Tausende bei Protest in Plauen am Sonntag erwartet: Wer steckt dahinter?

Schon Ende August waren rund 2500 Menschen auf die Straße gegangen. Die Veranstalter bezeichnen sich als Demokraten, von den Rednern werden aber teils harte Töne angeschlagen.

Die Energiepreise stürzen viele Menschen in Existenznot. Die Linken versprechen einen heißen Herbst, die extreme Rechte hofft auf Massenunruhen. In Plauen formiert sich eine Protestbewegung, die vorgibt, beides nicht zu sein: links wie rechts. „Forum für Demokratie und Freiheit“ nennt sich die Bewegung. Zur ersten Demo am 28. August kamen laut Polizei und Versammlungsbehörde rund 2500 Teilnehmern. Teilnehmer vor Ort behaupteten, es seien weit mehr gewesen. Die nächste Kundgebung soll am Sonntag stattfinden, wieder in Plauen. Motto: „Für den Frieden und die Freiheit in unserer Gesellschaft“. Diesmal erwarten die Organisatoren 3000 bis 7000 Teilnehmer. Beobachter halten diese Zahlen für realistisch. Was aber will das Forum?

Im Netz kursieren höchst unterschiedliche Forderungen: Etwa ein Ende der Russland-Sanktionen, Sicherung des Friedens, Auflösung von Bundestag und Bundesregierung, Austritt aus der Nato, gerichtliche Aufarbeitung der „Machenschaften“ von Regierung und Parlament, Basisdemokratie, Abzug aller US-Truppen, Abschaffung der Corona-Maßnahmen sowie der EU in ihrer jetzigen Form sowie eine neue Verfassung. Bei Facebook tauschen sich die Mitglieder in einer geschlossenen Gruppe aus. Eine der Regeln: „Keine Hassrede oder Mobbing“.

Erniedrigende Kommentare aufgrund ethnischer Zugehörigkeit, Religion, Kultur, sexueller Orientierung, Geschlecht oder Identität würden nicht toleriert. Daran muss man die Diskutanten mitunter erinnern. „Wir beobachten hier in den Foren ungesunde Tendenzen der Kommunikation“, schrieb zuletzt einer der Organisatoren. Nachdrücklich appellierte er, persönliche Angriffe zu unterlassen. „Das ist demokratischer Stil, den wir einhalten sollten und müssen, wenn wir glaubwürdig sein wollen.“

Verträgt sich aber die Forderung, den demokratisch gewählten Bundestag aufzulösen und gewählte Politiker vor Gericht zu stellen, mit der Beschwörung von Demokratie? Ist es Demokratie, zu schreiben, die Zeit sei reif für einen Sturm? Was die Zuhörer bei der ersten Demonstration bei Reden beklatschten, entsprach auch nicht komplett den selbst gesteckten Ansprüchen.

Ob Karl Lauterbach oder Ricarda Lang: Attacken unter der Gürtellinie

Zu sachlicher Kritik gesellten sich bei der Ansprache einer der Organisatorinnen Attacken unter die Gürtellinie: Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) wurden krankhafte Aussagen attestiert, den Grünen perverse Ideologien vorgehalten, Grünen-Chefin Ricarda Lang ebenso persönlich angegangen wie Außenministerin Annalena Baerbock.

Geschlechterdiversität wurde als kinderschädlich gebrandmarkt, angebliche Sexualaufklärung im Kindergartenalter angeprangert. Dazu kam die Falschaussage, es sei Kindern verboten, sich an Fasching als Indianer zu verkleiden.

Die drei Redner, die später beim Offenen Mikrofon der Kundgebung das Wort ergriffen, sind in Plauen keine Unbekannten: Sie hatten sich bei Corona-Demos engagiert und teils bei den asylkritischen Demonstrationen von „Wir sind Deutschland“ zu Wort gemeldet. Bei einer Schweigeminute zu Beginn der Demo erklärte sich die Menge selbst zum „Opfer“ von Krieg und Vertreibung. Dafür, dass eine Ordnerin Mitglied der Neonazi-Partei Der dritte Weg war, entschuldigte sich die Organisatorin später.

Während der Demo waren aber auch Fahnen der rechtsextremen „Freien Sachsen“ zu sehen, dazu einschlägige T-Shirts, ohne dass die Demo-Leitung eingeschritten wäre. Der Lokalredaktion der „Freien Presse“ wurde in einem Redebeitrag unterstellt, das Forum zu diskreditieren: Vorab war die Demonstration in einem Artikel erwähnt worden, in dem es hauptsächlich um eine geplante Demonstration von Der dritte Weg ging. Der Name einer Redakteurin wurde auf der Kundgebung genannt; sie solle sich schämen, hieß es.

Anhänger werden aufgefordert, nicht mit Medien zu sprechen

In einem Brief an die „Freie Presse“ schrieb ein Organisator: Hinter dem Forum stünden bekennende Humanisten, Pazifisten und Antifaschisten. Sie hätten eineindeutig erklärt, sich von rechtem Gedankengut, Parteien und Organisationen zu distanzieren. Wörtlich heißt es: „Beim nächsten solchem Pamphlet sehen wir uns vor Gericht wieder.“

Die Anhänger werden aufgefordert, nicht mit Medien zu sprechen. Zitat: „Sie warten nur darauf Euch und uns auf die Schlachtbank zu führen.“ In einem weiteren Post heißt es über die Redakteurin, sie solle nicht glauben, „dass wir genauso blöd sind wie sie selbst“. Auch ist von abstrusem Dünnschiss die Rede.

Soziologe Alexander Leistner von der Universität Leipzig forscht seit Jahren zu Protestbewegungen in Ostdeutschland. Für eine abschließende Einordnung des Forums sei es noch zu früh, sagt Leistner. Seiner Meinung nach zeigen manche der Reden aber rechtsoffenen Charakter. Es erscheine der Bewegung wichtiger, sich nicht spalten zu lassen, als sich deutlich von rechtsextremen Inhalten abzugrenzen. Die namentliche Adressierung von Medienvertretern nennt Leistner „verantwortungslos“. In den letzten Jahren habe es zunehmend Angriffe gegeben. „Das hat eine Einschüchterungswirkung.“

Ebenso die Hervorhebung einzelner Politiker. „Diese Art von Protesten nimmt zusehends Formen von Tribunalen an, mit Anklagen, Urteilen.“ Es gehe nicht darum, politische Forderungen mit Druck von der Straße durchsetzen zu wollen. „Diese Personalisierung ist ein Missverständnis von Demokratie – unter dem Deckmantel der Demokratie.“

Aus Fahnen oder T-Shirts in der Menge würde er per se jedoch nicht auf den Charakter der Bewegung schließen. Entscheidend sei, ob die Fahnen und T-Shirts prägenden Charakter hätten. „Bei einzelnen Fahnen oder auch T-Shirts es sicherlich schwer, das immer zu unterbinden.“

Bei der für Sonntag geplanten Kundgebung dürften Fahnen der „Freien Sachsen“ nicht zu sehen sein. Neben verfassungsfeindlichen Inhalten sind laut Veranstaltern diesmal auch Parteifahnen nicht gestattet.