Bundesverwaltungsgericht kippt Verbot der „Hammerskins
Vor zwei Jahren wurden die rechtsextremen „Hammerskins“ von der damaligen Innenministerin Faeser verboten. Nun hat das Bundesverwaltungsgericht die Entscheidung gekippt – aus formalen Gründen.
Das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig hat das Verbot der rechtsextremen „Hammerskins Deutschland“ aufgehoben. Das Gericht gab den Klagen mehrerer Mitglieder und regionaler Untergruppen gegen die Verbotsverfügung des Bundesinnenministeriums statt. Die Bundesrichter konnten nicht erkennen, dass tatsächlich eine bundesweite „Hammerskins“-Dachorganisation existiert hat, die hätte verboten werden können. Der Verbotsbescheid sei rechtswidrig.
Die damalige Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) war 2023 gegen die „Hammerskins“ vorgegangen. Sie verbot die Vereinigung samt ihren regionalen Ablegern. Die Organisation richte sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung. Die Polizei rückte bei Mitgliedern in zehn Bundesländern zu Razzien an. Faeser sprach von einem „harten Schlag gegen den organisierten Rechtsextremismus“.
„Auf das Vorliegen von Verbotsgründen kam es überhaupt nicht an“
Die „Hammerskins“ verstehen sich als Bruderschaft. Die Neonazi-Bewegung stammt aus den USA. Seit Anfang der 1990er-Jahre gründeten sich in Deutschland nach und nach regionale Chapter. Zum Zeitpunkt des Verbots hatten die „Hammerskins“ in Deutschland laut Verfassungsschutz rund 130 Mitglieder.
Dass das Verbot keinen Bestand hat, liegt daran, dass das Ministerium nicht genug Beweise vorlegen konnte, dass eine bundesweite, tonangebende Ebene bei der Neonazi-Gruppierung bestanden hat. Es wurde nicht geprüft, ob die „Hammerskins“ verfassungsfeindlich sind. „Auf das Vorliegen von Verbotsgründen kam es überhaupt nicht an“, sagte der Vorsitzende Richter Ingo Kraft in der Urteilsbegründung. Insofern dürfte die Wirkung dieser Entscheidung auf andere Vereinsverbote oder gar ein mögliches AfD-Verbotsverfahren begrenzt sein.
Laut Vereinsgesetz kann das Bundesinnenministerium nur überregional tätige Vereine verbieten. Bleibt der Wirkungskreis einer Gruppierung auf ein Bundesland beschränkt, sind die Länder für etwaige Verbote zuständig.
——————————————————————————-
Pressemitteilung Nr. 99/2025 vom 19.12.2025
Bundesverwaltungsgericht hebt Verbot der Vereinigung „Hammerskins Deutschland“ auf
Das mit Verfügung des Bundesministeriums des Innern und für Heimat (BMI) vom 24. Juli 2023 ausgesprochene Verbot der Vereinigung „Hammerskins Deutschland“ einschließlich ihrer regionalen Chapter „Bayern“, „Berlin“, „Brandenburg“, „Bremen“, „Franken“, „Mecklenburg“, „Pommern“, „Rheinland“, „Sachsen“, „Sarregau“, „Westfalen“, „Westwall“, „Württemberg“ sowie der „Crew 38“ als Teilorganisationen ist rechtswidrig. Das hat das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig mit heute verkündeten Urteilen entschieden.
Mit der Verbotsverfügung stellte das BMI unter Berufung auf Art. 9 Abs. 2 GG i. V. m. § 3 VereinsG fest, dass sich die Vereinigung einschließlich ihrer Teilorganisationen gegen die verfassungsmäßige Ordnung sowie den Gedanken der Völkerverständigung richte und nach Zweck und Tätigkeit den Strafgesetzen zuwider laufe. Der Verein „Hammerskins Deutschland“ werde verboten und aufgelöst. Er sei rechtsextremistisch ausgerichtet, der Schutz der „weißen arischen Rasse“ und der Kampf gegen eine „Umvolkung“ seien zentrale Schwerpunkte seiner Ideologie. Der Bescheid ordnet unter anderem die Beschlagnahme und Einziehung des Vermögens des Vereins und seiner Teilorganisationen an. Insbesondere bezieht er in Ziffer 5 Satz 2 der Verbotsverfügung auch das im Privateigentum stehende Grundstück eines Mitglieds ein. Gegen die Verfügung haben zahlreiche regionale Chapter und deren Mitglieder Klagen erhoben.
Die Klagen hatten vor dem erst- und letztinstanzlich zuständigen Bundesverwaltungsgericht Erfolg.
Entgegen der Auffassung der Beklagten lässt sich die Existenz einer den regionalen Chaptern übergeordneten bundesweiten Vereinigung „Hammerskins Deutschland“ nicht feststellen. Zwar ergibt sich aus dem vorliegenden Tatsachenmaterial, auf das sich das Gericht ungeachtet der Einwände einzelner Kläger stützen kann, dass sich Mitglieder der regionalen Chapter regelmäßig auf einem sogenannten „National Officers Meeting“ treffen. Diese Zusammenkünfte dienen der Koordination und Abstimmung. Das Gericht konnte sich jedoch nicht die Überzeugung bilden, dass diese Treffen Ausdruck eines Zusammenschlusses zu einer verfestigten Organisation auf nationaler Ebene sind und dort für die Chapter sowie deren Mitglieder verbindliche Entscheidungen getroffen werden. Das vorliegende Tatsachenmaterial rechtfertigt nicht die Annahme, dass zwischen den Chaptern und der europäischen bzw. weltweiten Bewegung ein nationaler Verein „Hammerskins Deutschland“ besteht. Erst recht belegt das Material nicht eine zentrale Steuerung der regionalen Chapter durch eine übergeordnete nationale Ebene. Nur eine derartige Einbindung in eine Gesamtorganisation würde – wie hier vom BMI angenommen – die Einordnung der Chapter als Teilorganisationen und damit deren Einbeziehung in das Verbot ohne chapterbezogene Prüfung der Verbotsgründe rechtfertigen. Vielmehr finden sich deutliche Hinweise für eine weitgehende Autonomie der Chapter. In Fallgestaltungen der vorliegenden Art bleibt es den jeweils zuständigen Behörden des Bundes und der Länder allerdings unbenommen, einzelne Chapter zu verbieten, wenn für diese Verbotsgründe festgestellt werden können.
Für das klagende Chapter „Sarregau“ konnte der Senat außerdem keine Zugehörigkeit zur deutschen Hammerskin-Bewegung feststellen, da es sich um ein französisches Chapter handelt.
Hinsichtlich der in Ziffer 5 Satz 2 der Verbotsverfügung angeordneten Beschlagnahme und Einziehung eines konkreten Grundstücks hat das Gericht das Verfahren abgetrennt, soweit sich der Eigentümer mit seiner Klage auch hiergegen gewendet hat. Insoweit fehlt es an einer sachlichen Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichts in erster Instanz.
———————————————————————————
Deutsche „Hammerskins“ weiter im Ausland aktiv?
17.12.2025 06:00 Uhr
In Deutschland ist die Neonazi-Gruppe „Hammerskins“ verboten. Anhänger sind nach Recherchen des NDR aber weiter europaweit mit Gleichgesinnten vernetzt. Ob das Verbot Bestand hat, wird aktuell vor dem Bundesverwaltungsgericht verhandelt.
Von Julian Feldmann, Reiko Pinkert und Hannes Stepputat, NDR
Die rechtsextremen „Hammerskins“ wehren sich gegen ein vor zwei Jahren erlassenes Vereinsverbot durch die damalige Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD). Das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig verhandelt heute über Klagen mehrerer „Hammerskins“-Ortsgruppen und Einzelpersonen, die sich gegen die Auflösung der Neonazi-Vereinigung wenden.
Neben den „Hammerskins Deutschland“ waren auch die örtlichen Regionalgruppen, die sogenannten „Chapter“, und die Untergliederung „Crew 38“ verboten worden.
Hammerskin-Treffen in Mailand
Deutsche Anhänger der „Hammerskins“ sind allerdings offenbar weiter mit Rechtsextremen aus ganz Europa vernetzt. Wie Fotos und Videos der antifaschistischen Recherche-Plattform „Exif“ zeigen, trafen sich Mitte November Dutzende führende Personen der „Hammerskins“ aus verschiedenen europäischen Ländern in Mailand.
Die Bilder liegen dem NDR vor. Unter den Teilnehmern bei dem Treffen in Italien waren unter anderem auch Neonazis aus Mecklenburg-Vorpommern, Berlin und Rheinland-Pfalz. Wie die Fotos zeigen, trugen deutsche Rechtsextremisten auch Jacken mit der Aufschrift „Hammerskins Sachsen“.
Bei der Zusammenkunft soll es sich um ein Treffen der europäischen Führungsriege mit etwa 100 Beteiligten, gerahmt von zwei Rechtsrock-Konzerten, gehandelt haben. Auf Filmaufnahmen ist zu sehen, wie mehrere Konzertbesucher zu Neonazi-Musik den Arm zum Hitlergruß in die Luft reißen.
Bundesinnenministerium äußert sich nicht
Ob die deutschen Sicherheitsbehörden die Teilnahme deutscher Neonazis an dem „Hammerskins“-Treffen in Mailand registriert haben, ist unklar. Auf Anfrage will sich das Bundesinnenministerium nicht dazu äußern, ob die Veranstaltung im Vorfeld bekannt war und es etwa Ausreiseverbote gab.
Das Landeskriminalamt in Mecklenburg-Vorpommern teilt auf Anfrage mit, dass man vorab nichts von dem Treffen wusste. Vom Landesamt für Verfassungsschutz in Mecklenburg-Vorpommern hieß es wiederum, dass weder zu der Veranstaltung in Mailand noch zu „Nachfolgebestrebungen“ der „Hammerskins Deutschland“ Erkenntnisse vorliegen.
Es ist nicht das erste Treffen dieser Art nach dem Vereinsverbot in Deutschland. An einer Veranstaltung schwedischer „Hammerskins“ hatten im August 2024 auch Neonazis mit Kleidung der „Hammerskins Mecklenburg“, der „Crew 38 Bremen“ und der „Hammerskins Sachsen“ teilgenommen.
Internationales Neonazi-Netzwerk
Die „Hammerskins“ sind ein internationales Neonazi-Netzwerk, das insbesondere in der rechtsextremen Musikszene aktiv ist. So organisierten die „Hammerskins“ auch in Deutschland regelmäßig geheime Konzerte und den Vertrieb von CDs. Das Netzwerk entstand Ende der 1980er-Jahre in den USA in der rechtsextremen Skinhead-Szene. In Deutschland bauten die „Hammerskins“ seit Anfang der 1990er-Jahre Strukturen auf.
Im September 2023 hatte die damalige Bundesinnenministerin Faeser das Verbot der Gruppe ausgesprochen. Die Vereinigung richtete sich laut Verbotsverfügung gegen die verfassungsmäßige Ordnung und lief „nach Zweck und Tätigkeit den Strafgesetzen zuwider“. Außerdem richte sich die Organisation gegen den Gedanken der Völkerverständigung.
Rund 700 Polizisten durchsuchten damals die Wohnungen von 28 führenden Mitgliedern in zehn Bundesländern. Einige Räumlichkeiten, die nach Auffassung der Behörden für „Hammerskins“-Veranstaltungen genutzt wurden, wurden beschlagnahmt . In Mecklenburg-Vorpommern stellte die Polizei mutmaßliche Waffen und Sprengstoff sicher. Die Ermittlungen dazu laufen noch.
Entscheidung über Verbot
Das Bundesverwaltungsgericht entscheidet nun darüber, ob das erlassene Verbot rechtmäßig ist. Zahlreiche Einzelpersonen und regionale Chapter haben Klage dagegen erhoben. Sie argumentieren, dass eine bundesweite Dachorganisation „Hammerskins Deutschland“ nicht existierte und die regionalen Chapter autonom organisiert seien.
Es gebe auch keine nationalen Statuten, sondern nur ein Regelwerk auf europäischer Ebene. Ein Chapter macht geltend, dass es ein „regionales französisches Chapter ohne Anbindung an etwaige in Deutschland vorhandene Strukturen“ sei, teilte das Gericht im Vorfeld der Verhandlung mit.
Das Bundesverwaltungsgericht ist erst- und letztinstanzlich für Klagen gegen vom Bundesinnenministerium erlassene Vereinsverbote zuständig. Zuletzt hatte das Gericht im Juni das Verbot des rechtsextremen „Compact“-Magazin aufgehoben.
———————————————————————————