Edeka-Betreiber Peter Simmel: Großer Wirbel um seine Anti-Nazi-Flyer
Der bekannte Unternehmer hat seine Werbeprospekte mit der Aufschrift „Für Demokratie – gegen Nazis“ bedruckt. Nach vielen Anfeindungen hat er sie jetzt aber wieder eingezogen.
Peter Simmel hat wenig Zeit. Am Telefon und auch per E-Mail bleibt er zwar äußerst freundlich. Aber der bekannte Unternehmer aus Chemnitz ist diesmal kurz angebunden. Er lehnt höflich eine Interviewanfrage ab, weil er erst einmal den riesigen Schriftverkehr, den er sich jetzt eingebrockt habe, abarbeiten müsse.
Peter Simmel (64) ist ein Vorzeigeunternehmer. Er betreibt in Sachsen, Thüringen und Bayern eine Ladenkette mit 24 Edeka-Filialen und rund 1000 Mitarbeitern. Simmel gilt als weltoffen und innovativ. Er war 2016 einer der ersten, die sich von Plastiktüten verabschiedeten. Simmel hat schon eine Menge weggesteckt in seinem Leben. 2010 ermittelte die Staatsanwaltschaft Chemnitz gegen ihn wegen des Verdachts des Sozialabgabebetrugs. Die Vorwürfe wurden entkräftet. Im Jahr davor musste Simmel mit einer Cessna in der Nähe von Hamburg in einem Flussgebiet notlanden, kam mit leichten Verletzungen davon. Jetzt muss der Kaufmann wieder eine brenzlige Situation überstehen, die Zeiten sind stürmisch geblieben, wenn auch auf andere Art. Simmel hat mit einer Anti-Nazi-Kampagne für Wirbel gesorgt. Sogar einen Boykottaufruf gegen seine Filialen gab es.
Sturm der Entrüstung gegen Simmel
Der riesige Schriftverkehr, den Simmel jetzt abarbeiten muss, bezieht sich auf seine bunten Prospekte, die in den Filialen ausliegen und mit denen er Werbung für die verschiedensten Lebensmittel macht. In der vergangenen Woche waren diese Flyer aber noch mit einem Zusatz versehen. Am oberen Rand der ersten Seite stand in einem rot-weiß gefärbten Kreis der Slogan: „Für Demokratie – Gegen Nazis“.
Kaum hatte sich der prominente Lebensmittel-Händler versehen, setzte ein Sturm der Entrüstung ein. Auch der Crimmitschauer AfD-Fraktionschef Heiko Gumprecht, Vorstandsmitglied der Kreis-AfD, ging empört in die Luft. In einer E-Mail an Simmel behauptete Gumprecht, Simmel würde den widerlichen Slogan „Kauft nicht beim Juden“ ganz offensichtlich umkehren und damit Andersdenkende ausgrenzen.
„Gratulation zu so einem Demokratieverständnis! Mit Bitte um Rückantwort, damit wir gegebenenfalls unsere Mitgliedschaft, Unterstützer und Wähler entsprechend informieren können, welches Geschäft sie in Zukunft meiden sollten“, drohte AfD-Mann Gumprecht weiter. Obwohl er selbst mit dem Slogan „Für Demokratie – Gegen Nazis“ gar nicht explizit angesprochen worden war.
Zur „Freien Presse“ sagte Gumprecht am Dienstag: „Diese Kampagne, wie sie gerade läuft, richtet sich am Ende doch gegen die AfD und nicht gegen die Nazis.“ Gumprecht war offenbar nicht der Einzige, der sich beschwert hat. Anfang der Woche machte Simmel nach dem massiven Druck gegen seine Person und das Unternehmen einen Rückzieher und teilte der „Freien Presse“ kurz und knapp mit, dass er die in seinen Filialen ausliegenden Werbeprospekte wieder einkassiert hat. Schließlich folgte per E-Mail und im Internet eine offizielle Erklärung, in der sich der Unternehmer fast ein wenig kleinlaut entschuldigte.
Irritationen nach offizieller Simmel-Erklärung
Als Grund für den Rückzieher nannte Simmel allerdings nicht die auf ihn ausgeübten Anfeindungen. Vielmehr heißt es:
„Entschuldigung, es tut mir leid, dass sich mit meinem Begriff Nazis Menschen angesprochen fühlten, welche mit unserer jetzigen Regierung nicht einverstanden sind. Deshalb ist man kein Nazi. Bitte um Verzeihung, wenn ich damit Menschen verletzt habe.“
Nach seinem Verständnis seien Nazis Rechtsradikale, welche die Demokratie abschaffen, die Hitlerzeit verherrlichen und in dieses menschenverachtende System zurückwollen.
In den sozialen Netzwerken indes gibt es jetzt einige Irritationen. Unter dem entsprechenden Post mit der offiziellen Erklärung von Simmel haben bereits mehrere Hundert Facebook-Nutzer Kommentare hinterlassen. Bei den öffentlich sichtbaren Wortmeldungen überwiegt klar die Kritik an seiner Entschuldigung. Einer schreibt:
„Leider sind Sie eingeknickt. Es fühlen sich schon die Richtigen angesprochen.“ Auf die AfD bezogen, kommentiert ein anderer: „Wem der Schuh passt, der zieht ihn sich an.“
Erik Kiwitter 31.01.2024
Kommentar zu Peter Simmel und dem Flyer-Wirbel: Angst vor der eigenen Courage
Lebensmittel-Großhändler Peter Simmel hat eine gute Aktion gegen Nazis und für mehr Demokratie gestartet – aber dann leider ein falsches Signal gesetzt.
Vermutlich ist das etwas dick aufgetragen. Aber Peter Simmel hätte für mich so etwas wie ein Held sein können. Der Lebensmittel-Großhändler hat in seinen Einkaufsmärkten auf die üblichen bunten Prospekte, in denen er für Lachsrollen, Knacker oder Kartoffelsuppen Werbung macht, den Slogan aufdrucken lassen: „Für Demokratie – Gegen Nazis“. Leider hat der bekannte Unternehmer die Flyer kurz darauf wieder einkassiert.
Das ist natürlich seine freie Entscheidung – aber auch verheerend. Simmels Reaktion zeigt auf erschreckende Art, welche Mechanismen in der Gesellschaft wirken. Simmel fordert mit dem Slogan „Für Demokratie – Gegen Nazis“ etwas ganz Normales. Doch er hat Druck bekommen. Die Anfeindungen wie Boykottaufrufe kamen offenbar hauptsächlich aus einer Ecke, die zwar mit keiner Silbe in dem Werbeprospekt Erwähnung fand, sich bei dem Begriff Nazi aber sofort ertappt fühlte und mit Schaum vor dem Mund intervenierte.
Die Aktion von Simmel mit dem Spruch auf dem Flyer war gut – aber er hatte am Ende Angst vor der eigenen Courage. Das zeigt auch, wie Rechte mit ihrem massiven Druck immer mehr die Deutungshoheit über bestimmte Begrifflichkeiten gewinnen. Wo sind wir gelandet, wenn man nicht einmal mehr sagen darf, dass man etwas gegen Nazis hat?