Indoktrination im Klassenzimmer?

Quelle unbekannt

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In Sachsen will ein Sympathisant der rechten Anastasia-Bewegung eine Schule gründen. Beobachter fürchten, dort könnten Kinder mit gefährlichen Ideen in Kontakt kommen.

Zwickau soll eine neue Schule bekommen, und zwar eine ganz besondere. In der Löwenzahn-Schule sollen Kinder nach ihren eigenen Wünschen lernen dürfen. In altersgemischten Gruppen und ohne Notenbewertung.

Es wäre die erste alternative Schule in freier Trägerschaft in der sächsischen Stadt. Hinter der Idee steckt ein achtköpfiger Verein, die Elterninitiative Zwickau. Eigentlich sollte der Lehrbetrieb schon im kommenden Sommer starten. Im Dezember gaben die Initiatoren jedoch bekannt, man verschiebe den Schulstart um ein Jahr.

Anmeldungen interessierter Eltern lägen bereits bis 2028 vor, teilt die Initiative auf Instagram mit. Für sie seien ab diesem Frühjahr Kennenlerntage geplant, ebenso wie für potenzielle Mitarbeiter. Auch einen Hort möchten die Schulgründer aufbauen. „Wir wollen unseren Kindern ermöglichen, sich frei, selbstbestimmt, fröhlich, wissbegierig, mit Achtsamkeit und voller Selbstbewusstsein zu entwickeln“, schreiben sie auf ihrer Website.

Doch ein Blick auf den Hintergrund eines der führenden Köpfe, Sandro G., nährt den Verdacht, dass es bei der Schulgründung um weit mehr als nur um alternatives Lernen geht. Könnten Kinder in der Schule mit dem Gedankengut der rechtsesoterischen Anastasia-Bewegung indoktriniert werden?

Rechtsextremer Verdachtsfall

Der Kult um Anastasia wird seit Juni 2023 vom Verfassungsschutz bundesweit als rechtsextremer Verdachtsfall eingestuft. Anhänger der Bewegung orientieren sich an der gleichnamigen Protagonistin einer russischen Romanreihe. Vordergründig geht es in den Büchern um eine esoterische Rückbesinnung auf ein Leben in der Natur. Gleichzeitig werden zahlreiche antisemitische und demokratiefeindliche Verschwörungsmythen verbreitet. Der Verfassungsschutz geht von einem hohen Radikalisierungspotenzial aus.

Als Teil der Bewegung gilt auch der österreichische Verein Wissen schafft Freiheit, gegründet vom einstigen Zauberkünstler Ricardo Leppe. Er wirbt offensiv für die Gründung freier Schulen und stellt sich als unpolitische Lernplattform dar. Tatsächlich vernetzen sich in regionalen Telegram-Gruppen und auf Leppes YouTube-Kanal zahlreiche Querdenker, Verschwörungsideologen, Reichsbürger und Esoteriker – und Sandro G.

Ein Video aus dem Jahr 2021 zeigt ein digitales Treffen, bei dem es um den Aufbau eines Netzwerks von Wissen schafft Freiheit in Sachsen geht. Stolz sei er, im Admin-Team dabei zu sein, betont G. Als er Ricardo Leppe das erste Mal auf einem Online-Kongress erlebt habe, sei er direkt begeistert gewesen. Das Programm des besagten Kongresses lässt sich zurückverfolgen: Mit von der Partie waren dort die prominentesten Gesichter der deutschen Anastasia-Szene.

Militärischer Drill im Klassenzimmer

Anna Weers ist Referentin für Rechtsextremismus in ländlichen Räumen bei der Amadeu Antonio Stiftung und beobachtet die Szene schon lange. Dass auch Wissen schafft Freiheit sich an der Anastasia-Bewegung orientiert, sei von Beginn an klar gewesen. Und: Der Verein sei gefährlicher, als es auf den ersten Blick scheint.

„Das Ziel, was ganz oben steht, ist, eigene Strukturen aufzubauen und eine Alternative zu unserem gesamten demokratischen System zu schaffen“, sagt Weers. Vor den Folgen rechtsesoterischer Schulgründungen warnt auch die Politologin Karin Schnebel: „Der Staat wird abgelehnt und es werden Kinder erzogen, die in der nächsten Generation den Staat nicht respektieren.“

Innerhalb der Szene hegt man die Vorstellung einer idealisierten Alternative zum staatlichen Schulbesuch. Zu einem regelrechten Mythos hat sich die Schetinin-Schule entwickelt. Das Lehrmodell des gleichnamigen Gründers, eines mittlerweile verstorbenen russischen Musiklehrers und Anastasia-Anhängers, greift auf esoterische, sensationell anmutende Lernversprechen zurück, betont Naturverbundenheit und selbstbestimmtes Lernen. Doch das ist nicht alles.

Anna Weers erläutert: „Tatsächlich geht es in der Schetinin-Schule viel um militärischen Drill. Kinder werden an Waffen gewöhnt, es wird Nahkampf geübt und es herrscht eine strikte Geschlechtertrennung.“ Kritisch sei auch der weltanschauliche Überbau der Schetinin-Lehre, warnt Politologin Schnebel:

„In der Schetinin-Schule werden Kinder auf russisch-nationalistisches Gedankengut gedrillt.“ In Deutschland hat sich eine Organisation namens Internationale Schul-, Sport- und Kulturakademie zum Ziel gesetzt, die Schetinin-Lehre zu etablieren. Unter ihren Interessenten ist offenbar auch Sandro G. In einem Chat verkündet er, an einem Seminar teilnehmen zu wollen und fragt nach Mitfahrern.

Sorge auch im Kultusministerium

Viele in der rechtsesoterischen Szene meinen, man müsse Kinder dem staatlichen Zugriff an öffentlichen Schulen entziehen. Sandro G. soll laut QReX-Recherchekollektiv an einer Filmdokumentation des christlich-fundamentalistischen Verschwörungssenders Klagemauer.tv mitgewirkt haben, der regelmäßig Rechtsextremen eine Bühne bietet.

Inhalt der Doku: die Abschaffung der Schulpflicht. In einem gesicherten Chat schreibt eine Mitarbeiterin des Senders, man müsse das Thema auf den Tisch bringen. Daumen hoch von Sandro G., der später als Mitglied des Sendungsteams gelistet wird.

Eine Presseanfrage zum ideologischen Hintergrund der geplanten Löwenzahn-Schule ließen G. und die Elterninitiative Zwickau unbeantwortet. Politologin Karin Schnebel warnt, unwissende Eltern könnten geködert werden: „Wenn wir unsere Demokratie schützen wollen, dann sollten wir aufpassen, dass solche Schulen bei uns keine Früchte tragen.“

Das sächsische Kultusministerium teilt mit, die Gefahr rechtsesoterischer Vereinnahmung von Bildungsinstitutionen habe man auf dem Schirm. Sollten im Schulgründungsprozess Zweifel an der Eignung einzelner Personen auftreten, werde die Schulaufsicht Maßnahmen ergreifen, schreibt Pressesprecher Dirk Reelfs.

Auf der Website der Löwenzahn-Schule heißt es, man wolle mit den Behörden zusammenarbeiten. Zugleich beschwert sich die Schulinitative auf Instagram, das Projekt sei „überschattet“ worden „von Hetzerei und Druck“. Und Sandro G. wird nicht müde, seine Agenda einer visionären Schule zu verbreiten. „Wir sind Schöpfer einer schönen, neuen Welt“, schreibt er in einer Telegram-Gruppe der Freien Sachsen – einer rechtsextremen Partei.