Zum Umgang mit der Presse
Der Text ist eine Antwort auf „Zu Spontis und Schreiberlingen.“1 Der Text soll aber generell zum Nachdenken über den Umgang unserer Szene mit der Presse anregen. Der Text ist ein Beitrag zu einer längst überfälligen Debatte um den Umgang mit Fotograph*innen und Pressefreiheit.2
Zuallererst zum Nutzen von Bildern. Seien wir ehrlich, fast alle lieben Riotvideos. Die Bilder von steinewerfenden Menschen waren für viele ausschlaggebend selbst militant zu werden, nachdem das mindset schon da war. Wir alle können das Adrenalin und die Aufregung durch die Videos mitfühlen. Vielen gefällt die Entschlossenheit und Kompromisslosigkeit, welche die Videos ausdrückten. Fast jedes Mobi-Plakat und Mobivideo kommt daher auch heute noch kaum ohne diese Bilder aus. Wir sollten uns daher freuen, wenn hochwertige Bilder von unseren Aktionen fabriziert werden. Die Menschen, die keine Bilder von sich wollen, sollten nur klandestine Aktionen durchführen. Die Sicherheitsgarantien und der Sachschäden dabei sind deutlich höher.
Aber wie es in der wunderschönen Prisma Broschüre schon stand: „Radikale Gesellschaftskritik kann mit direkten Aktionen, meist durch die Medien, in die Öffentlichkeit getragen werden.“3 Damit Aktionen also bekannt und ihre ganze Schönheit abgebildet werden können, muss es auch Bilder geben. Riot Bilder sind die beste Propaganda, die es gibt, sie drücken die unversöhnliche Wirklichkeit am besten aus. Sie zeigen am besten in welcher Weise wir zu diesem System stehen.
Natürlich kommt das Argument mit „Das sollte dann am besten auch kein*e Journalist*in sein, sondern ein*e vertrauenswürdige Genoss*in sein“. Aber viele (linke) Zeitungen haben mittlerweile hohe Sicherheitsstandards. So hat die LIZ, welcher ihr am liebsten aufs Maul hauen würdet, keine Gesichter gefilmt und sogar Schuhe verpixelt.
Nun was machen wir, wenn Zeitungen dies nicht tun? Tja, genau das gleiche wie sonst auch, wir hauen all unsere Schuhe und Sachen weg, wenn wir Steine, Flaschen und Böller geschmissen haben. Wir haben genug Sicherheitsvorkehrungen damit Kamera-Aufnahmen uns nicht belasten. Hinzu kommt, dass bei den meisten Demonstrationen die Bullen eh bessere Aufnahmen machen als die Presse. Die Presse übergibt ihre Bilder auch standardmäßig nicht den Bullen. Es macht also keinerlei Sinn die Presse anzugreifen.
Es tanzen natürlich immer wieder einige Journis aus der Reihe. Manche halten ihre Kamera schön in den Block rein, um Nahaufnahmen zu bekommen. Solche Aufnahmen können wirklich gefährlich werden. Hier können wir mit friedlichem Widerstand beginnen. Die Gewalt, die hierbei von den Journis ausgeht, ist nicht sehr groß. Es sind nur Fotos, die eventuell der Strafverfolgung helfen aber nicht zu dem Zweck entstanden sind. Oft sind sie sich dieser Gewalt sogar gar nicht bewusst. Daher sollten wir auch nur dementsprechend antworten. Unsere Gewalt ist immer noch eine Gegengewalt und wir orientieren uns an der Gewalt, die wir bekämpfen. Lasst uns Journis die sich nicht benehmen können also 10 Meter wegschubsen und ihnen erklären, dass Nahaufnahmen Leute gefährdet.
Warum also sollten wir Journis nicht boxen oder deren Sachen beschädigen? Weil wir nicht die gleichen Methoden wie Faschist*innen anwenden. Wie oft wurden sogar schon unsere eigenen Leute angegriffen, die auch nur gute mobi Bilder machen wollen? Wir sind für Redefreiheit, Versammlungsfreiheit und Pressefreiheit. Und als Anarchist*innen sind wir sogar noch für viel mehr, nämlich für die komplette Freiheit jedes Menschen. Wir sollten nicht hinter unsere Prinzipien zurückfallen, nur weil es mal Negativpresse gab oder Journis mal einen Artikel geschrieben haben, der uns nicht gefallen hat. Wir müssen damit klarkommen, dass Menschen andere Meinungen haben und auch unsere Aktionen kritisieren. Es ist schon traurig, dass radikale Linke oft ein beschisseneres Pressefreiheitsverständnis haben als Saudi-Arabien.
Aktionen gegen Journis bringen uns von der Revolution auch jedes Mal ein Stück weiter weg. Wir sind immer schockiert, wenn Journis von Faschos angegriffen werden. Stell euch vor normale Menschen sehen solche Angriffe von uns. Wir wollen Menschen von unseren Idealen überzeugen und sollten sie nicht durch solche simple Pseudoradikalität abschrecken. Sie sind oft Ausdruck eines pubertären „Freund-Feind“ Schemas, in dem alle die nicht für uns sind gegen uns sind und gegen die alle Aktionen gerechtfertigt sind ohne Abwägungen. Solche Aktionen entsprechen bringen uns also weder mehr Sicherheit noch bringen sie uns weiter voran, sondern im Gegenteil sie sind gegen unsere Prinzipien.
Das heißt, wenn wir sehen, dass ihr Journis angreift, werden wir uns dazwischen stellen! Wir sehen uns.
1 Autor*in: „Zu Spontis und Schreiberlingen“ vom 11.März 2023, unter: https://knack.news/5296
2 Open Assembly of the anarchist block: „#R1MB Auswertung des anarchistischen Blocks“: https://kontrapolis.info/7288/
3 Prisma (prima radikales info sammelsurium militanter aktionen) von 2010, unter: https://militanz.blackblogs.org/wp-content/uploads/sites/481/2017/11/Prisma.pdf