„Indigenes Volk Germaniten“ – Reichsbürger in Sachsen: Warum tauchen gesuchte Kinder in diesem früheren Hotel in Seiffen auf?
Zweimal in kurzer Zeit gab es Reichsbürger-Razzien wegen gefährdeter Minderjähriger im erzgebirgischen Seiffen. Welche Pläne verfolgt das „Indigene Volk Germaniten“ dort in einem ehemaligen Hotel – und im Rest von Sachsen?
Carmen Günther sitzt in einem niedrigen Sessel, neben sich ein verpackter Stapel elektrischer Schwibbögen Modell „Christi Geburt“, und atmet tief durch. „Nein, gefallen tut mir‘s nicht.“ Aus der Werkstatt tiefer im Haus dröhnt Gerätelärm, ein Hauch von Lackfarbe liegt hier im Schauraum noch in der Luft. Das Weihnachtsgeschäft läuft auf Hochtouren für Spielzeugmacher wie Carmen Günther und ihren Mann Tino.
Doch die 61-Jährige spricht heute nicht über Holzkunst oder Weihnachtszauber – was man sonst mit Seiffen assoziiert. Sie spricht als Gemeinderätin (FDP) über das, was derzeit die Berichterstattung über die Erzgebirgsgemeinde dominiert: die Reichsbürger, die sich am Ortsrand niedergelassen haben. Dort, wo es innerhalb eines Monats gleich zwei Razzien gab, auch weil Kinder nicht zur Schule geschickt wurden.
Gesuchte Kinder werden bei Razzien in Seiffen gefunden
Am 1. November suchen gut 30 Polizisten im ehemaligen Hotel Ahornberg Personen, gegen die unter anderem Haftbefehle vorliegen. Eine 16-Jährige wird für einen einwöchigen Dauerarrest wegen Verstoßes gegen das Schulgesetz in ein Gefängnis gebracht. Diesen hatte das Amtsgericht Ulm gegen sie verhängt. Ein 17-Jähriger kommt in die Obhut eines Jugendamtes. Zuvor hatte das Amtsgericht Kerpen in Nordrhein-Westfalen „schutzwürdige Gründe“ festgestellt. Seine 51-jährige Mutter und ein 64-jähriger Mann entgehen durch das Zahlen vierstelliger offener Geldstrafen der Haft.
Einen Monat zuvor, am 2. Oktober, finden rund 60 Beamte einen siebenjährigen Jungen aus der Samtgemeinde Uchte, eine gute Autostunde von Hannover entfernt. Anfang Dezember hatte das Amtsgericht Stolzenau seiner Mutter die elterliche Sorge entzogen. Die 45-Jährige hat das Kind seit geraumer Zeit nicht in die Schule geschickt, verwies die Behörden darauf, es erhalte schulische Erziehung und Bildung durch das „Indigene Volk der Germaniten“ (IVG).
Während des Verfahrens konnte der Junge nicht angehört werden, teilt das Gericht mit. Er und seine Mutter waren verschwunden. Offenbar untergetaucht im über 450 Kilometer entfernten Seiffen.
60 Beamte, um ein Kind von seiner Mutter zu trennen – manche im Ort fänden das unverhältnismäßig, sagt Carmen Günther. Für andere sei klar, dass solche Vergehen geahndet werden müssen. Aber so richtig äußern wolle sich zu den neuen Mitbürgern in Seiffen niemand.
Der Gemeinderat muss erst lernen, was das ist: „Germaniten“
Das Hotel liegt weit entfernt vom Zentrum, im Ortsteil Oberseiffenbach. Allenfalls sehe man die Bewohner mal beim Einkaufen. Die weit verbreitete Meinung im Ort sei daher: Solange nichts passiert, solange niemand angegriffen wird, ist das doch alles nicht so schlimm.
Nun ist aber schon zweimal etwas passiert, über die Polizeieinsätze wurde deutschlandweit berichtet. Danach musste die Gemeinde sich die Frage gefallen lassen, ob sie die Ansiedlung nicht hätte verhindern können. „Aber wir hatten keine Möglichkeit dazu“, sagt Günther, „das Grundstück wurde von privat gekauft, und wir hatten auch kein Vorkaufsrecht darauf.“ Außerdem stellten die Käufer sich ja vorher nicht persönlich vor. Auch der Gemeinderat habe erst einmal lernen müssen, was das überhaupt ist: „Germaniten“.
Der sächsische Verfassungsschutz rechnet die „Germaniten“ innerhalb der sehr heterogenen Szene der Reichsbürger und Selbstverwalter den Letzteren zu. Typisch für Selbstverwalter seien zum Beispiel selbst erklärte „Austritte“ aus der Bundesrepublik, verbunden mit der Erklärung der administrativen und rechtlichen Autonomie. So definierten sie zum Beispiel ihr Grundstück oder Haus als souveränes Staatsgebiet und markierten es durch eine (Grenz-) Linie.
Um Autonomie geht es auch dem IVG. Dieses verstehe sich als indigenes Volk mit Sonderrechten – im Sinne der UN-Erklärung über die Rechte der indigenen Völker. Die Anhänger bezeichneten sich als Nachkommen der germanischen Völker/Stämme. Doch ein Rechts- und Sonderstatus als „indigenes Volk“ besteht nicht. Das stellte das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig schon 2017 klar.
Die Gruppierung, 2010 bei Stuttgart ins Leben gerufen, ist deutschlandweit aktiv, spricht selbst von 1.600 Mitgliedern. Seit der Pandemie habe sie verstärkten Zulauf, sei 2023 mit Veranstaltungen und Vorträgen aktiv gewesen, schreibt das Bundesamt für Verfassungsschutz auf seiner Website.
In Sachsen ist die Szene noch klein, auch wenn es hier in jüngster Zeit vermehrt Veranstaltungen gab, mit denen Mitglieder geworben werden sollten. Dazu später mehr. Bisher geht der hiesige Verfassungsschutz von rund 15 „Germaniten“ im Freistaat aus. Und von einem festen Objekt, das ihnen gehört: das ehemalige Hotel Ahornberg hoch über Seiffen.
Wer sich vom Seiffener Ortszentrum auf den Weg zum Hotel macht, die lange gewundene Straße Richtung Deutschneudorf hinauf, der bekommt ein Gefühl dafür, wie weit ab vom Schuss dieser Ort liegt. Die Häuser am Straßenrand werden weniger, die Laternen verschwinden, und irgendwann taucht rechter Hand erst eine zugewucherte Minigolfanlage auf, dann, wo die Straße einen Knick nach links macht, das große, gelbe Hotel.
Leben weitere schulpflichtige Kinder im ehemaligen Hotel in Seiffen?
Ein Schild bewirbt den Campingplatz, der zur Anlage gehört; alle Hotelschilder wurden entfernt. Dafür hängen an der Fassade Wappen indigener Völker. „Embassy“ steht darüber, Botschaft. Auf der anderen Straßenseite, neben einem großen erzgebirgischen Schwibbogen mit Engel und Bergmann, zerrt der Wind an einer Fahne: ein goldener Adler mit ausgebreiteten Schwingen auf dunklem Grund.
An einem nebligen Nachmittag ein paar Tage nach der letzten Razzia wird gerade die Post gebracht, der Bote steigt dafür über die lange, rot-weiße Kette, die vor dem Hof hängt. Ein Schild erklärt: Zutritt verboten. Vor dem Hotel stehen ein paar Autos mit Kennzeichen aus Nordrhein-Westfalen und Baden-Württemberg. Nur einmal sind kurz Menschen zu sehen: Ein älteres Paar geht langsam und gebeugt über den Platz, verschwindet im Gebäude.
Ein Schulbus fährt Richtung Deutschneudorf vorbei, die Kinder darin wirken gelangweilt, schauen auf ihre Handys, ignorieren das frühere Hotel. Dass darin Kinder wie sie leben könnten, darauf deuten bunte Fahrräder auf dem Gelände hin. Links vom Eingang parkt ein kleiner Rutschtraktor, wie nach dem Spielen abgestellt.
„Schulungsort“ und „Mehrfachbotschaft“
Was passiert hinter dieser Fassade?
Das weiß selbst der sächsische Verfassungsschutz nicht so genau. Man gehe davon aus, dass sich Mitglieder des IVG dauerhaft darin aufhalten. „Die Gruppierung selbst gibt an, dass man sich dort der ‚germanitischen Bildung und Gesundheitspflege‘ widme.“ Von einem „Schulungsort“ ist die Rede. Der Verfassungsschutz kann derzeit aber keine Aussage darüber treffen, ob dort tatsächlich Schulungen stattfinden.
Carmen Günther spricht von einem „tüchtigen Begängnis“ im Sommer, von Kindern, die vor dem Hotel spielten. Aber ob es Camper sind oder Menschen, die zur Gruppierung gehören? Das wisse niemand.
Die Sächsische Zeitung stellt eine Anfrage an die „Germaniten“ zu den Hintergründen der Razzien, zur Nutzung des Objekts und den Menschen, die dort leben. Eine „Abteilung Pressearbeit“ verspricht in Kürze einen Rückruf zur „Mehrfachbotschaft in Seiffen“, verbleibt mit „friedlichen, heilenden, indigenen und indigenisierenden Grüßen“ und schweigt.
Mehrere Veranstaltungen im Raum Dresden
Einen Einblick in die Gedankenwelt des IVG – und in Versuche, neue Mitglieder in Sachsen zu finden – geben Veranstaltungen im Raum Dresden, die bei Telegram angekündigt und deren genaue Orte nach Anmeldung kurz vorher mitgeteilt werden. So fanden Vorträge unter anderem Anfang März 2023 in Nünchritz bei Riesa, im Januar 2024 in Dresden-Neustadt sowie Februar dieses Jahres in Niedermuschütz nördlich von Meißen statt.
Sie tragen Titel wie „Raus aus der Matrix: Lebe deine Freiheit im richtigen Rechtskreis, für dich selbst, deine Familie, Kinder und deren Kinder. Gemeinsam die Zukunft erschaffen“. Mit Pause dauern sie meist um die vier Stunden und kosten zwischen 20 und 25 Euro Eintritt.
Andreas Riedel aus Nünchritz verfolgt derlei Treffen mit wachsender Sorge – und manchmal sogar live. Akribisch dokumentiert der 54-Jährige, was besprochen wird. Die Inhalte stellt er auf die Website seines Bündnisses für Zivilcourage und Demokratie Nünchritz, mit dem er sich gegen rechte Einflüsse, für Demokratie und ein friedliches Miteinander einsetzen will.
Vortragsredner in Nünchritz: Robert T. Coester, Jahrgang 1970, einst Fitnessunternehmer in Aschaffenburg, später Berater für Gastronomie und Hotellerie. Laut einem Medienbericht lebt er in einer Villa in Kassel, die zugleich eine „Mission“ des IVG ist. Sein Facebookprofil ist voller Sinnsprüche rund um ein gutes Leben, er teilt Posts, die den Trump-Sieg feiern oder Corona-Impfungen „experimentell“ nennen.
Zielgruppe: die vom „System Deutschland“ enttäuscht sind
Riedel beschreibt ihn nach dem Abend in Nünchritz als „Meister der Manipulation, rhetorisch geschult“: Menschen, die vom „System Deutschland“ in irgendeiner Form enttäuscht oder empfänglich seien für spirituelle Inhalte, verbogene, zurechtgelegte „Gesetzestexte“, versuche er aufzufangen und ‚neu zu polen‘.
Coesters rund 60 Zuhörer: fast ein Querschnitt der Bevölkerung. „Von der selbstständigen Fotografin über Angestellte, Lehrer, Musiker, Rentner, Verkäuferin, Querdenker, NPD-Anhänger, AfD-Anhänger und einige mehr.“ Riedel spricht von einer „spirituellen, rechten Esoterik-Wolke verbunden mit wirrer Desinformation“.
In Niedermuschütz und Dresden-Neustadt verlaufen die Werbeveranstaltungen gut ein halbes Jahr später ganz ähnlich. Es geht zunächst um Eliten und Geheimlogen, die bekannte Verschwörungstheorie einer „neuen Weltordnung“. Ausweg daraus: die Indigenen.
„Wenn die Kinder nicht germanisch und germanitisch gebildet werden, kann man sie ganz problemlos aus der Schule nehmen.“ – Ein Redner bei einer Veranstaltung des „Indigenen Volk Germaniten“
Die Redner geben sich viel Mühe, eine angebliche Legitimation als Ureinwohner zu beweisen, und erklären dann ganz konkret, wie man seine Kinder mit einem „Trick“ aus dem Schulsystem nehmen könne: Man müsse einfach eine Anfrage stellen, ob sie in der Schule germanisch und germanitisch gebildet würden. „Wenn nicht, kann man sie ganz problemlos aus der Schule nehmen“, sagt ein Redner wörtlich. Dazu könne man sich die Schulakte geben lassen. „Derjenige, der die Schulakte hat, hat die Haftung für das Kind.“
Wie die Kinder bei den „Germaniten“ gebildet würden, bleibt schwammig. Von Homeschooling ist die Rede, Projekttagen im Sommer, germanitischer Heilung. Gerade werde noch definiert, was die Inhalte seien, „die wir unseren Sprösslingen weitergeben möchten“.
Mitglieder sollen IVG ihr Eigentum überschreiben
Man kann erahnen, dass sich die Aufrechterhaltung der Fantasie für manche innerhalb der Gruppierung auch finanziell lohnt. Der Mitgliedsbeitrag liegt bei 500 Euro, jährlich sind weitere 120 Euro zu zahlen, selbst ausgestellte Dokumente kosten je 50 Euro. Hinzu kommt, dass das IVG seine Mitglieder offenbar auch dazu anhält, ihm Eigentum zu überschreiben.
Das hat Andreas Riedel beim Vortrag in Niedermuschütz selbst erlebt, und davor warnte auch der Verfassungsschutz in Baden-Württemberg vor rund einem Jahr auf seiner Website: Den Eigentümern werde wohl vermittelt, „dass eine solche Übertragung die Besitztümer der Gruppierungsmitglieder sichert und sie etwa vor Zwangsversteigerungen und -räumungen schützt“.
Noch etwas haben die Verfassungsschützer beobachtet: Die „Germaniten“ hätten ihre Außendarstellung grundlegend überarbeitet. Das sei dazu geeignet, „nicht nur bereits vorhandene Anhänger zu beeindrucken, sondern auch neue Mitglieder zu gewinnen“. Expandieren die Reichsbürger also – auch in Sachsen?
Verurteilte Attest-Ärztin aus Moritzburg ist „Germanitin“
Dass es längst zumindest einzelne ansässige „Germaniten“ rund um Dresden gibt, zeigt das Beispiel der verurteilten Bianca W. Die frühere Hausärztin aus Moritzburg hatte Corona-Atteste gegen Geld gefälscht, hundertfach. Am Tag ihrer Verhaftung hatte sie eine ID-Karte einstecken, die sie als Angehörige des „Indigenen Volks Germaniten“ auswies. „Germanenstämmig, heidnisch“ war darauf zu lesen.
Es sind wohl eher keine sächsischen „Germaniten“, die sich in Seiffen angesiedelt haben. Der hiesige Verfassungsschutz schreibt in seinem jüngsten Bericht, im Juli 2023 hätten „fünf nicht in Sachsen gemeldete Personen, die dem Indigenen Volk Germaniten angehören sollen“, ein Grundstück mit Hotel undCampingplatz in Seiffen gekauft.
Ob auch der Campingplatz nun von den „Germaniten“ bewirtschaftet wird, darüber erhält man in Seiffen unterschiedliche Aussagen. Laut Handelsregister betreibt seit Oktober 2023 der 51-jährige Alexander Mahler aus Herne den „Ferienpark Seiffen-Erzgebirge“. Die Gesellschaft mit beschränkter Haftung verdient ihr Geld mit dem „Betrieb einer Camping-, Wochenend- und Freizeitanlage mit angeschlossenem Camping-Kurbetrieb“. Auch mit Wohnmobilen, Wohnanhängern und Mobilheimen inklusive Zubehör werde gehandelt.
Siedeln sich weitere Reichsbürger in Seiffen an?
In Herne war Mahler zuvor Geschäftsführer verschiedener Unternehmen aus dem Baubereich, die ihre Namen immer wieder änderten. Zumindest eine dieser Firmen existiert noch, wenigstens auf dem Papier. Google-Streetview zeigt ein Reihenhaus mit Stuckelementen an der Fassade in der Nähe einer Grundschule und eines Kleingartenvereins in Herne.
Ein Anruf beim „Ferienpark Seiffen“ bestätigt, dass Mahler der Inhaber der Campinganlage ist, auch wenn er selbst nicht zu erreichen ist. Ein Mann am Telefon sagt, es gebe viele Stammgäste, die das ganze Jahr über kämen. Im Hotel könne man aber nicht mehr wohnen, das sei verkauft worden, weil der vorherige Besitzer pleite war. Einen Stellplatz buchen könne man ganz einfach über ein Onlineportal.
Sechs Stunden, nachdem am früheren Hotel die Post abgegeben wurde, deutet noch immer wenig auf dessen Bewohner hin. In der Dunkelheit kann man in zwei erleuchtete Zimmer sehen: ein heller Holzschrank in der ersten Etage, die hölzerne Theke eines früheren Speisesaals im Erdgeschoss. Menschen sieht man nicht.
Carmen Günther befürchtet, dass das Thema „Germaniten“ den Gemeinderat noch länger beschäftigen wird. Man habe Angst, dass nun „immer mehr solche kommen“, sagt sie. Denn bald könnte das nächste Hotel in Seiffen verkauft werden.
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Ulrich Wolf und Jens Pabst 01.11.2024
Reichsbürger verstecken gesuchte Kinder und Jugendliche in früherem Hotel in Seiffen
Innerhalb weniger Wochen hat es in Seiffen in einem früheren Hotel einen zweiten Großeinsatz der Polizei gegeben. Sie fanden dort nun schon zwei Jugendliche und ein Kind, deren Wohl gefährdet war und nach denen Amtsgerichte suchen ließen.
Mehr als 30 Polizisten haben in Seiffen im Erzgebirgskreis erneut das ehemalige Hotel Ahornberg in der Deutschneudorfer Straße ins Visier genommen. Die Beamten begannen ihren Einsatz um sieben Uhr am Freitagmorgen. Sie sind auf der Suche nach untergetauchten Personen, um Beschlüsse verschiedener Amtsgerichte aus dem Bundesgebiet umzusetzen.
Bereits gefunden haben sie eine 16-Jährige, gegen die das Amtsgericht Ulm einen einwöchigen Dauerarrest wegen Verstoßes gegen das Schulgesetz verhängt hatte. Die Beamten brachten die Jugendliche in einer sächsischen Justizvollzugsanstalt unter. Weiterhin entdeckten die Ermittler einen 17-Jährigen, den das Amtsgericht im rheinländischen Kerpen aus „schutzwürdigen Gründen zur Ingewahrsamnahme“ suchen ließ. Seine 56-jährige Mutter war ebenfalls in Seiffen, sie konnte nach Polizeiangaben eine noch offene Geldstrafe von mehr als 1.300 Euro nach einer Verurteilung zahlen und so die Vollstreckungshaft verhindern.
Bereits Anfang Oktober waren Polizisten im früheren Ahornberg-Hotel gewesen und hatten dort ein vermisstes siebenjähriges Kind entdeckt, dessen Kindeswohl nach Auffassung eines Amtsgerichts in Niedersachsen gefährdet ist. Seine Mutter gehört ebenfalls der Reichsbürgerszene an.
Das Gebäude in Seiffen war dem Verfassungsschutz zufolge im Juli 2023 von einer Gruppierung erworben worden, die sich als Indigenes Volk der Germaniten bezeichnet. Nach einem Bericht der Freien Presse sind die neuen Eigentümer zwei Deutsche und zwei Niederländer. Die Verfassungsschützer schreiben in ihrem Jahresbericht 2023 von „fünf, nicht in Sachsen gemeldete Personen“. Sie hätten das Hotel, das dazugehörige Grundstück und einen Campingplatz in Seiffen erworben.
15 Personen in Sachsen der Gruppe zugerechnet
Der sächsische Verfassungsschutz ordnet die 2010 gegründete Gruppe der Reichsbürger- und Selbstverwalterszene zu. Sie habe keinen festen Hauptsitz, „aber mehrere Missionen und das Hotel Ahornberg als Schulungsort“. In Sachsen würden der Gruppe rund 15 Personen zugerechnet, heißt es in dem Bericht. 2023 hatten die Germaniten zudem eine Kampagne für neue Mitglieder in Nünchritz im Landkreis Meißen gestartet.
Auch die im Juni dieses Jahres zu einer Haftstrafe von zwei Jahren und acht Monaten verurteilte Moritzburger Ärztin Bianca W., die rund 1.000 falsche Gesundheitszeugnisse während der Corona-Pandemie ausgestellt hatte, bekannte sich während ihres Hochsicherheits-Prozesses zum Indigenen Volk der Germaniten. Reichsbürger und Selbstverwalter stellen die Existenz der Bundesrepublik Deutschland infrage und lehnen deren Rechtssystem ab.
Beim jüngsten Einsatz in Seiffen stieß die Polizei zudem auf einen 64-Jährigen, der von Justizbehörden in Frankfurt/Oder wegen diverser Delikte gesucht wurde. Er ist zu einer Geldstrafe von mehr als 8.000 Euro verurteilt, zahlte diese aber erst am Freitag. Er entkam so seiner Verhaftung. Auf ihrer Internetseite bezeichnen sich die Germaniten als Nachfahren der Germanen, konkreter als Ureinwohner Frieslands.