderen können wir derzeit nur vorläufige Abschläge unserer Fördermittel abrufen.“ In Aussicht gestellt sind 150.000 Euro für dieses Jahr, abgesegnet sind sie aber nicht.
Die Auswirkungen für die Gedenkstätte: geöffnet ist nur noch Dienstag bis Donnerstag zwischen 10 und 18 Uhr. Ausgerechnet an den besonders besucherfreundlichen Frei- und Samstagen bleibt die Gedenkstätte geschlossen. Bildungsangebote wie Führungen und Stadtteilrundgänge können bis auf Weiteres nur eingeschränkt angeboten werden.
Gerade angesichts der aktuellen politischen Entwicklung „ist es ein alarmierendes Zeichen, wenn historisch-politische Bildung heruntergefahren werden muss“, so Kühne. Die vorgesehenen Einschnitte seien „sehr schmerzhaft für die Gedenkstätte und vor allem für die Leipziger Stadtgesellschaft“.
Alle Gedenkstättenträger in Sachsen sind betroffen
Die GfZL erinnert an Opfer, Unrecht und Geschichte des NS-Zwangsarbeitseinsatzes in Leipzig und dessen Folgen. An ihrem Standort wurden vom Rüstungsbetrieb HASAG während der NS-Herrschaft Tausende Menschen aus der Zivilbevölkerung sowie Zwangsarbeiter, Kriegsgefangene und KZ-Häftlinge eingesetzt.
Die GfZL ist nur ein Beispiel von vielen in Sachsen und Leipzig. „Die aktuelle haushaltspolitische Lage im Freistaat betrifft alle Gedenkstättenträger oder antragstellenden Vereine und deren Förderbereich“, bestätigt Sven Riesel, Sprecher der Stiftung Sächsische Gedenkstätten.
Das Archiv Bürgerbewegung in Leipzig erklärt wegen der „desolaten Haushaltslage in Sachsen und kurzsichtiger Sparpläne“, dass Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter vorerst nicht weiterbeschäftigt werden könnten. Im Januar war das Archiv für die Benutzung und für Bildungsprojekte geschlossen.
Die sächsische Landesarbeitsgemeinschaft (sLAG), die über 100 Initiativen, Vereine, Gedenkstätten und engagierte Einzelpersonen im Bereich der NS-Erinnerungsarbeit vertritt, schlägt Alarm. Vorhaben könnten nicht begonnen und von drei Teilzeitstellen (zwei 75 und eine 50 Prozent) können nur zwei gehalten werden. Jonas Kühne, der ebenfalls zur sLAG gehört, warnt: „Gedenkstätten und ehrenamtliche Initiativen bluten finanziell aus. Und sie sind immer häufigeren Angriffen von Rechts ausgesetzt.“
Einen harten Einschnitt musste Ende des vergangenen Jahres der Verband der Roma und Sinti hinnehmen. „Der Freistaat hat die seit 2017 geförderten integrativen Maßnahmen nicht mehr verlängert“, sagt der Vorsitzende Gjulner Sejdi, „als einzige Selbstorganisation der Roma und Sinti im Freistaat sehen wir diese Entscheidung mit großer Bestürzung und können sie nicht nachvollziehen.“
Die Folge: Die Integrationsarbeit für von Antiziganismus sowie Antiromanismus betroffene Menschen ist Geschichte, der Standort für Kinder- und Jugendarbeit in Leipzig-Grünau wurde Ende 2024 nach sieben Jahren geschlossen. „Auch unsere mobile Beratung und Unterstützung für zugewanderte Roma in ganz Sachsen kann nicht mehr stattfinden.“ Seit Beginn des Jahres stemmt der Verband laut Sejdi 80 Prozent seiner Arbeit ehrenamtlich.
Einschnitte wie diese und die generelle aktuelle Unsicherheit kritisiert Juliane Nagel, Linke-Stadträtin und Landtagsmitglied. „Es war absehbar, dass der neue Doppelhaushalt in diesem Jahr erst spät beschlossen wird“, sagt sie. „Die vorherige Regierung aus CDU, Grünen und SPD hätte rechtzeitig gegensteuern müssen.“
Mit Blick auf die Befreiung vom Nationalsozialismus vor 80 Jahren betont Nagel, Gedenkkultur dürfe sich nicht in Lippenbekenntnissen an Jahrestagen erschöpfen. „Eine angemessene Gedenk- und Erinnerungskultur ist unverzichtbar, gerade jetzt, wo geistige Nachfolger der Verbrecher von damals wieder in die Nähe der Macht kommen könnten.“
Henry Lewkowitz vom ebenfalls betroffenen Erich-Zeigner-Haus sieht das genauso. „Die Reduzierung, Infragestellung oder Unsicherheit von Fördermitteln für Gedenkstätten und Vereine, die explizit für Demokratie und Rechtsstaatlichkeit arbeiten, verkennt aus meiner Sicht deren Wichtigkeit und ihren Beitrag, den Erosionserscheinungen von Demokratie etwas entgegenzusetzen“, sagt er.
Nagel schlägt eine dauerhafte institutionelle Förderung vor, „sie würde den Einrichtungen Planungssicherheit geben. Zudem müssen etwaige Haushaltsreste den Trägern umgehend zur Verfügung gestellt werden.“