Überraschung auf dem Jahrtausendfeld

Die Stadtbau AG möchte der Stadt einen Teil vom Gelände abgeben. Die Petition gegen die Bebauung läuft noch bis zum 5. Juli.

Der seit Monaten schwelende Konflikt um das Jahrtausendfeld in Lindenau könnte eine überraschende Wendung nehmen. Die Stadtbau AG, die auf der Fläche den neuen Campus der International School errichten möchte, scheint bereit der Stadt einen Teil des Jahrtausendfelds zu verkaufen, damit dort eine Freifläche erhalten bleiben kann.

Vor der Stadtratssitzung am Mittwoch nahm Beate Ehms (Linke), Vorsitzende des Petitionsausschusse, von den Initiatorinnen der Petition gegen die Bebauung des Jahrtausendfeldes um Nora Fleischer die bisher gesammelten fast 6.800 Unterschriften entgegen.

Bereits beim Zwischenkolloquium im Dialogverfahren um die Zukunft des Jahrtausendfeldes wurde den beteiligten Architekturbüros als neue Aufgabe mit auf dem Weg gegeben, dass sie in ihren Entwürfen uneingeschränkte, rund um die Uhr von der Öffentlichkeit nutzbare Freiräume entwickeln sollen, sich bei der Bebauung an den Höhen der umliegenden Gebäude orientieren und auch Ideen für den Hol- und Bringverkehr beisteuern.

Bereits im Vorfeld verwunderte ein LVZ-Interview mit Brigitta Ziegenbein, die das Stadtplanungsamt seit 2021 leitet. Sie charakterisierte die Freifläche im Leipziger Westen als »kein gesundes Grün«. Damit meint sie, dass das ehemals vom Landmaschinenhersteller genutzte Gebiet »belastet« sei, da es nur oberirdisch beräumt ist und bisher keine Bodensanierung erfolgte, was ihrer Meinung nach gegen einen Freiraum und damit eine unbebaute Fläche spricht:

»Das heißt, es ist dort letztendlich kein sicheres, gesundes Grün.« Statt also den Freiraum qualitativ aufzuwerten, um das Erbe der Industrialisierung zu überwinden, erklärt Ziegenbein: »Nun kommt dazu, dass sich die internationale Schule Leipzig (LIS) dort neu verankern möchte. Das ließe sich also gut miteinander verknüpfen.«

Der Verwaltungsstandpunkt (federführend formuliert vom Stadtplanungsamt) zur Petition lehnt eine Freifläche ebenfalls ab. Dabei wird die innovative International School betont, die von der Petition an sich gar nicht in Frage gestellt wird, nur nicht auf dem Jahrtausendfeld. Vielmehr werden Freiflächen in der Nähe wie um den Plagwitzer Bahnhof oder die Antoniestraße beschrieben.

Als Aufgabe an die Stadt gilt hier: »Der OBM wird beauftragt, im Rahmen der Entwicklung des Schulcampus die Entstehung öffentlicher Freiräume abzusichern und verbindliche Regelungen für die angestrebte öffentliche Nutzung der entstehenden Schul- und Sportfreiflächen sowie der Schulgebäude zu vereinbaren.«

Wende im Prozess

Währenddessen gibt es eine Wende im Verfahren um das Jahrtausendfeld. Volker Külow und Franziska Riekewald (beide Linke) trafen sich mit Patrik Fahrenkamp, der die Stadtbau AG leitet. Fahrenkamp steht aber nicht nur dem Eigentümer des Jahrtausendfeldes vor, sondern engagiert sich bereits seit längerem bei der zukünftigen Nutzerin – der Leipzig International School – im Board of Trustees (Kuratorium der Schule). Er kümmert sich dort auch als Elternteil um das Wohl der Schule.

Im Ergebnis seines Gesprächs mit Riekewald und Külow wollen Fahrenkamp und die Stadtbau AG nun einen Teil des Jahrtausendfelds an die Stadt verkaufen. So wäre neben dem Bau der Schule also auch ein städtischer, frei zugänglicher Raum möglich. Die Architekturbüros arbeiten nun an einer Lösungsfindung unter diesen neuen Umständen. Mittlerweile wurde auch die Zahl der Schülerinnen und Schüler von 2.000 auf 1.600 korrigiert.

Die nächsten Monate werden zeigen, wohin die Reise gehen wird. Bis zum 5. Juli kann die Petition für ein unbebautes Jahrtausendfeld unterschrieben werden. Der Petitionsausschuss behandelt das Jahrtausendfeld am 9. August und als Thema im Stadtrat ist bisher der 21. August geplant.


Jens Rometsch LVZ 21.06.2024

Annäherung beim Jahrtausendfeld: Stadt bekommt Grünfläche

Nach dem Bürgerbahnhof Plagwitz deutet sich ein Kompromiss für ein anderes Bauvorhaben im Leipziger Westen an. Dabei geht es um die Pläne der Leipzig International School für eine Schule auf dem Jahrtausendfeld.

Bei den Plänen für einen Schulneubau auf dem Jahrtausendfeld in Lindenau deutet sich ein Kompromiss an. So wäre die Eigentümerin Leipziger Stadtbau AG nun dazu bereit, eine größere Grünfläche von ihrem Grundstück abzutrennen und an die Stadt Leipzig zu übertragen. „Damit wäre die dauerhafte öffentliche Nutzung dieser Grünfläche gesichert“, sagte Stadtbau-Vorstand Patrik Fahrenkamp gegenüber der LVZ. Aus anderen Quellen verlautete, diese separate Grünfläche könnte etwa ein Drittel des Geländes einnehmen.

Im März hatte ein Dialogverfahren mit Bürgerinnen und verschiedenen Vereinigungen zur Zukunft des 2,3 Hektar großen Areals begonnen. Dort möchte die Leipzig International School (LIS) einen Neubau errichten, um ihre Kapazitäten zu erweitern. Die Rede war zunächst von einer Verdopplung der Schülerzahlen auf in Zukunft bis zu 2000 Kinder und Jugendliche. Im Zuge des Dialogverfahrens erklärte sich die LIS aber bereit, etwas kleiner zu planen. Aktuell ist die Rede von 1600 bis 1800 Schülerinnen. Die konkrete Zahl soll noch genauer geprüft werden, weil es dabei letztlich um die Frage geht, wie viele Klassen pro Jahrgang die Schule bilden kann.

6800 Unterschriften für die Petition

Am bisherigen Standort in der Könneritzstraße platzt die LIS aus allen Nähten. Sie müsse regelmäßig Bewerberinnen und Bewerber ablehnen, so Sprecherin Helena Putsch. Stattdessen solle es künftig auch Bildungsabschlüsse in anderen Sprachen als Englisch geben, zum Beispiel ein europäisches Abitur in Polnisch oder in Französisch. Neben dem Jahrtausendfeld betreibt die LIS bereits eine Kita.

Das Vorhaben war in den vergangenen Monaten trotzdem sehr umstritten. Eine Petition mit dem Ziel, dass das Jahrtausendfeld „als Freifläche bewahrt und aufgewertet“ werden muss, haben inzwischen 6800 Menschen unterschrieben. Im Mai scheiterten Linke und SPD im Stadtrat nur knapp mit einem Antrag, sofort eine Veränderungssperre zu verhängen und ein Bebauungplanverfahren einzuleiten. So ein Verfahren würde wahrscheinlich viele Jahre dauern. Das Ziel der LIS, im Sommer 2028 umziehen zu können, wäre damit völlig unerreichbar geworden.

Linke und SPD stellen Antrag ruhend

Hingegen fanden Grüne und CDU eine Mehrheit für ihre Position, zunächst die Ergebnisse des Dialogverfahrens abzuwarten. Falls sich dort kein Ergebnis im Sinne einer gütlichen Einigung finden lasse, könne die Stadt immer noch rechtzeitig ein Bebauungsplanverfahren starten. Diese Meinung vertrat auch die Stadtverwaltung. Auf dem nun vorgelegten Ergebnis könne man aufbauen, sagte Baubürgermeister Thomas Dienberg (Grüne) der LVZ. „Jeder der drei ausgewählten Entwürfe ist ein wertvoller und eigenständiger Beitrag dazu, wie mit den unterschiedlichen Anforderungen eines Schulbaus und qualitativ hochwertiger Freiräume umgegangen werden kann.“ Jetzt gehe es darum, die guten Ansätze für eine tragfähige Lösung weiter zu entwickeln.

Linke und SPD proklamierten die Kompromissbereitschaft der privaten Flächeneigentümerin als ihren Erfolg. „Unsere baupolitische Sprecherin Franziska Riekewald und ich haben Herrn Fahrenkamp sehr deutlich gemacht, dass er einen Teil der Fläche als dauerhaftes Grün an die öffentliche Hand abgeben muss“, sagte Linke-Stadtrat Volker Külow.

SPD-Fraktionschef Christopher Zenker meinte: „Es ist gut, dass der Investor erkennt, dass die Entwicklung nur kooperativ gelingen kann und nicht durch Konfrontation.“ Beide Fraktionen würden ihren Antrag nun vorerst ruhen lassen, so Zenker: „Zurückziehen werden wir ihn erst, wenn mehr Grün und weniger Bebauung auch vertraglich fixiert sind.“

Grüne fordern gute Verkehrslösung

Grünen-Stadträtin Kristina Weyh sagte hingegen, in dem Dialogverfahren sei in jeder Sitzung thematisiert worden, dass eine große Grünfläche erhalten und rund um die Uhr zugänglich bleiben muss. „Das hatte zum Beispiel René Reinhardt von der Schaubühne Lindenfels von Anfang an zur Bedingung gemacht. Schnell war klar, dass eine solche Fläche an die Stadt verkauft werden müsste.“

Auch die Petition und öffentliche Debatten hätten zu dem nun erreichten, ermutigenden Zwischenstand beigetragen, meinte Weyh. Sie hatte an dem ganzen Verfahren teilgenommen und in der Jury mitgearbeitet. „Nun liegen endlich erste Entwürfe vor, die genau dies auch abbilden. Weitere Themen wie eine für das gesamte Umfeld verträgliche Abwicklung von möglichst geringen Verkehren müssen ebenfalls gelöst werden. Nur so kann die Entwicklung des Jahrtausendfelds überhaupt funktionieren.“ Unklar blieb, ob und wann die Entwürfe veröffentlicht werden.