„Gegen das Vergessen“: Leipziger Ausstellung endet mit überraschendem Geschenk

Die Ausstellung „Gegen das Vergessen“ mit Porträts von Überlebenden des Holocaust ist zu Ende. Fotograf Luigi Toscano zieht trotz der Schändung von Unbekannten ein positives Fazit.

Durchsagen zur Zugverspätung kontra Fangesang – das ganz normale Leben am Samstag im Leipziger Hauptbahnhof. Und dazwischen ein letztes Mal die übergroßen Gesichter von Menschen, hinter denen unglaubliches Leid liegt. Am späten Abend endete die Leipziger Ausstellung „Gegen das Vergessen“ mit Porträts von Überlebenden des Nazi-Terrors im und am Bahnhof.

Drei Wochen lang stand die Schau dafür, dass die Erinnerung an den Holocaust mitten in die Gesellschaft gehört. Und an manchen Tagen erschreckendes Beispiel für die Rückkehr von Antisemitismus und Hass. Denn zweimal haben Unbekannte die Fotos von Luigi Toscano verunstaltet, geschändet, zerschnitten. Anhand der Überwachungskameras wurden offenbar vier Personen ausgemacht, die sich an den Bildern vergangen haben, doch nach wie vor sind „die Täter nicht namentlich bekannt“, wie eine Polizeisprecherin sagt, „die Auswertung der Videos läuft noch.“

Am letzten Ausstellungstag zieht Luigi Toscano trotz der Schändungen ein positives Fazit. „Ich würde lügen, wenn ich behauptete, dass mir das keine Sorgen und keine Angst gemacht hätte“, sagt der Künstler. „Aber ich habe auch viel Solidarität erhalten, das war sehr wohltuend.“ Nicht vergessen wird er das junge Mädchen vor sich, mit Tränen in den Augen und Blumen in der Hand. „Sie wollte sie mir zum Trost schenken“, erzählt er. „Ich bat sie, sie zu den Bildern zu legen.“

Auch dass mehrere junge Menschen beim Ausbessern der beschädigten Porträts geholfen haben, habe ihm Mut gemacht. „Allerdings hätte ich mich gefreut, wenn sich auch der Leipziger OBM und Sachsens Ministerpräsident zu den Vorfällen öffentlich geäußert hätten“, sagt der italienisch-deutsche Fotograf und Filmemacher.

Neues Aufkommen von Antisemitismus

Als wunderbar empfand Toscano die Zusammenarbeit mit dem Ariowitsch-Haus, das am Tag der Finissage noch einmal mit einem Stand am Hauptbahnhof Präsenz zeigte, musikalisch umrahmt von Violinistin Svetlana Yudelvych. „Diese Ausstellung fiel in eine Zeit besonderer Probleme, die mit dem neuen Aufkommen des Antisemitismus in der Welt zusammenhängen“, sagt dessen Direktor Küf Kaufmann, auch Vorstandsvorsitzender der Israelitischen Religionsgemeinde zu Leipzig. „Umso mehr sind solche Ausstellungen notwendig und leider auch immer aktuell.“

Erst im Januar war eine Leipziger Gedenkstele für den jüdischen Fußballclub Bar Kochba von Unbekannten geschändet worden. Zu den beschädigten Porträts am Bahnhof meint Kaufmann: „ Ich nehme das persönlich, nicht nur weil ich jüdisch bin, sondern einfach als Mensch. Und ich fühle mich mitverantwortlich dafür, dass ich ein Teil der Gesellschaft bin, in der sich Menschen überhaupt nicht schämen, so etwas zu machen.“

„Freude und Verantwortung“

Für das Team des Ariowitsch-Hauses hatte Luigi Toscano noch eine Überraschung: Er schenkt ihm seine Fotografien der Leipziger Anni Schkolnik, Schlomo Samson, Rolf Isaacson, Eva Maria Hillmann, Gerry Gruneberg und Leo Stimmler. „Das erfüllt unsere Herzen mit Freude und Verantwortung“, sagt Kaufmann.

Für den 51-jährigen Toscano geht die Ausstellungsreise weiter. Demnächst zeigt er seine Großporträts im italienischen Civitella, danach im österreichischen Innsbruck.