7. Oktober: Freiheitskampf? Widerstand?
Im Massaker der Hamas sahen manche feministische Gruppen ein legitimes Mittel im antiimperialistischen Kampf Zum Stand der Bewegung
»Believe Women« (Glaube den Frauen) ist ein so einfacher wie wichtiger feministischer Slogan. Gerade uns Frauen wird immer wieder abgesprochen, wir würden die Wahrheit sagen, wenn wir von erfahrener sexueller Gewalt erzählen. Es heißt, wir wollten uns nur »wichtig machen«, Männern durch falsche Vergewaltigungsanschuldigungen das Leben ruinieren, und wir seien generell Lügnerinnen, weil wir halt Frauen sind.
Solche Rape-Culture-Mythen haben zur Aufgabe, patriarchale Gewalt zu verschleiern. Denn wenn es wahrscheinlicher ist, dass Frauen lügen, als dass Männer Täter sind, dann gibt es auch keinen Grund, die Anklagen von Frauen ernst zu nehmen und entsprechende Konsequenzen folgen zu lassen. Die Aussagen von Menschen, die von sexueller Gewalt betroffen sind, in ihrem Gehalt zu nivellieren oder gar als Diffamierung abzutun, bedeutet letztendlich: die Opfer alleine zu lassen und die patriarchale Herrschaft zu stützen.
Deswegen ist es inzwischen feministischer Konsens, den Betroffenen patriarchaler Gewalt – also zum Beispiel Übergriffe, häusliche Gewalt, Vergewaltigungen – uneingeschränkt Glauben zu schenken. Es gilt das Konzept der Definitionsmacht: Opfern muss bedingungslos geglaubt werden. – Außer die Betroffenen sind israelische Frauen und die Täter sind Hamas-Terroristen.
Kein vernünftiger Grund spricht dafür, anzuzweifeln, dass Kämpfer der Hamas bei dem antisemitischen Massaker am 7. Oktober israelische Frauen vergewaltigt haben. Es gibt Berichte von Überlebenden. Es gibt die in ihrem brutalen, höhnischen Sadismus kaum zu überbietenden Videos der Hamas selbst. Es gibt eine sehr ausführliche Recherche der »New York Times«.
Selbst die UN, die Israel ansonsten wirklich nicht wohl gesonnen sind, haben inzwischen zugegeben, dass es »überzeugende Informationen« gibt, dass die Hamas sexuelle Gewalt in Form von (Massen-)Vergewaltigungen an den Opfern des 7. Oktober wie auch den israelischen Geiseln ausgeübt hat. Unter den 132 Israelis, die sich noch in der Gewalt der Hamas befinden, sind 14 Frauen.
Die klerikalfaschistische, frauenverachtende Hamas behauptet, dass ihre Kämpfer niemals auch nur einen Finger gegen israelische Frauen erhoben hätten. Das Ganze sei nichts anderes als der Versuch, den »palästinensischen Widerstand zu delegitimieren«.
Aber es ist nicht nur die Hamas, die – trotz Videoaufnahmen aus den eigenen Reihen – die Vergewaltigung israelischer Frauen verleugnet. Auch feministische Gruppen bezeichnen die absolute Barbarei des Massakers des 7. Oktober als »Propaganda, um einen Genozid in Gaza« zu ermöglichen. Diese Worte stammen von der Alliance of Internationalist Feminists, die seit Jahren eine große, linksradikale Demonstration am feministischen Kampftag organisiert.
Den Vorwurf sexueller Gewalt als »Propaganda« zu bezeichnen, das kennt man vielleicht von Rammstein-Fans – aber nicht von einer feministischen Organisation. Dahinter steckt nichts anderes als antisemitisches Verschwörungsdenken, dem zufolge der Staat Israel falsche Vergewaltigungsvorwürfe nutzt, um Angriffe gegen Gaza zu legitimieren.
Andere feministische Gruppen und Aktivist*innen verleugnen die Gewalt nicht, sondern betrachten sie als legitimes Mittel im antiimperialistischen Kampf. Diese Position reicht von der antiimperialistischen Gruppe Zora bis hin zur Philosophin Judith Butler. Im Rahmen der französischen Talkshow »Paroles d’Honneur« erklärte Butler am 3. März, dass es sich bei dem Gemetzel der Hamas um einen »Akt des Widerstandes« gehandelt habe. Damit gibt sie in jüngster Zeit immer wieder auf Demonstrationen vernehmbaren Parolen wie »Resistance is justified when people are occupied«, die das antisemitische Pogrom vom 7. Oktober diskursiv ebenfalls zu einer Widerstandshandlung verklären, intellektuelle Rückendeckung.
Letztendlich sprechen aus diesen Worten zwei Dinge: erstens eine komplette Ignoranz gegenüber israelischen Frauen und zweitens eine für vermeintlich emanzipatorisch denkende Leute geradezu peinliche Begriffslosigkeit den Islamismus betreffend. Bei der Hamas handelt es sich um eine antisemitische, klerikalfaschistische, patriarchale Mörderbande. Diese Gruppe ist von einer feministischen Revolution genauso weit entfernt wie die Hammerskins.
Das antimoderne und somit antifeministische Denken ist ihrer Ideologie inhärent. Ziel der Hamas ist nicht etwa ein gutes Leben für die palästinensische Bevölkerung, die sie unterdrückt und der sie Hilfsgelder entzieht, und schon gar kein gutes Leben für alle. Ziel ist die Vernichtung jüdischen Lebens, wie etwa bei der Bundeszentrale für politische Bildung nachzulesen ist.
Diese Verdrängung islamistischer Gewalt artikuliert sich auch in einer Parole wie »Jemen, Jemen, make us proud, turn another ship around«, die sich mit den islamistischen Huthi-Milizen solidarisiert. Zu hören war sie auf der Luxemburg-Liebknecht-Demonstration.
All jene, die sich so äußern, fallen nicht nur israelischen Frauen in den Rücken, sondern allen Opfern islamistischer Gewalt. Gerade angesichts einer vorgetragenen Solidarität mit den Kämpfer*innen in Kurdistan oder der iranischen Frauenrevolution ist das Herunterspielen bis Zelebrieren islamistischer Organisationen unglaublich zynisch.
Das iranische Mullah-Regime, das jede noch so leise Kritik mit drakonischen Sanktionen bestraft, ist einer der maßgeblichen Geldgeber der Hamas. Menschen, die vor islamistischer Terrorherrschaft geflohen sind und deren Familienmitglieder dieser Gewalt stellenweise immer noch ausgesetzt sind, werden von »Feminist*innen«, die die Hamas als Organisation von »Freiheitskämpfer*innen« begreifen, genauso verraten wie Israelis.
Dass Linke angeblich aus Solidarität mit den Palästinenser*innen in einer ideologischen Querfront mit Islamisten ein Auge zudrücken und Feministinnen die von Islamisten ausgeübte patriarchale Gewalt verleugnen, ist ein Armutszeugnis für den Zustand der Bewegung.
Glücklicherweise wächst die Kritik an dieser öffentlich vorgetragenen Akzeptanz für Islamismus. In Städten wie Frankfurt, Leipzig, Hamburg und Berlin fanden zum 8. März linksradikale, feministische Demonstrationen statt, die sich mit den Opfern des 7. Oktober und allen Opfern islamistischer Gewalt generell solidarisieren. Denn es kann wirklich nicht sein, dass ein religiös begründeter Faschismus innerhalb einer radikalen Linken als »Freiheitskampf« glorifiziert wird. Mit einem emanzipatorischen Antiimperialismus oder -kolonialismus hat dieser wirklich nichts zu tun.
Larissa Kunert 07.03.2024
Hamas und Palästina: Judith Butler ist eine gefährliche Ikone
Für Judith Butler ist der Terror der Hamas »bewaffneter Widerstand«
Antizionistin ist Judith Butler schon immer gewesen. Und schon 2006 hatte die im kalifornischen Berkeley lehrende 68-jährige Philosophin die beiden islamistischen Terrororganisationen Hamas und Hisbollah als »Teil der globalen Linken« bezeichnet. Es muss also nicht allzu sehr wundern, dass nun ein Video auf der Plattform »X« aufgetaucht ist, in dem Butler das blutige Massaker vom 7. Oktober, bei dem die Hamas rund 1200 Menschen ermordete, als »Akt des bewaffneten Widerstands« begreift – auch wenn sie selbst noch vor einigen Monaten in einem Essay betont hatte, nichts könne die Miliz von der Verantwortung für ihre »grauenvollen Morde« entlasten.
Aufgenommen wurde das gerade kursierende Video vergangenen Sonntag auf einer von linksradikalen Gruppen organisierten Nahost-Konferenz im Pariser Vorort Pantin. Butler erklärte dort vor zahlreichen Zuhörerinnen und Zuhörern, dass man zwar »verschiedene Ansichten« über die Hamas als »politische Partei« sowie über »bewaffneten Widerstand« haben könne, es sich bei dem »Aufstand« jedoch weder um eine terroristische noch um eine antisemitische Attacke gehandelt habe. Haltlose Behauptungen, wie allein ein Blick in die Gründungscharta der Terrororganisation beweist: Dort rufen die Islamisten ganz offen zum Töten aller Juden auf. Warum Butler, selbst Jüdin und seit jungen Jahren mit jüdischer Philosophie und Ethik befasst, so offensichtlichen Judenhass negiert, ist wohl nur mit massiver ideologischer Verblendung zu erklären. Bleibt zu hoffen, dass die mit ihrem Werk »Das Unbehagen der Geschlechter« (1990) zur Queer-Ikone avancierte Theoretikerin nicht noch mehr Einfluss auf die Linke nimmt.