Landtagswahl in Sachsen: Warum die AfD-Listenaufstellung dieses Mal schneller geht als 2019

Bis zum Freitagabend hat die Partei in Glauchau 51 Kandidaten gewählt. Fällt am Wochenende nur noch die Entscheidung über aussichtslose Plätze?

Die sächsische AfD ist mit der Kür ihrer Landesliste für die Landtagswahl am Freitag zügig vorangekommen. Bis zur planmäßigen Unterbrechung am späten Abend wurden 51 Kandidaten gewählt. Dabei wurden auf die aussichtsreichen Plätze fast ausschließlich bisherige Abgeordnete gesetzt. Zu den wenigen Ausnahmen gehörten aus Zwickau Kreischef Jonas Dünzel auf Platz 9 und Kreistagsfraktionschef Andreas Gerold auf Platz 21.

Kandidat ohne Wahlkreis auf Platz 19

Der Chef der Erzgebirgskreis-AfD, Torsten Gahler, steht als einziger gewählter Listenkandidat auf den ersten 40 Plätzen ohne Kandidatur in einem Wahlkreis auf der Liste. Der Schatzmeister des Landesverbandes setzte sich auf Platz 19 gegen seinen bisherigen Fraktionskollegen Mario Kumpf durch, der seinen Wahlkreis zuvor ebenfalls an einen innerparteilichen Kontrahenten verloren hatte.

Kampfkandidaturen gab es kaum. Bis zu Platz 33 kam es nur dreimal dazu – ohne dass einer der Herausforderer sich gegen die von Generalsekretär Jan Zwerg unterbreiteten Personalvorschläge durchzusetzen vermochte. Erfolglos blieben so neben Kumpf auch der inzwischen fraktionslose Abgeordnete und Leipziger Anwalt Roland Ulbrich (für Platz 10) sowie die Riesaer Stadträtin Ute Heine (für Platz 29).

Erste Frau auf Platz 20

Auf den ersten 19 Listenplätzen kandidierten ausschließlich Männer. Erst auf Platz 20 wurde mit der Dresdnerin Martina Jost eine Frau gewählt. Bis Platz 51 wurden lediglich vier weitere Frauen gewählt.

Zunächst folgten mit Romy Penz auf Platz 23 und Doreen Schwietzer auf Platz 29 zwei Fraktionskolleginnen von Jost. Die vierte Frau in der aktuell 34-köpfigen AfD-Fraktion, die 1952 geborene Gudrun Petzold, hatte bereits ihren Abschied aus der aktiven Politik mit der Landtagswahl angekündigt. Auf die Plätze 44 und 48 wurden später Heike Winter und Nicole Scharpe gewählt.

Auf der Landesliste 2019 hatten sogar nur die Namen zweier Frauen gestanden. Dies lag aber auch daran, dass nach der Kürzung des Landeswahlausschusses und der Entscheidung durch den Verfassungsgerichtshof letztlich nur 31 der damals an zwei Wochenenden gewählten 61 Kandidaten zur Wahl zugelassen waren.

Ob – und falls ja, wie stark – die Landesliste am 1. September zieht, hängt auch vom Erfolg der AfD-Kandidaten in den Landtagswahlkreisen ab. 2019 gewannen die AfD-Bewerber in 15 der 60 sächsischen Wahlkreise. Weil der Zweitstimmenanteil von 27,5 Prozent insgesamt 39 Sitze bedeutete, hätten über die Landesliste noch weitere 24 AfD-Politiker einziehen können. Abzüglich der sieben Wahlkreissieger mit Listenplatz hatte es aber nur noch 23 Listenkandidaten gegeben.

Formalien ebnen Weg für Tempo

Die von der AfD seinerzeit heftig kritisierte Listenkürzung hing mit der 2019 teilweise chaotisch verlaufenen Aufstellung der Kandidaten an zwei Wochenenden sowie mit einem zwischenzeitlichen Wechsel des Wahlverfahrens zusammen. Zur Vermeidung war die AfD dieses Mal auf strikte Einhaltung der Formalien bedacht – und auch darauf, mit bestimmten Vorgaben trotz vereinbarter Einzelwahl der gesamten Liste bis zum Schluss eine Ausdehnung der Wahlgänge zu vermeiden.

Dazu gehörte die Festlegung, dass jeder Kandidat sich nur einmal mit maximal siebenminütiger Rede vorstellen durfte. Zudem setzte die AfD dieses Mal auf das Delegiertenprinzip – nachdem vor fünf Jahren noch jedem ihrer Mitglieder in Sachsen die Möglichkeit zur Mitentscheidung eingeräumt worden war.

Gegenproteste am Samstag?

Entscheidend dürfte auch die Empfehlung an die Kreisverbände gewesen sein, eine Prioritätensetzung über ihre Favoriten abzugeben. Dies und auch die durch Meinungsumfragen gespeiste Aussicht auf mehr als 30 Prozent und damit mehr als 40 Landtagsabgeordnete trugen selbst ohne offiziellen Listenvorschlag des Landesvorstandes dazu bei, auf den aussichtsreichen Plätzen Kampfabstimmungen weitgehend zu vermeiden.

Die ersten zehn Listenplätze waren bereits am Donnerstagabend besetzt worden. Spitzenkandidat wurde wie schon 2019 Landes- und Fraktionschef Jörg Urban. Um nicht in Zeitnnöte zu geraten, hat die AfD die Sachsenlandhalle bis einschließlich Sonntag gebucht. Für Samstag war gegen den vom sächsischen Verfassungsschutz als rechtsextremistisch eingestuften Landesverband eine Gegendemonstration unter anderem von „Zwickau zeigt Herz“ angekündigt. Die Polizei hatte bereits am Donnerstag und Freitag Präsenz rund um die Sachsenlandhalle gezeigt.


AfD setzt bei Landesliste auf Männer – Kampfansage an CDU

Die AfD läuft sich für die Landtagswahl warm und knöpft sich dabei CDU und Ministerpräsident Kretschmer vor. Bis Sonntag wird die Landesliste gewählt. Frauen gibt es auf den vorderen Plätzen keine.

Glauchau.Sachsens AfD wappnet sich für die Landtagswahl im September und nimmt vor allem die CDU und Ministerpräsident Michael Kretschmer ins Visier. Nach den Querelen um die Listenaufstellung zur Wahl 2019 will sie dieses Mal in diesem Punkt keine Angriffsfläche bieten und noch bis Sonntag beim Landesparteitag in Glauchau (Landkreis Zwickau) bis zu 75 Kandidaten wählen. Auf den aussichtsreichsten Plätzen sind Männer allerdings unter sich. Erst auf Platz 20 findet sich mit der Landtagsabgeordneten Martina Jost eine Frau. „Ich bin eine echte Frau und eine rechte Frau“, sagte sie in ihrer Bewerbungsrede. Zum Spitzenkandidat wurde Landeschef Jörg Urban gekürt.

Während Urban schon am Donnerstagabend hohe Strompreise, niedrige Renten und geringes Wirtschaftswachstum kritisierte, rieben sich die Kandidaten in ihren Vorstellungsreden vor allem an „Genderwahn“, dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk samt Satiriker Jan Böhmermann und der Migration. Einige Redner kündigten für die nächste Legislaturperiode einen Corona-Untersuchungsausschuss an.

Urban beschwört „blaue Wende“

Mit Blick auf die Wahl am 1. September beschwor Urban eine „blaue Wende“ und zog damit eine Parallele zur Friedlichen Revolution 1989. Der Begriff Wende wurde einst von SED-Parteichef Egon Krenz geprägt. Ziel sei es, dass künftig keiner mehr an der AfD vorbeikomme und sie die neue Regierung führe, betonte Urban: „Die CDU ist der Hauptverursacher aller Probleme, die unser Land hat.“ Es sei daher das beste für das Land, wenn sie künftig auf der Oppositionsbank Platz nehmen müsse, so Urban.

Mit wem die AfD künftig regieren will, sagte der 59-Jährige nicht. Sein Landesverband wird vom Landesamt für Verfassungsschutz als „gesichert rechtsextremistische Bestrebung“ eingestuft. Bei der Abstimmung erhielt er ohne Gegenkandidat rund 92 Prozent der gültigen Stimmen. Damit schnitt er besser ab als 2019 (85,4 Prozent). Damals führte er schon einmal die AfD in den Landtagswahlkampf. Sie landete mit 27,5 Prozent auf Platz 2 hinter der CDU (32,1). Zuletzt lag sie in den meisten Umfragen nun vor den Christdemokraten.

Auf die Plätze zwei und drei waren schon am Donnerstagabend Generalsekretär Jan Zwerg und Landesvize Joachim Keiler gewählt worden. Am Freitagvormittag wurde die Listenaufstellung ab dem elften Platz fortgesetzt. Nur vereinzelt gab es Kampfkandidaturen zweier Bewerber. In Sachsen wird am 1. September ein neuer Landtag gewählt.

Anti-AfD-Protest am Sonnabend

Bei der Landtagswahl 2019 hatte es Querelen um die AfD-Liste gegeben. Im Vorfeld hatte der Landeswahlausschuss eine Kürzung der Landesliste beschlossen und dafür formale Mängel geltend gemacht. Er ließ deshalb nur 18 der 61 AfD-Bewerber zu. Die AfD sah darin ein politisches Manöver. Das Verfassungsgericht Leipzig entschied später, dass die AfD mit 30 Listenkandidaten antreten darf. Trotz vieler gewonnener Direktmandate konnte sie von den ihr zustehenden 39 Landtagsmandaten nur 38 übernehmen.

Am Samstagnachmittag müssen die rund 300 Delegierten an ihrem Tagungsort, der Sachsenlandhalle in Glauchau, mit Gegenprotest rechnen. Mehrere Initiativen haben unter dem Titel „Gegenhalten“ zu einer Demonstration gegen die AfD und ihren Parteitag aufgerufen. Laut Landratsamt Zwickau als Versammlungsbehörde wird von bis zu 500 Teilnehmern ausgegangen.