Falsche Behauptung über Knast-Besuche: Ex-NPD-Stadtrat Böhm verurteilt
Ex-NPD-Stadtrat Böhm behauptete, dass Linken-Politikern Juliane Nagel einen verurteilten Linksextremisten im Gefängnis besucht haben soll. Das Amtsgericht verurteilte ihn am Mittwoch wegen falscher Versicherung an Eides statt.
Leipzig. Hat die sächsische Landtagsabgeordnete Juliane Nagel (Die Linke) den gesuchten Linksextremisten Johann G. während dessen Haftzeit im Gefängnis besucht? Der frühere NPD-Stadtrat Enrico Böhm (39) behauptete dies in einer eidesstattlichen Versicherung. Doch das entsprach nach Auffassung des Leipziger Amtsgerichts nicht der Wahrheit. Am Mittwoch wurde Böhm deshalb zu einer Geldstrafe verurteilt.
Böhms Erklärung über mutmaßliche Kontakte der bekannten Politikerin zur gewaltbereiten linken Szene war durchaus brisant. Johann G. soll immerhin der Lebensgefährte von Lina E. (27) sein, die nach Überzeugung der Bundesanwaltschaft die „Kommandoführerin“ einer Gruppierung an der Schwelle zum Linksterrorismus gewesen sein soll. Die Studentin steht mit drei mutmaßlichen Komplizen derzeit vor Gericht. Zwischen 2018 und 2020 sollen sie Angehörige der rechten Szene in Leipzig, Wurzen und Eisenach ausgespäht, zusammengeschlagen und erheblich verletzt haben. Angeklagt sind sie zudem wegen Bildung einer kriminellen Vereinigung. Der seit Sommer 2020 untergetauchte Johann G. wird von den Behörden zusammen mit Lina E. als Kopf der mutmaßlichen linksextremen Gruppe angesehen.
G. wurde im April 2018 vom Landgericht Leipzig wegen Landfriedensbruchs und gemeinschaftlicher versuchter gefährlicher Körperverletzung zu einem Jahr und sieben Monaten Haft verurteilt. Er war der einzige Straftäter, der im Zusammenhang mit den schweren linksextremistischen Krawallen vom 15. Januar 2015 überführt und rechtskräftig verurteilt wurde. Während seiner Haftzeit in der Jugendstrafvollzugsanstalt (JSA) Regis-Breitingen soll ihn die Linken-Abgeordnete besucht haben, schrieb das vom Verfassungsschutz als rechtsextremistisch eingestufte Compact-Magazin.
Nagel wies diese Behauptung als falsch zurück und erwirkte im Mai 2021 am Landgericht eine einstweilige Verfügung. Compact war es damit zunächst untersagt, die fragliche Behauptung über Knast-Besuche zu verbreiten. Doch das Magazin erklärte, die Unterlassungserklärung nicht abgeben zu wollen, und verwies auf das anstehende Hauptsacheverfahren. Dem Gericht wurden eidesstattliche Versicherungen von zwei angeblichen Zeugen vorgelegt: Von Enrico Böhm und von einem damals inhaftierten Bekannten, der Böhm die brisante Info gesteckt haben soll.
Jene schriftliche Behauptung führte den massiv vorbestraften Ex-Stadtrat nun erneut auf die Anklagebank – wegen des Tatvorwurfs der falschen Versicherung an Eides statt. Als Zeugen waren zwei Staatsschützer des sächsischen Landeskriminalamtes geladen. Böhm stand wegen eines Verfahrens mit einem der Kriminalbeamten in Kontakt. Unaufgefordert habe Böhm ihm per Mail mitgeteilt, das LKA solle die Besuchsprotokolle der JSA prüfen, erinnerte sich der Beamte am Mittwoch vor Gericht, aus sicherer Quelle wolle dieser erfahren haben, dass Nagel den Linksextremisten G. hinter Gittern besucht habe.
Bei einer späteren LKA-Vernehmung im März 2021 will Böhm den Beamten gefragt haben, „ob die mir anvertrauten Informationen vom Besuch der Frau Nagel bei Herrn G. korrekt waren“. Der Vernehmungsbeamte habe dies bejaht und nachgefragt, ob Böhm eine Vermutung habe, warum man ausgerechnet ihm über einen Inhaftierten diese Informationen zukommen ließ. Doch an eine solche Gesprächssituation konnten sich die beiden Polizisten nicht erinnern. Es habe keine derartige Nachfrage von Böhm zu etwaigen Knast-Besuchen Nagels und mithin auch keine Antwort darauf gegeben, stellten die Vernehmungsbeamten klar, „es lagen dazu auch keine Erkenntnisse vor.“
Böhm bestätigte am Mittwoch, dass er eine solche eidesstattliche Versicherung abgegeben habe. Er räumte aber ein, dass er in die Reaktion der Beamten möglicherweise „etwas hineininterpretiert“ und ein Nicken eventuell falsch verstanden habe. Er sei sich nicht mehr sicher, ob eine Antwort verbal oder nonverbal erfolgte.
Amtsrichter Sven Hartleif hielt Böhms Aussage für unglaubwürdig. Der Angeklagte sei intelligent und eloquent, könne durchaus das Verhalten anderer Menschen richtig einschätzen. Die eidesstattliche Versicherung sei zur Vorlage bei Gericht für ein erwartbares Verfahren im Zuge der Compact-Veröffentlichung erstellt worden. Der Richter verurteilte Böhm zu einer Gesamtstrafe von 125 Tagessätzen á 20 Euro. Die Staatsanwaltschaft hatte 150 x 40 Euro gefordert. Nach Überzeugung der Behörde habe der Angeklagte mit einer bewussten Falschaussage Nagel schädigen wollen. Verteidiger Arndt Hohnstädter plädierte auf einen Freispruch – es habe sich womöglich um ein Missverständnis gehandelt, die Wahrheit ließe sich nicht vollständig aufklären.
Ohne Zeugen ist das presserechtliche Verfahren für Compact offenbar aussichtslos. Wie das Landgericht auf LVZ-Anfrage mitteilte, sei ein geplanter Verhandlungstermin aufgehoben worden. Das Magazin habe inzwischen erklärt, die angegriffene Behauptung in Bezug auf Juliane Nagel zukünftig zu unterlassen.