Auch Wagenplatz in Plagwitz betroffen – Gröner-Konzern geht von elf Insolvenzanträgen aus – mit Schwerpunkt in Leipzig
Wahrscheinlich werden zeitnah noch einige Insolvenzverfahren gegen Firmen des Bauunternehmers Christoph Gröner eröffnet. Laut einer Mitteilung des Konzerns droht insgesamt elf Tochterunternehmen ein solches Verfahren. Genannt werden erstmals auch vier weitere Projekte in Leipzig.
Bis zu elf Insolvenzeröffnungen erwartet der Firmenverbund des bekannten Bauunternehmers Christoph Gröner. Das teilte der Konzern auf einer Internetseite mit. Für sieben Tochtergesellschaften wurden in den vergangenen zwei Wochen bereits Insolvenzverfahren eröffnet. Laut den Angaben könnten demnach noch vier Fälle dazukommen, wobei der Schwerpunkt in Leipzig liegt.
Alle Fremd-Insolvenzanträge seien von einem bestimmten Gläubiger beim Leipziger Amtsgericht eingereicht worden, hieß es auf der Internetseite der Gröner Group GmbH. Diese Finanz- und Dachgesellschaft mit Sitz in Leipzig war die erste betroffene Firma. Für sie wurde am 30. Oktober vom Gericht ein Insolvenzverfahren eröffnet. Dem Vernehmen nach hatte zuvor der Gläubiger Emerald Advisory GmbH Forderungen über 83 Millionen Euro gegen verschiedene Zweige des Konzerns fällig gestellt.
Grundstücke in Mockau, Schönefeld, Plagwitz betroffen
Emerald sei Darlehensgeber für die genannte Dachgesellschaft gewesen und außerdem für zehn Projektgesellschaften aus dem Firmenreich Gröners, berichtete der Konzern nun. Noch nicht öffentlich bekannt war dabei, dass der Risikokapitalgeber auch in die fünf hier folgenden Gesellschaften investiert hatte:
– den Westteil vom früheren Postbahnhof an der Adenauerallee in Leipzig-Schönefeld
– den Ostteil vom früheren Postbahnhof in Leipzig-Schönefeld (mit dem Lokschuppen)
– das Areal vom Wagenplatz „Karl und Helga“ an der Klingenstraße in Leipzig-Plagwitz
– Gewerbefläche in Leipzig-Mockau (Dortmunder Straße 18 und Rosenowstraße 22-26)
– das 1,8 Hektar große Areal der früheren Brauerei Braugold in Erfurt (Schillerstraße 7)
Für den erwähnten Westteil vom Leipziger Postbahnhof zuständig ist die Projektgesellschaft CG Mariannen-Campus West GmbH & Co. KG. Für sie wurde am 12. November ein Insolvenzverfahren eröffnet. Sie entwickelt die Gebäude nahe der Brandenburger Brücke, wo unter anderem ein Kurierdienst und eine Filmproduktionsfirma ansässig sind. Für die vier anderen Projektgesellschaften hat das Leipziger Amtsgericht bisher keine Beschlüsse über Insolvenzverfahren veröffentlicht.
Konzern sieht Zugriff des Darlehensgebers begrenzt
Öffentlich bekannt waren zuvor bereits sechs Insolvenzeröffnungsanträge: und zwar für die Gröner Group GmbH aus Leipzig, für den Nordteil vom Postbahnhof in Leipzig-Schönefeld, für eine frühere Schokoladenfabrik an der Pittlerstraße 33 in Leipzig-Wahren sowie für je einen Gewerbebau (mit Schwerpunkt Büronutzung) in Köln, Mannheim und Frankfurt am Main.
Vorläufiger Insolvenzverwalter in allen Fällen ist der Jurist Philipp Hackländer (Kanzlei White & Case). Er ist jetzt dabei, die Vermögenssituation der einzelnen Firmen zu erfassen und zu beurteilen. „In allen Fällen, in denen Gesellschaften laufende Einnahmen haben oder sonstiges Sicherungsinteresse gegeben ist, hat mich das Amtsgericht Leipzig bereits vorläufig zum Insolvenzverwalter bestellt“, erläuterte Hackländer gegenüber der LVZ. „Die Geschäftsführer bleiben weiter im Amt, dürfen aber nicht mehr über Vermögen der jeweiligen Gesellschaft verfügen.“ Für welche Firmen tatsächlich Insolvenzverfahren folgen, entscheide das Gericht erst nach der Prüfung.
Von Seiten des Konzerns wurde nochmals versichert, dass die zahlungsunfähige Gröner Group GmbH sowie deren Beteiligungen nicht Teil des operativen Geschäftes seien. „Weitere Projektgesellschaften sind von dem antragstellenden Darlehensgeber nicht finanziert – und daher nicht von den Insolvenzen betroffen. Alle weiteren Projektgesellschaften der CG Group GmbH setzen ihren Geschäftsbetrieb und ihre jeweiligen Projekte unverändert fort.“
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Jens Rometsch
14.11.2024
Gröners Baustellen in Leipzig: Was der Bauunternehmer geschafft hat – und was nicht
Von Plagwitz bis Schönefeld sind mehrere Großvorhaben ins Stocken geraten, auch machen dem bekannten Projektentwickler Insolvenzanträge zu schaffen. Einige Vorhaben könnten trotzdem fertig werden. Hier gibt es den Überblick.
Leipzig. Es ist schon eine Weile her, dass Christoph Gröner zu den größten Immobilienentwicklern Deutschlands gehörte. Doch in Leipzig hat er unbestreitbar viele Spuren hinterlassen – und offenbar auch noch viele Pläne. 2018 gab seine damalige CG-Gruppe bekannt, sie würde bundesweit Vorhaben im Umfang von nahezu zehn Milliarden Euro verfolgen. Davon entfielen immerhin weit mehr als zwei Milliarden auf Leipzig.
Doch der Höhenflug hielt nicht an. Heute kann man Gröners Leipziger Projekte im Grunde in vier Kategorien einteilen: die fertiggestellten Vorhaben, die unvollendeten, die abgegebenen und schließlich jene Projektgesellschaften, für die in den letzten Tagen Insolvenzanträge gestellt wurden.
Die fertiggestellten Vorhaben
Seit dem Umzug von Karlsruhe 1995 konnten Gröners Firmen in Leipzig Tausende Wohnungen schaffen. Es begann mit dem Sanieren einzelner Denkmalschutz-Häuser. Das erste größere Vorhaben war das alte Zahnradwerk „Joliot Curie“ an der Arthur-Hoffmann-Straße 175 in Connewitz. Dort entstanden 140 Wohnungen, ein Konsum und ein Fitnesscenter mit Schwimmbad. Im Hof kamen 15 Gartenhäuser (eine Art Reihenhäuser) hinzu, um mehr Mietfläche zu gewinnen.
Bald standen Dutzende Gründerzeithäuser in der Referenzliste: so die Sternwartenstraße 27, Münzgasse 9, August-Bebel-Straße 47, Alfred-Kästner-Straße 72 und Kurt-Eisner-Straße 39, um bloß mal im Leipziger Süden zu bleiben. An der Jahnallee/Tschaikowskistraße wurde 2007 ein ganzer Block mit dem Namen „Blüthner Carré“ fertiggestellt. Die Häuser gehörten einst zur DDR-Autowerkstatt „Zschaus Garage“, nun zog unter anderem ein betreutes Wohnen der Firma Advita ein.
Nicht nur entlang der Chopin-, Insel-, Salomonstraße im Graphischen Viertel folgten etliche Häuser – dort verwandelte die CG-Gruppe auch die frühere Druckerei „Interdruck“ zu 177 Wohnungen. Aus der Ruine vom Leipziger Kommissions- und Großbuchhandel (LKG) in der Prager Straße wurden 330 Wohnungen, aus den Bleichertwerken in Gohlis 234 Wohnungen und eine Kita.
Neubauten errichtete der Konzern beispielsweise mit „Schumanns Gärten“ (200 Wohnungen) in der Dresdner Straße und dem „Waldplatz Carré“ (74 Wohnungen) in der Friedrich-Ebert-Straße.
In der City restaurierte man den historischen Kaufmannshof in der Katharinenstraße 13 für ein eigenes Hotel der Marke „Groners“ sowie das „Kleine Joachimsthal“ an der Kleinen Fleischergasse. Aktuell sind dort das böhmische Restaurant Wenzel sowie das Hostel Five Elements zu finden.
Die unvollendeten Vorhaben
Sein wohl größter Coup gelang Gröner mit der Übernahme des früheren Rübesam-Areals in Plagwitz. Manfred Rübesam, ein Investor aus Bayern, wollte aus dem 18 Hektar großen Industriegebiet nach der Wende eine Hochhausstadt machen, also alles abreißen. Nach dessen Konkurs erwarben Holländische Blumenhändler im Verbund mit Gröner das Areal von einer US-Bank. Den Holländern ging ebenfalls bald die Puste aus.
Im Anschluss konnte Gröner günstig übernehmen. Inzwischen haben seine Unternehmen die allermeisten Gründerzeitbauten in den „Plagwitzer Höfen“ saniert und an 140 Gewerbetreibende vermietet. Dazu gehören Clubs wie das Täubchenthal und Elipamanoke, Firmen wie Spreadshirt und RTL, Handelsbetriebe wie der Toom-Baumarkt und die Plagwitzer Markthalle.
Allerdings gerieten mehrere Neubauvorhaben in Plagwitz ins Stocken. Zum Beispiel wurde im April 2022 Richtfest für den Umbau eines Büroriesen gegenüber vom Plagwitzer Bahnhof gefeiert. An der Naumburger und Engertstraße sollten dabei 88 Wohnungen und Gewerbeflächen entstehen, nebenan in der Weißenfelser Straße ein Parkhaus folgen. Doch vor Ort stehen immer noch Baugerüste, scheint Stillstand zu herrschen.
In der Limburgerstraße begann im Januar 2021 der Abriss einer Ruine, um Platz für Neubauten mit 105 Wohnungen zu machen. Sie sollten „spätestens Ende 2022″ bezugsfertig sein. Stattdessen ruhten in den letzten Monaten die Arbeiten. Am Mittwoch wurden viele Baugerüste demontiert, wobei offen blieb, ob das ein gutes oder ein schlechtes Zeichen für die Fertigstellung war.
Meist schon mehrere Jahre überfällig sind auch große Gewerbeentwicklungen in anderen Stadtteilen. So wollte Gröners Konzern „bis 2024″ den Südteil vom einstmals größten Postbahnhof der Welt in Schönefeld fertigstellen. Und dafür 103 Millionen Euro investieren. Mit 29 Gleisen an 16 Bahnsteigen war die Bahnhofshalle einst ebenso leistungsstark wie der drei Jahre später eingeweihte Leipziger Hauptbahnhof.
Den Nord- und Westteil der Mega-Immobilie hatte Gröner bis 2021 saniert. Doch die eigentliche Bahnhofshalle und der historische Lokschuppen nebenan wirken nach wie vor verwittert.
Gegenüber früheren Ankündigungen stark verspätet haben sich auch große Gewerbeprojekte rings um die Dessauer Straße 7 in Eutritzsch („PetzschWork“, Volumen 129 Millionen Euro) und rings um die Dortmunder Straße 18 in Mockau-Süd („4Work“, Volumen 180 Millionen Euro).
Lichtblicke sind, dass in den Paunsdorfer „Mansfeld-Hallen“ (für die frühere Maschinenfabrik in der Riesaer Straße 64 wurde im Juli 2021 Richtfest gefeiert) inzwischen abends wieder Licht brennt. Auch im geplanten „Gamingshaus“ in der Ritterstraße 42 tut sich nach langer Pause wieder etwas, scheint die Eröffnung kurz bevor zu stehen.
Die abgegebenen Vorhaben
Auf Druck des früheren Partners Consus hatte Gröner 2019 den Eutritzscher Freiladebahnhof verkauft. Käufer war die Imfarr aus Wien, sie ging vor wenigen Monaten pleite. Wann der Bau von 2600 Wohnungen auf dem 25 Hektar großen Gelände beginnen kann, ist derzeit unklar. Im Zuge der Trennung von Consus (benannte sich später um in Adler Group) überließ Gröner dem Partner im Jahr 2020 fünf größere Projekte in Leipzig.
Sie betrafen das ehemalige Technische Rathaus in der Prager Straße 20-28 (inzwischen an die Stadt Leipzig verkauft), das Bürohaus-Ensemble „Ostforum“ am Ostplatz (soll 2025 fertig werden), den Neubau „Magnolia“ in Eutritzsch (die 187 Wohnungen in der Hamburger Straße sind fertig), ein noch leeres Baugrundstück in Connewitz am Wiedebachplatz und schließlich das Quartier Kreuzstraße (192 Wohnungen und Gewerbe an der Ludwig-Ehrhard-Straße). Dieses Projekt verkaufte Consus an den Leipziger Bauträger Quarterback Immobilien AG, der es gegenwärtig fertigstellt.
Projekte mit Insolvenzanträgen
In den letzten zwei Wochen wurden gegen Teile des Konzerns Insolvenzanträge gestellt. In Leipzig waren davon die Finanzierungsgesellschaft Gröner Group GmbH am Hauptsitz in der Eutritzscher Haferkornstraße 7 betroffen und außerdem Projektgesellschaften für Grundstücke in Wahren, Mockau, Schönefeld und Plagwitz.
Der vorläufige Insolvenzverwalter Philipp Hackländer (Kanzlei White & Case) bekam vom Amtsgericht Leipzig bereits Aufträge, die Vermögenssituation jener Firmen zu prüfen, die den Nordteil und den Westteil vom früheren Postbahnhof an der Adenauerallee entwickeln. Der Nordteil ist voll vermietet, im Westteil sind unter anderem ein Kurierdienst, ein Musik-Label und eine Filmproduktionsfirma ansässig. Ebenfalls eine Insolvenzprüfung läuft bereits für die frühere Schokoladenfabrik an der Pittlerstraße 33 in Leipzig-Wahren – auch das ist ein größeres Gewerbeprojekt.
Nach Konzernangaben stammen alle Insolvenzanträge vom Gläubiger Emerald Advisory GmbH, welcher unlängst Forderungen über 83 Millionen Euro fällig gestellt hatte. In Leipzig sei diese Gesellschaft zudem an der Finanzierung von drei Projekten beteiligt gewesen, für die das Amtsgericht aber noch keine Entscheidungen getroffen habe.
Konkret gehe es dabei um den Ostteil des Postbahnhofs (mit dem historischen Lokschuppen), das Areal vom Wagenplatz „Karl Helga“ an der Klingenstraße in Plagwitz sowie die Gewerbeentwicklung „4Work“ an der Dortmunder Straße in Mockau. Für die hier jeweils zuständigen Projektgesellschaften habe Emerald also ebenfalls Insolvenzanträge gestellt, die das Amtsgericht aber bisher nicht aufgegriffen hat. Darüber hinaus sei Emerald an keinen anderen Vorhaben in Leipzig beteiligt gewesen.
Am Donnerstag, 14. November, teilte Konzernsprecherin Eva Mommsen mit, dass die (nicht mit Insolvenzantrag konfrontierte) CG Group GmbH zwei Projekte in Erfurt verkauft habe. Dort sollten in der ehemaligen Traditionsbrauerei Braugold und im früheren Verlagsgebäude der Zeitung Thüringer Allgemeine insgesamt 374 Wohnungen entstehen. „Der in Leipzig beheimatete Projektentwickler CG Group GmbH begründet diesen Schritt damit, sich in Zukunft im Osten Deutschlands mehr auf Sachsen und seine Leipziger Projektentwicklungen konzentrieren zu wollen“, erläuterte Mommsen dazu.
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Jens Rometsch 12.11.2024
Schon sechs Insolvenzen: Geht der Gröner-Konzern unter?
Eine Insolvenznachricht nach der anderen für den bekannten Bauunternehmer Christoph Gröner: Woher rühren die inzwischen sechs Insolvenzverfahren und wie lange hält der 56-Jährige noch durch?
Natürlich war Christoph Gröner beim Leipziger Opernball 2024, hielt sich diesmal aber mehr im Hintergrund. Er wirkte kein bisschen nervös, scherzte und sprach viel mit anderen Gästen. Das Glamour-Ereignis in der Leipziger City wäre wohl die letzte Veranstaltung, bei welcher der bekannteste Bauunternehmer Deutschlands das Feld räumt. Schulden, Gläubiger, Insolvenzen hin oder her – schließlich hatte er den Ball einst gerettet.
2012 war die Party der Leipziger High Society wegen Geldmangels abgesagt worden. Das Aus für den Opernball schien nah. Doch dann stopften Baufirmen rings um Gröners CG-Gruppe das Loch in der Kasse. Seitdem galt er als großer Förderer der Veranstaltung, ersteigerte 2021 spontan einen knallgelben Porsche Boxster für 120.000 Euro, was für viel Aufsehen sorgte. Auf der Sponsorenwand prangten allerdings bald die Namen anderer Bauprojektentwickler aus Leipzig wie Arcadia, GRK, Hildebrand & Partner oder Vicus AG.
Derselbe vorläufige Insolvenzverwalter in allen Fällen
Alle diese Namen standen noch nie auf einer Liste im Internet, wo die Amtsgerichte alle Insolvenzeröffnungen bekannt geben. Seit Ende Oktober 2024 tauchten auf der Liste aber schon sechs Firmen auf, die sich Gröner zuordnen lassen. Stets kamen die Beschlüsse vom Leipziger Amtsgericht. Ebenso wurde jedes Mal der Berliner Jurist Philipp Hackländer von der Kanzlei White&Case zum vorläufigen Insolvenzverwalter bestellt.
Wenige Stunden vor dem Opernball am vergangenen Freitag gab es gleich zwei neue Meldungen. Diesmal traf es Projektgesellschaften für ein bestehendes Bürohaus in Mannheim (CG Dudenstraße II GmbH & Co. KG) und für den Umbau eines denkmalgeschützten Magazins im Kölner Stadtteil Mühlheim (CG MI6 Office GmbH & Co. KG).
Einst wurde auf dem Gelände in Köln Industriegeschichte geschrieben. Nikolaus August Otto entwickelte dort den Otto-Motor, auch die Waggons für die weltweit erste Schwebebahn in Wuppertal kamen aus der Fabrik an einer Straße zwischen Mühlheim und Deutz. Später stillgelegt, wollte Gröner die Brache für 210 Millionen Euro zum „Cologneo Campus“ verzaubern. Arbeiten begannen tatsächlich. Ein Bürohaus und eine Kita wurden fertiggestellt. Ziel war ein bunt gemischtes Quartier – ähnlich wie die Plagwitzer Höfe in Leipzig.
Vorläufiger Insolvenzverwalter hat alle Fälle
Doch mit der Baukosten- und Immobilienkrise ab 2022 gerieten die Dinge in den bundesweit acht Niederlassungen des Konzerns ins Stocken. Immer öfter war von Stillstand oder Baustopps zu hören, von Zahlungsverzögerungen und von Gläubigern, die die Geduld verlieren. Noch vor wenigen Wochen teilte eine Sprecherin mit, der Konzern verfolge bundesweit 75 Projekte im Umfang von fünf Milliarden Euro. Davon seien acht bis zehn im Bau.
Inzwischen gibt es zur Zahl aktiver Baustellen keine Auskunft mehr. In Gröners Heimatstadt Karlsruhe ist der Fußballklub KSC vor Gericht gezogen. Er fordert mehr als eine Million Euro von seinem früheren Hauptsponsor. Eine Bank aus Franken betreibt unterdessen die Zwangsversteigerung eines Gröner-Grundstücks in Leipzig, auf dem vier Millionen Euro Grundschulden für eine Logistikhalle ruhen sollen. 730.000 Euro verlangt eine Baufirma aus Eutritzsch, die für ihn umfangreiche Arbeiten am früheren Leipziger Postbahnhof ausführte.
Viele Beobachter fragen sich schon, ob bald die ganze Gruppe über die Wupper geht. Zwar konnte Gröner in diesem Jahr bereits 13 Insolvenzverfahren gegen Tochterfirmen wieder abwenden, indem er Außenstände kurz vor Toresschluss doch noch bezahlte. Jedoch ging es da um fünf- bis maximal sechsstellige Beträge. Was in den vergangenen Tagen geschah, hatte eine neue Qualität. Und war sieben- bis achtstellig.
Am 4. November meldete der Chef erstmals selbst eine Insolvenz bei Gericht an. Nötig wurde dies, weil ein Risiko-Kapitalgeber namens Emerald Advisory GmbH Forderungen über 83 Millionen Euro fällig gestellt hatte. Trotz intensiver Verhandlungen habe sich der Gläubiger (Emerald heißt übersetzt Smaragd) nicht von dem Schritt abbringen lassen, berichtete eine Konzern-Sprecherin. So begann ein Insolvenzverfahren für die Gröner Group GmbH, das ist eine Finanzholding mit Sitz in der Leipziger Haferkornstraße. Ihre Rechtsform GmbH ist ein wichtiges Detail.
Verdacht einer Bad Bank für faule Kredite
Denn noch im Frühling hatte diese Gesellschaft ihren Sitz in Berlin und hieß etwas anders: Gröner Group AG. Sie galt als Flaggschiff des Konzerns, hatte mehr als 300 Millionen Euro an Krediten aufgenommen. Ihr unterstanden rund 100 Projektgesellschaften, also eine Art Beiboot für verschiedene Bauvorhaben in der halben Republik. Daneben steuerte das Flaggschiff auch noch die CG Elementum AG, welche ein Dutzend Handwerker-, Planungs- und Dienstleistungsfirmen bündelte. Wäre vor wenigen Tagen die alte, Berliner Gröner Group AG zahlungsunfähig geworden, hätte es wohl den Untergang der ganzen Armada bedeutet.
Laufende Bauprojekte sind von der Insolvenz nicht betroffen. – Unternehmer Christoph Gröner
Zum Glück für Gröner und die angeblich noch immer 440 Beschäftigten hatte sein Konzern aber im Juli 2024 eine neue Struktur verpasst bekommen. Aus der Gröner Group AG wurde damals die Gröner Group GmbH mit Sitz in Leipzig. Sie behielt zwar Anteile an drei Zwischengesellschaften (CG Urban RE GmbH, CG Capital GmbH, CG Property Dev GmbH), welche früher den Kurs der insgesamt 100 Projektgesellschaften bestimmt hatten. Jedoch wurden einige Dutzend verkauft. Und etwa 60 Projektgesellschaften wanderten im Juli 2024 unter ein neues Dach mit dem leicht verwechselbaren Namen CG Group GmbH.
„Der Mann hat eine Bad Bank für Kredite mit hohen Zinsen gebaut, die er loswerden wollte“, sagt dazu ein Leipziger Branchenkenner. Der Begriff Bad Bank bedeutet schlechte Bank. Solche Institute wurden zum Beispiel während der Weltfinanzkrise 2007 bis 2009 geschaffen, um Banken vor dem Untergang zu bewahren, die zu viel gezockt hatten. In die schlechte Bank kamen dann faule Kredite, die keinen Wert mehr hatten. Die Verluste zahlte letztlich zum Großteil der Staat, also die Bürgerinnen und Bürger mit ihren Steuern.
Gröner ist seit mehr als 30 Jahren im Baugeschäft, betont der Insider. „Er stand in Flautezeiten schon zweimal kurz vor dem Abgrund. Es ist höchst unwahrscheinlich, dass er mit solchen Erfahrungen in zwei Jahren Baukrise keinen Plan B für sich und das Unternehmen entwickelt hat.“
Mehrere Kapitalgeber in Limburgerstraße
Tatsächlich verwies der 56-Jährige anlässlich seiner Insolvenzeröffnung darauf, dass die nun zahlungsunfähige Gröner Group GmbH keine rechtlichen Verbindungen zur CG Group GmbH, deren Beteiligungen und den 60 Projektgesellschaften habe. „Laufende Bauprojekte sind von der Insolvenz nicht betroffen.“
Trotzdem eröffnete das Amtsgericht kurz darauf weitere Insolvenzverfahren für insgesamt fünf Projektgesellschaften. Betroffen waren der Nordteil vom Leipziger Postbahnhof in der Adenauerallee 2 (CG Mariannen-Campus Nord GmbH & Co. KG) und das frühere Werk 2 der Goldeck-Schokoladenfabrik in der Pittlerstraße 33 (CG Pittlerstraße GmbH & Co. KG), außerdem ein renovierungsbedürftiges Bürohaus in Frankfurt am Main (CG Stützeläckerweg GmbH & Co. KG). Schließlich noch die Vorhaben in Mannheim und Köln.
An der Stelle muss erwähnt werden, dass die Entwickler größere Vorhaben in aller Regel zerschneiden, um für einzelne Bauabschnitte verschiedene und oft mehrere Kapitalgeber gewinnen zu können. Zu jeder Projektgesellschaft gehören normalerweise ein Grundstück und Geldeinlagen. Das soll auch Risiken verringern. Zum Beispiel hat Gröner beim Leipziger Postbahnhof in Schönefeld vier Projektgesellschaften für vier Teilbereiche am Start, beim Otto-Quartier in Stuttgart sind es fünf, beim geplanten Stadtviertel in Karlsfeld bei München elf und für die Plagwitzer Höfe in Leipzig in Summe 16.
Auf dem Grundstück Limburgerstraße in Leipzig stocken die Arbeiten für 105 neue Wohnungen seit Monaten. Allein auf diesem Baufeld (hinter dem Rewe-Markt in Plagwitz) ruhen fast 30 Millionen Euro Grundschulden. Nach Recherchen des Manager Magazins stammte das so besicherte Kapital aus drei Quellen: von der Raiffeisenbank Wien, von der HPG Capital aus Hamburg sowie vom Bauträger Baywobau aus München (mit Niederlassung in Leipzig). Das Beispiel dürfte typisch sein.
Verkaufsgerücht zum alten Postbahnhof
Konstruktionen mit mehreren Geldgebern ermöglichen oft eine hohe Eigenkapitalrendite für den Entwickler. Gröner sagte der LVZ vor längerer Zeit, seine Gruppe arbeite mit etwa 40 Banken zusammen. Für Außenstehende dürfte es daher kaum möglich sein, seine wahre Finanzkraft zuverlässig einzuschätzen. Fakt ist, dass Gröner jüngst schon Traumvillen an der Cote d‘Azur verkauft hat, die seiner Familienholding gehörten. Auch Fahrzeuge aus seiner Porsche-Sammlung ließ er veräußern, um Finanzlöcher im Konzern zu stopfen.
Gröners Anwalt Ben Irle versicherte gegenüber der LVZ, auch die Insolvenzverfahren bei den fünf Projektgesellschaften hingen mit der Zahlungsforderung über 83 Millionen Euro von Emerald zusammen. Laut Irle waren diese Verfahrenseröffnungen rechtswidrig, weshalb der Konzern dagegen juristisch vorgehen werde. Den Verdacht, Gröner habe bei der Umstrukturierung im Juli bereits bewusst für eine Insolvenz vorgesorgt, wies der Anwalt zurück. Es gebe keine Bad Bank. Die Umstrukturierung habe vielmehr dazu gedient, effizienter zu werden. Ziel sei immer gewesen, die Kredite zu stunden und möglichst bald zurückzuzahlen.
Für diese Sichtweise spricht, dass Gröner bei der Strukturreform selbst als Geschäftsführer der Gröner Group GmbH an Bord blieb. Dagegen spricht dass sein vormaliger Co-Geschäftsführer und früherer Kanzleramtsminister Ronald Pofalla (CDU) das Schiff wechselte. Pofalla ging zur neuen CG Group GmbH, die anscheinend nicht gefährdet war. Unklar ist, ob Gröner nun weiterhin versucht, eine Einigung mit den Geldverleihern der Smaragd-Firma zu finden. Laut Anwalt Irle liefen schon lange entsprechende Gespräche. Das sei auch der Grund dafür gewesen, weshalb zunächst die Emerald-Seite einen Insolvenzantrag für die Gröner Group GmbH eingereicht hatte. Gröner unternahm denselben Schritt erst fünf Tage danach.
Finanziell am Ende scheint der schillernde Bauunternehmer trotz allem nicht zu sein. Seiner Familienholding gehören unter anderem noch mehrere Hotels (mit dem Namen „Groners“) und Ferienanlagen in Leipzig, in Brandenburg, an der Ostsee, in Italien und in Süd-Frankreich. Auch hält sich seit Tagen hartnäckig das Gerücht, der einstige Retter des Opernballs sei gerade dabei, wertvolle Grundstücke zu verkaufen – darunter einen Teil vom Leipziger Postbahnhof. Der Konzern äußert sich dazu nicht. Vielleicht bekommt Gröner den Tanker mit seinen Anfangsbuchstaben am Bug doch wieder flott – oder zumindest ein Rettungsboot?
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spiegel 21.04.2022
Kanzleramt, Bahn, Privatwirtschaft Bahnvorstand – Pofalla wird Geschäftsführer bei Immobilienunternehmen
Bei der Bahn war Ex-Kanzleramtschef Ronald Pofalla zuständig für Stuttgart 21 und für das Schienennetz. Nun wird er Geschäftsführer bei dem Immobilienentwickler Gröner Group – und trifft dort auf einen CDU-Parteifreund.
Der frühere Kanzleramtschef und Noch-Bahnvorstand Ronald Pofalla wird von Mai an Geschäftsführer bei der Gröner Group, einer Immobilien-Entwicklungsgesellschaft in Berlin. »Gemeinsam mit den bisherigen Geschäftsführern Christoph Gröner und Lars Schnidrig wird Ronald Pofalla die Umwandlung des Unternehmens in eine Aktiengesellschaft vorantreiben«, teilte das Unternehmen am Mittwoch mit.
Der 62 Jahre alte Pofalla ist seit rund sieben Jahren im Bahnvorstand und leitet dort das Infrastrukturressort. Im März hatte er angekündigt, den Konzern Ende April verlassen zu wollen. Die Gröner Group entwickelt eigenen Angaben zufolge über verschiedene Tochterunternehmen derzeit rund 80 Immobilienprojekte in Deutschland. Der Fokus liege dabei auf bezahlbarem Wohnen und nachhaltigem Bauen.
Pofalla hatte Anfang März angekündigt, nach sieben Jahren den Vorstand der Bahn zu verlassen. Der 62-Jährige nannte dafür persönliche Gründe.
Sein Seitenwechsel 2015 von der Politik zur Deutschen Bahn hatte für Kritik gesorgt. Pofalla war Generalsekretär der CDU und von 2009 bis 2013 Chef des Bundeskanzleramts unter Angela Merkel (CDU).
Pofalla leitet das Infrastrukturressort der Bahn seit 2017. Damit war er für die gesamte Infrastruktur aus Netz, Bahnhöfen und Energieversorgung zuständig. Dies ist das Schlüsselressort im Bahn-Konzern. Jedes Jahr kann es über ein Investitionsbudget im zweistelligen Milliardenbereich verfügen.
In seiner Funktion verantwortete Pofalla auch das Projekt Stuttgart 21, das immer wieder durch Kostensteigerungen Schlagzeilen macht. Pofalla stand unter anderem deshalb in der Kritik, aber auch wegen seines Wechsels von der Politik zur Bahn. Als Kanzleramtsminister hatte er auf die Entscheidung des Aufsichtsrates zur Fortführung des Projektes Einfluss genommen.
Auch Günther Oettinger heuert bei Gröner an
Die Gefahr eines Interessenkonflikts entstand auch, als Pofalla 2018 den Vorsitz der Kohlekommission übernahm, die einen Plan für den Ausstieg der Bundesrepublik aus der Kohlenutzung entwickeln sollte. Im Vorstand der Bahn, die durch ihre Bahnstromkraftwerke von den Plänen aber stark betroffen ist, arbeitete er derweil weiter.
Gröner lobt in einer Pressemitteilung Pofallas Expertise »im Bereich des digitalen Bauens« mit Softwareunterstützung und Erfahrungen »in einer konsequent auf CO2-Neutralität ausgerichteten Unternehmensführung«.
Wenn Pofalla im Mai bei Gröner anfängt, tut er das gemeinsam mit einem Parteifreund: Vor wenigen Tagen kündigte das Unternehmen an, dass Günther Oettinger in den Beirat berufen wurde, ebenfalls CDU-Mitglied, früherer Ministerpräsident von Baden-Württemberg und EU-Kommissar.