Wann ist ein Witz ein Witz, Uwe Steimle?

Seit seinem Rauswurf beim MDR macht Kabarettist Uwe Steimle sein eigenes Programm bei Youtube. Er tourt auch wieder – und mischt Satire mit politischer Agitation.

Borna. Noch bevor Uwe Steimle als Erich Honecker auf die Bühne tritt, will er von seinem Publikum in Borna wissen, wer manchmal die „Aktuelle Kamera“ schaue. Jubel brandet auf, es wird gejohlt. Einige Hundert Menschen sind da, bis zu 150.000 sehen den Kabarettisten jede Woche auf Youtube in seiner Interpretation der DDR-Nachrichtensendung „Aktuelle Kamera“, einem wilden Ritt von Bockwurst bis Baerbock. „Mein Publikum“, sagt Uwe Steimle auf die Frage, wie er klar komme ohne seinen langjährigen Heimatsender MDR, „erreiche ich jetzt, ohne Mediendiktatur, besser als je zuvor.“

2019 trennte sich der MDR vom Kabarettisten Uwe Steimle. Nun sendet er auf Youtube, moderiert die Talkshow „Ruderboot“ auf einer Plattform für Esoterik und Verschwörungstheorien. Seit April tourt er, demnächst durch Limbach-Oberfrohna und Leipzig. Er sieht die Meinungsfreiheit heute gefährdeter als zu DDR-Zeiten, sagt „Menschen mit Pigmentbegünstigung“, wenn er die meint, die nicht schon seit Generationen hier leben und zeigte seine Honecker-Parodie auf der später eskalierten „Querdenken“-Demonstration im Herbst 2020 in Leipzig. Als Steimle kürzlich in Halle auftrat, mahnte der Bürgermeister dort, man dürfe „Feinden und Gefährdern unserer Demokratie“ kein Podium bieten.

Bei seinem Programm „Mir san mir“, das Steimle diese Woche in Grimma und Borna gegeben hat, tritt er mit dem bayerischen Kabarettisten Helmut Schleich auf. Die beiden machen sich übers Gendern lustig, über die Corona-Impfung und Karl Lauterbach, über Elektroautos und alle, die das N-Wort nicht mehr hören wollen. Dann streiten sie kurz über den Krieg in der Ukraine. Steimle fragt, ob „der Russe denn kein Recht zur Selbstverteidigung“ habe und Schleich antwortet: „Aber doch nicht in einem anderen Land!“

Das darf man unlustig finden, unempathisch und politisch falsch. Aber ist es deswegen demokratiegefährdend?

Kabarett oder Kabinett?

Eine Ausgabe von Steimles „Aktuelle Kamera“ von Mitte Juli, es geht um die steigenden Energiepreise und darum, dass Steimles „Lieblings-Sirene Nancy Faeser“ vor radikalen Protesten gewarnt hat. „Ich staune über meine Landsleute, dass die immer noch ruhig bleiben und sagen: Ach na ja, da bezahlmers eben, damit Frieden bleibt“, sagt Steimle da. „Nee, Leute. Frieden kriegt mer geschenkt. Aber für die Freiheit muss man kämpfen.“

Ist das nun ein Witz oder doch eine Handlungsanweisung? „Kabarett oder Kabinett“ – daran, was was ist, verzweifelt Steimle in Borna ja selbst. Wie Komiker in der DDR deutet Steimle oft nur an. Kein Zufall natürlich, meint er, schließlich dürfe man heute wie damals nicht sagen, was man denke.

Tatsächlich sagt Steimle ständig, was er denkt, nicht nur auf der Bühne, sondern auch in Interviews: früher in Fernseh-Talkshows, heute beim rechtsextremen „Compact“-Magazin. Einen Unterschied zwischen dem, was er bei solchen Gelegenheiten über Politik sagt und dem, was auf der Bühne plötzlich Satire sein soll, macht er nicht. Das darf er, keine Frage. Aber dann muss man das, was er sagt, auch so nehmen, wie er es sagt: sehr ernst.