Sachsen prüft Zulassung von Extremisten in Justiz erneut

Auch in der sächsischen Justiz soll kein Platz für Verfassungsfeinde sein, sagt die zuständige Ministerin. Deshalb soll eine Gerichtsentscheidung nun auf den Prüfstand.

Sachsen möchte in seiner Justiz keine Extremisten haben und deshalb die Rechtsauffassung des eigenen Verfassungsgerichtes auf den Prüfstand stellen – beim Bundesverfassungsgericht. Justizministerin Constanze Geiert (CDU) kündigte nach der Kabinettssitzung in Dresden eine sogenannte abstrakte Normenkontrolle in Karlsruhe an. Bei einem solchen Verfahren wird überprüft, ob ein Bundes- oder Landesgesetz mit höherrangigem Recht wie dem Grundgesetz vereinbar ist.

Rechtsextremer darf juristische Ausbildung fortsetzen

Hintergrund ist eine unlängst getroffene Entscheidung des Oberverwaltungsgerichtes Bautzen (OVG). Demnach darf ein ehemaliger Unterstützer der rechtsextremen Szene seine weitere juristische Ausbildung in Sachsen fortsetzen. Dazu hatte das OVG den Freistaat verpflichtet (2 B 267/25). Somit kann der Mann, der bereits das erste Staatsexamen hat, am juristischen Vorbereitungsdienst für Rechtsreferendare teilnehmen.

Das Oberlandesgericht Dresden hatte den entsprechenden Antrag des Bewerbers mehrfach abgelehnt, weil es ihn für ungeeignet hielt. Begründet wurde dies mit dem langen Engagement in der rechtsextremistischen Szene. Demnach war der Mann Bewerber in der Jungen Alternative Sachsen-Anhalt und im Verein „Ein Prozent“.

Nur strafbare politische Betätigung kann Weigerung begründen

Das OVG gab der Beschwerde des Mannes nun recht. Man sei an den Beschluss des sächsischen Verfassungsgerichtshofes gebunden, wonach ausschließlich strafbares Verhalten eine Verweigerung der Zulassung zum Vorbereitungsdienst rechtfertigen könne. Also nur dann, wenn der Bewerber die freiheitliche demokratische Grundordnung in strafbarer Weise bekämpft. Ein strafbares Verhalten habe man ihm aber nicht vorwerfen können, hieß es.

Verfassungsbeschwerde und Normenkontrollklage

Laut Justizministerin Geiert wurde bereits eine Anhörungsrüge gegen die OVG Entscheidung eingereicht. „Die Anhörungsrüge ist ein wichtiger Baustein, um danach eine Verfassungsbeschwerde beim Bundesverfassungsgericht einzureichen.“ Damit wolle man erreichen, dass das Oberlandesgericht den Referendar nicht zum Vorbereitungsdienst zulassen muss. Auf diese Weise würde eine Überprüfung der OVG-Entscheidung erfolgen. Parallel dazu werde die abstrakte Normenkontrolle gegen die derzeitige Rechtslage in Sachsen erfolgen.

Geiert zufolge geht es darum, die Rechtslage in Sachsen an die von Thüringen anzupassen. Das Thüringer Verfassungsgericht hatte unlängst entschieden, Extremisten grundsätzlich vom juristischen Vorbereitungsdienst ausschließen. Die Richter in Weimar wiesen eine Klage der Thüringer Landtagsfraktion im Grundsatz ab.

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Tobias Wolf 2.12.2025

Rechtsextreme Referendare: Sachsen zieht vor Bundesverfassungsgericht

Justizministerin Geiert warnt vor Sachsen als „Refugium für verfassungsfeindliche Rechtsreferendare“. Karlsruhe soll nun ein Urteil der Landesverfassungsrichter überprüfen, Rechtsextremisten sollen künftig vom Vorbereitungsdienst ausgeschlossen sein.

Personen mit rechtsextremem Hintergrund sollen keinen Zugang mehr zum juristischen Vorbereitungsdienst in Sachsen haben. Der Freistaat zieht deshalb parallel mit einer Verfassungsbeschwerde und einer Normenkontrollklage vor das Bundesverfassungsgericht.

Damit sollen Entscheidungen des Sächsischen Verfassungsgerichtshofs und des Oberverwaltungsgerichts (OVG) überprüft werden, die Bewerber mit Bezug zur rechtsextremen Szene zum Referendariat zugelassen hatten.

„Wir sind im Augenblick das einzige Land, dessen Rechtslage von einem Gericht so bewertet wurde, dass diese Zulassung notwendig ist“, sagte Justizministerin Constanze Geiert (CDU) am Dienstag in Dresden. Sachsen werde inzwischen „als Refugium für verfassungsfeindliche Rechtsreferendare“ bezeichnet. Kritiker warnen, dass im Freistaat ausgebildete Juristen später bundesweit als Anwälte, Richter oder Beamte arbeiten könnten. Referendariat und zweites Staatsexamen sind dafür Voraussetzung. „In der sächsischen Justiz ist kein Platz für Verfassungsfeinde“, so Geiert.
Rechtsextremist: In einem anderen Bundesland gescheitert, in Sachsen erfolgreich

Auslöser für den Gang nach Karlsruhe ist eine aktuelle OVG-Entscheidung. Die Bautzner Richter verpflichteten das Oberlandesgericht im November, einen langjährigen rechtsextremen Aktivisten zum Referendariat zuzulassen. Der 1987 geborene Rheinländer war Vorstandsmitglied beim Verein „Ein Prozent“ und in der Ex-AfD-Jugendorganisation „Junge Alternative“ aktiv – beide vom Verfassungsschutz als „gesichert rechtsextrem“ eingestuft.

In Rheinland-Pfalz war der Mann zuvor gescheitert: Das Verwaltungsgericht Koblenz entschied, wer die Verfassung bekämpfe, müsse nicht als Rechtsreferendar aufgenommen werden. Einschlägige Texte des Bewerbers wertete das Gericht als menschenwürdeverletzend.

Geiert: „Für jeden neuen Fall gewappnet“ sein

Für das Bautzner OVG war das nicht ausschlaggebend. Es verwies auf ein Grundsatzurteil des Sächsischen Verfassungsgerichtshofs von 2021, wonach Bewerber erst ausgeschlossen werden dürfen, „wenn sie die freiheitliche demokratische Grundordnung in strafbarer Weise bekämpfen“. Dazu zählen etwa Volksverhetzung oder andere Staatsschutzdelikte.

Geiert hält diese Schwelle für zu hoch und nicht vereinbar mit dem Grundgesetz sowie der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts. Beim OVG habe man eine Anhörungsrüge eingereicht – Voraussetzung für die Verfassungsbeschwerde in Karlsruhe. Es gehe nicht um Richterschelte, betonte sie, aber Urteile müssten überprüfbar sein.

Parallel plant die Staatsregierung eine Änderung des Juristenausbildungsgesetzes nach Thüringer Vorbild, das dort jüngst verfassungsgerichtlich bestätigt wurde. Mit der neuen Rechtslage sei Sachsen „für jeden neuen Fall gewappnet“, sagte Geiert. Sie rechnet mit einer breiten Mehrheit im Landtag. Das Gesetz könnte demnach in der ersten Jahreshälfte 2026 beschlossen werden.
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Tobias Wolf

Referendariat für Verfassungsfeinde: Sachsen sollte extremen Sonderweg verlassen

Polizei-Bewerber müssen einen Verfassungstreuecheck durchlaufen, angehende Richter mit rechtsextremem Hintergrund bekommen einen Freibrief. Aber wie weit darf der Staat gehen, um sich zu schützen?
Dresden.

Mit dem Gang nach Karlsruhe, den Klagen gegen die Entscheidungen der eigenen Gerichte betritt der Freistaat heikles Terrain. Es gibt gute Gründe, Justiz und Richterschaft vor politischem Einfluss und Abhängigkeiten zu schützen. Aber ebenso unerlässlich ist der Schutz ihrer Verfassungsmäßigkeit.

Während andere Bundesländer Verfassungsfeinde konsequent vom Zugang zu sensiblen Bereichen fernzuhalten versuchen, ist Sachsen durch das einsame, extrem weitgehende Urteil seiner Verfassungsrichter gezwungen, selbst eindeutige Rechtsextremisten zum Vorbereitungsdienst für das Richteramt zuzulassen.

Wie weitab vom Konsens des Grundgesetzes der Gerichtshof dabei lag, bebildert der entschiedene Fall selbst: Bayern und seine Verwaltungsgerichtsbarkeit – bestätigt vom Bundesverwaltungsgericht – verweigerten dem Anhänger der Neonazi-Partei „Dritter Weg“ das Referendariat. In Sachsen kam er zum Zug. Heute ist er Rechtsanwalt.

Die Warnung vor einem „Refugium rechtsextremer Nachwuchsjuristen“ ist mit Blick auf Sachsen als Hotspot des Rechtsextremismus ernst zu nehmen. Seit Jahren fordert die Szene ihre Anhänger auf, sich gezielt in Polizei, Justiz und Verwaltung ausbilden zu lassen für jenen fernen Umsturztag, von dem sie träumt. Nur wie weit darf der Staat, wie weit muss er gehen, um Verfassungsfeinde aus seinen Reihen fernzuhalten?

Kaum erklärbar ist, warum Polizei-Bewerber in Sachsen Grundgesetztreuechecks mit Abfrage beim Verfassungsschutz durchlaufen, während angehende Richter und Anwälte mit rechtsextremem Hintergrund einen Freibrief bekommen. Es ist höchste Zeit, den Sonderweg zu verlassen, auf den Sachsens Verfassungsrichter den Freistaat gesetzt und damit bundesweit isoliert haben.

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7.11.2025

Ex-Unterstützer der rechtsextremen Szene darf Jurist werden

Ein Mann mit Vergangenheit in der rechten Szene darf nun doch als Rechtsreferendar in Sachsen starten. Was das OVG dazu bewogen hat und warum der Beschluss endgültig ist.
Bautzen.

Ein ehemaliger Unterstützer der rechtsextremen Szene darf seine weitere juristische Ausbildung in Sachsen fortsetzen. Dazu hat das Oberverwaltungsgericht (OVG) in Bautzen den Freistaat verpflichtet (2 B 267/25) Somit kann der Mann, der bereits das erste Staatsexamen in Jura hat, an einem juristischen Vorbereitungsdienst für Rechtsreferendare in Sachsen teilnehmen.

Den Antrag des Bewerbers hatte das Oberlandesgericht Dresden mehrfach abgelehnt, weil es ihn für ungeeignet hielt. Begründet wurde dies mit dem langen Engagement in der rechtsextremistischen Szene. Demnach war der Mann Bewerber in der Jungen Alternative Sachsen-Anhalt und im Verein „Ein Prozent“.

Nur strafbare politische Betätigung kann Weigerung begründen

Das OVG gab der Beschwerde des Mannes nun recht. Man sei an den Beschluss des sächsischen Verfassungsgerichtshofes gebunden, wonach ausschließlich strafbares Verhalten eine Verweigerung der Zulassung zum Vorbereitungsdienst rechtfertigen könne. Also nur dann, wenn der Bewerber die freiheitliche demokratische Grundordnung in strafbarer Weise bekämpft.

Ein strafbares Verhalten konnte dem Antragsteller nach Angaben des Oberverwaltungsgerichts nicht vorgeworfen werden. Der Beschluss ist unanfechtbar.