Die Häuser denen, die sich schonen!

Na das ist ja mal interessant! Wenn zwei sich streiten … wird’s eine Debatte nur durch die Dritte! Daher werde ich hier in alter Sponti-Manier mal die oft so bierernste Gesprächs- und Abchecker-Atmosphäre aufbrechen und ebenfalls meine Weisheiten zu den Texten Aufruf an alle Hausprojekte ihre Infrastruktur wieder der Bewegung zu übergeben! von einigen frustrierten Autonomen und Einige Missverständnisse, ein Angebot und etwas ganz Anderes von einem von denen schreiben. Denn ich bin keiner von denen – und keine von den anderen, aber dennoch frustriert und Bestandteil dieses Sumpfes mit den linken Zähnen. Klar, sonst hätte ich ja nicht den Drang, nach wie vor die Welt aus den Angeln zu heben – und daraus ein neues Haus zu bauen.

Und damit bin ich wohl schon beim Thema: Dem Häusle bauen. Tja, es ist eben nicht mehr so einfach mit dem besetzen. Umso lobenswerter die Initiativen, welche unter dem Label von # Leipzig besetzen gab [1]. Und wer weiß, vielleicht noch geben wird? Wenn Silvester 12 Grad waren, verspricht auch der Sommer wieder heiß zu werden! Aber – machen wir uns nichts vor – besitzen statt besetzen ist schon seit geraumer Zeit en vogue. Und das hat auch seine Gründe. Manche finden sie in Erfahrungen. Das ewige Rein-raus-aus-dem-Haus – nicht nur etwas rabiat, sondern auch unkreativ. Andere gestehen sich ihr abgekämpftes Ruhe- und Sicherheitsbedürfnis ein. So oder so, die Szene braucht ihre Ausgangsbasen, Wohn- und auch Rückzugsräume. Und wenn ich „Szene“ schreibe, dann meine ich selbstverständlich ganz bestimmte Menschen mit Bedürfnissen und all diesem Zeug, über das die Jüngeren gerne sprechen, wenn sie sagen: „Ich versteh dich voll“ oder „Ich fühl dies, das, dich, mich, mich nicht“ etc..

Also: Die einen wollen gerne entspannt und radikal über 30 werden, die anderen würden gern – ohne die früheren Dummheiten zu wiederholen – unter 30 bleiben. Die gute Nachricht ist: Alter sucht mensch sich nicht aus, du wächst hinein und wieder raus. Zur eigenen Lebenssituation und einer reflektierten Einstellung lässt sich aber schon was beitragen. Doch auch abgesehen von nervigen Lohnarbeitsanforderungen, tendenziell vermehrter Sorgearbeit und ansteigenden Regenerationsbedürfnissen – die noch in anderem bestehen, als monatelang durch Spanien zu gurken, wenn’s einer hier mal nicht passt – gibt’s wohl Personen, die in jüngeren Jahren schon mental und häuslich ziemlich eingerichtet sind und solche, denen es aus verschiedenen Gründen schwer fällt oder verwehrt blieb, dies tun zu können. Also was soll das rumeiern wegen irgendwelchen Altern, Alter?

Nun ja, ich kenne das schon auch: Du ziehst in eine andere Stadt. Um ein zufälliges Beispiel heraus zu greifen… sagen wir, nach Leipzig. Sooo. Und da ist ja jetzt erst mal egal, ob du ein Wessi aus Hamburg, Hannover, dem Bayernlande oder dem Schwarzwald oder ein Mensch mit Ost-Hintergrund (Ist das politisch korrekt? Also halt so ein Ost-geschädiger Mensch – ach es wird nicht besser…) aus den beschaulichen Kleinstädten der bekanntlich blühenden Landschaften Sachsens, Thüringens oder Anhalts bist. Weil die Zecken aus Brandenburg und MäckPomm gehen ja nach Berlin und die sich aus Berlin hierher evakuieren, bleiben ja sozusagen „Berliner“, weil das eben schicker ist im Autonomen-Portefolio.

So. Und dann bist du halt hier, mit all deinem Tatendrang, und deiner Biografie, inklusive Schädigungen aus der radikalen politischen Aktivitääät. Also möglicherweise auch mit einem gewissen Bedürfnis nach Ruhe und vielleicht sogar mit einem, irgendwie mal anzukommen irgendwo. In dieser Welt der Ü30-Erwachsenen oder whatever. Und dann geht das erst mal gar nicht so richtig. Niemand weiß oder interessiert zunächst, gegen welchen Gipfel du protestiert, welchen Faschos du eins mitgegeben, welche Gruppe du organisiert und welches AZ du mitgetragen hast. Denn jetzt bist du in Leipzig, Baby, der linksextremistischen Hochburch. Ist echt so krass! (Sagt der VS): Dauernd brennen in Barrikaden, die Leute grillen lokale Wurstspezialitäten darauf. Alle sind total aware und sagen „Entschuldigung“, während sie dir ins Glas spucken. Außerdem in den coolsten Gruppen eben. Die ohne Namen und Strukturen. – Da siehste schnell cringe aus! Fast wie so nen Alkoholiker-Alt-Autonomer, wie du sie in deiner Jugend noch kennen gelernt hast: anonym und asozial aus Prinzip. Stay rebel, stay rude!

Kommste nach Leipzig, stellste eben schnell fest erst mal, dass das Nest schon besetzt ist. Gut, um das Thema des Aufsatzes nicht völlig zu verfehlen: Also, dass da alle Häuser schon gekauft sind, die so Zecken sich mit ähnlichen Geldbeuteln wie du (und den ihrer Omas) halt ham rauslassen können. Dann fragste da mal, was ist, ob Platz ist und so weiter. Und nüscht is. Kein Zimmer frei. Wie bei Maria und Josef, heilige Scheiße! Dabei war der Plan doch nen paar fette Aktionen zu gebären, sich nen neuen Namen zu machen (und auch ein bisschen runter zu kommen und nen paar beschissen gelaufene alte Sachen zu vergessen – is legitim, kein Stress …).

Okay… Aber das es jetzt keinerlei Räume geben würde, in denen mensch was anfangen kann, stimmt nun echt nicht. Fragen kann mensch schon. Dauert halt oft ne ganze Weile, das stimmt. Und das habt ihr ja auch gemacht, frustrierte Autonome, ist doch so 😉 Na klar und Hippie-DJs, Hipster-Künster:innen – des woll’mer ned! Dafür sinne mor ned nach Leiptsch g’ange! Ein bisschen einfach macht ihr es euch schon mit euren Strohpuppen, oder? Wenn eure anderen Autonomen-Freund:innen aus euren Netzwerken das „Recht“ haben in diese Stadt zu ziehen und in Häusern zu wohnen mit Menschen, mit denen sie vielleicht seit Jahren befreundet sind und gemeinsame Projekte haben, dann wohl auch ihr, was? Eben. Bitte tut nicht so, als wenn dass das Problem wäre, sondern seid so gut und benennt den casus kacksus beim Namen! You know it … Die Eigentumsverhältnisse. Genau! Also: Statt sich ins gemachte Nest setzen zu wollen – und da würde ich den Einzigen mit seinem Eigentum, dem Bauwagen, nicht ausnehmen! – eben doch mal ne Mieter:innengewerkschaft gründen, wie es sie in Berlin gibt.[2] Da geht’s nicht nur um Wohltätigkeit, sondern auch um’s eigene Interesse. Beim Vergesellschaften geht’s ans Eingemachte – langfristig, massenwirksam, nachhaltig. Denn heute bereiten wir die Kollektivierungen von morgen vor!

Aber ach, ich weiß… sowas wäre ja fast so langweilig wie die FAU mit ihren erfolgreichen Arbeitskämpfen.[3] Anach@-Reformismus-Kacke, wer will das schon? Nicht die Autonomen, die sind lieber noch eine Weile frustriert. Aber eben auch nicht unbedingt jene, die es sich gemütlich machen in ihren Hauspröjektchen. Und daran ist nun mal auch was Wahres. Stimmt: Da haben die Beteiligten oft Jahre ihres Lebens reingesteckt, die auszubauen, dafür endlose Gruppenprozesse durchzumachen, Direktkredite ran zu schaffen und die Dinger dann noch am Laufen zu halten. Ganz ehrlich: Ich stell mir die Frage, ob es die Zeit und den Stress wirklich wert ist. Klar, das ist die Entscheidung jede:r Einzelnen am Ende und ich hab auch nichts dagegen. Aber soziale Kämpfe zu führen ist schon was anderes.

Und dafür brauchen wir nicht primär diese Häuser – sondern funktionierende soziale Beziehungen, verbindliche, kontinuierlich zusammenhängende Bezugsgruppen, die über den Aktionismus auch ihren Lebensalltag zu gewissen Graden miteinander teilen und sich gegenseitig unterstützen. Macht ihr schon? Super, weiter so! Keine Angst, das ist dann immer noch „Szene“: Ihr bleibt in eurem süß-sauren Milijöh. Das werden wir nicht so schnell los 😉 Was ich damit sagen will, ist: Es gibt sicherlich einiges zu kritisieren, wie es läuft, wer über was verfügt, wer sich eingerichtet hat und wer lieber ausbrennt, als sich so aufzustellen, dass sie*er langfristig kämpfen kann. Ohne soziale Kämpfe, in denen wir Menschen über die Szene hinaus einbinden, sind letztendlich aber alle am Arsch. Und trotzdem, habt ihr autonomen Frustrierten schon recht. Bei dem mit der Entpolitisierung, meine ich. Scheiße, ja, regt mich auch auf. Regt mich aber irgendwie eigentlich, wenn ich so drüber nachdenke, bei ALLEN Praktiken auf, die sich verselbständigt haben – leider gerade auch in der autonomen Szene!

Und dann mal noch ein letzter Punkt. Eigentlich ist der eh völlig klar, aber komischerweise haben den meine beiden Vorredner:innen gar nicht angebracht. (Daher kann ich mich ihnen auch nur halbherzig anschließen…): Warum denn Leipzig, mensch? Ja, da habt ihr sicherlich eure Gründe für. Die gehen mich auch nichts an. Aber wer tatsächlich Bock hat, nen Hausprojekt mit viel Platz und viel politischer Arbeit aufzumachen, wird in der näheren Umgebung fündig. Wart ihr schon mal in Wurzen, Delitzsch, Grimma, Zeitz, Naumburg, Gera oder Zwickau? (Also ich meine… abgesehen davon, wenn ihr aus diesen Orten hierher gezogen seid, das zählt nicht.) Alles tolle Orte mit Häusern, Menschen, Dingen zu tun. Die Leute, mit denen ihr was anfangen könnt, werdet ihr in der Regel schnell finden. Es sind ja nicht so viele. Da braucht ihr euch auch nicht in einer linksradikalen Szene zu beweisen. Ihr könnt euch einfach auf den Marktplatz setzen und das ist dann schon eine direkte Aktion. Und – ich meine es ernst – nicht die unwirksamste. Was? Spricht euch das nicht an? Na gut… dann aber mal Hand auf’s Herz: Wer will sich hier eigentlich wo einrichten und meckert deswegen rum, dass alle anderen so gesetzt seien? Für 50, 60, 70000 kannste dir in den besagten ostdeutschen Provinzperlen teilweise schon halbe Schlösser kaufen. Okay, ich übertreibe, aber ihr wisst, worauf ich hinaus will. Und Grünau, Paunsdorf oder Taucha sind auch so… ich sag mal „Gebiete“ … in denen es genug zu tun gäbe und die Mieten bezahlbar sind.

Ihr habt recht, Freund:innen – Gegen Ende schwoff ich etwas ab in meiner Anekdote. Ich hoffe dennoch, dass ich einige Anregungen anregen und – als Homage an Peter-Paul Zahl – auch das eine oder andere „Argument“ vorbringen oder vorwerfen konnte. Vielleicht war das erste ja auch nicht das letzte mal, dass ich an euch schrieb 😉

eure

casi knacksi

 

P.S.: Aber ey, du, einer von denen: Eine Frage hätte ich noch: Sag mal, wo sind denn die hundert Kneipentische, mensch? Wegen Carola, weißte … na ja, da komm ich langsam aus der Übung beim sozialen Szenegeklüngel…

Ich will ehrlich zu dir sein: Ich hatte keine Schreibmaschine, sondern nur diesen Computer. Aber… ich dachte halt, das ich über diesen Artikel irgendwie mit dir Kontakt aufnehmen kann. Letztens fand ich auch eine illegale Bar, das war ganz famos! Da dacht ich auch gleich: Das müssen diese Autonomen sein, cool! Gern wieder. Trotzdem – ich hab mich ja schon geoutet – da ich halt nicht in einem eurer geilen Hausprojects wohne (wegen dem ganzen Hipster- und Hippiezeuch … und vielleicht auch ein bisschen, weil ich mein Schandmaul immer so weit aufreiße, who knows) … Also ich hätte da schon Interesse. Wegen sozial. Und asozial. Du verstehst schon. Genau. Also: Wenn du was hörst… Du weißt schon: PN!

[1] https://leipzigbesetzen.noblogs.org/post/2020/05/01/leipzigbesetzen-freiraum-kampgange-gestartet/

[2] https://mg-berlin.org/

[3] https://leipzig.fau.org/8-turchen-unseres-adventskalenders-unser-jahresruckblick-2021/