Sich die Stadt nicht nehmen lassen
Am Housing-Action-Day zeigen Initiativen zum preiswerten Wohnen Präsenz in der Stadt
Seit 2019 machen Initiativen sowie Mieterinnen und Mieter auch in Deutschland unter dem Label Housing-Action-Day auf Missstände in der Wohnungspolitik aufmerksam. Initiiert wurde dieser europaweite Aktionstag von der European Action Coalition for the Right to Housing and to the City (EAC), einem Zusammenschluss von stadtpolitischen Gruppen aus verschiedensten europäischen Städten – von Athen und Manchester über Berlin bis Prag. In Leipzig organisierten den Housing-Action-Day im Jahr 2021 zum ersten Mal die Nachbarschaftsinitiative Musikviertel, das Bündnis Leipzig für alle und die Vernetzung Süd mit Kundgebungen und Info-Ständen.
In diesem Jahr konzentrieren sich die Aktionen in der Stadt um den 6. und 7. April. Verschiedene wohnungs- und mietenpolitische Initiativen, Hausgemeinschaften, Ladenprojekte und Stadtteilinitiativen bieten ein buntes Programm an. Schwerpunkte sind der Leipziger Osten, Süden und Westen.
Besonders der Leipziger Osten rückte in jüngerer Vergangenheit in den Fokus: Zahlreiche Projekträume und alternative Ladengeschäfte mussten dort ihre Domizile räumen, weil die privaten Eigentümer lukrativere Vermietungen anstrebten. Zuletzt traten die Bewohnerinnen und Bewohner der Eisenbahnstraße 97 in die Öffentlichkeit, um auf den geplanten Verkauf ihres Wohnhauses aufmerksam zu machen. Die damit drohende Entmietung betrifft über 30 Wohnungsmieterinnen und -mieter sowie das soziokulturelle Zentrum Con Han Hop und die Kneipe Goldhorn.
»Wie stoppen wir die Verdrängung unserer Ladenprojekte?«, lautet die Frage im Vorfeld des Aktionswochenendes bei einer Podiumsdiskussion am 4. April im Ost-Passage-Theater. Am Torgauer Platz startet am Samstag, den 6. April, um 13.30 Uhr ein kritischer Rundgang zu Verdrängung und Bleibestrategien. Eine Vorgehensweise gegen Verwertung und Verdrängung kann die Übernahme von Häusern durch Mieterinnen und Mieter selbst sein, wie es in der Eisenbahnstraße 113 geschehen ist.
Das Mehrfamilienhaus wurde durch das Engagement der Projektgruppe Elmo und Elma sowie eines Miteigentümers aus einer komplizierten Eigentumssituation in die Genossenschaft Solidarisch Wohnen (SoWo) überführt, die seit 2021 Mehrheitseignerin des Grundstücks ist. Das Hauskollektiv lädt ab 17 Uhr zum Zusammenkommen ein.
Am 7. April ist der Leipziger Süden Zentrum der Aktionen: Dort weist die Initiative Vernetzung Süd schon seit Langem auf Probleme hin wie Entmietung, Mangel an preiswertem Wohnraum und den Boom von hochpreisigen Neubauten. Für diesen Tag hat sie Aktive sowohl aus entmietungsbedrohten Häusern als auch positiven Leuchttürmen ermutigt, sich in der Öffentlichkeit zu präsentieren.
Ein solcher Leuchtturm könnte das LWB-Wohnensemble in der Kochstraße 59–63 werden: Der Stadtrat hatte im Oktober 2023 ein Modellprojekt für die soziale und klimagerechte Sanierung von drei Wohnblöcken der städtischen Wohnungsgesellschaft LWB in der Südvorstadt beschlossen. Um dessen Umsetzung – unter anderem in der Kochstraße – wird derzeit hart gerungen. Die Mieterschaft lädt ab 14 Uhr auf den Hof zu Kaffee, Kuchen und Informationen zum aktuellen Stand ein. Dass sich auch in Connewitz wohnungspolitisch noch Positives bewegen lässt, will die Genossenschaft Leika am Herderplatz präsentieren. Die Hausgruppe hat 2021 im Rahmen eines Konzeptvergabeverfahrens der Stadt den Zuschlag für die Bebauung des Grundstücks in der Wolfgang-Heinze-Straße 29 bekommen. Bis 2027 soll hier ein genossenschaftliches, inklusives, barrierefreies und ökologisch nachhaltiges Neubauprojekt verwirklicht werden. Die traditionsreiche Alternative Wohngenossenschaft Connewitz (AWC), die 14 Häuser vor allem in Connewitz verwaltet und ein wichtiges Korrektiv zum hochpreisigen Wohnen im Stadtteil ist, lädt an dem Sonntag zum Besuch ein, und zwar in die Wolfgang-Heinze-Straße 22.
Auch im Leipziger Westen wird die Luft für Menschen mit geringen Einkommen bekanntlich dünner. Immobilienfirmen wie die des Bauunternehmers Christoph Gröner haben insbesondere Plagwitz in den letzten Jahren stark verändert. Ungelöst ist weiterhin die Frage der Bebauung des Areals, auf dem der Wagenplatz Karl-Helga sein Domizil hat.
Zudem gibt es Auseinandersetzungen um die Bebauung eines Teils des benachbarten Bahnhofs Plagwitz durch die LEWO AG. Die Initiative Bürgerbahnhof Plagwitz plädiert für den Erhalt der Fläche zwischen Naumburger Straße und Bolzplatz sowie zwischen den Bahngleisen und dem Fahrradweg als öffentlich zugängliche Freifläche. Im Rahmen des Housing-Action-Days lädt unter anderem der Verein Zolle 7 in die Zollschuppenstraße zum Kennenlernen der Hausprojektstraße in direkter Nachbarschaft des Bahnhofsareals ein.
»Gemeinsam wollen wir am 6. und 7. April 2024 zeigen, dass wir die Stadt sind und dass wir uns die Häuser zum Wohnen und die solidarischen kollektiven Räume nicht nehmen lassen. Wir fordern mehr Aufmerksamkeit für diese Fragen und konsequentes Handeln, damit Leipzig eine Stadt für alle wird!«, heißt es im Aufruf der beteiligten Gruppen, die am 7. April ab 16 Uhr zu einer gemeinsamen Abschlusskundgebung im Rabet laden.
> www.housing-action-day.net, Übersicht der Aktionsorte in Leipzig: www.leipzigfueralle.de