Kampf gegen das Vergessen in Taucha: Fehlt Erinnerung an Buchenwald-Außenlager?

Die Verbrechen des Holocaust haben auch in Nordsachsen stattgefunden. In Taucha gab es ein Außenlager des KZ-Buchenwalds. Fehlt dafür mittlerweile das Bewusstsein?

Weit weg fühlt sich das Vernichtungslager Auschwitz an – sowohl räumlich als auch zeitlich. Kaum zu greifen sind die Dimensionen der Verbrechen, die dort im von Deutschland besetzten Polen vor mittlerweile 80 Jahren stattfanden und erst mit der Befreiung am 27. Januar 1945 endeten. Damit einher geht auch der Tag des Gedenkens an die Opfer des Nationalsozialismus.

Doch diese Verbrechen haben auch direkt hier vor Ort stattgefunden, wie etwa im Außenlager Taucha. Außerhalb der Parthestadt wohl nicht vielen überhaupt bekannt, dass es hier einen Ableger des Konzentrationslagers Buchenwald gab. Dort, wo sich das Lager einmal befand, stehen jetzt Solaranlagen. Keine Spur findet sich hingegen von den Wachtürmen, dem Elektrozaun oder den Baracken, in denen die Häftlinge des NS-Regimes untergebracht waren.

Keine Hinweise am ehemaligen Lager-Standort

Stattdessen erinnert eine Gedenkstätte im Stadtzentrum an die Menschen, die nach Taucha verschleppt wurden, um die Kriegsindustrie des Deutschen Reichs am Laufen zu halten. Insgesamt 24 Lager sind auf den Säulen am Kleinen Schöppenteich verzeichnet. So wurden im Stadtgebiet und den Ortsteilen Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter, aber auch Kriegsgefangene eingesperrt.

„Es ist immer möglich, mehr für die Erinnerung zu machen“, sagt Detlef Porzig, Autor der Stadtchronik und seit kurzem auch ganz offiziell „Verdienstvoller Bürger“ Tauchas. „Es wird zwar in der Stadt erinnert und auch auf dem Friedhof, aber beispielsweise eine Gedenktafel am Standort des Lagers könnte man sicher anbringen.“

Dass dieses „dunkelste Kapitel der Geschichte unserer Stadt“, wie er sagt, nicht in Vergessenheit gerät, ist ihm besonders wichtig. Der 80-jährige Tauchaer findet es erschreckend, wie viele Menschen heute die Verbrechen der Vergangenheit relativieren oder leugnen.

Die Erinnerung ist auch Tauchas Bürgermeister Tobias Meier (FDP) wichtig. Regelmäßig erfolgt am Holocaust-Gedenktag eine Kranzniederlegung, so auch am Montag. „Dabei nehmen immer wieder viele Leute teil“, sagt Meier. „Das Bewusstsein ist da. Am Ende kommt es vor allem darauf an, was von den Bürgerinnen und Bürgern auch gelebt wird.“

Holocaust-Überlebende Ruth Elias war in Taucha inhaftiert

So wie Detlef Porzig, spricht sich auch der Verein SAfT dafür aus, dass direkt am ehemaligen Lager-Standort in der heutigen Matthias-Erzberger-Straße an die frühere Nutzung erinnert werden sollte. „Auch wenn der Ort nicht viel frequentiert wird, finden wir den räumlichen Bezug wichtig“, teilt der Verein, der sich gegen rechte Aktivitäten in Taucha einsetzt, auf Anfrage mit. „Insgesamt fehlt ein gutes Überblickswerk, wissenschaftliche Forschung und gegebenenfalls auch ein zusammenfassendes digitales Projekt.“

Erwähnt wird das Lager Taucha unter anderem in dem Buch der Holocaust-Überlebenden Ruth Elias. Die Jüdin wurde aus der ehemaligen Tschechoslowakei deportiert und unter anderem in Auschwitz und gefangen gehalten. Detlef Porzig selbst hatte Kontakt zu der 2008 in Israel verstorbenen Jüdin.

„Sie sagte, dass es in Taucha nicht ganz so schlimm war wie in den anderen Lagern, in denen sie zuvor untergebracht war“, erinnert sich Porzig. Entsprechend seiner Aufzeichnungen wurde das Lager im September 1944 belegt. Zu der Zeit waren hier demnach 300 Männer und 1277 Frauen inhaftiert. „Die Häftlinge waren nicht außerhalb des Geschehens in Taucha, das Lager befand sich direkt am Bahnhof“, erklärt der 80-Jährige.

Dank Mitteldeutscher Motorenwerke, die Teile für Flugzeuge herstellten, sowie des Leipziger Metallwaren-Herstellers Hasag, hatte sich Taucha während des Zweiten Weltkriegs zu einem kleinen Zentrum der Rüstungsindustrie entwickelt. Dementsprechend wurden Häftlinge in diesen Bereichen zur Arbeit gezwungen. Viele von ihnen kamen bei Luftangriffen der Alliierten auf die Industriestätten um.

Am 14. April 1945 wurde das Lager schließlich geräumt. Die Häftlinge wurden zu Todesmärschen gezwungen. Über 100 weitere Menschen verbleiben in Taucha. Die unbewachten Überlebenden zogen in Richtung Pönitz, wo sie auf eine amerikanische Einheit trafen.

Wie viele Menschen in dem Lager ermordet wurden, ist laut Porzig nicht genau bekannt. Laut Gedenktafel fanden jedoch über 66 Frauen und Männer sowie 20 Kinder, die in den Lagern geboren wurden, in Taucha den Tod.

Gedenken an die Opfer des Nationalsozialismus

Am Montag wird in Taucha am kleinen Schöppenteich ein Kranz niedergelegt. Die Zeremonie findet anlässlich der Veranstaltung zum Gedenken an die Opfer des Nationalsozialismus statt. Der 27. Januar ist traditionell der Erinnerung an die Befreiung des Vernichtungslagers Auschwitz gewidmet. Das Gedenken in Taucha beginnt um 15 Uhr.

In Eilenburg laden Mehrgenerationenhaus Arche Eilenburg, Kirchengemeinde und Förderverein St. Nikolai zu einer Andacht und anschließender Gesprächsrunde in die Nikolaikirche ein. „Ist Erinnerung wichtig, oder können wir es nicht bald mal lassen?!“, heißt es ab 18 Uhr.