Gegner und Befürworter: 200 Menschen demonstrieren in Leipzig am neuen Flüchtlingsheim
Seit Tagen sorgt eine geplante Asylunterkunft im Leipziger Nordosten für Diskussionen. Am Samstag haben Gegner und Befürworter im Stadtteil Thekla demonstriert. Eine Demo ist überraschend abgesagt worden.
Mehr als 200 Menschen sind am späten Samstagnachmittag gegen eine geplante Flüchtlingsunterkunft in der Tauchaer Straße in Leipzig-Thekla auf die Straße gegangen. Entgegen der ursprünglichen Ankündigung war die zu diesem Zweck angemeldete Demonstration jedoch von ihrem privaten Veranstalter zuvor ohne Angabe von Gründen kurzfristig abgesagt worden.
Offenbar hatte sich das wohl nicht überall herumgesprochen. Als sich immer mehr Menschen auf einer Wiese an der Stollberger Straße in der Nähe des künftigen Asylheims für 120 Personen einfanden, meldete schließlich ein junger Mann aus der Menge heraus eine Spontandemo bei der Polizei an. Bevor sich der Zug dann in Bewegung setzte, sprach der CDU-Landtagsabgeordnete Holger Gasse kurz zu den Leuten, wurde anfangs allerdings immer wieder von Sprechchören „Wir wollen die AfD sehen“ unterbrochen.
Genau das war es, was Gasse dazu bewogen hatte, das Wort zu ergreifen. Er wolle verhindern, so der CDU-Politiker gegenüber der LVZ, dass die Veranstaltung „von der AfD gekapert wird“. Er verurteilte den vor einer Woche verübten Brandanschlag auf das Asylheim, das voraussichtlich im Herbst bezogen werden soll, und gab den Zuhörern zu verstehen, dass er die Kommunikation der Stadtverwaltung zur Einrichtung der Unterkunft sehr kritisch sieht. Es sei das „größte Versagen, dass die Stadtverwaltung sich nicht einmal Ihnen gegenübergestellt hat“, erklärte er.
Dabei gehe es bei anderen Vorhaben der Stadt durchaus anders. Im vergangenen Sommer sei in Mockau ein Spielplatz gebaut worden, berichtete Gasse. „Da kommt die Stadtverwaltung mit einem Mitarbeiter, stellt große Infotafeln auf und schafft es, innerhalb von zwei, drei Wochen dreimal eine Bürgerbeteiligung zu organisieren. Und bei so einem brisanten Thema hier kommt kein Mensch. Das finde ich eine Sauerei!“
Er empfahl den Theklaern daher, die öffentliche Sitzung des Stadtbezirksbeirates Nordost am 7. August in der Schönefelder Gedächtniskirche zu besuchen, auf der die Asylheimpläne ab 18 Uhr dann erstmals öffentlich vorgestellt werden sollen.
Für die AfD ergriff der Landtagsabgeordnete Holger Hentschel das Wort – allerdings erst, nachdem der Demonstrationszug wieder zurückgekehrt war und vielleicht noch 50 Menschen zuhörten und ihm wiederholt applaudierten. „Die Bürger werden nicht mitgenommen, im besten Fall im Nachhinein informiert“, warf er dem Rathaus vor. Seine Partei habe daher im Stadtrat den Antrag gestellt, das Flüchtlingsheim für das zu nutzen, wofür es geplant worden war: als Seniorenwohnanlage.
Kasek: „Dürfen rassistische Stimmungsmache nicht zulassen“
Zuvor hatten sich vor der künftigen Flüchtlingsunterkunft schätzungsweise 50 Gegendemonstranten versammelt. Es sei wichtig, deutlich zu machen, „dass wir nicht zulassen werden, dass sich irgendwo rassistische Stimmungsmache breitmacht“, sagte der Grünen-Stadtrat Jürgen Kasek, der die Demonstration für die Initiative „Omas gegen Rechts“ angemeldet hatte.
Der Leiter einer Asylunterkunft für mehr als 200 Menschen in Grünau berichtete den Teilnehmern aus seinem Alltag mit Flüchtlingen. Er sagte, dass es überall, wo Asylheime eingerichtet werden, dieselben Vorbehalte bei den Nachbarn gebe. Sämtliche Bedenken lösten sich im Laufe der Zeit jedoch in nichts auf, hob er vor. Es gebe „keine Bestätigung für eine erhöhte Kriminalität, für einen kulturellen Überfall“.
Linken-Landtagsabgeordnete Juliane Nagel verteidigte die Einrichtung der Unterkunft in Thekla. „Fast 1000 Menschen in dieser Stadt leben in fünf Zeltlagern. Das muss ein Ende haben“, forderte sie. Die Geflüchteten müssten in Wohnungen leben können, „ganz normal in unserer Mitte, nicht gebündelt zu Hunderten in einem Haus“.
Nagel rief zudem ihre Mitstreiter auf, mit den Anwohnern ins Gespräch zu kommen. „Hier gibt es Bedenken, Ängste und Fragen, auch wir können darauf Antworten geben“, sagte sie. Tatsächlich gab es im Verlaufe des Nachmittags vereinzelte Dialoge, in die sich auch die SPD-Stadträte Anja Feichtinger und Andreas Geisler einbrachten, die das Geschehen in Thekla mitverfolgt hatten. Beide Versammlungen verliefen bis zum Ende friedlich.
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Klaus Staeubert 26.07.2024
Neues Asylheim in Leipzig-Thekla kann erst später in Betrieb gehen
Der Zeitplan für die Inbetriebnahme der Flüchtlingsunterkunft in Leipzig-Thekla ist nicht zu halten – das war dem Rathaus schon im Juni klar. Doch erst durch eine LVZ-Recherche kommt die Panne jetzt raus. So geht es weiter.
Panne bei der Übernahme der neu gebauten Asylunterkunft in der Tauchaer Straße in Leipzig-Thekla durch die Stadt: Eigentlich sollten dort schon im August die ersten Flüchtlinge einziehen. Doch daraus wird auch in den nächsten Wochen noch nichts. Die für die Anlage vorliegende Baugenehmigung ist unzureichend.
Vor zwei Jahren Bau als Seniorenwohnheim genehmigt
Die Stadtverwaltung bestätigte am Donnerstag gegenüber der LVZ Gerüchte, wonach auf dem Grundstück ursprünglich eine Wohnanlage für Senioren entstehen sollte. „Für die Adresse Tauchaer Straße 100-104 wurde im März 2022 eine erste Baugenehmigung zum ,Neubau eines Seniorenwohnheims mit 22 WE (betreutes Wohnen)’ erteilt“, hieß es aus dem Amt für Bauordnung und Denkmalpflege. Im vergangenen Jahr 2023 erfolgte bereits eine Änderung der Baugenehmigung. Es ging darum, die Zahl der Wohneinheiten (WE) auf 23 zu erhöhen sowie auf ein Kellergeschoss, auf Loggien und Wintergarten zu verzichten.
Zwischenzeitlich war das 1800 Quadratmeter große Grundstück an der Tauchaer Straße 100, zu dem auch ein leerstehendes denkmalgeschütztes Haus gehört, für 2,5 Millionen Euro zum Verkauf angeboten worden. Schließlich entschied sich die Stadt, den aus drei Gebäuden bestehenden Komplex vom heutigen Eigentümer, einem aus der Ukraine stammenden Unternehmer, zu mieten.
Am 19. Juni gab Oberbürgermeister Burkhard Jung (SPD) grünes Licht für den Abschluss des Mietvertrages. Am gleichen Tag informierte das Rathaus darüber per Pressemitteilung. Am 7. August wird Sozialbürgermeisterin Martina Münch (SPD) ab 18 Uhr das Projekt auf einer öffentlichen Sitzung des Stadtbezirksbeirats Nordost in der Schönefelder Gedächtniskirche vorstellen.
Die Baubehörde war zunächst davon ausgegangen, dass die bestehende Baugenehmigung für das Objekt ausreicht. Mitte Juni, so das Rathaus am Donnerstag, habe sich allerdings gezeigt, dass eine Änderung der Baugenehmigung doch erforderlich sei. Diese habe der Eigentümer dann am 24. Juli offiziell beantragt. Solange das Baurechtsverfahren nicht abgeschlossen ist, kann die Stadt die Wohnhäuser nicht mieten.
Mietvertrag tritt erst nach Änderung der Baugenehmigung in Kraft
„Der Mietvertrag zur Nutzung durch die Stadt tritt erst in Kraft, wenn die geänderte Baugenehmigung vorliegt“, teilte das Sozialamt auf LVZ-Anfrage mit. Dies sei auch so vertraglich vereinbart worden. Die Sozialbehörde plant derzeit mit einem Belegungsbeginn ab dem vierten Quartal dieses Jahres.
Die Wohnanlage umfasst aktuell 29 unterschiedlich große Wohneinheiten für jeweils vier bis zwölf Personen mit eigenem Sanitär- und Küchenbereich. Insgesamt finden dort 120 Personen Platz. Die reinen Mietkosten belaufen sich nach Rathausangaben auf 390 000 Euro pro Jahr, was 16 Euro pro Quadratmeter Wohnfläche entspricht.
So informiert die Stadtverwaltung über Asylheime
Anwohner hatten unter anderem eine zögerliche Informationspolitik des Rathauses zu der Flüchtlingsunterkunft kritisiert. Diese unterscheidet sich laut Sozialamt allerdings nicht von anderen Fällen: „Grundsätzlich informiert die Stadtverwaltung nach der Entscheidung über die Anmietung beziehungsweise Einrichtung neuer Gemeinschaftsunterkünfte die Ortsvorstehenden sowie die Vorsitzenden des Stadtbezirksbeirates der betreffenden Stadtbezirke. Dabei wird regelmäßig das Angebot über eine Information im Rahmen einer Sitzung des Stadtbezirksbeirates unterbreitet.“ Diese könne im konkreten Fall erst am 7. August stattfinden, weil die politischen Gremien im Juli in der Sommerpause waren.
Demo-Anmelder: Unpassender Ort für Flüchtlingsunterkunft
Für diesen Samstag jedenfalls hat eine Bürgerinitiative Thekla ab 16 Uhr (Parkplatz am Netto-Markt in der Stollberger Straße) eine Demonstration angekündigt. Das Ordnungsamt bestätigte gegenüber der LVZ die Anmeldung eines Aufzugs unter dem Motto „Demonstration gegen die geplante Flüchtlingsunterkunft in der Tauchaer Straße 100“ in der Zeit von 16 bis 18 Uhr.
Anmelder ist Philip Weber. Er rechnet mit etwa 200 Teilnehmern. Warum der Mittzwanziger (Berufskraftfahrer, alleinerziehender Vater eines dreijährigen Sohnes) das erste Mal in seinem Leben eine Demonstration initiiert, erklärte er gegenüber der LVZ so: „Für eine Flüchtlingsunterkunft ist das ein unpassender Ort. Hier im Herzen von Thekla wohnen viele Rentner, viele Kinder, viele Familien. Es ist sehr nahe am Kindergarten und an der Schule. Es wäre schön, wenn wir eine Lösung finden könnten, mit der alle zufrieden sind.“ Er habe alle Parteien angeschrieben, dabei zu sein, um mit den Bürgerinnen und Bürgern „in einen Dialog zu treten“. FDP und Bündnis Sahra Wagenknecht hätten abgesagt, CDU und AfD zugesagt, die anderen gar nicht erst reagiert.
Vorwurf: Demo von Rechtsextremen unterwandert
Ein möglicher Grund: Zur Demo wird nach Aussagen des Grünen-Stadtrats Jürgen Kasek bereits über die Kanäle der rechtsextremen Freien Sachsen aufgerufen. Von denen, erwidert Weber, grenze sich die Bürgerinitiative jedoch ganz bewusst ab. „Wir haben von denen keinen eingeladen“, sagt er, „und es ist auch besser, wenn die nicht erscheinen.“
CDU-Politiker will „Stimmung vor Ort aufnehmen“
Erscheinen will hingegen der CDU-Landtagsabgeordnete Holger Gasse – und auch reden. „Mir ist das Thema nicht egal“, begründete der Politiker, der im Nordosten seinen Wahlkreis hat. „Ich will die Stimmung vor Ort aufnehmen.“ Der Umgang der Stadtverwaltung mit dem Thema sei ein Beispiel dafür, wie Bürgerbeteiligung nicht laufen dürfe. Zugleich forderte Gasse aber von den Teilnehmern, verfassungsfeindlichem und fremdenfeindlichem Verhalten keinen Raum zu geben.
Gegendemonstration der „Omas gegen Rechts“
Bereits ab 15 Uhr hat die Initiative „Omas gegen Rechts“ zu einer Gegendemonstration vor der künftigen Flüchtlingsunterkunft, auf die am vergangenen Wochenende ein Brandanschlag verübt worden war, aufgerufen. „Wir wollen ganz deutlich machen, dass wir die Verbreitung von Hass und Hetze nicht dulden, auch wenn wir diese Geflüchtetenunterkunft aufgrund der Lage nicht für komplett geeignet halten“, so deren Sprecherin Katrin Saborowski.
Weitere neue Flüchtlingsunterkünfte in diesem Jahr
In diesem Jahr will die Stadt Leipzig noch zwei weitere Gemeinschaftsunterkünfte für Flüchtlinge in Betrieb nehmen.Papiermühlstraße 5 in Stötteritz: Das Mehrfamilienhaus bietet Platz für 46 Menschen. Die Kommune mietet es für zehn Jahre von einem Privateigentümer an, dem auch die Betreibung des Objektes und die soziale Betreuung der Bewohner übertragen wurden. Geplant war die Inbetriebnahme schon im Juli. Derzeit geht das Sozialamt von einer Belegung ab der zweiten Augusthälfte aus.
Am 13. August stellt die Stadt das Vorhaben den Bürgerinnen und Bürgern auf der Sitzung des Stadtbezirksbeirates Südost vor (ab 18 Uhr, Franz-Mehring-Schule in der Gletschersteinstraße 9).
Hohmannstraße 7c in Eutritzsch: Das ehemalige Bürogebäude wird derzeit umgebaut, soll künftig über 210 Plätze in Zimmern für ein bis sechs Personen mit Gemeinschaftsküchen und Sanitärbereichen verfügen. Im Dezember sollen die ersten Bewohner einziehen.
Am 8. August informiert die Stadtverwaltung die Anwohner ab 18 Uhr auf der Sitzung des Stadtbezirksbeirates Nord in der Friedenskirche, Kirchplatz 3, über die Flüchtlingsunterkunft.
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Klaus Staeubert 24.07.2024
Neue Flüchtlingsunterkunft in Leipzig: „Die Leute hier sind nicht begeistert“
120 Geflüchtete sollen schon bald im Leipziger Nordosten leben. Die Stadt hat an der Tauchaer Straße drei Wohnhäuser angemietet. Anwohner üben Kritik an der Stadt. Ein Stimmungsbild aus Thekla.
An der Haltestelle warten drei Mädchen auf ihren Bus. Sie haben ein paar aufblasbare Schwimmhilfen dabei. Der „Bagger“, Leipzigs bekanntester Badesee im Nordosten der Stadt, ist keine zehn Minuten zu Fuß von hier entfernt. Hinter der Haltestelle an der Tauchaer Straße, wo die Neutzscher im spitzen Winkel abzweigt, sind in den vergangenen Monaten drei Wohnhäuser entstanden. Sie wirken einzugsbereit. Nur der Hof, über den am Dienstagmittag ein Arbeiter eilig huscht, sieht noch nach Baustelle aus.
Die weiße Fassade der Dreigeschosser ist mit fremdenfeindlichen Parolen wie „Ausländer raus“ bekritzelt. An einer Stelle haben Rußschäden den Putz angegriffen. Reste des Brandanschlags vom Wochenende, als dessen Verursacher die Polizei einen 24-jährigen Mann ermitteln konnte.
Stadt Leipzig mietet an: Unterkunft kostet 16 Euro pro Quadratmeter
Ein Baustellenschild, das üblicherweise Auskunft zum Projekt, zum Bauleiter und Architekten gibt, fehlt. Die Leute in Thekla wissen dennoch längst, was an dieser Stelle geplant ist. Eine Flüchtlingsunterkunft mit 29 Wohnungen für bis zu 120 Personen. Von der Stadt gemietet für zunächst zehn Jahre. Die ersten Bewohnerinnen und Bewohner sollen schon im August einziehen. Die jährlichen Kosten für die Anlage beziffert die Stadtverwaltung in einem Papier an den Stadtrat mit zwei Millionen Euro. Knapp eine Million Euro davon wird demnach allein die Betreibung des Objektes kosten, eine halbe Million Euro sind für Asylbewerberleistungen dabei und 390 000 Euro Miete, was einem Preis von 16 Euro pro Quadratmeter entspricht.
„Stadt gab Entscheidung erst nach der Kommunalwahl bekannt“
Wir sprechen vor Ort mit Mario. Der 66-Jährige kommt auf seinem Fahrrad angeradelt. Er lebt seit knapp zehn Jahren in der Gegend, kennt sich hier gut aus. Der Bauherr sei ein Osteuropäer, so wird es erzählt. Der habe ursprünglich ein Altersheim geplant. Ihm sei aber wohl der Betreiber abgesprungen. Dass die Stadt die Neubauten als Flüchtlingsunterkunft übernimmt, das hatte sich schon vor den Kommunalwahlen herumgesprochen, berichtet Mario. „Die Stadt hat das aber erst nach der Wahl bekannt gegeben.“
Gut käme das nicht an im Ortsteil, sagt er. „Es sind ja viele Leute, die hier wohnen. Gerade rüber wurde neu gebaut. Dahinter sind Kindergarten und Schule.“ Er zeigt auf das schön restaurierte alte Postamt hinter ihm, das heute ein Wohnhaus ist. Die Mieten seien happig. „Also die Leute, die hier ringsum wohnen, sind nicht begeistert.“ Ihn störe das Flüchtlingsheim nicht, „wenn alles ruhig zugeht, ich habe keine Vorurteile.“ Ein Foto von sich und seinen vollständigen Namen will er – wie auch andere, mit denen wir sprechen – jedoch nicht in der Zeitung sehen. Zu groß die Sorge vor Anfeindungen von allen Seiten. Er wolle seine Rente in Ruhe genießen.
Als im Haus nebenan einige Bewohner mitkriegen, worüber wir uns auf der Straße unterhalten, verlassen sie ihre Terrasse und verschließen die Balkontür.
Leipziger Bürgermeisterin steht Bürgern am 7. August Rede und Antwort
„Es ist etwas anderes, ob hier 50 alleinstehende Männer wohnen oder Familien einziehen“, sagt Christiane, eine Endvierzigerin aus Thekla, die gerade vorbeikommt. „Eine richtige Information, was hier gebaut wird, hatten wir als Anwohner nie bekommen“, beklagt die Mutter und wirft der Stadtverwaltung eine schlechte Kommunikation vor. „Aber das sind wir ja gewöhnt.“
Die Verwaltung wird sich vor den Bürgerinnen und Bürgern erstmals am 7. August äußern, fast zwei Monate, nachdem Oberbürgermeister Burkhard Jung (SPD) die Entscheidung getroffen hatte, den Mietvertrag über das Objekt abzuschließen. Sozialbürgermeisterin Martina Münch (SPD) soll dann ab 18 Uhr auf der öffentlichen Sitzung des Stadtbezirksbeirats Nordost in der Gedächtniskirche Schönefeld in der Ossietzkystraße 41 Rede und Antwort stehen. Anderthalb Stunden sind dafür eingeplant.
Kein Problem mit Heim, solange „Ruhe herrscht und es sicher ist“
Sie hätte sich gewünscht, sagt Christiane, dass die Verantwortlichen im Rathaus die Menschen vor Ort früher einbeziehen. „Das ist ein Schulweg, unsere Kinder gehen hier zur Schule.“ Da gebe es nun mal Fragen. Mit dem Asylheim selbst habe sie kein Problem, solange „Ruhe herrscht und es sicher ist“.
Demonstration für Samstag angekündigt
Beim Bäcker ein paar Schritte weiter hängt – wie an mehreren anderen Stellen – ein Flyer im Schaufenster. Er kündigt für Samstagnachmittag, 16 Uhr, eine Demo gegen die Flüchtlingsunterkunft an. „Zukunft für unsere Senioren – keine Verdrängung“ lautet das Motto. Auf die Frage, wie denn so jetzt die Stimmung in Thekla wegen der Flüchtlingsunterkunft sei, zeigt eine Kundin wortlos mit dem Daumen nach unten.
„Wir hatten einen Flyer für die Demo im Briefkasten“, berichtet Christiane noch. Doch hingehen werde sie nicht. Auch Mario nicht. Er hofft derweil, „dass es ruhig und friedlich bleibt, das ist das Allerwichtigste.“
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fku 19.06.2024
Leipzig will drei neue Unterkünfte für Geflüchtete einrichten
Leipzigs Einrichtungen für geflüchtete Menschen sind voll. Deswegen sollen im Norden, Nordosten und Südosten der Stadt drei neue errichtet werden – und das noch dieses Jahr.
Weil die Kapazitäten der bestehenden Gemeinschaftsunterkünfte in Leipzig erschöpft sind, will die Stadtverwaltung neue einrichten – und das noch dieses Jahr. Das teilte das Rathaus am Mittwoch mit. Damit soll Platz für bis zu 376 Personen geschaffen werden. Dafür will die Stadt drei Gebäude im Leipziger Südosten, Nordosten und Norden anmieten.
Dazu gehört im Stadtteil Stötteritz ein Mehrfamilienhaus in der Papiermühlstraße 5. Es soll ab Juli gemietet werden, hieß es. Der private Eigentümer des Objekts werde die Unterkunft im Auftrag der Stadt betreiben und übernehme auch die soziale Betreuung. In dem Mehrfamilienhaus sei Platz für bis zu 46 Geflüchtete.
120 Menschen sollen in Thekla unterkommen
Weitere 120 Menschen sollen in einem Gebäudekomplex in Thekla Platz finden. In der Tauchaer Straße 100 entsteht derzeit ein Komplex mit drei Gebäuden mit insgesamt 29 Wohnheiten unterschiedlicher Größe. Sie verfügen über eigene Sanitär- und Küchenbereiche. Dort können je nach Größe vier bis zwölf Geflüchtete wohnen. Die Bauarbeiten werden voraussichtlich im August abgeschlossen und die Gebäude danach angemietet.
Die größte Unterkunft soll in der Hohmannstraße 7c in Eutritzsch errichtet werden. Dabei handle es sich um ein ehemaliges Bürogebäude, das derzeit umgebaut werde. 210 Menschen sollen dort voraussichtlich ab Dezember beherbergt werden. Die Einrichtung verfüge über Zimmer mit Platz für ein bis sechs Personen sowie Gemeinschaftsküchen und gemeinschaftlich genutzte Sanitärbereiche.
Alle drei Gebäude will die Stadt für zehn Jahre mieten. Die Unterbringungen in Thekla und Eutritzsch sollen extern bewirtschaftet werden, auch die soziale Betreuung und der Sicherheitsdienst werde extern geregelt.
OBM Jung möchte Zeltstädte ablösen
„Die Zahl der Geflüchteten, die durch die Stadt Leipzig unterzubringen sind, ist in den letzten Jahren erheblich gestiegen“, so die Stadt. Alle Plätze in bestehenden Gemeinschaftsunterkünften seien belegt. Deswegen müssen einige Geflüchtete vorrübergehend in Notunterkünften untergebracht werden, hieß es aus dem Rathaus. Sechs davon gibt es aktuell, mit 1244 Plätzen in Zelten.
Diese Situation wollte Oberbürgermeister Burkhard Jung (SPD) schnell ändern – auch aus finanziellen Gründen, kündigte er zuletzt an. Auch der Leipziger Großvermieter LWB kündigte an, zeitnah eine größere Flüchtlingsunterkunft bauen zu wollen.