Prepper mit Milliarden: Das Mindset der Tech-Elite

Eines Tages erhielt ich eine Einladung in ein Superluxusresort, um dort eine Rede zu halten. Nie zuvor war mir ein derart hohes Honorar für einen Vortrag angeboten worden – es entsprach etwa einem Drittel meines Jahresgehalts als Professor an einer staatlichen Hochschule. Und das für ein paar Überlegungen zur „Zukunft der Technologie“. Am Flughafen wartete eine Limousine, die mich geradewegs in die Hochwüste brachte.

Als die Sonne hinter dem Horizont verschwand, wurde mir bewusst, dass ich bereits seit drei Stunden in diesem Wagen saß. Was waren das für Hedgefonds-Millionäre, die für eine Konferenz einen Ort aufsuchten, der sich derart weit entfernt vom nächsten Flughafen befand? Dann sah ich es: Neben der Straße setzte ein kleines Flugzeug auf einem privaten Flughafen zur Landung an, ganz so, als würde es sich ein Wettrennen mit uns liefern. Natürlich. Einen Hügel weiter befand sich der abgelegenste und zugleich luxuriöseste Ort, den ich je gesehen hatte, ein Resort samt Spa mitten im, tja, Nirgendwo.

Am folgenden Morgen wurde ich von zwei Männern in identischen Patagonia-Jacken abgeholt. Wir fuhren in einem Golfcart zwischen Felsen und Strauchwerk hindurch zu einem Konferenzzentrum. Die Teilnehmer nahmen an einem Tisch Platz und stellten sich vor: Es waren fünf superreiche Männer aus der Welt der Tech-Firmen und Hedgefonds. Mindestens zwei von ihnen waren Milliardäre.

Es ging ganz harmlos und erwartbar los. Bitcoin oder Ethereum? Virtual oder Augmented Reality? Wer wird als Erster einen einsatzfähigen Quantencomputer haben: China oder Google? Aber meine Antworten schienen bei meinen Gesprächspartnern wenig zu verfangen.

Endlich brachten sie das Gespräch auf das Thema, das sie wirklich interessierte: Neuseeland oder Alaska? Welche Region würde am wenigsten unter der kommenden Klimakrise leiden? Von da an wurde es immer schlimmer. Welches war die größere Bedrohung:

Klimawandel oder biologische Kriegsführung? Auf welchen Zeitraum, in dem man ohne jede Hilfe von außen zu überleben hätte, müsste man sich einstellen? Sollte ein Zufluchtsort ein eigenes System zur Versorgung mit Atemluft haben? Wie wahrscheinlich wäre eine Kontaminierung des Grundwassers? Schließlich erklärte der Geschäftsführer einer Brokerfirma, er sei fast fertig mit dem Bau seines eigenen unterirdischen Bunkersystems.

„Wie kann ich nach dem Ereignis die Befehlsgewalt über meine Sicherheitskräfte bewahren?“, fragte er. Nach dem Ereignis. Mit diesem Euphemismus umschrieben sie Umweltkollaps, gesellschaftliche Unruhen, Atomexplosionen, Sonnenstürme, unaufhaltbare Virusepidemien oder bösartige Hackerangriffe, die ganze Volkswirtschaften lahmlegen konnten. Dies war die Frage, die die restliche Stunde beschäftigte.

Luxus-Preppen inspiriert von Musk, Thiel und Co.

Diese Männer wussten, dass sie bewaffnetes Wachpersonal brauchen würden, um ihre Anlagen gegen Plünderer und wütende Mobs zu verteidigen. Einer hatte bereits ein Dutzend Navy SEALs angeworben, die ihm auf ein Signal hin in seiner Anlage zu Hilfe eilen würden. Aber wie sollte er seine Bodyguards bezahlen, wenn auch seine Kryptowährungen wertlos würden? Wie konnte er die Wachen daran hindern, sich schließlich einen anderen Dienstherrn zu suchen?

Die Milliardäre spielten mit dem Gedanken, die Lebensmittelvorräte mit speziellen Schlössern zu schützen, deren Kombinationen nur sie kennen würden. Oder sie wollten ihren Leibwächtern als Gegenleistung für deren Überleben an ihrer Seite eine Art von Disziplinarhalsbändern anlegen. Vielleicht konnte man auch Roboter bauen, die sich als Leibwächter und Arbeitskräfte einsetzen ließen – sofern es möglich war, die benötigte Technologie „rechtzeitig“ zu entwickeln.

Ich versuchte, sie zur Räson zu bringen. Ich argumentierte sozial und erklärte ihnen, unsere gemeinsamen langfristigen Herausforderungen könnten wir am besten durch partnerschaftliches und solidarisches Vorgehen bewältigen. Die Leibwächter würden in Zukunft am ehesten loyal sein, wenn man sie in der Gegenwart wie Freunde behandelte. Man könne nicht nur Munition und elektrische Zäune kaufen, sondern müsse auch in Menschen und Beziehungen investieren.

Sie rollten mit den Augen, so sehr musste sich das für sie nach Hippiephilosophie angehört haben. Also eröffnete ich ihnen freimütig, man verhindere am ehesten, dass einem der Sicherheitschef morgen die Kehle aufschlitzt, wenn man heute die Bat Mizwa seiner Tochter sponsort. Sie lachten. Wenigstens bekamen sie ein wenig Unterhaltung für ihr Geld. Aber sie wirkten auch etwas verärgert, denn ich nahm sie nicht ernst genug.

Aber wie konnte ich sie ernst nehmen? Dies war wahrscheinlich die reichste, mächtigste Gruppe Menschen, der ich je begegnet war. Und jetzt baten diese Männer einen marxistischen Medientheoretiker um Rat, wo und wie sie ihre Bunker für den Weltuntergang anlegen sollten.

Dann begriff ich: Zumindest für diese Herrschaften war dies tatsächlich ein Gespräch über die Zukunft der Technologie. Inspiriert wurden ihre Vorhaben von den Ideen des Tesla-Gründers Elon Musk, der den Mars besiedeln will, von Palantirs Peter Thiel, der den Alterungsprozess aufzuhalten versucht, und von den KI-Entwicklern Sam Altman und Ray Kurzweil, die beabsichtigen, ihre Gehirne auf Supercomputer hochzuladen.

Nun wollten sie sich auf eine digitale Zukunft vorbereiten, in der es weniger darum gehen würde, die Welt zu einem besseren Ort zu machen, sondern eher darum, das menschliche Dasein überhaupt hinter sich zu lassen. Ihr extremer Reichtum und ihre privilegierte Position bestärkten sie lediglich in dem Wunsch, sich angesichts der sehr realen und allgegenwärtigen Bedrohung durch Klimawandel, Meeresspiegelanstieg, Massenmigration, globale Pandemien, einwanderungsfeindliche Panik und Ressourcenerschöpfung noch mehr von der übrigen Gesellschaft abzuschotten. In ihren Augen erfüllte die Technologie der Zukunft nur einen Zweck: Sie sollte ihnen helfen, vor dem Rest von uns zu fliehen.

Früher überhäuften diese Leute die Welt mit abstrus optimistischen Businessplänen, die der menschlichen Gesellschaft großartigen technologischen Nutzen versprachen. Mittlerweile haben sie den technologischen Fortschritt auf ein Videospiel reduziert, bei dem einer von ihnen gewinnt, weil er den Notausstieg findet.

Wer wird gewinnen? Bezos, der ins All umzieht? Thiel, der sich in seine Anlage in Neuseeland verkriecht? Zuckerberg, der im virtuellen Metaverse Zuflucht findet?

Und diese Milliardäre mit ihrer Katastrophenvision sind die vermeintlichen Gewinner der digitalen Ökonomie, die Triumphatoren in einer Unternehmenswelt, in der das Gesetz der natürlichen Auslese gilt und die diese Überlegungen überhaupt erst angestoßen hat.

Von der digitalen Gegenkultur zur Tech-Oligarchie

Natürlich war es nicht immer so. Anfang der 1990er Jahre schien die digitale Zukunft unbegrenzte Möglichkeiten zu eröffnen. Obwohl ihr Ursprung in der militärischen Kryptografie und Vernetzung lag, hatte sich die digitale Technologie zu einer Spielwiese für die Gegenkultur entwickelt, die in ihr eine Chance auf eine Zukunft mit mehr Teilhabe, besserer Verteilung und Partizipation erblickte. Tatsächlich ging es in dieser neuen, „digitalen Renaissance“, wie ich sie im Jahr 1991 zu nennen begann, um die Entfesselung der kollektiven menschlichen Imagination. Sie umfasste alles, von der Chaostheorie über die Quantenphysik bis zu Fantasy-Rollenspielen.

In der frühen Cyberpunk-Ära glaubten viele von uns, dass die enger als je zuvor miteinander verbundenen und koordinierten Menschen jede nur irgendwie vorstellbare Zukunft errichten könnten. Wir lasen Zeitschriften wie „Reality Hackers“, „FringeWare“ und „Mondo2000“, in denen der virtuelle Raum mit psychedelischen Welten, das Computerhacking mit einer bewussten Evolution und die Onlinevernetzung mit riesigen elektronischen Tanzpartys – Raves – gleichgesetzt wurde.

Das Chaos war nicht beliebig, sondern rhythmisch. Wir würden aufhören, die Weltmeere durch das kartografische Netz von Längen- und Breitengraden zu betrachten, sondern sie anhand der zugrundeliegenden Muster der Wellen wahrnehmen. „Gute Surfbedingungen“, verkündete ich in meinem ersten Buch über die digitale Kultur. Niemand nahm uns wirklich ernst. Jenes Buch wurde im Jahr 1992 vom ursprünglichen Verlag wieder aus dem Programm genommen, weil die Verlagsleitung der Meinung war, die Mode der Computervernetzung werde am geplanten Erscheinungstermin Ende 1993 schon wieder vorbei sein.

Erst als später in jenem Jahr das Magazin „Wired“ auf den Markt kam und das entstehende Internet zur Geschäftschance erklärte, nahmen Personen mit Macht und Geld Notiz von der Entwicklung. Es ging nicht länger um die psychedelische Gegenkultur, um Hypertext-Abenteuer oder um das kollektive Bewusstsein.

Nein, die digitale Revolution war überhaupt keine Revolution, sondern eine Geschäftschance – eine Gelegenheit, die bereits dahinsiechende Technologiebörse mit Steroiden aufzupäppeln und nach Möglichkeit noch ein paar Jahrzehnte Wachstum aus einer Wirtschaft herauszupressen, die seit dem Absturz der Biotechnologiebranche im Jahr 1987 als totgeweiht galt.

Also strömten die Investoren in den Techsektor zurück, um beim Dotcom-Boom mitzumischen. Die Berichterstattung über das Internet verschwand von den Kultur- und Medienseiten der Zeitungen und wanderte in den Wirtschaftsteil. Die digitale Zukunft bekam Ähnlichkeit mit Aktien- und Rohstoff-Futures:

Sie wurde etwas, über dessen Zukunft man spekuliert und worauf man Wetten platziert. Und genauso behandelte man die Benutzer der Technologie weniger als kreative Mitwirkende, die es zu befähigen galt, sondern sie verwandelten sich in Konsumenten, die man manipulieren konnte. Je besser man das Verhalten der Benutzer vorhersagen konnte, desto sicherer war die Wette.

Es dauerte nicht lange, da fand man in fast allen Reden, Artikeln, Studien, Dokumentationen oder Weißbüchern über die entstehende digitale Gesellschaft Verweise auf irgendein Tickersymbol eines Börsenwerts. Die Zukunft war nicht länger etwas, das wir durch unsere gegenwärtigen Entscheidungen oder Hoffnungen für die Menschheit erschufen, sondern sie verwandelte sich in ein vorherbestimmtes Szenario, auf das wir unser Risikokapital verwetten, um von da an passiv auf seine Verwirklichung zu warten.

So blieb allen Beteiligten eine Auseinandersetzung mit den moralischen Implikationen ihrer Handlungen erspart. Die technologische Entwicklung diente weniger dem kollektiven Wohlergehen als dem persönlichen Überleben durch die Akkumulation des Reichtums. Mehr noch, wenn man dies ansprach, entlarvte man sich unabsichtlich als Feind des Marktes oder als technologiefeindlicher Mäkler. Die Entwicklung der Technologie und das Wachstum des Marktes wurden gleichgesetzt und als unvermeidlich und sogar moralisch wünschenswert betrachtet.

Die Rücksicht auf die Erfordernisse des Marktes beherrschte den medialen und intellektuellen Raum, in dem normalerweise eine Auseinandersetzung mit der Frage stattgefunden hätte, welche praktischen ethischen Implikationen die Verarmung der Vielen zum Wohl der Wenigen hatte.

Die Mainstreamdebatte kreiste stattdessen um abstrakte Mutmaßungen über unsere vorherbestimmte Hightechzukunft: Ist es fair, dass ein Aktienhändler Smart Drugs verwendet? Sollte man Kindern Fremdsprachenimplantate einsetzen? Sollten autonome Fahrzeuge eher das Leben von Fußgängern oder das ihrer Insassen schützen? Sollten die ersten Kolonien auf dem Mars demokratisch regiert werden? Untergräbt eine Veränderung meiner DNA meine Identität? Sollten Roboter Rechte haben?

Die Beschäftigung mit derartigen Fragen, die immer noch anhält, mag philosophischen Unterhaltungswert besitzen. Aber sie ist kaum ein Ersatz für die Auseinandersetzung mit den wirklichen moralischen Dilemmata, die mit der ungehinderten technologischen Entwicklung im Namen des Unternehmenskapitalismus verbunden sind.

Digitale Plattformen haben bereits einen ausbeuterischen und extraktiven Markt (man denke an Walmart) in ein System verwandelt, das die Entmenschlichung noch weiter treibt (man denke an Amazon). Den meisten von uns wurden die Schattenseiten dieser Entwicklung bewusst, als wir mit der Automatisierung von Arbeitsplätzen, der Gig-Ökonomie und dem Untergang des lokalen Einzelhandels sowie des Lokaljournalismus konfrontiert wurden.

Andere Menschen als Problem

Besonders verheerend wirkt sich der digitale Vollgaskapitalismus auf die Umwelt, die Armen der Welt und die Zukunft der Zivilisation aus, die ihre Unterdrückung ankündigt. Die Herstellung unserer Computer und Smartphones hängt weiterhin von einem Netzwerk der Sklavenarbeit ab. Diese Praktiken sind tief verwurzelt.

Das Unternehmen Fairphone, das mit dem Ziel gegründet wurde, ethisch unbedenkliche Mobiltelefone herzustellen und zu vermarkten, musste feststellen, dass dies unmöglich war. (Mittlerweile hat der Gründer der Firma seinen Produkten die traurige Beschreibung „fairere Handys“ verpasst.) Die Gewinnung von Metallen Seltener Erden und die Entsorgung unserer hochgradig digitalen Technologien zerstören menschliche Lebensräume, die sich in Giftmülldeponien verwandeln, auf denen verarmte indigene Kinder und ihre Familien nach verwertbarem Material suchen, das wieder an die Hersteller verkauft wird – die dieses „Recycling“ zynisch als Teil ihrer Bemühungen um Umweltschutz und Gemeinwohl bezeichnen.

Die externalisierte Armut und Umweltzerstörung nach dem Motto „Aus den Augen, aus dem Sinn“ verschwindet nicht einfach, nur weil wir die Welt durch VR-Brillen betrachten und in eine alternative Realität abtauchen. Je länger wir die sozialen, wirtschaftlichen und ökologischen Auswirkungen ignorieren, desto größer werden die Probleme. Das wiederum verstärkt die Neigung zu Rückzug, Isolationismus und apokalyptischen Fantasien – und zu aus der Verzweiflung geborenen Technologien und Businessplänen: ein Teufelskreis.

Je mehr wir dieses Weltbild verinnerlichen, desto eher betrachten wir andere Menschen als das Problem und die Technologie als Lösung, um diese anderen zu kontrollieren und in Schach zu halten. Wir betrachten die herrlich eigenwillige, unvorhersehbare und irrationale menschliche Natur nicht mehr als feature, sondern als bug. Technologien betrachten wir trotz ihrer eigenen, in sie eingebauten Verzerrungen als neutral, und lösen sie menschliches Fehlverhalten aus, so sehen wir darin lediglich einen Ausdruck unseres mangelhaften Wesens.

Es scheint, als wäre eine angeborene, unabänderliche menschliche Wildheit für unsere Probleme verantwortlich. So wie die Ineffizienz eines lokalen Taximarkts mit einer App „behoben“ werden kann, die menschliche Fahrer in den Bankrott treibt, können die ärgerlichen Widersprüche der menschlichen Psyche durch ein digitales oder genetisches Upgrade aus der Welt geschaffen werden.

Letzten Endes, so die Lehre der technosolutionistischen Orthodoxie, wird die menschliche Zivilisation in der Zukunft ihren Zenit erreichen, weil wir unser Bewusstsein in einen Computer hochladen oder – was noch besser wäre –, weil wir akzeptieren, dass die Technologie tatsächlich unser evolutionärer Nachfolger ist. Wie die Angehörigen einer gnostischen Sekte sehnen wir uns danach, in die nächste transzendente Phase unserer Entwicklung einzutreten, uns von unserem Körper zu lösen und ihn samt unseren Sünden und unserem Leid, vor allem aber samt den wirtschaftlich Unterlegenen zurückzulassen.

Ein Rettungsboot für die Elite

Film und Fernsehen führen uns diese Fantasien vor. Zombie-Serien zeigen uns eine postapokalyptische Welt, in der die Menschen nicht besser sind als die Untoten. Sogar in den avanciertesten Science-Fiction-Serien sind uns Roboter intellektuell und ethisch überlegen. Es sind stets die Menschen, die auf wenige Zeilen Programmcode reduziert werden, während die Künstlichen Intelligenzen lernen, bewusster komplexe Entscheidungen zu fällen.

Die geistigen Verrenkungen, die für diesen Rollentausch zwischen Mensch und Maschine nötig sind, beruhen allesamt auf der Annahme, dass die meisten Menschen im Grunde wertlos und gedankenlos selbstzerstörerisch sind. Entweder wir ändern sie oder wir trennen uns für immer von ihnen.

Daher schießen Techmilliardäre Elektroautos ins All – als beweise das etwas anderes als die Fähigkeit eines Milliardärs, für sein Unternehmen zu werben. Und sollten einige wenige Menschen tatsächlich die Fluchtgeschwindigkeit erreichen und es irgendwie schaffen, in einer Blase auf dem Mars zu überleben – obwohl es uns nicht einmal gelingt, eine solche Blase in zwei Biosphärenprojekten, die mehrere Milliarden Dollar kosten, hier auf der Erde funktionstüchtig zu machen –, wäre das Resultat weniger ein weiteres Kapitel menschlicher Diaspora, sondern vielmehr ein Rettungsboot für die Elite.

Den meisten denkenden, atmenden Menschen ist klar, dass es kein Entkommen gibt. Als ich da also saß, an importiertem Eisbergwasser nippte und mit den großen Gewinnern unserer Gesellschaft Weltuntergangsszenarien durchspielte, wurde mir klar, dass diese Männer in Wahrheit die Verlierer waren.

Die Milliardäre, die mich in die Wüste holten, um ihre Bunkerstrategien zu beurteilen, sind weniger Sieger im wirtschaftlichen Spiel als vielmehr Opfer seiner pervers begrenzten Regeln. Vor allem sind sie in einem Mindset gefangen, in dem „gewinnen“ bedeutet, genug Geld zu verdienen, um sich von dem Schaden abzuschotten, den sie verursachen, indem sie auf diese Art und Weise Geld verdienen. Es ist, als wollten sie ein Auto bauen, das schnell genug fährt, um seinen eigenen Abgasen zu entkommen.

Doch bestärkt dieser Silicon-Valley-Eskapismus – ich möchte ihn als „das Mindset“ bezeichnen – seine Anhänger in dem Glauben, die Gewinner könnten den Rest der Menschheit irgendwie zurücklassen. Vielleicht war das die ganze Zeit ihr Ziel.

Vielleicht ist dieses fatalistische Streben, sich über die Menschheit zu stellen und sich von ihr zu lösen, nicht nur das Resultat des zügellosen digitalen Kapitalismus, sondern auch seine Ursache – eine Art, miteinander und mit der Welt umzugehen, deren Ursprünge wir in den soziopathischen Tendenzen der empirischen Wissenschaft, des Individualismus, der sexuellen Dominanz, ja des „Fortschritts“ an sich finden können.

Macht statt Mitgefühl

Studien haben gezeigt, dass die „motorische Resonanz“ bzw. die Fähigkeit, andere Menschen psychisch zu spiegeln, mit wachsender Macht abnimmt. Natürlich besteht die Möglichkeit, dass Menschen, die nach Macht streben, ohnehin zu diesem Verhalten prädisponiert sind. Doch weitere Forschungsergebnisse deuten darauf hin, dass Personen, wenn sie einmal Macht erlangt haben, ein ähnliches Verhalten an den Tag legen wie Personen, deren Orbitofrontalkortex beschädigt ist.

Die Erfahrung von Macht und Reichtum entspricht in ihren Auswirkungen in gewisser Weise dem Verlust des Hirnareals, das „für Empathie und sozial angemessenes Verhalten entscheidend ist“. Ärmere Menschen können die Emotionen anderer sehr viel besser nachvollziehen als reiche. Die Fähigkeit zur „empathischen Inferenz“ auf der Grundlage der Bewegungen der Gesichtsmuskeln einer anderen Person ist bei ihnen sehr viel ausgeprägter.

Selbstverständlich sind Korrelation und Ursache nicht dasselbe, und die spezifischen Mechanismen, die dazu führen, dass die Reichen und Mächtigen die Fähigkeit einbüßen, Gefühle anderer Menschen nachzuempfinden, sind nicht bekannt. Zweifellos begünstigt der Kapitalismus zumindest in der gegenwärtig im Silicon Valley praktizierten Form die verbreitete Geringschätzung für Unterlegene.

Die Armen werden für ihre Armut verantwortlich gemacht. Der Wirtschaftswissenschaftler Scott Galloway von der New York University erklärt:

„Wir haben uns dazu entschlossen, dass Kapitalismus bedeuten soll, dem Großunternehmen mit Liebe und Mitgefühl, den einzelnen Menschen hingegen mit darwinistischer Härte zu begegnen“. In der Finanzkrise von 2008 rettete der Staat bereitwillig Banken und Großunternehmen, und allein im ersten Jahr der Coronapandemie wuchs das Gesamtvermögen der Milliardäre von 8,9 auf 10,2 Bill. Dollar, während die Pandemie für die gesamte übrige Weltbevölkerung negative Effekte hatte.

Das Mindset beinhaltet eine Einstellung zum „Sieg“, die von den siegreichen Menschen und Unternehmen fordert, sich über jene zu erheben, die dabei zwangsläufig zurückbleiben. Schließlich hebt uns der Sieg definitionsgemäß von allen anderen ab. In dieser Abgrenzung besteht das eigentliche Ziel des Spiels, und daher sollte es uns nicht überraschen, dass diejenigen, welche die Spitze der Pyramide erklimmen, auf den Rest von uns herabschauen.

Jene, die es mit fragwürdigen Methoden an die Spitze geschafft haben, wollen nicht zurückblicken und sehen, welche Verwüstung sie hinterlassen haben. Sie brauchen eine Exit-Strategie und ziehen es möglicherweise vor, sich eine Zukunft auszumalen, in der sie gezwungen sind, sich von denen abzuschotten, die sie ausgebeutet haben. So müssen sie sich nicht schuldig fühlen, sich schämen oder vor Rache fürchten.

Das Finale: Macht ohne Beherrschte

Die Tyrannen sind seit den Zeiten der Pharaonen und Alexanders des Großen bestrebt, sich über große Zivilisationen zu erheben und diese zu beherrschen. Aber nie zuvor sind die mächtigsten gesellschaftlichen Akteure von der Erwartung ausgegangen, die vorrangige Auswirkung ihrer Eroberungen werde darin bestehen, das Leben für alle anderen Menschen auf der Erde unmöglich zu machen.

Und nie zuvor verfügten sie über Technologien, die sie in die Lage versetzt hätten, ihre Vorstellungen in die Grundstruktur der Gesellschaft einzulassen. Die Landschaft wimmelt von Algorithmen und Intelligenzen, die ein derart selbstsüchtiges und isolationistisches Weltbild fördern. Jene, die soziopathisch genug sind, um es zu übernehmen, werden mit Geld und Kontrolle über den Rest von uns belohnt.

Es ist eine selbstverstärkende Feedbackschleife. Das ist neu. Dank der digitalen Technologien und der von ihnen ermöglichten beispiellosen Vermögensungleichheit erlaubt es das Mindset, Schaden einfach auf andere abzuwälzen und weckt ein entsprechendes Bedürfnis nach Transzendenz und Trennung von den Menschen und Orten, die unter dieser Externalisierung leiden.

Dieses Mindset beruht auf einem blinden Vertrauen in das Lösen der Probleme durch Technologie, auf der Befolgung der Schranken des digitalen Codes, auf einem Verständnis zwischenmenschlicher Beziehungen als Marktphänomenen, auf der Furcht vor der Natur und den Frauen, auf dem Bedürfnis, die eigenen Beiträge als einzigartige und beispiellose Neuerungen zu betrachten, und auf dem Bemühen, das Unbekannte zu neutralisieren, indem man es beherrscht und entseelt.

Aber anstatt einfach für immer über uns zu thronen, streben die Milliardäre an der Spitze der virtuellen Pyramiden aktiv ein Finale an. Tatsächlich erfordert die Struktur des Mindset eine endgültige Lösung, so als handle es sich um einen Marvel-Blockbuster. Alles muss auf eine Eins oder eine Null, auf Sieger oder Verlierer, auf Geretteter oder Verdammter hinauslaufen.

Tatsächlich bevorstehende dramatische Ereignisse, von der Klimakrise bis zu Massenmigrationsbewegungen, bestätigen den Mythos und eröffnen Möchtegern-Superhelden die Chance, das Finale zu ihren Lebzeiten für sich zu entscheiden. Denn das Mindset beinhaltet auch die vom Glauben getragene Silicon-Valley-Gewissheit, man könne eine Technologie entwickeln, die sich über die Gesetze von Physik, Ökonomie und Moralität hinwegsetzen und ihren Eigentümern etwas noch Besseres als die Rettung der Welt ermöglichen werde:

Sie soll sie in die Lage versetzen, der von ihnen heraufbeschworenen Apokalypse zu entkommen.

Der Text beruht auf „Survival of the Richest“, dem jüngsten Buch des Autors, das am 24. Februar in der edition suhrkamp auf Deutsch erscheint.