Görlitz: CSD blieb friedlich, aber Polizei musste eingreifen

Trotz einer Gegendemo blieb der Görlitzer CSD friedlich. Die Polizei musste dennoch einschreiten – ohne verfassungsfeindliche Parolen und üble Beschimpfungen ging es bei den rechtsextremen Gegendemonstranten nicht ab.

Zum Schluss wird es doch lauter, als erhofft und geplant: Am Elisabethplatz in Görlitz stehen sich Teilnehmer der CSD-Parade und rechtsextreme Gegendemonstranten gegenüber – lautstark. Doch letztlich bleibt der CSD in Görlitz und Zgorzelec ein friedliches Fest. Laut Polizeiangeben ziehen am Sonnabend rund 720 Teilnehmer durch die beiden Städte dies- und jenseits der Neiße.

Beginn ist 12 Uhr an der oberen Berliner Straße in Görlitz. Ein mit Ballons, Fähnchen und Flaggen in Regenbogenfarben verzierter Bauwagen führt die Parade an. Es folgen nicht minder bunt aufgemachte Menschen. Zum Beispiel Jakub. Er ist aus Polen zum CSD Görlitz/Zgorzelec gekommen. Gerade auf polnischer Seite sei es wichtig, aufmerksam zu machen auf die LGBTQ-Community. Denn diese hatte in den zurückliegenden acht Jahren unter PiS-Regierung unter massiver Diskriminierung zu leiden. Heike und Robert – im Einhornkostüm – dagegen kommen aus Görlitz und nutzen den CSD für einen Familienausflug, „um queere Menschen zu stärken“, sagt Heike. „Gerade in Polen war es schwer genug für sie in den vergangenen Jahren.“ Kathrin und Lothar wiederum sind gar aus Berlin angereist, „zum Unterstützen der Ost-CSDs“, sagen sie. Sie haben mitbekommen, erzählen sie, dass in ostdeutschen Städten die CSD-Feiern verstärkt unter Beschuss geraten seien.

Rechtsextreme ziehen hinter CSD-Parade her

Angefangen hatte es mit dem CSD Bautzen vor einigen Wochen, der nur unter massivem Polizeischutz stattfinden konnte. Auch in Görlitz wurde eine Gegendemo angemeldet: Zum Start der CSD-Parade hatten sich am Bahnhof Görlitz, also in Sichtweite der obereren Berliner Straße, rund 450 offenkundige Rechtsextremisten versammelt. Während Wojciech Urlich, Hauptorganisator des CSD Görlitz/Zgorzelec, noch bei den Begrüßungsworten ist, startet auch die Gegendemo, mit Sprechchören wie „Wer Deutschland nicht liebt, soll Deutschland verlassen.“ Angemeldet war die Demo von einer Privatperson, auffällig viele Fahnen der „Jungen Nationalisten“, also der Jugendorganisation der NPD, die sich in „Die Heimat“ umbenannt hat, sind zu sehen.

„Es gab es mehrere Situationen innerhalb der Gegenversammlung, in denen die Uniformierten eingreifen und Anzeigen aufnehmen mussten“, teilt die Polizei später mit. Schon bei der Anreise von Gegendemonstranten wurden in sieben Fällen Gegenstände entdeckt, die bei Versammlungen nicht zulässig sind, Schutzbewaffnung und Vermummungen. In zwei Fällen entdeckte die Polizei verbotene Symbole auf der Kleidung.

Die Polizei hatte bereits vorab gesagt, dass sie ein Großaufgebot heranziehen würde. Wie viele Beamte genau im Einsatz sind, sagt der Görlitzer Polizeisprecher Kai Siebenäuger zwar aus taktischen Gründe nicht, „aber genug, um einen friedlichen Ablauf sicherzustellen.“ Es sind neben Kräften der Polizeidirektion Görlitz auch Bereitschafts- sowie der Bundespolizisten im Einsatz, dazu kommen Zgorzelcer Polizisten.

Von der Berliner Straße führt die CSD-Parade mit Trillerpfeifen und Musik zum Postplatz, weiter in Richtung Altstadt und zur Altstadtbrücke. In Zgorzelec geht es an der Neiße entlang zur Stadtbrücke und zurück in die Görlitzer Altstadt, wo die Parade unter dem ikonischen Disco-Song Y.M.C.A von den Village People am Elisabethplatz endet. Wojciech Urlichs erstes Fazit: „Ich freue mich einfach, über die vielen Teilnehmer. Gefühlt sind es sogar mehr als voriges Jahr.“ Nach den Vorkommnissen beim Bautzener und Döbelner CSD waren auch bei den Görlitzer CSD-Organisatoren die Sicherheitsbedenken groß. Würden viele Gäste der Parade, vor allem Familien, lieber zu Hause bleiben?

Ermittlungen nach NSDAP-Parole

Es sind viele Görlitzer Gesichter zu sehen, auch Vertreter von den Bündnisgrünen, SPD und Linksjugend, der Görlitzer Bürgermeister Benedikt Hummel nimmt teil. Es gibt aber auch viel Unterstützung von außerhalb: von Sachsens Wirtschaftsminister Martin Dulig, der SPD-Bundestagsabgeordneten Kathrin Michel aus Forst. Die Dresdner Gruppe von „Rythm of Resistance“, ein internationales Trommler-Netzwerk, begleitet die Parade mit ihrer Musik, und eine Queer-Initiative aus der Görlitzer Partnerstadt Wiesbaden mit einer 50 Meter langen Regenbogenflagge. Zur Kundgebung auf dem Elisabethplatz haben unter anderem Verdi, das „Feministische Forum“, die Initiative „Queer am Arbeitsplatz“ Stände aufgebaut. Görlitzern ebenso wie Gästen aus anderen Städten ist Urlich dankbar. „Und die Polizei hat einen super Job gemacht.“

Die 450 Gegendemonstranten hatten fast dieselbe Route wie die CSD-Organisatoren angemeldet. An der Steinstraße unterbrach die Polizei den Aufmarsch der Rechtsextremen: Hintergrund waren zwei Parolen, die die Teilnehmer lauthals skandiert hatten. Bei einer davon soll es sich um die verbotene NSDAP-Parole „Deutschland erwache“ gehandelt haben. Die Polizei leitete Strafverfahren wegen des Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger und terroristischer Organisationen sowie Volksverhetzung ein. „Darüber hinaus stellten die Beamten mehrere Auflagenverstöße sowie die Verwendung einer verfassungswidrigen Geste fest.“ An der Stadtbrücke beleidigte eine Person, die offenbar nicht zu einer der Versammlungen gehörte, einen Bundespolizisten, griff ihn an und verletzte ihn leicht.

Trotz der Vorfälle zieht die Polizei ein positives Fazit: Es sei gelungen, den CSD friedlich und weitgehend störungsfrei zu feiern. Anders als in Bautzen sorgte die Polizei für große Abstände zwischen den Gruppen. So kam man nun zum Start am Bahnhof und an der Stadtbrücke in Hör- und Sichtweite. Und am Elisabethplatz, wo beide Gruppen minutenlang Sprechchöre und Parolen skandierten. Zu gewaltsamen Übergriffen kam es nicht.