ICH bin dein König! Fitzeks Fantasie-Reich nimmt fünfeinhalb Hektar Land im Erzgebirge ein

Das „Königreich Deutschland“ des Kochs Peter Fitzek aus Sachsen-Anhalt hat sein „Staatsgebiet“ um fünfeinhalb Hektar im Erzgebirge erweitert. Nach Angaben eines Sprechers residiert der selbst ernannte Peter I. nun da, wo sein Verein neue Mitglieder von der „dunklen Seite“ abzuwerben gedenkt.

Um die landschaftliche Schönheit des Erzgebirges wusste schon Anton Günther. „Mit kan Känig möcht ich tauschn, weil dort drubn mei Haisel stieht“, schrieb er. Wenn jetzt ein „König“ sein Palais vom bisherigen Platz auf dem Gelände eines ausgedienten Krankenhauses im sachsen-anhaltischen Wittenberg mit dem Erzgebirge vertauscht, mag das auch mit landschaftlichen Vorzügen zu tun haben. Das allerdings ist wohl nur ein Teil der Wahrheit.Eigensinn der „Freien Sachsen“ lockt

Auch „die Sachsen selbst“ böten Potenzial, verrät ein Sprecher der Vereinigung „Königreich Deutschland“, der sich im Gespräch mit der „Freien Presse“ als Lennart vorstellt: Typ moderner Wikinger mit schwarzem Vollbart und kariertem Holzfällertop, beaufsichtigt er Renovierungsarbeiten an der Fabrikantenvilla Bretschneider. Der herrschaftliche Jugendstilbau samt Türmchen und holzgetäfelter Eingangshalle heißt im Volksmund Wolfsgrüner Schlösschen, wohl weil er überm Eibenstocker Ortsteil Wolfsgrün und der B 283 eher thront, als „stieht“.

„Dort drubn“ hat „König“ Peter I. nun sein Domizil. Nicht in der Villa, sondern im kleineren Haus neueren Datums daneben, sagt Lennart. Was er mit dem Potenzial meint, das er „den Sachsen“ zuschreibt, macht er deutlich, indem er den Eigensinn der „Freien Sachsen“ anspricht. Die rechtsextreme regionale Kleinpartei unter Vorsitz des Chemnitzer Rechtsanwalts Martin Kohlmann hat sich als Koordinator von Protestmärschen in der Region etabliert und sich den „Säxit“ auf die Fahnen geschrieben, also den Austritt Sachsens aus der Bundesrepublik.

Ob der vom gelernten Koch auf „König“ umgesattelte Peter Fitzek nun in Konkurrenz zu diesem Sezessionsführungsanspruch der „Freien Sachsen“ treten will, muss sich zeigen. Auf jeden Fall hat Fitzek erst im Vormonat sein „Staatsgebiet“ erweitert – per Deklaration. Auf dem Schriftstück folgt unter Krone und Wappen in geschwungener Schrift die Erklärung:

„Wir, gewählter Oberster Souverän von Gottes Gnaden, Treuhänder des Reiches, verkünden, was folgt: Erweiterung des Staatsgebietes zum 21.02.2023“. Dann zählt das Papier die fünfeinhalb Hektar umfassenden Flurstücke in der Gemarkung Blauenthal auf, um die das „Staatsgebiet“ durch „Zustiftung“ erweitert worden sei. Unterzeichnet hat Peter I. über seinen abgedruckten Attributen:

„Wir, Peter I., König von Deutschland, Menschensohn des Horst und der Erika, Imperator Fiduziar“. Abrufbar ist das Papier auf der Webseite von Fitzeks Königreich-Verein.

Gesundheitskurse als Mitgliederwerbung

Dort findet man auch aktuelle Vorhaben, die auf dem Schlösschen geplant sind. Annett Ullmann, Fitzeks Partnerin und Begleiterin bei seinen vielen vormaligen Gerichtsterminen, soll dort siebentägige Gesundheits- und Entgiftungsseminare halten. Kostenpunkt: knapp 1600 Euro, Wohnen auf dem Schloss inklusive. „Annett“ sei „Coach für Fitness, Ernährung, Entgiftung, Bewusstseinsarbeit und Lebensführung“, heißt es im Angebot. Die Qualifikation dazu habe sich Ullmann im Fernstudium erworben und bei zertifizierten Ausbildungen. Vormals war die hübsche Brünette Fotomodell und half Fitzek laut „Bild“-Zeitung schon mal mit sexy Fotoshootings aus finanzieller Patsche.

Expansionskurs in den Ortskern

Auf dem Schlösschen herrscht derzeit emsiges Treiben. Handwerker wuseln umher. Fahrzeuge vor dem Eingang stammen nach ihren Kennzeichen aus anderen Bundesländern, mit DU für Duisburg das weitestgereiste aus Nordrhein-Westfalen. Doch auch unterhalb des Villen-Hügels, an der Zugangsstraße zur örtlichen Verpackungs- und Kartonagenfabrik, scheint sich im leerstehenden „Sächsischen Hof“ etwas zu tun. Ein gefüllter Schuttcontainer und mit Innendekoartikeln überquellende Mülltonnen vor dem ehemaligen Hotelrestaurant zeugen von Entkernungsarbeiten.

Ja, das gehöre auch zu den aktuellen Projekten, sagt Lennart. Bis zum Jahresende wolle die Gruppe dort Ferienwohnungen eingerichtet haben. Für Mitglieder? „Nicht unbedingt“, sagt Lennart. In dem Fall können sowohl die Gesundheitskurse des Models Annett Ullmann als auch die Feriendomizile wohl als Schnittstelle zur Bundesrepublik verstanden werden. Also als Aushängeschilder, um neue Mitglieder zu werben. „Sie wissen schon, wer wir sind?“, fragt Lennart den ihn nach Vorhaben fragenden Reporter zurück. Ich nicke. „Ja, ich denke, ich weiß, wer Sie sind.“

Verfassungsschutz warnt vor sektenartigen Siedlungen

Immerhin – der Präsident von Sachsens Landesamt für Verfassungsschutz (LfV), Dirk-Martin Christian, hatte bereits vor einem Jahr vor Fitzek gewarnt. „Das ‚Königreich Deutschland‘ sucht für seine extremistischen Aktivitäten speziell Grundstücke ab einer Größe von fünf Hektar mit Wald und Freiflächen für Landwirtschaft sowie Wasserzuläufen“, sagte Christian.

Doch hatte Fitzeks „Königreich“ da sowohl das Schlösschen in Wolfsgrün wie auch ein weiteres Anwesen in Ostsachsen nahe dem Bärwalder See bereits erworben. Christian warnte, in den für Sachsen angekündigten sogenannten „Gemeinwohldörfern“ des „Königreichs“ sehe er die Gefahr „sektenartiger Siedlungsgemeinschaften“.

„Die Coronapandemie hat Verschwörungstheoretikern und damit auch Reichsbürgern einen ergiebigen Rahmen für das Ausleben ihrer kruden Theorien geboten“, schilderte der Verfassungsschutzpräsident. „Erfolgversprechender Nährboden“ für Fitzek. Mitgliedern des sogenannten „Königreichs“ solle perspektivisch „weitgehende Selbstversorgung“ möglich sein, „abseits des nach ihrer Lesart ‚destruktiven Systems‘ der Bundesrepublik Deutschland“. Abgeschottet sollen sie wohnen, arbeiten, ihre Freizeit verbringen.

Eibenstocks Bürgermeister Uwe Staab (CDU) fand den Grunderwerb des „Königreichs“ in seinem Ort schon damals nicht spaßig. Doch was sollte er tun, als die ehemalige Fabrikantenvilla, die zu DDR-Zeiten als Ferienheim genutzt und nach der Wende zum Hotel umgebaut worden war, zum Verkauf stand?

„Wir hatten vorgeschlagen, das Haus als soziale Einrichtung zu nutzen, entweder als Kinderheim, als Wohngruppe oder für Flüchtlinge“, berichtete Staab der „Freien Presse“. Doch der Kaufpreis von 2,3 Millionen Euro sei für die 7200-Einwohner-Gemeinde allein nicht zu stemmen gewesen. Erhoffte finanzielle Hilfe vom Freistaat blieb aus. Fitzeks Geld für den Immobilienerwerb stammte offenbar von Mitgliedern seines „Königreichs“.

Geldzuwendungen sind dauerhaft verloren

Die müssen sich ihren Status als „Staatsangehörige“ nämlich erst erwerben – über eine Reihe kostenpflichtiger Seminare. Außerdem sieht ein von Fitzek erdachtes Finanzsystem auch Immobilienschenkungen vor. Simple Logik: Wer in ein Gemeinwohldorf ziehen will, braucht andernorts schließlich kein eigenes Haus mehr. In den Genuss der sogenannten „Genussrechte“ des „Königreichs“ kommt man laut dessen „Verfassung“ ebenfalls durch finanzielle Zuwendung. 20.000 Euro sind veranschlagt.

Ein „bevorzugtes Recht, auch im Krisenfall Teil einer stabilen und wertschätzenden Gemeinschaft“ zu sein, kostet mehr. Wer nicht bereits beim Aufbau der Dorfgemeinschaft tatkräftig half, kann sich über Zuwendungen einkaufen, mit zwischen 150.000 und 500.000 Euro. Dafür verspricht ihm die „Verfassung“ des „Königreichs“ Unabhängigkeit von der Gesetzgebung der Bundesrepublik – allerdings ohne dieses Versprechen im Ernstfall einlösen zu können. Von dem ins Königreich gesteckten Geld dürfte man ebenfalls nichts wiedersehen, warnte Christian.

Diese Erfahrung hat bereits ein Aussteiger gemacht, der nach eigenen Angaben mehr als 430.000 Euro ins Vorhaben steckte und sich nun im Netz mit Fitzek verbale Schlagabtausche liefert. Erst im Februar wurde durch die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) eine „Repräsentanz“ der „Gemeinwohlkasse“ des „Königreichs“ in Dresden geschlossen und von der Polizei versiegelt.

„Imperator“ sucht Untertanen auf der „dunklen Seite“

Laut aktueller Meldung des Verfassungsschutzes hat es auf dem Schloss in Ostsachsen wie auch in Wolfsgrün bereits „Systemausstiegsseminare“ gegeben. Als Reichsbürger-Gruppe will sich das „Königreich“ indes nicht verstanden wissen,, betont Lennart gegenüber der „Freien Presse“. Immerhin sei nicht alles abzulehnen, seien „nicht alle Gesetze der Bundesrepublik schlecht“. Ein Kreidefresser bei der Zweckdiplomatie? „Manches würden wir sogar übernehmen“, sagt er. Oder doch eher Größenwahn?

Auch „Peter, der I.“ grenzt sich von umstürzlerischen Tendenzen der Reichsbürger-Bewegung ab. Immerhin, mit Waffenfunden fiel die Bewegung bisher nicht auf. Durchsuchungen fanden in Zusammenhang mit illegalen Bankgeschäften statt. Ganze zwei Jahre verbrachte Fitzek in Untersuchungshaft. Dennoch kann man die Abgrenzung von anderen Reichsbürgern auch als Haarspalterei einordnen. Immerhin hat der 2009 von Fitzek gegründete Verein „Neudeutschland“ zum Ziel, Deutschland in den Grenzen von 1937 wiederherzustellen.

In einem Werbevideo, das Marco Ginzel, ein weiterer „Königreich“-Sprecher, mit dem Youtube-Filmer Tizian Schneider aufnahm, schlägt Ginzel auch deutliche Töne an: Wenn er von der Bundesrepublik spricht, ist von der „dunklen Seite“ die Rede. Davon, dass „Menschen versklavt werden sollen“. Dagegen stehe die Freiheit, die das „Königreich“ den Untertanen gewähre. Friedliche Koexistenz von Republik und Reich klingt anders.