Sachsens Landtag will mehr Kontrolle beim Verfassungsschutz
Die Koalition aus CDU, SPD und Grünen will die Arbeit der Kontrollkommission des Parlamentes stärken. Sie sieht eine „agile Bedrohung“ durch Verfassungsfeinde in Sachsen.
Er soll abgeschafft, umgebaut werden, mehr technische Möglichkeiten erhalten oder von einem neuen Beauftragten im Landtag kontrolliert werden. Die Forderungen an Sachsens Verfassungsschutz sind je nach politischer Couleur vielfältig. Dabei ist die föderale Grundstruktur vorgegeben. Der Bund betreibt ein Bundesamt für Verfassungsschutz, die Länder unterhalten jeweils eigene Einheiten. Eine Zentralisierung wie in der Nazizeit ohne parlamentarische Kontrolle soll es nie wieder geben.
Das schließt – zumal nach den Pannen im Zusammenhang mit dem Abtauchen des rechtsextremen NSU-Trios – Debatten zu Arbeit und Struktur der Inlandsnachrichtendienste nicht aus. Manche sind als Abteilung eines Innenministeriums organisiert, andere wie in Sachsen als Landesamt mit eigenem Präsidenten. Im Freistaat will die Koalition aus CDU, Grünen und SPD das Parlament bei der Kontrolle des Verfassungsschutzes stärken.
Die drei Regierungsfraktionen haben dazu jetzt einen Gesetzentwurf vorgelegt, mit dem ein Teil des 2019 geschlossenen Koalitionsvertrages umgesetzt werden soll. Geplant ist die Einrichtung einer Fachstelle beim Sächsischen Landtag.
Stärkung der Kontrollkommission sei unerlässlich
Das Landesamt untersteht dem Innenministerium. Dieses wiederum muss beim Thema Verfassungsschutz der parlamentarischen Kontrollkommission (PKK) Rede und Antwort stehen. Die fünf Abgeordneten, derzeit einer aus jeder Fraktion, tagen geheim und sind zur Verschwiegenheit verpflichtet. Zur Unterstützung ihrer Arbeit soll beim Landtag eine Fachstelle eingerichtet werden. Etwas mehr als 237.000 Euro veranschlagen CDU, Grüne und SPD pro Jahr dafür. Drei Mitarbeiter sollen den Abgeordneten helfen.
Zu ihren Aufgaben zählen die Organisation der Einsicht von Akten und deren Überprüfung. „Dadurch kann die Kontrollintensität gegenüber dem Landesamt erhöht werden und somit auch das Vertrauen der Öffentlichkeit in die Tätigkeit der Dienste gestärkt werden“, heißt es im Gesetzentwurf. Die Stärkung der PKK sei „angesichts der agilen Bedrohungslage durch Verfassungsfeinde“ unerlässlich.
In der Koalition haben das offenbar die Grünen vorangetrieben. Deren Innenexperte Valentin Lippmann plädiert für eine „engmaschige Kontrolle“. Durch die Fachstelle werde die PKK in ihrer Effektivität gestärkt, sagte der Landtagsabgeordnete der Sächsischen Zeitung. Angesichts früherer Defizite „braucht es eine solche systematische und strukturelle Kontrolle der nachrichtendienstlichen Tätigkeiten, um das Vertrauen der Öffentlichkeit in den Geheimdienst langfristig zu sichern“.
Amt ist gewachsen
Die geplante Änderung vollzieht sich vor dem Hintergrund der Novelle des Verfassungsschutzgesetzes. Anfang Januar hatte Innenminister Armin Schuster (CDU) Details dazu vorgelegt – als Reaktion auf ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts zum bayerischen Verfassungsschutz mit überregionalen Auswirkungen. Längerfristige Observationen sowie Einsätze von verdeckten Ermittlern müssen künftig von einem Gericht genehmigt werden. Eingeengt wird die Übermittlung verdeckt erhobener Daten an andere Behörden.
Doch der sächsische Dienst soll nach Angaben des Innenministers auch mehr Befugnisse und Möglichkeiten erhalten, etwa bei der Bestimmung von Handystandorten und der Abfrage von Kontostammdaten beim Bundeszentralamt für Steuern. Zudem soll der Innenausschuss des Landtages jährlich über Verfassungsschutzbelange informiert werden.
Im Zuge der NSU-Aufarbeitung ist das Amt gewachsen, mittlerweile hat es 220 Stellen. Die Linkenabgeordnete Kerstin Köditz, wie Lippmann selbst Mitglied der PKK, kann die Intention des aktuellen Gesetzentwurfs nachvollziehen, hat aber auch Bedenken. Die Geschäftsstelle hätte nicht mehr Rechte als die PKK-Mitglieder. Köditz sieht die Gefahr, dass die Kommissionsmitglieder „ihre Befugnisse künftig zu der Fachstelle delegieren, statt sich selbst reinzuknien“.