Beweisaufnahme im Fall Lina E. vor dem Ende: Gericht strebt Urteil vor Ostern an
Im Prozess im Fall Lina E. in Dresden sollen demnächst die Plädoyers gehalten werden. Das Gericht strebt ein Urteil vor Ostern an. Autonome haben zu diesem Anlass eine gewaltsame Reaktion angekündigt.
Der Prozess im Fall Lina E. läuft seit Herbst 2021 – vor Ostern soll er nun zu Ende gehen. Jedenfalls ist das der Wunsch des Staatsschutzsenats am Oberlandesgericht (OLG) in Dresden, vor dem die Sache verhandelt wird. „Irgendwann ist auch alles getan“, sagte der Vorsitzende Richter dazu im Prozess am Mittwoch. Er regte an, mit den Plädoyers in der übernächsten Woche zu beginnen. Die Generalbundesanwaltschaft ließ allerdings durchblicken, dass sie das für einen engen Zeitplan hält.
Vor Gericht ging es am Mittwoch um einen Angriff im Februar 2020 am Bahnhof in Wurzen (Kreis Leipzig). Damals waren mehrere Menschen von Vermummten überfallen und verletzt worden. Die Opfer waren zuvor bei einer rechtsextremen Demonstration in Dresden gewesen. Der Angriff wird der mutmaßlichen linksextremen Gruppe um die Leipziger Studentin Lina E. zugeordnet. Sie und drei Männer sind vor dem OLG wegen dieser und anderer Attacken sowie wegen Bildung einer kriminellen Vereinigung angeklagt.
Lina E. soll im Zusammenhang mit dem Angriff in Wurzen auf Überwachungsvideos aus dem Regionalexpress zwischen Dresden und Leipzig zu sehen sein und dabei mehrfach telefoniert haben – bekleidet mit Pudelmütze, Brille und Schal. Ob es sich bei der Frau tatsächlich um Lina E. handelt, ist umstritten. Zuletzt hatte eine Anthropologin Bilder von Lina E. mit den Aufnahmen aus dem Zug verglichen und war zu dem Schluss gekommen, dass es sich bei der Frau mit Mütze wahrscheinlich um Lina E. handele.
Ungeklärt ist die Frage, mit wem Lina E. – sofern sie in dem Zug saß – telefoniert hat – und ob sie so die Angriffe in Wurzen mitorganisiert haben könnte. Eine vom Gericht beim Landeskriminalamt Sachsen beauftragte, recht aufwändige Ermittlung zu Telefonaten aus Funkzellen um und am Dresdner Hauptbahnhof konnte dazu nichts beitragen.
Vor Gericht ging es am Mittwoch auch um ein mögliches Alibi für einen der Angeklagten. Seine Anwälte hatten Fotos vorgelegt, die belegen sollen, dass Janis R. bei einem Angriff auf die Neonazi-Kneipe nicht, so wie bislang von der Anklage vorgelegt, dabei gewesen sein könne. Über die Details hatte der MDR berichtet. Eine Zeugin, die am Mittwoch dazu gehört wurde, sagte mit stockender Stimme, sie habe eigentlich nicht aussagen wollen. „In meiner Familie gibt es sehr viel Erfahrung mit rechter Gewalt, und ich wollte deswegen nicht mit Nazis in einem Raum sein.“ In dem Verfahren sind hin und wieder die mutmaßlichen rechtsextremen Opfer und deren Anwälte zugegen.
Autonome kündigen zum Urteil Demo an – und diskutieren Attacken auf staatliche Einrichtungen
Auch wenn der Senat ein Urteil bis Ostern anstrebt, hat er vorsorglich Prozesstermine bis Ende Mai festgelegt. Wann auch immer das Urteil fällt: Für den Samstag danach wird in linksradikalen Kreisen schon seit Monaten zu einer Demonstration in Leipzig mobilisiert. In einem Aufruf dazu heißt es, man wolle zeigen, „wie wütend wir sein können, wenn unsere Genossinnen in den Knast gesteckt werden“.
Noch deutlicher ist ein Schreiben, das Anfang Februar auf linken Szeneseiten veröffentlicht wurde. Die Autoren fordern ihre Mitstreiter darin dazu auf, sich mit Gewalt gegen Haftstrafen und polizeiliche Ermittlungen zu wehren. Für jedes Jahr im Gefängnis, schreiben sie, zu dem Szeneangehörige künftig verurteilt würden, „gibt es ab sofort 1 Million Sachschaden bundesweit“. Als mögliche Ziele von Attacken werden Rechtsextreme und staatliche Einrichtungen genannt. Zuletzt hatte es in Leipzig unter anderem einen Brandanschlag gegeben, zu denen sich Linksextreme bekannten. Auch wurden kürzlich abermals die Wohnadressen vermeintlicher und tatsächlicher Leipziger Rechtsradikaler auf Szeneseiten veröffentlicht.