AfD-Kundgebung mit Maximilian Krah und Protest dagegen: Wie die Zwickauer Polizei die Lager auseinanderhält

Blaue Banner auf dem Hauptmarkt, bunte Schirme am Schumann-Denkmal; hier Polemik und Provokation, dort der Appell an die Zivilgesellschaft. So liefen am Sonnabend die Kundgebungen in Zwickau ab.
Zwickau.

Nach 20 Minuten reicht es Nils und Yvonne Kertscher. „Wir wollten nach der Radtour nur in Ruhe Eis essen. Aber wo sind wir hier reingeraten? Nee, dann lieber weiter. Gibt‘s den Kaffee eben später zuhause“, sagt das Paar nach dem Bezahlen, schwingt sich auf seine Fahrräder und verlässt den Hauptmarkt. Andere Besucher haben sich extra für einen der Freisitze in den Cafés und Kneipen im Zwickauer Zentrum entschieden, um zwar nicht mittendrin, aber zumindest dabei zu sein.

Je nach Position „reingeraten“ oder „dabei sein“ konnte man am Samstagnachmittag in die Kundgebung der Zwickauer AfD, die auf dem Hauptmarkt den Landtagswahlkampf startete. Mit ihren fünf Wahlkreiskandidaten und dem AfD-Europapolitiker Maximilian Krah. Bis zu dessen Auftritt mussten sich die Zuhörer auf dem Platz eine reichliche Stunde gedulden. Zuvor hatten lokale Politiker je fünf Minuten Redezeit; ein paar mehr Ulrich Siegmund, AfD-Fraktionschef im Landtag von Sachsen-Anhalt.

Protestveranstaltung am Schumann-Denkmal

Die AfD-Veranstaltung wurde von einer Gegenkundgebung am Robert-Schumann-Denkmal begleitet. Die Protestveranstaltung war am Freitag kurzfristig von mehreren Privatpersonen unter dem Motto „Alle Menschen sind gleich“ angemeldet worden. Damit wolle man gegen den Auftritt des AfD-Politikers demonstrieren. „Grund sind die Korruptions- und Spionagevorwürfe um seine Person sowie auch seine immer wiederkehrenden völkisch-nationalen Aussagen und seine NS-Relativierung“, hieß es.

Zusammenstöße zwischen Teilnehmern der AfD-Veranstaltung und der Demo dagegen blieben aus. Die Polizei hatte die Lage mit 25 Einsatzkräften unter Kontrolle, zog Einsatzleiter Mike Roth Bilanz. Die Teilnehmerzahl der AfD-Kundgebung lag laut Polizei bei bis zu 300 Personen in der Spitze, die auf der Gegenkundgebung bei bis zu 130 Menschen. Und damit in beiden Fällen leicht unter den Erwartungen: AfD-Kreischef Jonas Dünzel hatte eigenen Angaben zufolge mit 500 Teilnehmern gerechnet, die Anmelder der Gegenkundgebung mit 50 bis 150 Personen.

Provokationsversuche und Platzverweise

Beide Veranstaltungen wurden in Sicht- und Rufweite zueinander abgehalten, getrennt nur durch die Straßenbahngleise. Doch weil die Redner jeder Kundgebung in die jeweils entgegengesetzte Richtung sprechen mussten, blieb die gegenseitige akustische Beeinträchtigung aus.

Provokationen gab es dennoch, verfingen aber nicht. Mehrfach verließen Gruppen junger Leute die AfD-Veranstaltung und versuchten, in die Demokratie-Kundgebung einzudringen. Die Jugendlichen hatten ihre meist schwarze Kleidung mit AfD- sowie Anti-Antifa-Aufkleber versehen. Polizisten drängten die Störer ab und schickten sie auf den Hauptmarkt zurück. Auch der Versuch eines Influencers, inmitten der Demokratiekundgebung ohne Zustimmung zu filmen und zu fotografieren, wurde unterbunden.

„Klare Absprachen, Bereitschaft zur Kommunikation und konsequentes Handeln“, fasste Einsatzleiter Roth das Vorgehen der Polizei zusammen. Dazu gehörten auch zwei von der Polizei ausgesprochene Platzverweise, weil sich Kundgebungsteilnehmer auf dem Hauptmarkt nicht an das Vermummungsverbot gehalten hatten.

Und die Bilanz der der Veranstalter? „Maximilian Krah hat als Publikumsmagnet gezogen“, sagte Veranstalter Jonas Dünzel unter Verweis auf die jungen Leute, die für ein Selfie mit Krah Schlange standen. Der Kreisverband werde den Europapolitiker im Endspurt des Landtagswahlkampfes erneut einladen, kündigte der AfD-Kreischef an.

Zwickauer Zivilgesellschaft gegen Ausgrenzung

Auch die Veranstalter der Demokratie-Kundgebung zeigten sich zufrieden. „Angesichts der kurzfristigen Anmeldung und Organisation ist das heute eine gute Resonanz“, sagte Josia Volke. Der Zuspruch der Zwickauer Zivilgesellschaft habe sich nicht nur in den Redebeiträgen gezeigt, sondern auch in der Teilnahme der früheren Zwickauer Oberbürgermeisterin Pia Findeiß und ihrer Nachfolgerin, Constance Arndt. Auch Politiker, Vertretern von Kirchen und Gewerkschaften sowie viele junge Menschen nahmen teil um zu zeigen, „dass Ausgrenzung keine Antwort auf die Sorgen, Problem oder Nöte ist“, wie es die Veranstalter formulierten.

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Michael Stellner 26.07.2024

Vor AfD-Kundgebung mit Maximilian Krah in Zwickau: „Ein Auftrittsverbot hat es nie gegeben“

NS-Verharmlosung, Korruptions- und Spionagevorwürfe: Im Europawahlkampf tauchte AfD-Spitzenkandidat Krah ab, es war von einem Auftrittsverbot die Rede. In Zwickau heißt es nun: Das hat es nie gegeben.
Zwickau.

Der AfD-Europapolitiker Maximilian Krah hat während des Europawahlkampfs zuletzt keine öffentlichen Auftritte mehr absolviert. Seine Aussagen über Mitglieder der SS in einem Interview mit der italienischen Zeitung „La Repubblica“ wurden als Verharmlosung der NS-Verbrechen bewertet. Insbesondere die französischen Rechtspopulisten vom Rassemblement National setzten durch, dass die AfD aus der gemeinsamen rechten Fraktion im Europaparlament ausgeschlossen wurde. Zudem gab es Korruptionsvorwürfe gegen Krah selbst und Spionagevorwürfe gegen einen seiner Mitarbeiter. Bundesweit lauteten die Schlagzeilen, der AfD-Bundesvorstand habe seinem Spitzenkandidaten ein Auftrittsverbot erteilt. Zu peinlich für die EU-Wahl, aber für den sächsischen Wahlkampf gut genug? So will man das bei der AfD in Zwickau nicht sehen, wo Krah am Samstag als Stargast einer Wahlkampfkundgebung angekündigt ist.

„Massiver Schaden für die Partei im laufenden Wahlkampf“

Der Zwickauer AfD-Kreischef Jonas Dünzel betont, dass Krah, den er seit vielen Jahren gut kenne, von sich aus auf Auftritte im Europawahlkampf verzichtet habe. Ein Auftrittsverbot durch den Bundesvorstand habe es nie gegeben. Ein AfD-Sprecher bestätigt das der „Freien Presse“: Im Gespräch zwischen Bundesvorstand, Landesvorsitzenden und Krah selbst sei am 22. Mai „ein massiver Schaden für die Partei im laufenden Wahlkampf“ festgestellt worden, für den Krah „den Vorwand geliefert“ habe. Krah selbst „bis zum Wahltag an keinen weiteren Wahlkampfveranstaltungen teilnehmen“ wollen. Und weiter: „Dieser konsequente Rückzug aus der Öffentlichkeit wurde mehrheitlich begrüßt.“

Die Vorwürfe gegen Krah will Dünzel teils nicht bewerten, teils relativiert er sie. Der Europapolitiker sei ein Publikumsmagnet. „Bei unserer Veranstaltung vor einem Monat in der Uhlig-Mühle in Bernsdorf waren 200 Gäste, obwohl wir nicht einmal groß Werbung gemacht haben“, sagt Dünzel.

Protestkundgebung angekündigt

Die Veranstaltung wird von einer Protestkundgebung begleitet. Das geht aus einer Nachricht hervor, die am Freitag vom Zwickauer Demokratiebündnis verbreitet wurde. Das Bündnis selbst ist eigener Auskunft zufolge aber nicht der Veranstalter, stattdessen hätten „mehrere Privatpersonen“ die Demo angemeldet. Sie soll ebenfalls 15 Uhr auf dem Hauptmarkt stattfinden.