Drei Monate nach dem 3. Juni: Polizei hat 383 Telefone einkassiert und bis Mitte August nicht zurückgegeben
Quele: L-IZ
Wenn die Polizei schweigt und auch drei Monate nach ihrem harten Vorgehen gegen die Demonstrierenden am 3. Juni auf dem Alexis-Schumann-Platz alle Eingekesselten verdächtigt, dann muss nachgefragt werden. Was die Landtagsabgeordnete der Linken, Juliane Nagel, auch unentwegt tut. Denn was die Polizei da treibt, sieht eher wie der Versuch aus, möglichst viele Daten von möglichst vielen Menschen zu bekommen. Auch die Handys waren zum Zeitpunkt der Ministerantwort noch im Gewahrsam der Polizei.
Die Zahl der im Kontext der Proteste am sogenannten Tag X von der Polizei mehr als elf Stunden eingeschlossenen Menschen ist auf 1.323 Personen angestiegen. Darunter sind 106 Minderjährige, 276 Heranwachsende und 612 junge Volljährige. Dies ergaben schon die Antworten auf zwei entsprechende Anfragen der Leipziger Abgeordneten Juliane Nagel (u. a. Drs 7/13967).
In diesem Kessel wurden zahlreiche Telefone und weitere Gegenstände beschlagnahmt. Betroffene erklärten, dass die Polizei sie dazu aufforderte, ihre Passwörter mitzuteilen, da sonst Kosten für die Entschlüsselung auf sie zukämen. Eine zumindest erstaunliche Drohung. Denn sie zeigt, dass die massenhafte Beschlagnahmung der Handys schon zuvor beabsichtigt gewesen sein muss.
Die Neugier der Polizei auf Handydaten
Die Linken-Abgeordnete Juliane Nagel hat die Staatsregierung zu diesen Beschlagnahmungen im Kessel nun gesondert befragt (Drucksache Drs 7/14134).
„Der Innenminister bestätigt, dass 383 Telefone von den 1.323 Personen im Kessel beschlagnahmt wurden und 72 Personen der Polizei Zugänge zu ihren elektronischen Geräten zur Verfügung gestellt haben. Zudem wird bestätigt, dass die Nichtherausgabe von PIN oder Passwörtern keine rechtlichen Konsequenzen hat“, stellt Juliane Nagel fest. Die Drohungen der Polizisten vor Ort waren also völlig unangemessen. „Dies steht im Widerspruch zu den Aussagen von Polizist/-innen gegenüber den Betroffenen des Kessels.“
Doch augenscheinlich versucht die Polizei, die restlichen Handysperren trotzdem zu knacken, um auch hier möglichst alle verwertbaren Daten einzusammeln. Denn bis Mitte August 2023 wurden keine Telefone an die Betroffenen zurückgegeben.
„Insgesamt hat die Polizei 1.105 Gegenstände beschlagnahmt, darunter z. B. 31 Brillen, 310 Aufkleber/Sticker/Patches, Tabakwaren, Kontaktlinsenflüssigkeit und Bargeld. Was diese Gegenstände mit dem Vorwurf des Landfriedensbruchs zu tun haben, erschließt sich nicht“, stellt Juliane Nagel fest. „Die beschlagnahmten 11 pyrotechnischen Erzeugnisse und 133 Vermummungsgegenstände bei 1.323 bisher bekannten Tatverdächtigen sprechen immer eindeutiger für ein absolut unverhältnismäßiges Vorgehen gegenüber den Demonstrant/-innen in jener Woche in Leipzig.“
Ein deutlicher Versuch der Einschüchterung
Das Vorgehen erinnert eher an den Versuch, weit über die tatsächlichen Vorfälle bei der Demonstration über möglichst viele Teilnehmer dieser – genehmigten – Demonstration möglichst viele Daten und Kontakte herauszufinden, für welche Zwecke auch immer. Und gleichzeitig wurde hier ganz offensichtlich eine Gelegenheit genutzt, um ein Abschreckungspotenzial aufzubauen.
„Dass die Staatsanwaltschaft im September, also drei Monate nach den Ereignissen, noch immer den Vorwurf des Landfriedensbruchs gegen alle Personen im Kessel aufrechterhält und die Beschuldigten ihre Sachen und insbesondere ihre Telefone noch nicht zurückbekommen haben, ist ein weiterer Skandal“, stellt Nagel fest. „Ebenso skandalös ist, dass das sächsische Innenministerium Auskünfte verweigert und die parlamentarische Aufarbeitung damit behindert. So wurden in dieser Anfrage Antworten verweigert und beispielsweise meine Anfrage zu Funkzellenabfragen um den 3. Juni 2023 gar nicht beantwortet. Demokratisch kontrollierbare und transparente Behörden sehen anders aus!“