Bei einem großen Polizeieinsatz in der Wurzener Bahnhofstraße wurden am Samstag über sieben Stunden hinweg rund 300 Personen kontrolliert. Der Einsatz galt dem Motorradclub Rowdys MC Eastside. Dieser machte zuletzt mit Ballermannsängerin Melanie Müller Schlagzeilen.

Eine Rockerzusammenkunft hat am Wochenende einen großen Polizeieinsatz in der Nähe des Wurzener Bahnhofs ausgelöst. Beamte der Polizeidirektion Leipzig und der Bereitschaftspolizei sperrten die Bahnhofstraße am Samstag mit mehreren Streifenwagen an beiden Enden stundenlang ab, kontrollierten mehrere Hundert Personen. Hintergrund war laut Polizei eine „Klubhauseröffnung“ eines Motorradclubs. Dieser machte zuletzt in Verbindung mit der Ballermannsängerin Melanie Müller Schlagzeilen.

Am Montag deutet nichts mehr auf den großen Polizeieinsatz und die Rockerparty in der Bahnhofstraße hin. Bei herbstlichem, nasskaltem Wetter sind nur vereinzelte Passanten unterwegs. Auch Anwohner sind kaum anzutreffen. In einem Innenhof soll der Motorradclub hier am Samstag sein neues Heim eingeweiht haben. Von der Straße ist der mutmaßliche Rockertreff nicht einsehbar. An einem Parkplatz gelegen, verdeckt ein hellgelbes Gebäude die Sicht. Das Objekt wirkt verwaist. Vor zwei Tagen war die Situation noch eine ganz andere.

Am Samstag gegen 16 Uhr war für Dmytro Mologolovets an einen normalen Geschäftsbetrieb nicht mehr zu denken. Innerhalb weniger Minuten hatte sich die Bahnhofstraße, in der der gebürtige Ukrainer mit einer Partnerin das altehrwürdige „Hotel zur Post“ führt, mit Polizeibeamten gefüllt. „Erst später erfuhr ich, dass der Einsatz einem Rockerclub gegolten haben soll“, so der Hotelier.

Bei dem Club handelt es sich um den Rowdys MC Eastside. Dessen Mitglieder sollen der Polizeidirektion Leipzig (PD) zufolge vor Ort ihren vierten Jahrestag gefeiert haben. Und zwar, so gibt die Polizei die von dem Club genutzte Bezeichnung wieder, mit einer „Klubhauseröffnung“, die als „Musik- und Motorradabend“ deklariert gewesen sei. Laut der PD wurde die Bahnhofstraße beidseitig abgeriegelt. Zwischen 15.30 und 23 Uhr fanden Personenkontrollen statt.

Rund 150 bis 200 Teilnehmer seien erwartet worden, doch es kamen offenbar deutlich mehr. Innerhalb von sieben Stunden wurden rund 300 Personen kontrolliert. Das sei vorbeugend geschehen, um „Straftaten von erheblichem Ausmaß“ zu verhindern, teilte eine Polizeisprecherin mit. Welche konkreten Taten befürchtet worden waren und ob es konkrete Anhaltspunkte dafür gegeben habe, sagte die Sprecherin nicht.

Melanie Müller trat bei Rowdys MC Eastside auf

Zur Unterstützung wurde laut der PD auch die Bereitschaftspolizei hinzugezogen. Der Einsatz sei ohne Störungen verlaufen. In über 60 Fällen seien mitgeführte Sachen durchsucht worden. Zweimal seien zur Gefahrenabwehr Gegenstände sichergestellt worden. Um welche Objekte es sich handelte, blieb offen.

Der Motorradclub Rowdys MC Eastside machte in den vergangenen Monaten unter anderem durch die Ballermann-Sängerin Melanie Müller Schlagzeilen. Diese war zu einer Geldstrafe verurteilt worden, weil sie 2022 bei einem Auftritt zum Oktoberfest der Leipziger Rocker-Gruppierung mindestens dreimal auf der Bühne den rechten Arm zum Hitlergruß erhoben haben soll. Müller nahm die Strafe nicht hin und legte gegen den Beschluss Rechtsmittel ein.

Der Rocker-Club hat seinen Sitz im ehemaligen KZ-Außenlager „HASAG Leipzig“ im Leipziger Stadtteil Schönefeld, das heute als Szenetreffpunkt rechtsextremer Gruppen gilt.

Staatsregierung hat keine Erkenntnisse über strafrechtlich relevante Aktivitäten

2018 hatte der heutige Parlamentarische Geschäftsführer und stellvertretende Fraktionsvorsitzende der sächsischen Grünen, Valentin Lippmann, eine Kleine Anfrage im Landtag zu dem Motorradclub gestellt. Darin erbat er von der Staatsregierung Auskünfte zu Erkenntnissen über – möglicherweise strafrechtliche – Aktivitäten der Gruppierung sowie gegebenenfalls ihrer Mitglieder und maßgeblichen Unterstützer. In der Antwort hieß es, dass die Gruppierung kein Beobachtungsobjekt des Landesamtes für Verfassungsschutz sei. Der Staatsregierung lägen zudem keine Erkenntnisse über strafrechtlich relevante Aktivitäten der Gruppierung vor.

Wurzener Hotelier besorgt um Zukunft seines Geschäftes

Bei Dmytro Mologolovets bleiben nach dem Polizei-Großeinsatz dennoch viele Fragen offen. Zuvorderst die, wie es an jenem Klubhaus in unmittelbarer Nähe zu seinem Hotel weitergehen wird und welche Auswirkungen dortige zukünftige Aktivitäten auf seinen Hotelbetrieb haben werden.

„Wir hatten am Samstag einige größere Gruppen im Haus, die auf den Einsatz natürlich einigermaßen verstört reagiert haben. Einige Gäste mussten sich, um unser Haus zu erreichen, sogar gegenüber der Polizei ausweisen“, berichtet der Hotelier.

Von der Einmietung des Motorradclubs in seiner Nachbarschaft habe er im Vorfeld des Polizeieinsatzes nichts mitbekommen. „Ich weiß nur, dass es sich bei den Räumlichkeiten um eine ehemalige Werkstatt handelt“, so Mologolovets. Auf dem Gelände in der Bahnhofstraße finden sich mehrere gewerblich genutzte Objekte, eingebettet zwischen Mehrfamilienhäusern.

Wurzener OBM ohne Kenntnis von Polizeieinsatz

Über mehr Wissen verfügt auch Wurzens parteiloser Oberbürgermeister Marcel Buchta nicht. Dem Stadtoberhaupt war eigener Aussage zufolge bis zum LVZ-Anruf noch nicht einmal der ganztägige samstägliche Polizeieinsatz zu Ohren gekommen.

Dass es am Samstag kein normaler Abend werden könnte, wusste hingegen ein Anwohner, der in direkter Nähe zum Clubgebäude lebt. Von der Party will er allerdings nichts mitbekommen haben. „Es war alles ruhig.“ Nur das massive Aufgebot der Beamten habe er natürlich mitbekommen. Abgeschreckt habe ihn das nicht: „Das war einfach nur zu unserer Sicherheit. Von daher Daumen hoch“, sagt der Mann, der lieber anonym bleiben möchte. Wer seine neuen Nachbarn sind, weiß der Anwohner nicht genau. Dennoch herrsche ein gutes Verhältnis. „Die haben vorher einen Zettel eingesteckt, dass es wegen einer Feier lauter werden könnte.“