NEU: Ein Spiegel seiner Branche: Warum Bauunternehmer Christoph Gröner gerade viel Ärger hat
Der bekannte Immobilienentwickler ist ein Spiegel seiner Branche, die nach schwindelerregenden Höhenflügen in diesen Tagen hart landet. Neueste Entwicklungen lassen den 56-Jährigen aber schon wieder Licht am Ende des Tunnels sehen. „Kein Sonnenschein, doch Licht“, sagt er.
Gerade kam wieder so eine Meldung rein. Gleich vier Firmen aus Christoph Gröners Immobilien-Konzern könnte bald die Insolvenz drohen. Alle tragen das Wortpaar „Otto-Quartier“ im Namen. So heißt eine frühere Spinnerei und Weberei, die direkt am Ufer des Neckar in Wendlingen bei Stuttgart steht.
Die alten Hallen sollen zum Kern eines bunten Stadtteils werden mit viel Gewerbe, Hotel, Kita und Handel. Das Konzept erinnert stark an die Kunst- und Gewerbehöfe in Leipzig-Plagwitz, die seit 2007 ganz ähnlich verwandelt wurden. In beiden Fällen handelt es sich um Projekte des wahrscheinlich bekanntesten Bauunternehmers in Deutschland. Erst vor wenigen Wochen hatte Gröner den Sitz seines Konzerns von Berlin zurück nach Leipzig verlegt.
Baubranche am absoluten Tiefpunkt
An seinem Werdegang lassen sich die Höhen und Tiefen eines ganzen Industriezweigs ablesen – und vielleicht sogar etwas für die Zukunft lernen. Im Moment steht die Baubranche am absoluten Tiefpunkt. Hunderte Firmen gingen durch eine Krise pleite, die schon das dritte Jahr anhält. Auch große Immobilien-Haie rutschten so aufs Trockene. Pleite gingen zum Beispiel milliardenschwere Projektentwickler wie die Euroboden aus München, die Centrum und Gerchgroup aus Düsseldorf, der Eigenheim-Riese Helma aus Hannover oder Deutschlands größter Gerüstbauer Building Partners Group (BPG) aus Wandlitz.
Banken reichen kaum noch neue Kredite oder Anschlussfinanzierungen für Bauprojekte aus. Die Entwickler müssten dann Grundstücke verkaufen, was aber nur mit hohen Verlusten möglich ist. Trotzdem versicherte Gröner mehrfach, für seine Gruppe bestehe keine Insolvenzgefahr. Um den Geschäftsbetrieb und 600 Arbeitsplätze abzusichern, stecke seine Familien-Holding jeden Monat zwei bis vier Millionen Euro in das Unternehmen. Insgesamt seien schon an die 100 Millionen Euro privater Mittel geflossen.
Doch immer wieder kamen neue Hiobsbotschaften dazu. Die Insolvenzen der österreichischen Immobilienriesen Signa und Imfarr hätten schließlich die ganze Branche extrem verunsichert, räumte Gröner ein. Deshalb werde mitunter auch ein kleiner Wellenschlag in Finanzierungsfragen als möglicher Vorbote einer Sturmflut gedeutet.
Solche Wellenschläge gab es auch im Konzern des 1,95 Meter großen Unternehmers mehrfach. Mal setzte er ein Gemälde des Leipziger Malerstars Neo Rauch als Pfand ein. Mal wurden offene Stromrechnungen bei den Stadtwerken Leipzig für Gewerbeobjekte in Plagwitz bekannt. Für Arbeiten im „Otto-Quartier“ bei Stuttgart wartet ein Abbruch-Unternehmer auf Bezahlung einer hohen sechsstelligen Summe, berichtete soeben das „Handelsblatt“. Deshalb habe er Insolvenzanträge gegen die vier Firmen eingereicht.
Zehn Insolvenzanträge abgewehrt
Laut dem Stuttgarter Rechtsanwalt Philipp Grub geht es beim „Otto-Quartier“ bisher aber nur um Gutachteraufträge des dortigen Amtsgerichts. „Das ist anders als bei der Anordnung einer vorläufigen Insolvenzverwaltung.“ Zum Beispiel könnten die Eigentümer weiter frei über das Kapital der Firmen verfügen. Als Sachverständiger solle er lediglich prüfen, welche Forderungen berechtigt sind und ob eine Zahlungsunfähigkeit vorliegen könnte, sagte der Anwalt gegenüber der LVZ. „Anschließend entscheidet das Gericht, wie es weitergeht.“
Vor einem Jahr hätte solch ein Vorgang noch als spektakulär gegolten. Inzwischen reißt dergleichen weniger stark vom Hocker. Denn in den vergangenen Monaten wurden bereits gegen mindestens zehn Firmen aus dem Gröner-Verbund Insolvenzeröffnungsverfahren eingeleitet und vorläufige Insolvenzverwalter eingesetzt. Dort waren die Gerichte also jeweils schon viel weiter. Doch alle diese Fälle sind inzwischen aus der Welt geschafft.
Die letzten Vorgänge betrafen dabei drei Leipziger Handwerksfirmen (CG Ausbau, CG Rohbau und CG Gebäudetechnik GmbH). Sie standen mit insgesamt 200.000 Euro Versichertenbeiträgen bei der AOK-Plus in der Kreide. Am 13. September trafen die Überweisungsbelege nun für alle offenen Summen ein, teilte eine Sprecherin der Krankenkasse auf Anfrage mit. „Sobald das Geld auf unseren Konten liegt, werden wir das Gericht informieren.“
Der Mann, zu dem die Initialen CG gehören, ist 56 Jahre alt und durchtrainierter Hobby-Boxer. Er hat schon mehrere Branchenkrisen erlebt, stand immer wieder auf. Ursprünglich stammt er aus Karlsruhe, wo er im Alter von 21 die „Christoph Gröner Baudienste“ gründete, um ein Maschinenbau-Studium zu finanzieren. Das Studium brach er ab, zog 1995 in die Boomtown des Ostens um. In Leipzig begann der frühere Bauhelfer, im großen Stil Gründerzeithäuser zu sanieren, wofür es reichlich Steueranreize des Bundes gab.
Stärke der CG-Gruppe im Handwerk
Firmensitz war lange eine wunderschöne Villa in der Querstraße. Dort wurde die Sanierung ganzer Häuserkarrees in Connewitz, Gohlis oder dem Waldstraßenviertel dirigiert. Als Stärke der damaligen CG-Gruppe galt, dass sie eigene Handwerkersparten erschuf, die zum Beispiel massenhaft historische Türen und Fenster aufarbeiten konnten. Bedarf gab es genug, denn Leipzigs Altbauten waren zu DDR-Zeiten völlig
verfallen.
Doch der Boom endete, als zur Jahrtausendwende in der Messestadt 60.000 Wohnungen leer standen. Viele Baufirmen verschwanden, während Gröner sich mehr auf Gewerbeobjekte verlegte. 2008 folgte die nächste Krise. Nun ging eine Firma aus den Niederlanden pleite, die gemeinsam mit CG frühere Industrieflächen in Plagwitz wiederbeleben wollte. Auch damals hatten die meisten Banken ihre Kassen geschlossen wegen der Weltfinanzkrise. Gröner gelang es nur knapp, Kompromisse mit Handwerkern zu schließen, die auf ihr Geld warteten. Bald darauf verlegte er den Konzernsitz nach Berlin.
Um Europas Wirtschaft anzukurbeln, folgte eine Null-Zins-Politik der EU. Wer überhaupt noch Zinsen für sein Vermögen oder Pensionen erlangen wollte, stürzte sich auf Betongold, dessen Mieteinnahmen gute Renditen versprachen. Die Immobilienpreise verdoppelten sich in kurzer Zeit. Auch Gröner verdiente prächtig. 2018 verfügte die CG-Gruppe über eine bundesweite Projekt-Pipeline von nahezu zehn Milliarden Euro. Die Wochenzeitung „Die Zeit“ druckte ein Foto des Chefs in Siegerpose auf der Titelseite und schrieb dazu: „Dieser Mann wird immer reicher.“
Baukräne am 3. Oktober angezündet
Am 3. Oktober des Folgejahres brannten Kräne auf einer Großbaustelle in Leipzig. Dort wollte Gröner das frühere Technische Rathaus in eine Wohnanlage umwandeln. Durch zahlreiche Auftritte in Talkshows und Dokumentationen war der mediengewandte Unternehmer zum Feindbild eher linker Mieterinitiativen geworden. Dem entgegen drückten im Internet viele junge Leute ihre Bewunderung für das Engagement des vierfachen Vaters bei sozialen Initiativen (wie der Leipziger Tafel) aus. Und sie lobten dessen Ideen, um künftig klimagerecht und trotzdem zu erschwinglichen Mieten zu bauen. Hauptsächlich soll das durch weitgehend vorgefertigte Häuser und CO2-freie Heizanlagen gelingen.
Zeitgleich schloss sich der Branchenstar aber wieder mit vermeintlich finanzstarken Investoren zusammen, um noch schneller zu wachsen. Sie zwangen ihn später, Leipzigs größtes Bauvorhaben mit 2600 Wohnungen auf dem Eutritzscher Freiladebahnhof zu verkaufen. Gröner wurde als Spekulant hingestellt. Dabei sah er sich selbst nie als Zahlenakrobat, sondern stets als Baulöwe, der unbedingt selber bauen will.
Tatsächlich hatte er beispielsweise 2021 zu einem Sommerfest in die früheren Bleichertwerke in Gohlis eingeladen. Dort ging er dann von Tisch zu Tisch, um sich bei jedem Bewohner der denkmalgeschützten Anlage persönlich für Verzögerungen im Bauablauf zu entschuldigen. Leute aus seinem Team erzählten, er habe die geplanten Eigentumswohnungen in dem Quartier viel zu früh und daher viel zu billig verkauft. Nach dem Baustart stiegen die Material- und weitere Kosten massiv. Ein Spekulant hätte in so einer Situation vielleicht eine Hintertür in den Verträgen gesucht. Doch Gröner ließ die Bleichertwerke fertigstellen – trotz wirtschaftlicher Verluste.
2021 ging die Liaison mit den Finanzjongleuren, die inzwischen als Adler Group firmierten, wieder auseinander. Ein Teil der früheren CG-Grundstücke (wie das Neubau-Forum am Leipziger Ostplatz) blieb bei Adler. Mit dem Rest versuchte Gröner einen Neustart, geriet aber schon wenige Monate später in die ersten Strudel der schwersten Baukrise seit der Wiedervereinigung.
Fußball-Sponsoring eingestellt
Weil die Zinsen wieder stiegen, waren die extrem hohen Grundstücks-, Planungs- und Materialkosten plötzlich nicht mehr finanzierbar. Gröner versuchte vor allem, Zeit zu gewinnen. Und er räumte ein, seine Firmen würden „sicher nicht immer pünktlich“ zahlen. Doch so lange das nötig ist, wolle er die Löcher mit Mitteln aus seinem Privatvermögen stopfen. Dafür verkaufte er unter anderem Grundstücke in Südfrankreich und Teile seiner Porsche-Sammlung, stellte auch das Sponsoring von bekannten Fußball-Mannschaften ein: so bei RB Leipzig, Hertha BSC und dem Karlsruher Sportclub (KSC).
Jedoch könne es immer mal ruckeln, weil er auch keine Millionen frei verfügbar auf Bankkonten liegen habe, so der Unternehmer. Vielmehr sei das Vermögen der Familien-Holding in Projekten gebunden, die sich nicht jederzeit sinnvoll versilbern ließen.
Die Betroffenen haben dafür natürlich kaum Verständnis. Allein im Raum Leipzig sind der LVZ drei Fälle bekannt, bei denen eine Firma für Blitzschutz-Technik, eine PR-Agentur und ein großer Energieversorger vor Gericht gezogen sind, um aus ihrer Sicht offene Beträge einzutreiben. „Wenn seine Unternehmen tatsächlich zahlen können: Warum tun sie es dann nicht“, fragt einer der Gläubiger, der künftig nicht mehr für die Gruppe arbeiten will.
Gröner hat nach eigenen Worten inzwischen neue Finanzierungsmodelle entwickelt, die seine Gruppe unabhängiger von Banken machen sollen. Der „Immobilien-Zeitung“ sagte er, die Kreditlinien des Konzerns würden sich auf 900 Millionen Euro belaufen. Er sei gerade dabei, internationale Investoren für einige Vorhaben zu gewinnen, die sich sehr zeitnah fertigstellen lassen. Um offene Zahlungsforderungen kümmere sich ab sofort eine neue Taskforce, damit es nicht immer wieder zu Insolvenzanträgen und damit negativen Schlagzeilen kommt.
Gegenüber der LVZ verwies er unter anderem auf die jüngsten Zinssenkungen der Europäischen Zentralbank. Das Klima am Bau helle sich gerade etwas auf. „Wir sehen ein Licht am Ende des Tunnels. Wenn dort auch kein Sonnenschein zu erkennen ist, dann doch Licht.“ Er wolle mit seinen Beschäftigten weiter durch schwieriges Fahrwasser steuern. In der Erwartung, dass sich die Branchenkrise 2025 ihrem Ende zuneigt. „Wer dann durchgehalten hat, wird belohnt werden“, meinte Gröner.