Einfach ein extremer Gönner
Ohne reiche Investoren hätte es weder das Potsdamer Treffen gegeben noch das Compact-Magazin. Hier spricht der Finanzier Hans-Ulrich Kopp zum ersten Mal über seine Rolle.
Hans-Ulrich Kopp hatte sich das Jahr 2024 einst so ausgemalt: Eine total überwachte Gesellschaft, beherrscht von Imamen und Frauen. Die Grünen regieren, Claudia Roth ist Kanzlerin. Sechs Männer wollen das nicht mehr hinnehmen, sie ziehen im Dunkeln zum Kanzleramt. So kann man eine Satire lesen, die der Geschäftsmann 2011 veröffentlicht hat. „Wenn wir vor zehn Jahren rechtzeitig was getan hätten, müssten wir jetzt nicht zum letzten Mittel greifen“, lässt Kopp einen der fiktiven Attentäter sagen.
Der Autor dieser Dystopie ist ein erfolgreicher Bauunternehmer aus dem Süden Deutschlands, seine Firmen pflasterten den Weg zum Stuttgarter Schloss Solitude, bauten an Brücken mit und an der Landesbibliothek Baden-Württemberg, staatliche Aufträge in Millionenhöhe. Hans-Ulrich Kopp, 62 Jahre alt, hat aber auch eine andere Seite: Seit Jahrzehnten ist er in der rechtsextremen Szene aktiv, die gegen den Staat agiert, der sein Auftraggeber ist. In den vergangenen Jahren engagierte Kopp sich als Finanzier einer rechtsextremen Influencer-Agentur und einschlägiger Medien wie dem im Juli verbotenen Compact-Magazin.
Kopp tritt einerseits wie ein konservativer Kaufmann in Erscheinung, sogar ein Buch von Papst Benedikt hat er verlegt. Zugleich nahm er an Treffen mit Neonazis und neurechten Strategen teil, publizierte in Theoriezeitschriften der Szene, steckte immer wieder Geld in Rechtsaußen-Projekte und prägte dieses Milieu so rund vier Jahrzehnte lang mit.
Umso erstaunlicher ist es, wie wenige Fotos von ihm bekannt sind. Eines der seltenen Bilder ist unscharf und wurde heimlich aufgenommen, es zeigt ihn Ende vergangenen Jahres mit Mantel und Koffer, er reist gerade ab von einem Treffen zwischen Rechtsextremen und Spendern im Landhaus Adlon bei Potsdam, es ist die Runde, die wenig später von Correctiv-Reportern bekannt gemacht wird. Wohlhabende Gönner wie er haben den Aufstieg der extremen Rechten maßgeblich ermöglicht. Wenig ist über Finanziers wie Hans-Ulrich Kopp bekannt.
Wer also ist dieser Mann?
Ein heißer Sommertag in Frankfurt. Ein großer Herr betritt ein Hotel-Foyer, graue Haare, penibel getrimmter Schnauzbart, blau-weiß-kariertes Hemd. Für den Gesprächstermin mit ZEIT ONLINE hatte er statt seiner Heimat Stuttgart die Stadt am Main vorgeschlagen, weit entfernt vom Stadtteil Bad Cannstatt, wo seine Baufirma sitzt und das Haus in Hanglage steht, in dem schon die Eltern lebten.
Hans-Ulrich Kopp spricht mit weichem schwäbischem Einschlag, leise, fast ein bisschen schüchtern. Sogar bei Hitze trage er stets Jackett und Lederschuhe, sagt er. „So bin ich einfach. Ich bin altmodisch, ultrakonservativ.“ Von jemandem, der in Springerstiefeln rumlaufe und etwas „Saublödes brüllt“, sei er „genauso weit entfernt wie von einem Grünen“.
Ideologe und Szene-Investor
Seit der Berichterstattung über das Treffen von Potsdam ist Kopp in der Defensive. Er will sich erklären, das wird schnell deutlich. Die lokale Volksbank hat ihn im März aufgefordert, einen Posten im Regionalbeirat ruhen zu lassen, heißt es auf Anfrage. Kopps mittelständische Baufirma ist in die Diskussion geraten. Tatsächlich flossen in den vergangenen fünf Jahren rund 1,4 Millionen Euro für insgesamt 22 Aufträge von baden-württembergischen Landesbetrieben an das Unternehmen, das bestätigte ein Sprecher des Finanzministeriums ZEIT ONLINE. Die Gewinne, mit denen Kopp die rechte Szene unterstützt, sie stammen zum Teil aus Steuergeldern.
Seine Rolle in der rechtsextremen Szene? Überbewertet, behauptet Kopp selbst. Schließlich habe er bis vor wenigen Monaten fast 30 Jahre lang acht Stunden am Tag in dem Familienunternehmen gearbeitet, die längste Zeit als Geschäftsführer. Sein katholischer Lepanto-Verlag, in dem das Papst-Buch erschienen ist, sei weder massenwirksam noch politisch. Dort publizieren jedoch nicht nur kirchliche Würdenträger, sondern auch Autoren, die sonst in Zeitschriften der extremen Neuen Rechten veröffentlichen.
In Sicherheitskreisen gilt Kopp als Ideologe und Szene-Investor, als einer, der zwar seine Wurzeln im Konservatismus habe, aber keinerlei Berührungsängste mit extremen Kreisen. Ein Neonazi-Aussteiger, der Kopp bei rechtsextremen Veranstaltungen getroffen hat, erinnert sich an einen Netzwerker, der mehr hinter den Kulissen wirkte als auf der großen Bühne. Eine Zeit lang war er eine Art Multifunktionär in verschiedenen Zirkeln und Organisationen. Schon lange hat er dabei seine Positionen verharmlost und sich stets eher im Hintergrund gehalten. Der Verfassungsschutz stuft ihn seit Jahren als Rechtsextremisten ein. Bis heute steht Kopp in Kontakt zu Organisationen, die politisch eindeutig in der extremen Rechten verortet sind.
Warum aber spielt der Bauunternehmer seine Rolle herunter?
Kopp gehört nicht zur ersten Reihe der Rechtsextremen, er ist keiner, der bei Aufmärschen in Megafone brüllt, in Parteien die Fäden zieht, dennoch hat er das Milieu mitgeprägt. Seine Vita liest sich wie eine Geschichte der Neuen Rechten in Deutschland.
Von der CDU, in der schon der Vater Mitglied war, führte sein Weg während des Studiums in München zur Burschenschaft Danubia. Sie gilt als rechtsextreme Verbindung, die studierenden Mitglieder werden inzwischen vom Verfassungsschutz beobachtet. Kopp sagt, ihn habe das Archaische, Altmodische, „dieses Romantische“ angezogen. Von den ritualisierten Fechtkämpfen im Männerbund hat er eine Narbe auf der Stirn davongetragen, die er beim Gespräch im Hotel vorzeigt. Es scheint seltsam passend, dass sie kein klaffender Schmiss ist, sondern eigentlich kaum auffällt. Bis zuletzt war Kopp Vorstand im Altherrenverband, stellte den Burschen sogar seinen Namen für das Impressum der Website zur Verfügung.
Im Danuben-Haus hatte er sich nach seinem Bruch mit der CDU in den Achtzigern zum Gründungsvorsitzenden des Studentenverbandes der nationalistischen „Republikaner“ (REP) wählen lassen. Er habe damals von einer neuen Rolle Deutschlands in der Welt geträumt und davon, selbst die Geschicke des Landes zu beeinflussen, sagt er heute.
Schnell war Kopp von den Niederungen der Parteipolitik enttäuscht. Damals erstarkten die Zirkel der Neuen Rechten, die eine Modernisierung und Intellektualisierung des Milieus anstrebten und strategisch neue Akzente setzten: Nicht eine Partei stand im Vordergrund, sondern das politische Vorfeld. Sie planten eine Kulturrevolution, die zur Machtverschiebung in den Parlamenten führen sollte. Dafür müssten die eigenen Ideen in die Bevölkerung sickern, „Metapolitik“ heißt das im eigenen Jargon. Um die kulturelle Hegemonie zu erlangen, brauchte es Brücken zwischen Konservativismus und Rechtsradikalismus. Und daran baute Kopp mit.
Für diese Strategie waren Medien von zentraler Bedeutung. Kopp ist nicht nur Autor einschlägiger Publikationen, sondern er war von 1990 an am Aufbau des neurechten Medienbiotops beteiligt, zeitweise als Vize-Chefredakteur der Jungen Freiheit. Mittlerweile ist die Wochenzeitung ein zentrales Organ des Milieus. Kopp tauchte überall auf, wo die Neue Rechte Netzwerke knüpfte: Als Sprecher der Deutschen Burschenschaft, als „Schriftleiter“ im von Nationalsozialisten gegründeten Witikobund, als Mitglied bei rechten Kaderschmieden, Denkfabriken und Vereinen. Bis heute ist er nach Informationen von ZEIT ONLINE Mitglied im einst einflussreichen extrem rechten „Studienzentrum Weikersheim“. Er hielt Vorträge, auch bei der von SS-Veteranen gegründeten revisionistischen „Gesellschaft für freie Publizistik“.
Warum förderte der Unternehmer das Potsdamer Treffen?
Ende der Neunzigerjahre schrieb Kopp in einem seiner Artikel: „Der einzige Weg zur nationalen Zukunft führt durch die kühle Luft einer Lebenswirklichkeit, die man außerhalb der staatlichen Amtsstuben atmet.“
In Kopps Fall war es eher die staubige Luft des Bauunternehmens, das er 1995 erbte. Rund 100 Mitarbeiter hat der Betrieb heute. Gussasphalt, Straßenbauarbeiten, Fahrbahnmarkierungen sind das Kerngeschäft. Für den studierten Philologen und Büchersammler damals wohl kein Traumberuf, aber ein gemachtes Nest. Vor dem Sitz von Lautenschlager + Kopp im Stuttgarter Nordosten steht noch heute eine Straßenwalze aus den Fünfzigerjahren auf dem Parkplatz, als Ausstellungsstück. Auch das Foyer erinnert mit seiner beigefarbenen Ledersitzgarnitur und den ausgetretenen Teppichen an vergangene Zeiten.
Bauleiter sollen ihn hinter seinem Rücken in Anlehnung an die tapsige britische Filmfigur „Mister Bean“ genannt haben, erinnern sich ehemalige Mitarbeiter. Er soll nicht oft auf Baustellen zu sehen gewesen sein. Das passe nicht zu seinem Führungsstil, sagt Kopp selbst. In der Firma hätten seine politischen Ideen aber keine Rolle gespielt, heißt es von Mitarbeitern.
Mit der AfD ist mittlerweile eine Partei entstanden, die erfolgreicher ist, als es die „Republikaner“ je waren. Eingetreten sei er jedoch nie, sagt Kopp. Stattdessen spendete er Geld. Nach ZEIT ONLINE-Recherchen mal 120 Euro hier, mal 186 Euro da. Insgesamt seien es einige Hundert Euro in den vergangenen Jahren gewesen, räumt Kopp auf Anfrage ein.
Glaubt man ihm, dann war sein größtes Einzelinvestment eine frühe Förderung der Zeitschrift Compact. Von 2012 an unterstützte Kopp zehn Jahre lang das Magazin mit einer einmaligen Einlage von 10.000 Euro, wie er ZEIT ONLINE bestätigt. Damals steckte das Medium noch in den Anfängen, gewann aber mit seiner rassistischen Hetze in plakativ-boulevardesker Aufmachung immer mehr Einfluss. In der Szene wirkte Compact nicht nur als Medium, sondern unterstützte gezielt AfD-Politiker vom völkischen Flügel mit Kundgebungen und Kampagnen in internen Machtkämpfen.
Im Juli wurden die Firmen hinter der Zeitschrift verboten, die inzwischen vorläufig wieder erscheinen darf, bis gerichtlich über das Verbot entschieden ist. In der Verfügung des Innenministeriums heißt es, das Heft sei ein „politischer Agitator mit verfassungsfeindlicher Grundhaltung“, das sich in aggressiv-kämpferischer Weise gegen den Staat stelle und den „Sturz des Systems“ anstrebe. Es habe die Gefahr bestanden, dass Leser zu Gewalttaten angestachelt würden.
Kopp selbst sagte ZEIT ONLINE einige Wochen vor dem Verbot, er habe als stiller Gesellschafter keinen Einfluss auf die Inhalte. Er stimme mit rund einem Drittel der Artikel nicht überein, teile etwa die unkritische Haltung zu Putins Russland nicht oder die Ausflüge in Esoterik und Verschwörungsmythen. „Aber mir sind die zwei Drittel wichtiger.“ Man müsse eben „populär“ schreiben, wenn man erfolgreich sein wolle. Compact-Chef Jürgen Elsässer mache das „schon professionell“. Das Verbot hält Kopp für juristisch nicht tragfähig und sieht die Gefahr, dass Compact nur der erste Fall sei und weitere rechte Medien verboten werden könnten.
Zum Zeitpunkt des Verbots war sein Geld bereits bei der Conspect Film GmbH angelegt, einer Tochterfirma des Magazins, die für die YouTube-Beiträge zuständig war – und ebenfalls verboten wurde.
„Biodeutsche Trottel“
Auch das rechte Magazin eigentümlich frei unterstützt Kopp als Kommanditist mit 35.000 Euro. Die Zeitschrift vertritt, anders als Compact, rechtslibertäre Vorstellungen von einem entfesselten Kapitalismus. „Ich freue mich eigentlich über jede unabhängige Stimme, die einen Kontrapunkt setzt zur jetzigen Politik“, sagt Kopp. In jungen Jahren habe er zwar der Vorstellung angehangen, es brauche einen starken Staat, setze sich jetzt aber für das Gegenteil ein. Kopp selbst bezeichnet sich als „Ultrakonservativer mit libertärem Einschlag“.
Nicht nur sein jahrelanges Engagement, sondern auch sein bislang unbekanntes jüngstes Investment widersprechen dieser Beschreibung.
Als im Herbst 2023 im Landhaus Adlon am Lehnitzsee in Potsdam Reiche und Rechtsextreme zusammenkommen, geht es nicht zuletzt ums Geld. Correctiv berichtete, dass Aktivisten in mehreren Vorträgen ihre Projekte präsentierten und dafür Förderer suchten. Im Gespräch mit ZEIT ONLINE erzählt Kopp, dass es nicht seine erste Teilnahme an einer dieser Runden war und deutet an, er habe 5000 Euro an eine Art Influencer-Agentur gespendet, die rechte YouTuber mit Werbekunden in Kontakt bringen soll. Junge Männer aus dem Umfeld der rechtsextremen „Identitären Bewegung“ wollten Werbeplätze bei rechten Influencern vermitteln. Kopp gefiel offenbar diese Idee. Er wolle, dass junge Menschen „bestimmte Inhalte erfahren können“, sagt er.
Dem Identitären Martin Sellner, der in Potsdam über „Remigration“ referierte, habe er jedoch nichts gespendet. Der habe ja genug finanzielle Mittel. Anderen Polit-Aktivisten habe er in der Vergangenheit hingegen durchaus mal persönlich unter die Arme gegriffen, etwa weil sie nach einem geisteswissenschaftlichen Studium beruflich nur schwer Fuß gefasst hätten. Um wen es sich konkret handelt, möchte Kopp nicht verraten.
Nach den Berichten über das Treffen von Potsdam hat sich Hans-Ulrich Kopp als Geschäftsführer seiner Firma zurückgezogen, bleibt aber Eigentümer. Auch in der Burschenschaft Danubia wolle Kopp künftig keine Ämter mehr übernehmen, kündigt Kopp an. Er fühlt sich ins falsche Licht gerückt. Er sei „Rechtsdemokrat“, anders als ein Großteil der Szene lehne er als Unternehmer auch Migration nicht grundsätzlich ab: „Der letzte biodeutsche Trottel“ sei doch nicht „toller als ein Professor aus Indien“.
Diese Worte passen nicht zur Finanzierung des Compact-Magazins, das mit Titeln zu „Überfremdung“ und „Volksaustausch“ Auflage macht. Sein Name in der Kundenkartei der Neonazi-Marke Thor Steinar? Da habe er bloß einmal den Katalog bestellt, als Läden von Linksradikalen attackiert wurden.
Seine Besuche bei der revisionistischen „Gesellschaft für freie Publizistik“ bis zuletzt? Wenn ihm dort eine alte Frau gegenübersitze, die vom „Bund deutscher Mädel“ schwärme, sei das nicht seine Meinung, aber er setze sich auch nicht weg. Immer wieder versucht Kopp im Gespräch, sein politisches Wirken zu verharmlosen. Distanzieren möchte er sich davon aber nicht.
Als Kritik an den öffentlichen Aufträgen seiner Baufirma laut wurde, verwies die baden-württembergische Landesregierung auf das Vergaberecht, für das die politischen Aktivitäten eines Eigentümers kein Kriterium sind. Der Staat müsse sich stets für den günstigsten Anbieter entscheiden. Gut möglich also, dass weiterhin Gewinne aus Staatsaufträgen an Kopps Baufirma in die rechtsextreme Szene fließen.