Mit Phallus-Teddy gegen Trans-Aufklärung – So radikal tickt der neue AfD-Bürgermeister in Großschirma
Die AfD in Sachsen einen zweiten Bürgermeister. Der fuhr eine Kampagne gegen Sexualkundeunterricht – und verbreitet auch sonst allerlei Verschwörungserzählungen.
Großschirma – In Sachsen ist erneut ein AfD-Politiker zum Bürgermeister gewählt worden. Der Landtagsabgeordnete Rolf Weigand gewann am Sonntag (3. März) klar die Bürgermeisterwahl in der 6000-Einwohner-Stadt Großschirma. Der 39-Jährige kam laut dem vorläufigen Wahlergebnis im ersten Wahlgang auf 59,4 Prozent und setzte sich damit deutlich gegen zwei anderen Kandidaten durch.
Die Wahl war wegen des Suizids des Langzeitbürgermeisters Volkmar Schreiter vorigen Herbst notwendig geworden. Die AfD in Sachsen gilt dem Verfassungsschutz seit Dezember 2023 als „gesichert rechtsextremistische Bestrebung“. Er sei kein „W(R)olf im Schafspelz“ sondern „bodenständig“ und „handle“ lieber anstatt zu reden, schrieb Weigand auf seiner Wahlkampf-Website. Wofür steht der zweite AfD-Bürgermeister Sachsens also? Eine politische Verortung.
Neuer AfD-Bürgermeister Weigand wollte mit Geschlechtsteil-Teddy gegen Trans-Aufklärung mobil machen
Der promovierte Ingenieur trat nach eigenen Angaben im Gründungsjahr 2013 in die AfD ein. Im Landtag ist er bildungspolitischer Sprecher der Partei. In dieser Funktion forderte er, wie er in seinem Telegram-Kanal schrieb, deutsche Nationalflaggen vor Schulen zu hissen. An gleicher SteIle verbreitete er im Anfang Februar ein Spruchband der rechtsextremen Chemnitzer Ultra-Szene mit der Aufschrift „Es gibt nur 2 Geschlechter, das sieht selbst ein Blinder“. Im Sommer 2023 behauptete er: „Gendern verdummt unsere Kinder“ und forderte ein Verbot genderinklusiver Sprache an allen staatlichen sächsischen Bildungseinrichtungen – inklusive Universitäten und Vereinen, die Bildungsarbeit leisteten.
Im Frühjahr 2023 berichtete der MDR über Kampagne, die die AfD gegen das Projekt „Schule der Vielfalt“ des Kultusministeriums plane. Man werde Schulen, in denen über Transgeschlechtlichkeit aufgeklärt wird, mit der Kampagne „zielgerichtet angreifen“, sagte Weigand demnach damals. Geplant waren, dem Bericht zufolge, Plakat-Aufsteller vor besagten Schulen. Das Motiv dieser Plakate: Ein Mädchen, das einen Teddybär im Arm hält. Nur hat das Kuscheltier auf dem Foto ein männliches Geschlechtsteil, das beinahe so lange ist, wie sein Bein. Darüber schrieb die AfD: „Vorsicht! Genderwahn im Stundenplan“. Ob es wirklich zu einer Plakataktion kam, ließ sich nicht klären.
Rolf Weigand wollte von Landesregierung die Anzahl „gebärfähiger Frauen“ in Sachsen wissen
Ebenfalls einen Fokus auf Geschlechtlichkeit zeigte Weigand, als er 2020 die sächsische Landesregierung nach der Anzahl „gebärfähiger Frauen“ im Freistaat unter anderem aufgeschlüsselt nach Nationalität fragte. Warum die AfD diese Zahlen gerne haben wollte, blieb im Dunkeln.
Sarah Buddeberg, Landtagsgeschäftsführerin der Linken, warf der Sachsen-AfD damals im MDR vor, diese spiele damit auf die antisemitische und rassistische Verschwörungserzählung vom „großen Bevölkerungsaustausch“ an. Die besagt, eine „Elite“, wahlweise „globalistisch“ oder gleich ohne antisemitischen Verschleierungs-Code „jüdisch“, wolle die europäischen Bevölkerungen gegen Menschen aus dem globalen Süden „austauschen“.
JA Sachsen nennt Weigand „Förderer“ – Unterstützung für Franz Schmid im Bayern-Wahlkampf
Vor allem die rechtsextreme „Identitäre Bewegung“ (IB) propagiert die Erzählung vom „großen Austausch“. Die Verschwörungstheorie ist aber auch eines der zentralen Argumente des Verfassungsschutzes, die Jugendorganisation der AfD, die Junge Alternative (JA), bundesweit als „gesichert rechtsextremistisch“ einzustufen. Die Verflechtungen zwischen IB und JA-Kadern gelten als eng.
Die JA Sachsen bezeichnete wiederum Weigand 2022 auf Instagram als einen ihrer „Förderer“. Der schrieb auf Telegram selbst, er habe 2023 „besonders“ den bayerischen Landtagsabgeordneten und JA-Bundesschatzmeister Franz Schmid in dessen Wahlkampf unterstützt. Schmid gilt als gut vernetzt mit der IB und schrieb selbst auf X, vormals Twitter, er stehe zum „Vorfeld“ der Partei. Letzteres schien er mit einer eigenhändig publik gemachten Spende an ein rechtsradikales Magazin aus Österreich untermauern zu wollen. Zudem soll Schmid 2023 an einem Treffen mit dem österreichischen Rechtsextremen Martin Sellner im bayerischen Dasing teilgenommen haben, wie die Augsburger Allgemeine berichtete.
Weigand nannte Journalisten „linke Schreiberlinge“ und wittert „politisch-mediale Klasse“ hinter Correctiv-Recherchen
Wie bei dem vom Investigativ-Portal Correctiv aufgedeckten Treffen in Potsdam soll Sellner in Dasing über „Remigration“ gesprochen haben – ein Projekt, das in die Vertreibung von Millionen von Menschen münden würde. Weigand bezeichnete die Veröffentlichungen von Correctiv im Januar auf Telegram als „Versuch, einen Skandal zu inszenieren“. Dahinter witterte er eine „politisch-mediale Klasse“, die Angst vor der AfD habe.
Weigand vermied indes im Gegensatz zu anderen die affirmative Verwendung des Begriffs „Remigration“. Er schrieb auch nicht vom „Versprechen“ „millionenfacher Abschiebungen“, wie es etwa der brandenburgische Bundestagsabgeordnete René Springer auf X, vormals Twitter, postulierte. Weigands Verhältnis zu den Medien darf aber als teilweise gespannt gelten – so bezeichnete er 2022 in einer Pressemitteilung zwei Journalisten der sächsischen Freien Presse als „linke Schreiberlinge“.
„Fantastische Geschichte vom menschengemachten Klimawandel“ ist Weigands drittes Aufregerthema
Abseits der für die AfD eher üblichen Kulturkampfthemen von Geschlechterverhältnissen und Zuwanderung hat der promovierte Ingenieur noch ein Thema, über das er sich von Zeit zu Zeit aufregt: „Die fantastische Geschichte vom menschengemachten Klimawandel“, diene, schrieb er auf Telegram, „den grünen Ökosozialisten“.
Deren Ziel, sei es, so Weigand, die Menschen ihrer „Freiheit“ und ihres „Eigentums zu berauben“. Es bestehe kein vernünftiger Grund, die „deutsche Hochtechnologie Verbrennungsmotor“ zu verschrotten. Die Augsburger Kommunikationswissenschaftlerin Helena Bilandzic brandmarkte solche Thesen bereits 2014 in einer Studie als „Verschwörungstheorie“.
Weigand hat also durchaus recht, wenn er sich nicht als „Wolf im Schafspelz“ bezeichnen lassen möchte – denn er trägt seine Gesinnung offen zur Schau. In Umfragen ist die AfD in Sachsen stärkste Kraft. Im September wird im Freistaat ein neues Parlament gewählt.