Einige Gedanken zu der Demo in Zschocher am 31.7. und deren Auswertung
Wir finden es gut, dass die Antifaschistische Vernetzung Leipzig die „A Monday without you“-Kampagne ins Leben gerufen hat und wir gemeinsam mit 150 Menschen durch Zschocher gelaufen sind. Den FaschistInnen dort zu begegnen, wo sie sich in Sicherheit wähnen, ist immer richtig und notwendig. Denn sie können sich in Sachsen und auch in Leipzig – so lange sie sich benehmen – an vielen Orten einer Akzeptanz oder zumindest einer gleichgültigen Stimmung sicher sein.
Wir fanden die Demo eigentlich ziemlich gelungen. Im vorderen Teil wurden fast durchweg Parolen gerufen, es gab viele Transparente und Fahnen. Allerdings haben wir einige Anmerkungen zu der Auswertung, die die Genoss:innen der AVL am 27. August auf knack.news (https://knack.news/6608) veröffentlicht haben. Wir sehen es ziemlich kritisch, dass Gruppen immer wieder aufs Neue das haltlose Argument vorbringen, dass ein „Blackblock“-Auftreten dem Anliegen einer Antifa-Demo schaden würde. Die Frage ist natürlich, was das gemeinsame Anliegen einer solchen Demonstration in Zschocher ist. Doch wenn man dem Aufruf folgt, geht es darum die rechten Akteure in ihren Kiezen zu besuchen, sie aus der Deckung zu holen und sie somit zu bedrohen. Außerdem soll sich mit den antifaschistisch organisierten Menschen vor Ort solidarisiert werden.
Dass ein „Blackblock“-Auftreten an diesem Tag dem Anliegen schadete, halten wir für falsch. Des Weiteren verharmlost die Forderung nach ziviler Kleidung (Wer entscheidet das eigentlich? Sollen wir das nächste Mal in Abendgarderobe kommen und so herumlaufen wie die Gesellschaft es unserem jeweiligen Geschlecht zugesteht, damit wir niemanden verschrecken?) die Tatsache, die ja im Aufruf als Gegebenheit anerkannt wird, nämlich dass wir uns durch einen eher feindlich gesinnten Kiez bewegten. Einem Stadtteil, in dem Nazis wenig Widerspruch erfahren und durchaus gewaltvoll die Straße terrorisieren. Die am Rande stehenden FaschistInnen waren ein Beweis dafür, dass eine handfeste Auseinandersetzung hätte notwendig werden können. Die rechten Videostreamer:innen oder anderen Anwohner:innen mit Kameras geben ebenfalls Anlass dazu, sich eher unkenntlich zu machen. Ganz abgesehen von der Diskussion über (linke) Pressevertreter:innen, die es derzeit auf knack.news. (https://knack.news/6569) gibt. Wenn wir nicht selber dafür sorgen können – oder wollen – uns unkenntlich zu machen, dann verlassen wir uns doch schlussendlich auf die Bullen. Ein Verlass darauf, dass diese dafür Sorge tragen, dass die mit Glasflaschen bewaffneten Rechten unserer Demo nicht zu nahekommen und angreifen gibt es sicherlich nicht. Sprich, wir uns doch spontan gegen die Faschos wehren müssen und dabei riskieren von den anwesenden Kameraträger:innen gefilmt zu werden.
Wer dem Anliegen FaschistInnen die Stirn zu bieten weniger Wert zumisst, nur weil ein paar Leute schwarze Klamotten tragen und Parolen rufen die einigen nicht passen – denn nichts anderes wird der kritischen Bewohner:innen Zschochers im Text unterstellt – ist diesem Anliegen und dem Begehren nach einer ganz anderen Welt wohl allgemein doch ferner, als zu vermuten wäre. Uns geht es nämlich nicht um die akkurate bürgerliche Gesellschaft, sondern um den Bruch mit dieser. Zwar sollte das Restpotenzial der bürgerlichen Freiheit verteidigt werden gegen FaschistInnen, aber der Schoß ist fruchtbar, noch aus dem sie unentwegt kriechen. Die Biederkeit und Ordnungsliebe ist eben auch ein Versuch, sich mit der eigenen Ohnmacht, ausgelöst durch die gesellschaftlichen Verhältnisse, zu arrangieren.
Der viel zitierte Rechtsruck ist nicht als Ausdruck einer am Rand stehenden faschistischen Gruppierung zu verstehen, sondern als ein Phänomen, das sich durch alle Schichten und somit auch durch Teile der Linken zieht. Wenn sich die bürgerliche Moralvorstellung und Hegemonie, die diese zu beanspruchen versucht, nur noch als Teil der unvernünftigen gesellschaftlichen Dynamik erweist, gilt es diese zu kritisieren und nicht affirmativ ihren Ansprüchen nachzukommen; Ansprüchen, wie eine Demo auszusehen hat, damit ihr Gehör geschenkt wird. Dies würde bedeuten, sich in Inhalt und Form immer weiter anzugleichen an das, was durch die vermeintlich bürgerliche Moralvorstellung noch abgedeckt ist. Gerade die Ereignisse um den Tag-X haben ohnehin bewiesen, dass wir durch die bürgerlichen Medien nicht mehr als Teil der Bürger:innen gesehen werden; in ihren Augen kein Recht auf Mitsprache und Demonstration haben sollten. Wir sind schon lange die Schmuddelkinder und tun gut daran, uns weiterhin die Hände schmutzig zu machen.
Vermummung ist in den meisten Fällen kein Selbstzweck, sondern Selbstschutz. Es geht hierbei nicht um das Abfeiern eines kulturellen Bildes der langvergangenen Zeiten der Autonomen Antifa M. Es geht um einen Versuch einer eigenständigen autonomen Praxis. Das Hochhalten dieser Autonomie kommt ohne kritisches Denken nicht aus. Und wer nicht bereit ist die Gedankenaufgabe zu erfüllen und zu versuchen, nachzuvollziehen, warum Leute sich vermummen, der:die räumt dem Denken vielleicht nicht eine so bedeutende Relevanz ein oder aber traut es den Anwohner:innen in Zschocher nicht zu.
In der Auswertung wird unterstellt, dass Menschen sich nur noch aus Spaß an der Sache vermummen. Die bittere Realität ist aber, dass zu viele die Dimension der rechten Mobilmachung und der allgemeinen Absage an das vernünftige Denken nicht ernst genug nehmen. Lasst die Leute in schwarz oder bunt kommen und bitte hört auf, ohne Argumente eine kulturelle Hegemonie eurer Vorstellung eines Szenecodes durchzusetzen. Wir wollen unversöhnlich sein mit dieser Gesellschaft. Der Bruch muss her. Wer das nicht anerkennt, hat sich abgefunden mit der Vernichtung, die dem Bestehenden innewohnt. Wer schwarze Kleidung als Störung empfindet oder diese den Anwohner:innen eines Viertels unterschiebt, möchte sich vielleicht auch nur abarbeiten an etwas Greifbaren. Die eigene innere Ruhe finden in der (Selbst-)Bestätigung, dass die anderen genauso adrett auftreten, wie man selber und wie man dies vorab gefordert hat. Dann ist die Sache schon geregelt und man konnte sich durchsetzen – wenn auch nicht gegen die FaschistInnen – in Zeiten in denen dies eine große Herausforderung für emanzipatorische Projekte darstellt. Vielleicht ist die eigene Schwäche und Marginalität anzuerkennen, anstatt diese schmerzhaften Erfahrungen weiter zu verdrängen und sich Handlungsmöglichkeiten und Bewegung vorzutäuschen wo sich eigentlich nur im Kreis gedreht wird. Der Blick mag dann vielleicht etwas weniger verstellt sein und Diskussionen ermöglichen, die die Ernsthaftigkeit unsere Lage widerspiegeln. Dann müssen wir nicht weiter über Klamotten und Dresscodes sprechen.
Wir sehen uns beim Tag-X-Festival und in Grünau!