BSW demonstriert gemeinsam mit den Freien Sachsen
Der BSW-Kreisverband hat zur Friedensdemo vor den Toren des Alstom-Werks aufgerufen – ebenso die rechtsextremen Freien Sachsen. Der Görlitzer BSW-Landtagsabgeordnete Jens Hentschel-Thöricht verteidigt die Demonstration.
Die Brombeer-Koalition war Geschichte, bevor sie Realität werden konnte. Etwas über eine Woche ist es nun her, dass die Sondierungsgespräche zwischen CDU, SPD und dem Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) von letzterem abgebrochen wurden.
Zu weit entfernt sei man gewesen – nicht nur, was Fragen der Migration und des Haushalts betrifft, sondern auch und vor allem den Umgang mit dem russischen Angriffskrieg auf die Ukraine. Das BSW forderte ein Ende der Waffenlieferungen und stattdessen mehr Diplomatie. Die Forderungen nach der Friedensformel ließen das designierte Regierungsbündnis endgültig platzen.
Um ihrem erklärten Herzensthema weiterhin Nachdruck zu verleihen, ruft in Görlitz der Kreisverband der Wagenknecht-Partei zur am Sonnabend stattfindenden Demonstration „Oberlausitz für Frieden und Abrüstung“ auf. Die soll vor den Werkstoren des Waggon-Herstellers Alstom stattfinden. Hintergrund sind die nach Medienberichten momentan laufenden Verhandlungen zwischen Alstom und dem deutsch-französischen Rüstungskonzern KNDS um eine Investition nach dem für 2026 geplanten Alstom-Aus in Görlitz.
Wer steht hinter dem Bündnis Oberlausitz?
Für den BSW-Kreisverband bedeute dies „eine besorgniserregende Eskalation in der internationalen Lage – besonders gegenüber Russland“, wie Jens Hentschel-Thöricht, Görlitzer Landtagsabgeordneter des BSW, auf der Facebook-Seite des Kreisverbands mitteilte. Görlitz solle nicht zum „Zentrum der Rüstungsproduktion werden“, deshalb gehe man für „Frieden und Völkerverständigung“ auf die Straße – und schreckt dabei vor einer bisher ungewohnten Allianz nicht zurück.
So ruft das sogenannte Bündnis Oberlausitz ebenfalls zu der Demonstration auf. Hinter dem zunächst harmlos daherkommenden Namen verstecken sich bekannte Rechtsextremisten, Verschwörungstheoretiker und Mitglieder der hiesigen Reichsbürgerszene mit engen Verflechtungen zu den rechtsextremen Freien Sachsen. Folgt man dem Impressum auf der Homepage des Bündnisses, gelangt man zu den Namen Philipp Hartel und Kristina Dienel. Beide haben bei der vergangenen Landtagswahl erfolglos für die Freien Sachsen kandidiert. Dienel wurde im Sommer in den Herrnhuter Stadtrat sowie den Görlitzer Kreistag gewählt.
Die Freien Sachsen teilen den Aufruf auf Telegram
Der jetzt vom Bündnis Oberlausitz erfolgte Aufruf zur Demonstration in Görlitz wird ebenfalls vom Telegram-Kanal der Freien Sachsen geteilt. Dort heißt es von Seiten der rechtsextremen Kleinstpartei, man sei „gegen die Umwandlung der Waggonfabrik in eine Panzerfabrik“. Unter den angekündigten Rednern befindet sich – unter anderem neben Marcus Fuchs, dem Hauptorganisator der „Querdenken“-Demonstrationen in Dresden – auch Jens Hentschel-Thöricht, der BSW-Landtagsabgeordnete. Von den Freien Sachsen feierlich beworben.
Ob Hentschel-Thöricht das womöglich als Instrumentalisierung sieht oder ist es für ihn vielleicht gar BSW-Politik, für die eigenen Ziele Unterstützung aus verfassungsfeindlichen Kreisen in Kauf zu nehmen? Auf SZ-Anfrage äußert sich Hentschel-Thöricht wie folgt: „Extremisten gibt es in etlichen Zusammenschlüssen, dennoch sollten keine Pauschalurteile gefällt werden“. Auch in den Parlamenten schaue sich das BSW „Anträge in der Sache an und nicht am Einreicher“. Die Demonstration sei „ein Aufruf für diplomatische Deeskalation und soziale Gerechtigkeit“.
Außerdem verweist er auf andere Zusammenschlüsse, die ebenfalls zur Demonstration aufrufen. So etwa das „Friedensbündnis Dresden“, das sich auf seiner Homepage zwar bewusst parteienmäßig unpolitisch gibt, aber auf den Aufruf vom Bündnis Oberlausitz verweist – und eben nicht auf den des BSW.
Distanzierung bleibt aus
Hentschel-Thöricht, der früher Fraktionschef der Linken im Zittauer Stadtrat und vor seinem Landtagsmandat beim Ordnungsamt von Seifhennersdorf tätig war, hatte als Parteimitglied und Aufbau-Chef entscheidenden Anteil an der Entstehung der BSW-Kreisverbände in Görlitz und Bautzen.
Das BSW betreibe Friedenspolitik, sagt er: „Dieses wichtige Thema werden wir nicht instrumentalisieren lassen, egal von wem“. Eine klare Distanzierung vom Bündnis Oberlausitz oder den Freien Sachsen bleibt jedoch aus – mutmaßlich auch am Sonnabend bei der gemeinsamen Kundgebung vor den Alstom-Werkstoren.
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Ingo Kramer 17.11.2024
Demo in Görlitz bleibt (fast) friedlich
250 Menschen sind am Sonnabend dem Aufruf von BSW und Freien Sachsen gefolgt. Eine Gegendemo mobilisierte 35 Teilnehmer. Beide Gruppen trafen einmal aufeinander.
Der Kreisverband der Wagenknecht-Partei BSW und die rechtsextremen Freien Sachsen veranstalteten am Sonnabend eine sogenannte Friedensdemo vor den Toren des Alstom-Werkes in Görlitz. Später setzte sich der Zug in Richtung Innenstadt in Bewegung und endete schließlich am Marienplatz.
In Höhe Theater lief die Menschenmenge an einer Gegendemo vorbei, die von der Linksjugend organisiert worden war. Deren Ansinnen: „Görlitzer Arbeitsplätze erhalten, aber Freien Sachsen und Rechtsextremen widerstehen und nicht auf den Leim gehen.“
Zu den Versammlungen waren insgesamt 285 Personen anwesend, sagt Roman Beier von der Polizeidirektion Görlitz. Bei der bei Alstom gestarteten Demo habe es 250 Teilnehmer gegeben, bei der Gegendemo 35. „Aus polizeilicher Sicht verliefen beide Demonstrationen ruhig“, sagt Beier.
Mit einer Ausnahme: Ein Teilnehmer der BSW- und Freie Sachsen-Demo habe einen Teilnehmer der Gegendemo beleidigt. Nach Augenzeugenberichten wurde der Mann von der Polizei sofort herausgezogen und kontrolliert.