Warum wir die Demo am 1. Mai und den Kommunistischen Aufbau für immer ignorieren sollten

Worum geht es?
Der 1. Mai steht mal wieder vor der Tür. Das alljährliche Selbstbewerbungsfestspiel aller linken Splittergruppen. Während dieser Tag in Berlin wenigstens noch in einer aufständigen Tradition steht und auch nicht-linksradikale Menschen erreicht, hat der selbe Tag in anderen Städten mehr den Charakter eines linken Schaulaufens. Dieses Jahr gibt es in Sachsen, bis auf die jeden Montag stattfindenden rechten Demos, keinen bundesweiten Naziaufmarsch. Das heißt es ist dieses Jahr auch mal wieder angesagt am 1. Mai für ein undefiniert „linkssein“ auf die Straße zu gehen.
In Leipzig gibt es eine 1. Mai Demo von einem recht breiten Bündnis mit teils sehr unterschiedlichen Gruppen. Diese wird  um 15 Uhr vom Südplatz aus starten. Daneben mobiliert die Rote Wende zu einer Demo am Augustusplatz. 
Hinter der Demo vom Südplatz stecken die selben Gruppen, die bereits 2022  mit ihrem Versuch scheiterten ein „breites Bündnis“ zu etablieren. Zur Erinnerung, letztes Jahr sammelten sich mehrere Steinzeitkommunist*innen am 1. Mai und zogen mit FDJ-Bannern und „Jugend, Zukunft, Sozialismus“ Rufen durch die Straße. Hinter dem scheinbar breiten Bündnis steckten autoritäre Gruppen wie der Kommunistischer Aufbau (KA) und die Kommunistische Organisation (KO). Nicht einmal die Rote Wende wollte sich in dieses DDR-Reenactment einordnen. Dieses Jahr konnte der Kommunistische Aufbau allerdings das Rojava-Solibündnis vorschicken. So entging den meisten Menschen wohl, wer da eigentlich mobilisierte. Alle machen mit, von  Aktion Antifa Leipzig (AALE), über Fridays for Future und dem 8.-März-Bündnis bis zu „Psychatrie Mangelware“. (Wenn sich an der Teilnahme etwas geändert hat, entschuldigen wir uns für die falsche Erwähnung, Stand 21.04.2023)
Zum Kommunistischen Aufbau
Der Kommunistische Aufbau will selbsterklärt nach marxistisch-leninistischen Prinzipien eine Kommunistische Partei aufbauen. Mittels Kadern, demokratischen Zentralismus* und Tarnorganisationen soll endlich die Arbeiter*Innenklasse angeführt werden. Dementsprechend stellen sich Gruppen wie die  Internationale Jugend (IJ), das „Solinetz“, sowie die „Föderation klassenkämpferischer Organisationen“ als eigenständig dar, sind aber Teil des Kommunistischen Aufbaus. Diese Gruppen sollen diejenigen Teile der radikale Linken manipulieren, denen offen leninistische Rhetorik nicht direkt gefällt. Immer wieder karperten sie Demos und Kundgebungen der radikalen Linken, um ihre eigenen Themen in den Vordergund zu drängen. 
Einen traugigen Höhepunkt ihrer Aktivitäten stellte das Gedenken an den rechten  und rassistischen Terroranschlag von Hanau dar, dass 2023 von den KA-Gruppen organisiert wurde. Anstatt den Ermordeten würdig zu gedenken, entblödeten sich die Redner*innen von IJ bis Solinetz nicht, die Gelegenheit zu missbrauchen, Werbung für sich selbst zu machen. Aufgrund des ganzen „Klassenkampf“-Gefasel hatte man offensichlich keinen Platz mehr auch noch eine migrantische Gruppe einzubinden. So mussten die Teilnehmer*innen Aussagen wie „die Toten sind Opfer im Klassenkampf“ über sich ergehen zu lassen.1
Der KA selbst hat nicht viele Mitglieder (beispielhaft sei erinnert an die peinliche Demo am 18.3), aber versucht sich zwanghaft an linke Szeneveranstaltungen zu hängen. Hierbei sollen junge Meschen als Fußsoldat*innen für die westdeutschen Zentralkomitees rekrutiert werden. Schon früher gab es immerwieder Versuche von autoritär-kommunistischen Gruppen in der linken Szene in Leipzig Fuß zu fassen. Eine Zeit lang musste die MLPD ständig aus neuen Bündnissen ausgeschlossen werden. Dem Kommunistischen Aufbau ist es aber mittlerweile gelungen, sich dank ihrer harmlos wirkenden Tarnorganisation in Teilen der Leipziger Linken zu etablieren. Dadurch muss man jetzt zum Hanaugedenken, Trans-Day-of-Revenge oder dem 1. Mai solch einer Neben-/Hauptwiderspruch-Scheiße hinterherlaufen.
Keinesfalls unerwähnt bleiben darf schließlich auch der israelbezogene Antisemitismus dieser Gruppe. Auf keiner noch so unpassenden Demo wird ausgelassen „Von Leipzig bis nach Gaza – Klimaintifada“ zu rufen, von Klimastreiks bis hin zu Inflationsdemos. Sich auf die Intifada zu beziehen, bedeutet sich auf Selbstmordattentate und Morde an jüdischen Zivilist*innen zu beziehen. Wir finden es wichtig, dass es verschiedene Meinungen in der linken Szene zum Israel-Palästina-Konflikt gibt und verurteilen auf keinen Fall jede Palästina-Solidarität. Aber auf Gedenkdemonstrationen gegen den einzigen jüdischen Staat zu hetzen, ist nichts anderes als eine Obsession.
Aber nicht nur ihre  Analysen, Meinung zu Israelkonflikt oder Art der Organisation sind in einem vollständigen Widerspruch zu unseren Prinzipien. Unsere gesamte Vorstellung von einer freiheitlichen Utopie und der Selbstbestimmung des Individuums sind in einem fundamentalen Gegensatz zur Ideologie der KA von einer menschenverachtenden autoritären Parteidiktatur und einem Staatskapitalismus. Ihre Utopie ist unser Tod!2 Wir sollten solche Gruppen weder zu unseren Demos einladen, noch ihrer Mobilisierung folgen. Genauso wenig wie wir es mit sozialdemokratischen Gruppen oder der Grünen Jugend machen.
Die Rolle des Rojava-Solibündnis
Besonders enttäuscht sind wir vom Rojava-Solibündnis. Wir schätzen sie als Genoss*innen und unsere Solidarität mit der Revolution in Rojava ist ungebrochen groß.
Letztes Jahr haben alle Leipziger Gruppen freiwillig entschieden, sich der autoritären Melange aus KA, KO, IJ und der Frauenorganisation Zora nicht anzuschließen. Wir haben ihre Bestrebungen nach einem „Breiten Bündnis“ abgelehnt und alle unser eigenes Ding gemacht. Das hätte dieses Jahr wieder genauso laufen können, hätte das Solinetzwerk nicht zu dem Bündnis eingeladen. Mit dem Wissen um das gute Standing des Solibündnis in der Szene, kann diese Taktik schon fast „Manipulation“ genannt werden.
Es drängt sich auch die Frage auf: Respektiert ihr unsere Entscheidungen vom letzten Jahr nicht? Ist eure Analyse von der Vereinigung aller „Kräfte gegen die kapitalistische Moderne“ wichtiger als unser antiautoritärer Anspruch? Es ist nunmal nicht so, dass alle linken Widersprüche sich im demokratischen Konföderalismus auflösen. Das klappt vielleicht (wir zweifeln daran) im Krieg gegen IS und die Türkei mit internationalen Anarchist*innen und türkischen Stalininst*innen der MLKP, ist aber nicht übertragbar auf alle Kontexte. 
Dadurch dass ihr versucht eine spektrenübergreifende 1. Mai Demo zu stellen zwingt ihr antiautoritäre Zusammenhänge in eine Entscheidung, die nur schief gehen kann. Ohne kritische Beteiligung gibt es keinen Widerspruch in der Demo und bei einer Beteiligung hat mensch dieser Scheiße Raum gegeben. Unter dem Vorwand der Rojava Solidarität, werden autoritären Sekten eine Bühne geboten und ihre Anwesenheit auf linken Demos weiter normalisiert. Wir sind verletzt, dass unsere solidarische Haltung zur kurdischen Bewegung und der Revolution in Rojava so ausgenutzt wird. Wir werden auch weiterhin eure Sache unterstützen, aber fordern, dass ihr versucht den Einfluss zureflektieren (böse Zungen reden von Unterwanderung), den diese Leute in eurer Orga haben.
Warum ein Boykott?
Wir verstehen die Logik, dass Menschen die Demo nicht ohne antiautoritäre Präsenz lassen wollen und das Gefühl haben, dass ein Boykott isoliert nichts bringt. Macht euch aber bewusst, dass sich diese kommunistischen Sekten nicht an Absprachen halten, was sich bei der Beteiligung der „Internationalen Jugend“ am kämpferischen Block bei dem Klimastreik in Leipzig am 3. März dieses Jahres wieder deutlich gezeigt hat.3 Wir glauben nicht, dass wir sie einfach überstimmen oder weghören sollten, wenn sie die Diktatur einer Partei oder eine Klimaintifada fordern. Wollt ihr wirklich solchen Menschen noch mehr Einfluss und Aufmerksamkeit bieten? Denkt ihr, dass eure Forderungen nach Freiheit, Autonomie und Selbstverwaltung Menschen erreicht, wenn 100 Meter im Block vor euch genau das Gegenteil gefordert wird?
In Leipzig haben wir im Gegensatz zu manchen westdeutschen Städten oder Berlin noch die Chance, das K-Gruppen-Revival in unserer Szene zu verhindern (gesellschaftlich werden Sie aufgrund ihrer Ästehtik, veralteten Analysen und autoritären Positionen wahrscheinlich nie eine Relevanz erreichen). Ihre Demonstrationen, wie diese peinlichen Fahnenläufe jeden Montag, sind viel zu klein um auf uns verzichten zu können. 
Selbst wenn es für diesen 1. Mai zu spät sein sollte und der antiautoritäre Block nun einmal steht und beworben ist. Lasst dies das letzte Mal gewesen sein!
Jetzt ist der Moment um jede Zusammenarbeit zu verweigern (außer bei staatlicher Repression oder der antifaschistischen Einheitsfront). Zeigen wir Ihnen, dass sie nur ein kleiner peinlicher Haufen sind!
Wir sagen also: Schmeißt sie von jedem Plenum, stellt ihnen keine Veranstaltungsräume zur Verfügung und verhindert jeden (unabgesprochenen) Block auf euren Demos. Wir sind für Pluralismus in der Szene, auch wenn uns einzelne Strategien nicht gefallen. Aber es gibt Grenzen, wie Sexismus, Transfeindlichkeit und Querfrontbestrebungen. Wir schlagen vor die Grenze um diese autoritäre Sekten zu erweitern. Wie also weiter? Leipzig glänzt dadurch schon lange keine linksradikale 1. Mai Demo oder revolutionäre Vorabenddemo zu haben. Wir rufen dazu auf nächstes Jahr eine spektrenübergreifende Demo ohne diese Gruppen organisieren, am besten wahrscheinlich nicht am 1. Mai um im Hinterland aktiv sein zu können. Aktion Antifa Statrtet  nächstes Jahr selbst ein 1. Mai Bündnis.
 
 
* Demokratischer Zentralismus, bedeutet eine hierarchische Entscheidungsstruktur mit klaren Befehlen nach unten und imperativem/jederzeit abwählbaren Mandaten nach oben (in der Realität oftmals nicht vorhanden), sowie  „Diskussion nach innen und Einheit nach außen“. Vor allem in Kombination mit dem, von Lenin angeordneten, Verbot von Fraktionen in der Partei hat dieser immer zu allem anderen als Diskussion und demokratischen Entscheidungen geführt. Im Gegenteil, leninistische Organisationen waren geprägt von extremen Machtkämpfen. Historisch gesehen führt diese Art der Organisierung quasi ohne Ausnahme zu  Gulags und politischen Säuberungen. Das trifft dann immer zuerst die Anarchist*innen, dann die kritischen Kommunist*innen und am Ende meistens auch noch die ursprünglich glühendsten Verfechter*innen der Partei. 
1 [k]appa – kommunistische Gruppe Leipzig: Rotes Gedenktheater statt Erinnerung an die Opfer, unter: https://www.anarchistischefoderation.de/le-hanau-gedenken-2023-in-leipzig-rotes-gedenktheater-statt-erinnerung-an-die-opfer/
2 Nick Heath: Bolshevik repression against anarchists in Vologda, unter: https://libcom.org/article/bolshevik-repression-against-anarchists-vologda
3 Aktion Antifa Leipzige: „Unsere Reflexion zum 3. März“, unter: https://www.instagram.com/p/Cq7oTtDIWXK/