Bald Prozess-Start zu Reuß-Terrorgruppe: Hofften Olbernhauer Verschwörer auf den helfenden Einmarsch russischer Truppen?

Ab Ende des Monats beginnen Prozesse in Stuttgart, Frankfurt und München. Sollten die Angeklagten aus dem Erzgebirge die Heimatschutzkompanien der Umstürzler-Armee rekrutieren und ausrüsten?

Sie träumten von gewaltsamer Übernahme der Macht in Deutschland und hatten dafür schon konkrete Vorbereitungen getroffen. Ob der ehemalige Olbernhauer AfD-Stadtrat Christian W. mit seinem Komplizen Frank R. auf helfenden Einmarsch russischer Truppen hoffte, ist zwar noch unklar. Klar ist, die beiden hatten beim russischen Konsulat in Leipzig bereits einen Termin erhalten, um dort Möglichkeiten russischer Hilfe für ihre geplante neue Reichs-Regierung zu besprechen.

Eine Regierung, die sich nach dem gewaltsamen Staatsstreich um ein adliges Staatsoberhaupt hätte bilden sollen: Heinrich XIII. Prinz Reuß. Einen Tag vorm Termin der mutmaßlichen Olbernhauer Mitverschwörer im russischen Konsulat klickten die Handschellen. Und das in insgesamt elf Bundesländern, in Österreich und in Italien. Am 7. Dezember 2022 ließ die Bundesanwaltschaft bei dem mit mehr als 3000 beteiligten Beamten größten Anti-Terror-Einsatz der bundesdeutschen Geschichte 22 Verdächtige festnehmen. Tage später folgten weitere.

Ex-Elite-Kämpfer des KSK spähte unterirdische Gänge zum Reichstag aus

Ab Ende dieses Monats wird 26 Verdächtigen aus der selbst ernannten „Patriotischen Union“ der Prozess gemacht. Teils wegen Gründung, teils wegen Mitgliedschaft in, teils wegen Unterstützung der mutmaßlichen Terror-Vereinigung, nach ihrem Kopf auch „Reuß-Gruppe“ genannt.

Den Auftakt macht ab dem 29. April ein Verfahren am Oberlandesgericht Stuttgart, in dem sich neun Angeklagte verantworten müssen, darunter ein erst Monate nach den anderen in Haft gegangener Verdächtiger, gegen den auch der Vorwurf des Mordversuchs erhoben wird.

Bei einer Hausdurchsuchung im März 2023 im baden-württembergischen Reutlingen hatte der zunächst nur als Zeuge im Fokus stehende Markus L. mit einem halbautomatischen Schnellfeuergewehr auf die anrückenden Polizisten geschossen. Zwei Beamte wurden verletzt. Einer davon hat bleibende Schäden.

Wie am Dienstag das Oberlandesgericht Frankfurt/Main mitteilte, beginnt im Mai dort der Prozess gegen die Rädelsführer. Neben Prinz Reuß zählt dazu noch der ehemalige Oberstleutnant der Bundeswehr, Rüdiger v. P., ehemals Kommandeur einer Fallschirmjäger-Einheit, aus der später die Elite-Kampftruppe „Kommando Spezialkräfte“ (KSK) im baden-württembergischen Calw erwuchs.

Aus Reihen dieser für heikle Auslandseinsätze wie Geiselbefreiung trainierten Truppe stammen gleich mehrere der in Untersuchungshaft befindlichen Verdächtigen. Zunächst waren in Frankfurt insgesamt zehn Personen angeklagt. Doch ist der 72-jährige Norbert G. inzwischen verstorben.

Der Mann, der nahe dem Jagdschloss von Prinz Reuß in Thüringen eine der 286 geplanten Militäreinheiten der Gruppe, sogenannte Heimatschutzkompanien, hätte befehligen sollen, war schwer erkrankt. Vor seinem Tod wurde er wieder aus der U-Haft entlassen. In Frankfurt steht auch die ehemalige AfD-Bundestagsabgeordnete und Berliner Richterin Birgit Malsack-Winkemann vor Gericht.

Nach Ermittlungen der Bundesanwaltschaft verschaffte sie ihren Komplizen Zutritt zu unterirdischen Zugängen zum Reichstag. Diese Wege sollten für einen späteren Angriff ausgespäht werden. Bei dem Kundschaftereinsatz soll der ehemalige KSK-Kämpfer Peter W., der vor seiner Festnahme in Nordbayern und Thüringen als Survivaltrainer sein Geld verdiente, die Zugangswege für den späteren Angriff dokumentiert haben. Peter W. stand auch in Kontakt zum Olbernhauer Ex-AfD-Mann Christian W.

Vor ihrer Inhaftierung hatten beide zeitweise Kontakt zu jener anderen Terror-Gruppe aufgenommen, die bereits in Koblenz vor Gericht steht. Diese Gruppe hatte unter anderem eine Entführung des Bundesgesundheitsministers Karl Lauterbach (SPD) geplant. Zu einer Kooperation der beiden mutmaßlichen Terror-Gruppen kam es offenbar nicht.

Der Prinz sollte eine eigene Leibstandarte bekommen

Der Prozess gegen die Olbernhauer Christian W. und Frank R. beginnt im Juni am Oberlandesgericht München, wo insgesamt acht Mitverschwörer angeklagt sind. Laut Bundesanwaltschaft schloss sich Christian W. spätestens im November 2021 der „Patriotischen Union“ an, rekrutierte neue Mitglieder und rüstete sie für den geplanten Angriff auf den Bundestag aus.

Dazu hielt das vormalige Schützenvereinsmitglied ein großes Arsenal aus Lang- und Kurzwaffen vorrätig. Für ein Schießtraining der Vereinigung im April 2022 stellte Christian W. Waffen und Munition zur Verfügung und leitete einen Teil der Ausbildung.

Innerhalb des militärischen Führungsstabs soll er den Bereich zur Beschaffung von Waffen und Ausrüstung geleitet haben. Laut Bundesanwaltschaft hatte er eine führende Rolle beim Aufbau der „Heimatschutzkompanien“. Sein Komplize Frank R. sollte sich als Referatsleiter um Waffen und größeres Gerät kümmern.

Die Vereinigung verfügte nach Erkenntnissen der Ermittler über finanzielle Mittel in Höhe von etwa 500.000 Euro und hatte Zugriff auf ein Waffenarsenal, bestehend aus rund 380 Schusswaffen, knapp 350 Hieb- und Stich- und fast 500 weiteren Waffen. Vereinigungsmitglieder schafften zudem eine Vielzahl sonstiger militärischer Ausrüstung an, darunter ballistische Helme, schusssichere Westen, Nachtsichtgeräte und Handfesseln.

Neben Christian W. und Frank R. aus dem militärischen Arm der „Patriotischen Union“ stehen in München noch einige designierte Schatten-Minister und Ministerinnen vor Gericht. Der Hannoveraner Rechtsanwalt Paul G. soll als Außenminister ausersehen gewesen sein, die Ärztin Melanie R., ebenfalls aus Niedersachsen, sollte das Ressort Gesundheit leiten, die aus dem hessischen Heppenheim stammende Astrologin Ruth L. eine Art Ministerium für spirituelle „Transkommunikation“.

Die ebenfalls in München angeklagten Franken Tomas M., aus der Security-Branche stammend, und Ex-Soldat Harald P. waren innerhalb des Militärarms der Gruppe einer Personenschutzeinheit zugeteilt – gewissermaßen einer Art Leibstandarte für Prinz Reuß.

Allein für den Münchner Prozess sind ab Mitte Juni bis zum 23. Januar 2025 55 Termine angesetzt. Die Prozessführung obliegt der Vorsitzenden Richterin Dagmar Illini, die im Vorjahr bereits die deutsche Anhängerin der islamistischen Terrorgruppe „Islamischer Staat“ (IS), Jennifer W., zu 14 Jahren Haft verurteilt hat.

Als Staatsanwältin oblag Illini vormals einer der großen Fahndungserfolge in der Rauschgiftkriminalität, als 2008 in einer europaweit konzertierten Aktion tonnenweise Rauschmittel beziehungsweise Chemikalien zu deren Produktion sichergestellt wurden.


Jens Eumann  18.11.2023

Olbernhauer Terrorverdächtiger bekam Audienz im russischen Generalkonsulat in Leipzig

Einen Tag vorm Gespräch, um russische Hilfe für seine „Widerstandsgruppe“ zu erbitten, klickten bei Frank R. die Handschellen. Der Bundesgerichtshof sieht die U-Haft weiter als gerechtfertigt.

Olbernhau.Hofften die beiden Olbernhauer Terrorbeschuldigten, die man vor einem Jahr im Zuge bundesweiter Großrazzien gegen die Reichsbürger-Umstürzlergruppe „Patriotische Union“ festnahm, darauf, dass russische Truppen auch in Deutschland einmarschieren? Das immerhin deutet die Korrespondenz an, die der Beschuldigte Christian W. in einem Fragenkatalog ans russische Generalkonsulat in Leipzig sandte.

Ob seitens Russlands Bereitschaft bestehe, deutsche „Widerstandsgruppen“ zu unterstützen, wollten die Verschwörer aus dem Erzgebirge wissen. So absonderlich das klingt, in der Tat bekam Christian W.s Olbernhauer Mitverschwörer Frank R. auf seine Bitte ans Konsulat vom russischen Vizekonsul einen Termin für ein Treffen genannt. Am 8. Dezember 2022 hätte die Zusammenkunft stattfinden sollen. Dazu kam es nicht mehr. Am 7. Dezember, einen Tag zuvor, fand der bisher größte Anti-Terroreinsatz der bundesdeutschen Geschichte statt, unter Einsatz von mehr als 3000 Polizisten, teils von der kampferprobten GSG 9, und mit Durchsuchungen und Festnahmen in elf Bundesländern sowie im europäischen Ausland.

Frank R. lagerte für Christian W. nach dem Waffenerlaubnisentzug dessen Gewehre
Der Olbernhauer Frank R. sitzt laut Bundesanwaltschaft wie Christian W. nach wie vor in Untersuchungshaft. Neben dem Ersuchen um russische Unterstützung für die nach dem Rädelsführer Heinrich XIII. Prinz Reuß benannte mutmaßliche Terrorgruppe „Reuß“ wirft man Frank R. auch vor, bei der Bewaffnung der Gruppe seine Hände im Spiel gehabt zu haben.

Nachdem der frühere örtliche AfD-Stadtrat Christian W. bereits im April 2022 im Zuge der Ermittlungen gegen eine andere Terrorgruppe, konkret die gescheiterten Lauterbach-Entführer, erstmals ins Visier der Ermittler geraten war, hatte man ihm seine Waffen-Erlaubnis entzogen.

„Nachdem die Waffenbehörde gegen den Mitbeschuldigten ein Waffenhaltungsverbot ausgesprochen hatte, übertrug dieser (also Christian W.) ihm (Frank R.) zwei Repetiergewehre.“ So hält es der Bundesgerichtshof im Beschluss über die Fortdauer der Untersuchungshaft für Frank R. fest.

„Die Übernahme und die Einlagerung der beiden Repetiergewehre“ hätten dem Mitbeschuldigten Christian W. ermöglicht, „weiterhin auf sie zuzugreifen und damit das behördliche Waffenhaltungsverbot zu umgehen.“ Und dabei beließ es Frank R. nicht: „Daneben bemühte sich der Beschuldigte, beim Mitbeschuldigten Ma. eine Langwaffe zu erwerben, um sie an die Lebensgefährtin des Mitbeschuldigten We. weiterzureichen und die Frau in die Handhabung der Waffe einzuweisen“, schreibt der BGH im Haftbeschluss zu Frank R.

Sportschießen nur als Vorwand, um Waffen „da“ zu „haben“

Der auf freiem Fuß befindliche Chemnitzer Waffenhändler gehört zwar ebenfalls zu den im Verfahren Beschuldigten, beteuerte gegenüber der „Freien Presse“ aber seine Unschuld. Neben Chatverkehr und sichergestellten Dokumenten lieferten auch seine Aussagen Beweise gegen die Olbernhauer Verdächtigen. In seinen Vernehmungen gab Frank R. an, er habe nur versucht, Waffen zu erwerben, weil er „sein Hobby als Sportschütze“ habe „wiederaufnehmen“ wollen.

Das halten die Ermittler nicht nur für unglaubwürdig, sondern anhand der Chats mit Christian W. und dessen Lebensgefährtin auch für widerlegt. Außerdem lehnte der Chemnitzer Waffenhändler einen Verkauf von Waffen an Frank R. ab. Bei ihm hätten die „Alarmglocken geschrillt“, sagte der Mann zu den Ermittlern. Im Rahmen der Verkaufsgespräche habe Frank R. einen anderen Verwendungszweck als Sportschießen angegeben. „Zum da haben“ habe Frank R. angedeutet, erinnerte sich der Händler.

Netzwerk an Sympathisanten könnte Frank R. helfen zu fliehen

Alles in allem hinreichende Gründe, neben Christian W. auch den bisher nicht als mutmaßliches Mitglied, sondern als Unterstützer der „Gruppe Reuß“ inhaftierten Olbernhauer Frank R. weiter in U-Haft zu behalten. Einen Haftgrund liefere bei Frank R. auch die Fluchtgefahr, so der BGH. In seinen Chats hatte er erwogen, in Russland um Asyl nachzusuchen. „Mit hoher Wahrscheinlichkeit“ könne Frank R. „auf ein Netzwerk von Sympathisanten und Gleichgesinnten zurückgreifen, die ihn im Falle einer Flucht beziehungsweise eines Untertauchens“ unterstützten.


Jens Eumann 13.11.2023

Geplanter Sturm auf den Bundestag: Olbernhauer Ex-AfD-Mann bleibt in U-Haft

Der Terrorverdächtige sollte die Heimatschutzkompanien der „Patriotischen Union“ planen. Zwei Untergruppen davon gab’s schon. Die Pläne zum Stürmen des Reichstages soll er mit geschmiedet haben.

Olbernhau/Karlsruhe.Wäre es nach den Plänen der Reichsbürger-Umstürzler um Heinrich XIII. Prinz Reuß gegangen, Olbernhau wäre gewissermaßen zur Schaltzentrale einer neuen deutschen Armee geworden. Im Erzgebirge plante der vor elf Monaten in Untersuchungshaft genommene Ex-AfD-Stadtrat Christian W. nach Erkenntnissen der Bundesanwaltschaft jene Heimatschutzkompanien, die nach Auflösen der Bundeswehr die militärische Macht im Staat übernehmen sollten.

„Der Beschuldigte gehörte dem engsten Führungszirkel der Organisation an, der unter seiner Mitwirkung plante, gewaltsam in das Reichstagsgebäude einzudringen. Auch insoweit kam ihm die Aufgabe zu, Waffen und Ausrüstungsgegenstände zu beschaffen.“ So hält es der Beschluss fest, den der Bundesgerichtshof (BGH) im Juli zur Fortdauer der Untersuchungshaft W.s fasste. Wie die Bundesanwaltschaft der „Freien Presse“ bestätigt, befinden sich W. wie auch der ebenfalls in Olbernhau festgenommene Frank R. immer noch in U-Haft.

Konspirative Treffen und Schießübungen

Bis zum 7. Dezember 2022 sei es der Vereinigung gelungen, den Grundstock für eine Vielzahl von Heimatschutzkompanien zu legen. „Zwei solcher Untergruppen existierten bereits.“ Als Mitglied des „Militärstabs“ der Gruppe habe W. an konspirativen Treffen und einer Schießübung der Gruppe teilgenommen. Für seine Aufgabe, Waffen, Munition und Ausrüstungsgegenstände zu beschaffen, „baute er innerhalb des militärischen Führungsstabs eine eigene Abteilung für die Versorgung des gesamten Militärs auf, richtete mehrere Referate ein und betraute Personen mit deren Leitung. In dieser Funktion bemühte er sich ferner, in Tschechien Munition zu beschaffen; auch stellte er seine eigenen Waffen der Vereinigung zur Verfügung“, so der BGH. Beim Beschaffen von Waffen setzte der Ex-AfD-Mann nicht nur auf Kontakte zu Waffenhändlern in Tschechien, sondern auch zu einem Händler in Chemnitz.

Einige Beschuldigte haben geredet, trotz angedrohter Todesstrafe

Anhand von sichergestellten Präsentationen mit Titeln wie „Aufgaben des Heeres“, „Waffen und Zeug“, „Leichte mechanisierte Kompanien der deutschen Heimat“, „Schwere mechanisierte Kompanien der deutschen Heimat“ und „Selbstständige ratsgebundene Kompanien“ macht die Bundesanwaltschaft W.s Rolle in der Armeeplanung ebenso fest wie am überwachten Chat-Verkehr. Außerdem haben einige Beschuldigte inzwischen Angaben gemacht, auch wenn sich Mitglieder gegenüber der Organisation „bei Androhung der Todesstrafe“ schriftlich zur Verschwiegenheit verpflichtet hatten.

KSK-Mann filmte unterirdische Zugänge zum Reichstagsgebäude

Die „bewaffnete Erstürmung des Reichstagsgebäudes“ mit dem Ziel, „Regierungsmitglieder und Abgeordnete festzunehmen sowie in Handschellen abzuführen“, war bereits in die Phase „konkreter Vorbereitungshandlungen“ eingetreten, belegen Beweismittel. Ein Beschuldigter, ehemals Mitglied der Bundeswehr-Eliteeinheit „Kommando Spezialkräfte“ (KSK), der wie der Olbernhauer W. bereits im April 2022 bei Ermittlungen gegen die gescheiterten Entführer des Bundesgesundheitsministers Karl Lauterbach (SPD) erstmals ins Visier der Ermittler geraten war, hatte in Berlin die Lage ausgespäht.

Mit der jetzt ebenfalls inhaftierten früheren AfD-Bundestagsabgeordneten Birgit Malsack-Winkemann hatte der Ex-KSK-Mann Videos erstellt von „unterirdischen Zugängen“ zu Gebäuden des Regierungsviertels „einschließlich des Reichstagsgebäudes“ sowie vom Plenarsaal des Bundestags, heißt es im Haftbeschluss. Auch eine Liste mit Namen zahlreicher Mitglieder der Bundesregierung, von weiteren Politikern, Journalisten und Personen des öffentlichen Lebens war vorbereitet.

Ort der Anklageerhebung noch unklar

W. habe wie auch die anderen Beschuldigten gebilligt, dass es sowohl bei der gewaltsamen Erstürmung des Reichstagsgebäudes als auch beim sogenannten „Tag X“ der Machtübernahme zu „vorsätzlichen Tötungen von Repräsentanten des Staates und Amtsträgern“ komme. Die Ermittlungsergebnisse füllen bereits mehr als 200.000 Aktenseiten. Bei den vielen bundesweiten Strängen des Komplexes ist noch unklar, in welchem Bundesland die Bundesanwaltschaft Anklage erhebt.


Jens Eumann 19.12.2022

Der Prinz und der Pakt der Wölfe – Wenn Ex-Elitekämpfer auf Abwege geraten

Was Survival-Expertise mit Umsturzfantasien zu tun hat und warum Elitesoldaten Extremisten besonders anzuziehen scheinen. Die Spur des im Erzgebirge festgenommenen mutmaßlichen Reichsbürgers Christian W. kreuzte wohl mehrfach die eines der Verdächtigen aus dem Kommando Spezialkräfte.

Bayreuth/Olbernhau/Chemnitz.Der Mann steht mitten im nebeligen Wald neben einem wolfsartigen Hund. In der olivgrünen Kapuzenjacke sieht er aus wie eine moderne Version von Robin Hood. Nur kräftiger. Unter der übergezogenen Kapuze lugt zottelig ein Vollbart hervor, über dem Fahrtenmesser, das in lederner Scheide um den Hals des Mannes baumelt. Abenteuerromantik in ein Foto gegossen!

„Peter, geboren 1968, ehem. Fallschirmjägeroffizier, international ausgebildeter Einzelkämpfer und Jagdkommandoführer mit jahrzehntelanger Outdoor- und Survivalerfahrung, spezialisiert auf Mitteleuropa und Skandinavien, Visionär.“ So präsentiert sich Peter W. auf seiner Webseite, auf der er „Überlebenstraining, Survival und Bushcraft“ anbietet „in Deutschland, Norwegen, Schweden, Bayern, Hessen und Thüringen“. Der „Selbstfindung“ diene das oder der „Krisenvorsorge“ und „Krisenprävention“. In dieser habe er 15 Jahre Erfahrung.

Es sind seine Visionen, die Peter W. jetzt in die Bredouille gebracht haben, konkreter: hinter Gitter. Nicht Visionen von Naturnähe, sondern offenbar die Vision von einem anderen Deutschland. Dafür hätten die bestehende Bundesrepublik überwunden und auch Tote in Kauf genommen werden müssen, wie die Bundesanwaltschaft die Pläne der „Gruppe Reuß“ beschreibt. Benannt ist die Gruppe, die sich selbst auch als „Patriotische Union“ bezeichnete, nach dem mutmaßlich ersten Rädelsführer, Heinrich XIII. Prinz Reuß. Der Adelige hätte nach Erkenntnissen der Ermittler nach einem politischen Umsturz die Position des Regierungsoberhauptes übernehmen sollen.

Doch vor zwei Wochen schlug die Bundesanwaltschaft zu – mit Hilfe von 3000 Beamten, teils von der kampferprobten GSG 9. Bundesweit und im europäischen Ausland nahm man 25 Personen fest. Für 23 bestätigte der Ermittlungsrichter am Bundesgerichtshof bereits den Haftbefehl. Sie sind jetzt in U-Haft.

Auch Peter W., dessen engerer Draht statt zum Prinzen wohl eher zum zweiten Rädelsführer reichte: Rüdiger von Pescatore hatte einen militärischen Arm der „Patriotischen Union“ aufbauen sollen. Beim Fallschirmjägerbataillon 251 im baden-württembergischen Calw war Pescatore einst Peter W.s Kommandeur gewesen. Aus ihrem Bataillon entstand nach dessen Auflösung in den 1990er-Jahren am selben Ort das Kommando Spezialkräfte (KSK), jene Eliteeinheiten der Bundeswehr, die für heikle Auslandseinsätze samt Nahkampf gedrillt werden. Die Einheiten sollen zum Beispiel Geiseln aus Fängen von Terroristen befreien – weltweit.

Das KSK geriet erstmals in den Fokus von Ermittlern, als im Verfahren gegen den einen Anschlag planenden Bundeswehrsoldaten Franco A. ein rechtsextremes Netzwerk offenbar wurde. Zu flechten schien es der KSK-Soldat André S. Seine Stränge reichten von der Graf-Zeppelin-Kaserne des KSK in Calw aus in verschiedene Bundeswehreinheiten und auch in andere Sicherheitsbehörden. Bei näherem Blick fiel das KSK mit rechtsextremen Entgleisungen auf. Es gab eine Abschiedsfete mit Spielen, in denen geworfene Schweineköpfe ebenso eine Rolle spielten wie rechtsextreme Hassmusik und Hitlergrüße.

Skandalös zwar – doch wichtiger erschien das rechtsextreme Netz des Soldaten André S. Beim Militärgeheimdienst MAD, für den André S. spitzeln sollte, hatte er den Tarnnamen Hannibal. Danach benannte die damals zuerst berichtende Zeitung „Taz“ das „Hannibal-Netzwerk“ mit seinen Verbindungen zur rechtsextrem durchsetzten Prepper-Szene in Mecklenburg-Vorpommern, zu jenem Franco A. und zu weiteren Gruppen. Außerdem hatte KSK-Mann André S. „Uniter“ mitgegründet – nach Eigenangaben ein rein sozial tätiger Verein für aus dem Dienst scheidende oder traumatisiert von Auslandseinsätzen wiederkehrende Elitesoldaten.

Rein sozial tätig? Wenn da nur nicht jene anderen Aktivitäten wären – und die anderen Hinweise. Für seine Mitglieder veranstaltet „Uniter“ schließlich paramilitärische Trainingscamps. Und ein früherer KSK-Soldat gab im Zuge der Ermittlungen im Interview mit „SWR Aktuell“ vor laufender Kamera zu Protokoll, André S. habe ihn schon 2012 für „Uniter“ anwerben wollen. Von wegen sozial tätig! Intern spreche man vom „Pakt der Wölfe, der die Schafherde“ kontrollieren solle.

Mit den Schafen sei das Volk gemeint, sagte der interviewte Ex-Soldat. Er habe abgelehnt, beizutreten, weil ihm das Ansinnen absurd schien. Doch hätten spätere Nachfragen ergeben, dass „Uniter“ über „militärische Kommandostrukturen“ verfügte. Ein Kern von 80 bis 100 Mitgliedern bereite sich auf den „Tag X“ vor, an dem die Kontrolle über das Land übernommen werde. Bis dahin sei man bestrebt, die „politische Ordnung“ zu „destabilisieren“.

Losschlagen am „Tag X“, Destabilisieren des Systems, Übernahme der Macht mit Waffengewalt – das alles klingt nach genau jenen Plänen, die auch die jetzt in U-Haft genommenen Verdächtigen der Gruppe Reuß zu hegen schienen. Die bereits 2017 im Fokus stehende KSK-Kaserne in Calw wurde bei den jetzigen Razzien ebenfalls durchgecheckt. Um bei den Elitesoldaten zu durchsuchen, entsandte man vorsichtshalber Kräfte der ebenfalls kampferprobten Elitetruppe GSG 9 von der Bundespolizei.

Immerhin – neben dem nach wie vor zum KSK gehörenden Stabsfeldwebel Andreas M. haben mit Pescatore, Peter W. und dem Bundeswehr-Oberst Maximilian Eder mindestens vier Verdächtige einen KSK-Hintergrund oder Verbindungen zum KSK. Volkmar Wölk, der sich von Sachsen aus seit Jahrzehnten mit der rechtsextremen Szene befasst und auf bundesweite Kontakte schaut, wundert die Konzentration von Extremisten im KSK nicht. Dort werde das Elitäre geradezu beschworen.

„Die sogenannte Elite scheint mir besonders anfällig für Extremismus. Ausgangspunkt ist der Mangel an demokratischen Bausteinen. Stattdessen herrscht Korpsgeist. Und der Befehl eines Führers zählt zu 100 Prozent“, sagt Wölk.

Peter W. schied vor Jahren aus der Truppe aus, hat seine geschäftliche Basis nun nahe Bayreuth. Jüngst soll er aber viele Lehrgänge im Thüringischen veranstaltet haben. Im April dieses Jahres stand er erstmals im Fokus von Ermittlungen der Bundesanwaltschaft. Konkret, als diese die der Reichbürgerszene zugerechneten „Vereinten Patrioten“ festnahm – jene Gruppe, die mutmaßlich Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach hatte entführen wollen, um den Startschuss für umstürzlerische Zustände zu geben. Peter W.s Haus wurde damals durchsucht. Unter anderem stellte man Schusswaffen und Munition sicher – seither behielt man Peter W. unter Beobachtung.

Entgegen seinen damaligen Beteuerungen, nichts mit Reichsbürgern zu tun zu haben, soll die Beobachtung Peter W.s die Ermittler erst zu der weiteren Gruppe um Prinz Reuß geführt haben.

Ob der eine der beiden im erzgebirgischen Olbernhau festgenommenen Verdächtigen über Peter W. zur Gruppe Reuß gelangte, ist nicht belegt. Allerdings sprachen auch bei dem ehemaligen Olbernhauer AfD-Stadt- und -Kreisrat die Ermittler erstmals im April vor – ebenfalls im Zuge der Recherchen zu der damals festgenommenen Gruppe „Vereinter Patrioten“. Nach diesen Vorkommnissen wurde Christian W., der in den letzten Jahren seinen Äußerungen nach immer mehr in Richtung Reichbürgertum abzudriften schien, vom Verein der örtlichen Sportschützen ausgeschlossen.

Wie Peter W., Rüdiger von Pescatore und Maximilian Eder soll der Olbernhauer zum insgesamt achtköpfigen Führungsstab des militärischen Arms der mutmaßlichen Terrorgruppe gehört haben. „Der Führungsstab befasste sich unter anderem mit der Rekrutierung neuer Mitglieder, der Beschaffung von Waffen und anderen Ausrüstungsgegenständen“, betont die Bundesanwaltschaft.

Der Stab sollte eine „abhörsichere Kommunikations- und IT-Struktur“ aufbauen, Schießübungen durchführen und Pläne fürs Unterbringen von „Heimatschutzkompanien“ schmieden. Die bundesweiten Razzien setzten dem Treiben vorerst ein Ende.

Im Rahmen der Großaktion fand auch eine Razzia bei einem Chemnitzer Waffenhändler statt. Im Gespräch mit der „Freien Presse“ versichert der Mann, mit Reichsbürgern „absolut nichts“ zu tun zu haben. Einziger für ihn erkennbarer Grund für die Durchsuchung seiner Räume sei, dass der nun inhaftierte Christian W. bei ihm Kunde gewesen sei.

Als Quelle fürs Waffenarsenal wäre der Händler den Terrorverdächtigen sicher willkommen gewesen. Sowohl Jäger als auch Sportschütze, betätigt der Mann sich als „Wiederlader“. Das heißt, er stellt selbst Munition her. Das allerdings nur aus Kostengründen und weil Treibladungen so exakt dem Zweck – fürs Sportschießen oder für die Jagd – anzupassen seien, betont der Händler. Als verfassungsfeindlich ist der Mann nach „Freie Presse“-Informationen bisher nicht aufgefallen.


Jens Eumann 07.12.2022

Razzien gegen mutmaßliche Terror-Reichsbürger: Ein Prinz verdächtig als Hochverräter

Die Bundesanwaltschaft ermittelt gegen 52 Terrorverdächtige und lässt 25 Hauptbeschuldigte von ihnen festnehmen. Mehrere Mitglieder von Bundeswehr-Eliteeinheiten und eine Berliner Richterin sind darunter.

Karlsruhe/Olbernhau.Terrorpläne und Hochverrat gegen die Bundesrepublik Deutschland – so lautet der Verdacht, den Generalbundesanwalt Peter Frank gegen 25 Personen hegt, die er am Mittwoch unter Beteiligung von 3000 Polizeibeamten in Deutschland und im europäischen Ausland festnehmen ließ. In elf Bundesländern (Hessen, Sachsen, Thüringen, Bayern, Baden-Württemberg, Brandenburg, Berlin, Saarland, Nordrhein-Westfalen, Niedersachsen und Rheinland-Pfalz) sowie im österreichischen Kitzbühel und in der italienischen Provinz Perugia fanden Razzien in 130 Häusern oder Hallen beziehungsweise Festnahmen von Personen statt.

Bei den Verdächtigen handelt sich um 22 Mitglieder und drei Unterstützer einer von Reichsbürger-Narrativen und Verschwörungstheorien der Q-Anon-Bewegung beeinflussten Gruppe. 27 weitere Personen zählt die Bundesanwaltschaft ebenfalls zu Beschuldigten, sodass sich ihre Ermittlungen derzeit gegen 52 Personen richten.

Einen Namen der mutmaßlich terroristischen Vereinigung haben die Ermittler bisher nicht ausmachen können, vermeldet die Bundesanwaltschaft. Doch habe die spätestens Ende November des Vorjahres gegründete Terrorgruppe sich zum Ziel gesetzt, „die bestehende staatliche Ordnung in Deutschland zu überwinden“ und durch eine eigene Staatsform zu ersetzen, die „bereits in Grundzügen ausgearbeitet“ gewesen sei.

Als Rädelsführer gilt der Bundesanwaltschaft zufolge Heinrich XIII. Prinz Reuß aus Hessen. Am Mittwoch wurde er in Frankfurt am Main festgenommen und ging in Untersuchungshaft. Neben ihm wird Rüdiger v. P. als Kopf eines „militärischen Arms“ der Gruppe bezeichnet. Er ist ehemaliger Kommandeur eines Fallschirmjägerbataillons. Insgesamt wurden bis zum Abend vom Bundesgerichtshof bereits 19 Haftbefehle gegen Festgenommene in Vollzug gesetzt.

Zu weiteren festgenommenen Mitgliedern zählt auch die frühere AfD-Bundestagsabgeordnete und bis zu ihrer Festnahme amtierende Berliner Richterin Birgit Malsack-Winkemann. Sie soll versucht haben, andere Mitglieder der Gruppe ins Reichstagsgebäude zu schleusen, um so das Zuschlagen an einem vorbestimmten „Tag X“ durch bereits vorhandene Ortskenntnis zu erleichtern.

Einzelheiten zu den Plänen der Verdächtigen, mit einer kleinen bewaffneten Gruppe gewaltsam in den Bundestag einzudringen, seien noch aufzuklären, betont die Bundesanwaltschaft. Der militärische Arm unter Rüdiger v. P. und seinem aus acht weiteren Festgenommenen (Maximilian E., Michael F., Frank H., Thomas M., Wolfram S., Marco v. H., Christian W. und Peter W.) bestehenden „Führungsstab“ war beauftragt, sogenannte „Heimatschutzkompanien“ zu bilden sowie für deren künftige Unterbringung und Verpflegung zu sorgen.

Der Führungsstab habe sich bereits mit dem Rekrutieren neuer Mitglieder befasst wie auch mit dem Beschaffen von Waffen und anderen Ausrüstungsgegenständen, darunter besondere Satellitentelefone, die auch bei Zusammenbruch des Funknetzes funktionieren. Auch das Organisieren von Schießtrainings für die Heimatschützer war zu planen. Ins Umsetzen dieser Aufgaben waren noch fünf weitere der jetzt Festgenommenen eingebunden. Ob der im erzgebirgischen Olbernhau festgenommene ehemalige AfD-Stadtrat Christian W. wegen Waffen in seinem Besitz auch für solche Heimatschutzkompanien auserkoren war, ist noch Gegenstand der Ermittlungen. Neben Christian W. wurde in Olbernhau auch Frank R., Besitzer der durchsuchten Halle einer Autowerkstatt, festgenommen.

Gewissermaßen als Regierungskabinett sah die Gruppe einen sogenannten „Rat“ vor, dem der Prinz als avisiertes künftiges Staatsoberhaupt vorstand. Mitglieder des Rates trafen sich seit November 2021 regelmäßig im Verborgenen, um die Machtübernahme zu planen. Über die Verteilung verschiedener Ressorts wie „Justiz“, „Außen“ und „Gesundheit“ war bereits beraten worden. Für die Leitung solcher Ressorts waren neben der Beschuldigten Birgit Malsack-Winkemann noch die Festgenommenen Paul G., Ruth L., René R. und Melanie R. vorgesehen.

Beim Rekrutieren von militärischem und exekutivem Personal nahm die Vereinigung laut Generalbundesanwalt „vor allem Angehörige der Bundeswehr und Polizei“ in den Blick. Im November 2022 versuchten Rüdiger v. P., Marco v. H, Michael F., und Thomas M. in Norddeutschland gezielt Polizeibeamte anzuwerben. Mithilfe seiner Lebensgefährtin Vitalia B. suchte Heinrich XIII. Prinz Reuß Kontakt zur Russischen Föderation, um Modalitäten für spätere Verhandlungen abzustecken. Dafür, dass die russische Seite antwortete, gebe es bisher keine Anhaltspunkte, so die Bundesanwaltschaft.


Oliver Hach 07.12.2022

Reichsbürger planten Umsturz – Netz reicht bis ins Erzgebirge

Großrazzia gegen eine bundesweit agierende terroristische Vereinigung: In Olbernhau wurden ein früherer AfD-Kreisrat und ein Handwerker festgenommen.

Chemnitz/Karlsruhe.In der Reichsbürgerszene soll sich eine terroristische Vereinigung gebildet haben, die mutmaßlich den Umsturz des politischen Systems in Deutschland vorbereitet hat. Die Bundesanwaltschaft ließ am Mittwoch 25 Menschen in mehreren Bundesländern sowie in Italien und Österreich festnehmen, darunter eine ehemalige AfD-Bundestagsabgeordnete und amtierende Richterin sowie ein früherer AfD-Kreisrat und Stadtrat im Erzgebirge. Als ein Rädelsführer gilt der Unternehmer Heinrich XIII. Prinz Reuß aus Hessen. Der 71-Jährige soll in der Nähe von Bad Lobenstein in Ostthüringen ein Jagdschloss besitzen, laut Ermittlungen sollte er die Rolle des künftigen Staatsoberhauptes übernehmen.

„Die Ermittlungen lassen in den Abgrund einer terroristischen Bedrohung aus dem Reichsbürger-Milieu blicken“, sagte Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD). Bundesjustizminister Marco Buschmann bezeichnete die bundesweite Razzia als „Anti-Terror-Einsatz“. Etwa 3000 Polizisten waren im Einsatz. Die Operation zählt damit zu den größten Polizeieinsätzen gegen Extremisten in der Geschichte der Bundesrepublik.

Ein Sprecher des Generalbundesanwalts in Karlsruhe sagte der „Freien Presse“, in Sachsen seien Objekte von insgesamt zwölf Personen durchsucht worden, vor allem im Erzgebirgskreis, aber auch in Nordsachsen, in Mittelsachsen, in Chemnitz und im Vogtland. Unter den zwölf Personen seien sechs Beschuldigte, es habe zwei Festnahmen gegeben, nach Informationen der „Freien Presse“ beide in Olbernhau.

Dort fuhren am frühen Morgen Polizeiwagen auf dem Grundstück von Christian W. vor. Beamte führten ihn später in Handschellen ab. Der 44-jährige Unternehmer saß für die AfD im Kreistag des Erzgebirgskreises, bevor er Anfang Juli aus privaten Gründen zurücktrat. Bereits vor zwei Jahren hatte er sein Mandat als Stadtrat in Olbernhau niedergelegt – weil er sich bedroht fühlte, wie er damals erklärte.

Auch aus der Partei sei er bereits vor längerer Zeit ausgetreten, hieß es aus dem AfD-Kreisverband Erzgebirge. Christian W. besaß offenbar Waffen, bis April war er Mitglied der Schützengesellschaft Olbernhau. Dort sei er wegen Fehlverhaltens ausgeschlossen worden, erklärte der Verein. Bereits damals soll es eine polizeiliche Durchsuchung auf dem Grundstück des Mannes gegeben haben.

Ein Nachbar beschrieb den mutmaßlichen Reichsbürger als Mann, zu dem man anfangs gute Kontakte gehabt habe – „bis er sich als Nazi entpuppte“. Ein Amtskollege aus dem Olbernhauer Stadtrat sagte, Christian W. habe in öffentlichen Debatten immer wieder seine klare Ablehnung des politischen Systems in Deutschland erkennen lassen.

Neben Christian W., der als mutmaßliches Mitglied der terroristischen Vereinigung gilt, wurde in Olbernhau auch der mutmaßliche Unterstützer Frank R. festgenommen. Er führt einen Handwerksbetrieb in der Stadt. Zudem gab es in Olbernhau Durchsuchungen bei einer weiteren Beschuldigten und einem Mann, der vorläufig nicht als tatverdächtig gilt.

„Reichsbürger“ sind Menschen, die die Bundesrepublik und ihre demokratischen Strukturen nicht anerkennen. Der Verfassungsschutz rechnet der Szene rund 21.000 Anhänger zu. Laut Bundesanwaltschaft wollten die mutmaßlichen Mitglieder der jetzt aufgeflogenen terroristischen Vereinigung die staatliche Ordnung in Deutschland gewaltsam stürzen und durch eine eigene ersetzen.