Was im AZ Salzwedel im Monat seit dem Call Out passiert ist: (fast) nichts
Vor genau vier Wochen wurde der Call Out auf Indymedia veröffentlicht, in dem umfassend die entsolidarisierende Gewalt gegen eine betroffene Person sexueller Gewalt aus dem AZ Salzwedel beschrieben worden war (https://de.indymedia.org/node/553862). Über ein Jahr lang hatten Personen aus dem AZ Salzwedel zwei sexuelle Übergriffe „bearbeitet“, die eine langjährige AZ-Mitstreiterin einer nichtbinären Person angetan hatte, die ebenfalls im AZ aktiv war. Dabei produzierten sie viel feministisches Lippenbekenntnis und vermeintliche Solidarität, während sie die betroffene Person tatsächlich weitgehend allein ließen.
Nicht nur das: Mit der Zeit versuchten sie, die betroffene Person mit zunehmenden Gewaltmitteln dazu zu zwingen, an ihrer „Täterarbeit“ oder „Bearbeitung“ der Täterin weiter mitzuwirken – obwohl die sich langfristig uneinsichtig zeigte, Tatbekenntnisse revidierte, offensichtlich Lügen über ihr Verhalten erzählte und vor allem auf Vermeidung setzte (und setzt), während sie mit dem Narrativ, ja doch irgendwie in einer Aufarbeitung zu sein, lange (und bis heute) Beziehungen bewahrte. An der „Bearbeitung“ der Täterin hielten indes die Genoss*innen (und Freund*innen) der betroffenen Person weiter fest, obwohl die irgendwann, aus all diesen Gründen, „Nein“ dazu gesagt hatte. Nach und nach verwandelte sich das ganze Unterfangen so zu organisiertem Täter*innenschutz.
Als die betroffene Person langsam anfing, sich gegen die patriarchale Gewalt – die auch ansonsten im AZ immer weiter um sich griff, sich in einer großen Vielzahl von Vorfällen, Raumnahmen, Mackertum zeigte – zu wehren, wurde sie aus dem linken, sich feministisch gebenden Raum rausgedemütigt. Hinzu kommen heimliche Organisierungen, Intrigen und Angriffe durch „marxistisch-leninistisch“ inspirierte Jugendliche zur Übernahme und Umprägung des Raumes und zur Verjagung von „Zios“, die im AZ auch weitestgehend hingenommen wurden.
Jetzt liegt eine umfassende Beschreibung und Kritik dieser Salzwedeler Verhältnisse vor. Was ist seither passiert? Die kurze Antwort: Nichts.
Nach dem Call Out hatten sich insbesondere ehemalige, aber auch einige jetzige Salzwedeler*innen, bei der betroffenen Person gemeldet und ihr ihre Solidarität ausgesprochen. Dass man ihr glaube. Oder dass die Beschreibungen viele Leerstellen ihrer eigenen Beobachtungen füllen und so jetzt zu diesen passen. Dazu gehört insbesondere auch ein ehemals in Salzwedel wohnender Mann der „Gruppe“, der weiterhin tatsächlich und praktisch an der Seite der betroffenen Person steht und darin erkennt und anspricht, sich auch selbst kritisieren zu müssen.
Den Schritt aber, sich bloß kurz zu melden, sind viele Menschen, die heute im AZ aktiv sind, bis jetzt nicht gegangen. Vereinzelte Personen aus dem AZ-Umfeld, aus Salzwedel und anderen Orten, haben gar mit Anfeindungen gegen die betroffene Person reagiert. Eine Person sprach offen aus, dass sie den freund*innenschaftlichen Kontakt zur betroffenen Person aussetze, weil sie es nicht ertrage, dass ihr „Zuhause“ öffentlich so in den Dreck gezogen worden sei – auch wenn es ihr leidtue, was ihr „Zuhause“ dem „Zuhause“ der betroffenen Person angetan habe und der betroffenen Person in der Sache auch geglaubt werde (Feminismus und so). Der Text sei eine „Grenzverletzung“.
Zwei der Männer der „Bearbeitungsgruppe“ oder „Gruppe“ meldeten sich kurz und maximal unverbindlich bei der betroffenen Person mit irgendwie positiven Signalen und taten dann das, was das gesamte AZ bisher tut: sich faktisch nicht an ihre Seite stellen oder, im Fall eines der beiden, sie faktisch weiter aus Strukturen heraus zu drängen. Etwa aus einem überregionalen Treffen, auf dem die betroffene Person bisher immer war.
Währenddessen wird nach außen hin herumerzählt, dass man sich ja in einem Aufarbeitungsprozess die Vorwürfe betreffend befinde – ein Aufarbeitungsprozess, von dem die betroffene Person allerdings (fast) nichts weiß. Weder ist ihr ein solcher durch das AZ-Plenum, noch durch an einem solchen „Prozess“ beteiligte Personen direkt kommuniziert/angekündigt worden. Es gibt erst Recht keine Frage danach, ob und inwiefern die Person Teil eines solchen Prozesses sein kann oder will. Über ein schon seit Wochen feststehendes Treffen nach Weihnachten zum Thema informierte ein Salzwedeler aus der „Gruppe“ die betroffene Person erst am späten Vorabend dieser (schon nahezu fertig geschriebenen) Veröffentlichung. Er könne aber ansonsten mehr oder weniger zu nichts etwas sagen, weil er ja kaum da gewesen sei.
Die „marxistisch-leninistische“ Gruppe sei aber inzwischen auch offiziell aus dem AZ exkludiert – die Erfüllung einer der Forderungen der betroffenen Person? Auf Nachfrage wird klar: Nein, das AZ hat nur eine offizielle Raumnutzungsanfrage der Gruppe verneint. Es wird klar: Die Gruppenmitglieder können auch weiterhin im AZ ihr Geschäft betreiben und kündigen dieses ihr Vorhaben zur Arbeit an einer Umwandlung des AZ auch weiterhin selbstbewusst an. Eine Einladung der betroffenen Person zu dem vermutlich von Ex-Salzwedeler*innen und nicht vom AZ selbst initiierten Treffen gibt es nicht.
Das Motiv der angeblich schon in Salzwedel laufenden Aufarbeitung – wie im Buschfunk kommuniziert wird – sei es, dass sich so etwas nicht wiederholen solle. Aber Verantwortung für die betroffene Person, für die bei der betroffenen Person liegenden, heftigen persönlichen Konsequenzen der Gewalt übernehmen? Fehlanzeige. Dass sich AZ-Aktive an die Person gewandt und ihr angekündigt hätten, sich tatsächlich für sie einzusetzen, auch den Konflikt zu suchen, etwas zu riskieren? Fehlanzeige. Dass sich jemand an die Person gewandt und den Wunsch artikuliert hätte, die gewaltsame Vertreibung aus dem AZ rückgängig zu machen, den Zustand wiederherstellen zu wollen, in dem die betroffene Person ein integraler Bestandteil des AZ gewesen war? Nein.
Dass sich jemand mit der betroffenen Person darüber absprechen würde, wie und in welcher Form man die aufgestellten Forderungen jetzt in tatsächliche Maßnahmen des AZ ummünzen könnte: Nö. Ankündigungen, mit der betroffenen Person, für sie und einen feministischen Raum zu kämpfen? Nicht im AZ Salzwedel (nur von Menschen, die von außen natürlich wenig Einfluss haben). Dass die Täterin auch jetzt keinen Finger krumm macht, Verantwortung für diese von Anfang an absehbaren Konsequenzen ihres Verhaltens und für die betroffene Person zu übernehmen, dürfte selbstverständlich sein. Hier wie dort laufen ja die selben Abwehrmechanismen ab.
Auf einer Demonstration anlässlich des Tags der Menschenrechte am vergangenen Samstag, die von einer im Salzwedeler Umland verorteten Gruppe organisiert worden war, hielten sich fast alle AZettis von der betroffenen Person fern, die mit zusammengenommener Kraft (und Unterstützung von solidarischen Feministinnen) teilnahm und so ihren Platz symbolisch verteidigte. Anwesende (Ex-)Genoss*innen indes waren davon augenscheinlich überrascht, mal wieder lieber „überfordert“ und „unsicher“ (eine seltsame Art und Weise, faktisch die eigene Sicherheit herzustellen).
Und das hört man auch vom Rest des AZ. Dass „nicht können“ eigentlich oft „nicht wollen“ bedeutet, ist indes eine alte feministische Einsicht über die Mechanismen, mit denen gerne Privilegien verteidigt werden – das fängt ja schon bei (männlichen) Teenagern bei der einzuräumenden und anzuschaltenden Waschmaschine an. Da weiß man ja jetzt auch nicht, wie das geht, will auch nichts falsch machen und es ist doch auch so kompliziert!
Es scheint den Betreffenden also wie so oft in feministischen Dingen zu genügen, mit einer luftigen Solidaritätsnachricht ohne tatsächliche Folgen vor allem das positive Selbstbild zu verteidigen, zu den Guten zu gehören. Nur kosten soll es bitte nichts – schon gar nicht, dass man sich jetzt mal gegen die die Gewalt ausübenden, patriarchale Verhältnisse, Privilegien, Sicherheiten und Verantwortungslosigkeiten schützenden Personen zur Wehr setzen müsste. Oder die eigenen faulen Kompromisse mit dem (linken) Patriachat, Beziehungen zu patriarchalen, gewaltausübenden Personen einfach mal infrage zu stellen oder zu beenden, wenn sich nichts bewegt.
Oder sich mit der Gewalt zu konfrontieren, die man selber begangen hat – aktiv, oder eben durch Unterlassen. Menschen lesen im Outcall mit seinen umfassenden auch theoretischen Einordnungen, dass es eigener Pro-Aktivität bedarf, um Verantwortung zu übernehmen – und tun es nicht. Warten lieber ab, ziehen sich raus. Menschen kriegen in Anwesenheit mit, wie andere aktivistische Kreise sofort auf die naheliegendste Idee kommen und der betroffenen Person offiziell übermitteln lassen, dass man sich wünsche, dass sie weiter Teil davon sei/sein könne – und kommen nicht auf die Idee, für das AZ das selbe anzustoßen. Aber ein Angebot, beim Umzug zu helfen, wurde der betroffenen Person von einem der Männer der „Gruppe“ immerhin gemacht.
Das AZ und die AZ-Aktiven warten augenscheinlich weiter darauf, dass die betroffene Person Forderungen stellt und ihnen sagt, wo es langgehen soll, damit sie auch ja nichts falsch machen – und denken gleichzeitig nicht daran, sich zu aufgestellten Forderungen auch zeitnah, sinnvoll und realistisch zu verhalten, wenn sie dann mal artikuliert werden – wie im Call Out vor vier Wochen geschehen. Dass Freund*innenschaften und Genoss*innenschaften nicht durch Forderungen (wieder)hergestellt werden können, davon ist hier noch gar nicht die Rede.
Und damit wäre auch schon alles über die Wahrscheinlichkeit gesagt, bei gegenwärtigem Kurs das Ziel dieser mysteriösen „Aufarbeitung“ auch zu erreichen, wonach sich so ein Umgang wie der mit der betroffenen Person im letzten Jahr nicht wiederholen solle. Er wiederholt sich ja jetzt schon wieder! Im angeblichen „Aufarbeitungsprozess“ selbst, von dessen Existenz die betroffene Person nur durch Gerüchte weiß. In dem es offensichtlich wieder nur um die „Aufarbeitenden“ selbst, um ihre Bedürfnisse, Interessen und Befindlichkeiten geht.
Um ihr Wieder-gut-Werden. Um ihr Gefühl, bei allem doch in Wahrheit irgendwie selbst das wahre Opfer zu sein, weil man da doch ohne eigenes Zutun und völlig unabsehbar irgendwie in etwas reingeschlittert ist, was einen jetzt aber total überfordert (und der „Diskurs“ ist doch auch so kompliziert!) Nicht aber geht es um die betroffene Person oder ihre mehr als berechtigten Interessen nach Wahrung minimalster Grundbedingungen dafür, als Menschen zueinander in Verhältnis zu stehen.
Wenig ermutigend: Linkes Patriarchat macht Linkes-Patriarchat-Sachen.