Anwältin kritisiert Haftbedingungen als „grob rechtswidrig“
Seit Anfang November sitzt der mutmaßliche ehemalige Gebietsleiter Sachsen der verbotenen Kurdischen Arbeiterpartei (PKK) in Dresden in Untersuchungshaft. Der Fall wirft auch die Frage auf, wie Deutschland künftig mit PKK-Anhängern umgehen will.
„Das habe ich bei Personen, die inhaftiert wurden, mit dem Vorwurf, Mitglied in der PKK zu sein, noch nie erlebt“, sagte Antonia von der Behrens „MDR Investigativ“. Die Anwältin vertritt den 54-jährigen Aziz K., der Anfang November durch das Landeskriminalamt Sachsen in Hamburg verhaftet wurde. Die Festnahme bewertete von der Behrens als überzogen: „Ich verstehe tatsächlich diese große, gegen ihn gerichtete Operation zu diesem Zeitpunkt nicht.“
Aziz K. von anderen Inhaftierten getrennt
Die Bedingungen der Untersuchungshaft in der Justizvollzugsanstalt (JVA) Dresden kritisierte die Anwältin als „grob rechtswidrig“. Die JVA habe beantragt, dass Aziz K. keinen Kontakt zu Menschen türkischer, kurdischer, syrischer und irakischer Herkunft oder Nationalität haben dürfe. Nachdem sich K.s Verteidigerin gegen diese in ihren Augen diskriminierende Praxis einsetzte, habe das Oberlandesgericht Dresden die Anordnung aufgehoben.
Für Aziz K. änderte das lange kaum etwas. Denn er wurde laut seiner Anwältin von anderen Inhaftierten getrennt. „Damit war er komplett isoliert“, kritisierte von der Behrens. Inzwischen dürfe er am gemeinsamen Hofgang teilnehmen. Mit Verwandten und Freunden könne er dagegen weiterhin nicht telefonieren.
Vorwürfe umfassen auch Unterstützung der demokratischen „HDP“
Die JVA Dresden äußerte sich mit Hinweis auf Datenschutz und Persönlichkeitsrechte nicht zu den Vorwürfen. Sie teilte dem MDR aber mit, dass angeordnete Maßnahmen regelmäßig überprüft und angepasst würden. Besondere Sicherungsmaßnahmen seien zulässig, wenn eine erhöhte Gefahr eines Ausbruchs oder der Gewalt gegen sich und andere bestehe. Nichts davon treffe auf K. zu, sagte Anwältin von der Behrens und betonte, dass ihrem Mandanten keine Gewaltstraftaten vorgeworfen werden.
Haftbefehl wegen Versammlungen und Spenden
Aziz K. wird von der Generalstaatsanwaltschaft Dresden beschuldigt, ein hauptamtlicher Kader der verbotenen Kurdischen Arbeiterpartei zu sein. Von Anfang 2015 bis Juli 2018 soll er das Gebiet Sachsen geleitet haben, das die PKK-Räume Dresden, Leipzig, Chemnitz, Magdeburg und Halle sowie die Länder Polen und Tschechien umfasst. Weil die PKK-Kader rotieren, soll er anschließend auch andere Gebiete geleitet haben, zuletzt Hamburg.
Dabei soll er Propagandaveranstaltungen, Versammlungen und eine jährliche Spendenkampagne für die PKK organisiert haben. Außerdem soll er nachgeordnete PKK-Raumverantwortliche geführt und beaufsichtigt haben.
K.s Anwältin erklärte dem MDR wiederum, dass einer der Vorwürfe die Unterstützung der „Demokratischen Partei der Völker“ (HDP) sei. K. habe 2018 Wahlkampf für die prokurdische Oppositionspartei gemacht. „Die ist legal, die wird von deutschen Parteien auch unterstützt“, sagte von der Behrens. In der Vergangenheit hatten sich etwa die SPD, die Grünen und die Linke mit der HDP solidarisiert. Die Generalstaatsanwaltschaft äußerte sich dazu gegenüber dem MDR aufgrund der laufenden Ermittlungen nicht. Bei einer Verurteilung drohen Aziz K. bis zu zehn Jahre Haft.
EuGH-Beschwerde gegen Verurteilung
Der kurdische Aktivist und Politiker Kenan A. wurde bereits im September 2024 wegen angeblicher Mitgliedschaft in der PKK zu vier Jahren und drei Monaten Haft verurteilt. Seine Anwälte halten die Verurteilung jedoch für rechtswidrig. Die Entscheidung des Hanseatischen Oberlandesgerichts stelle einen Verstoß gegen das Recht auf Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit dar, das in Artikel 11 der Europäischen Menschenrechtskonvention garantiert ist. A.s Anwälte legten im Oktober 2025 deshalb Beschwerde gegen das Urteil beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte ein.
Annäherung zwischen Türkei und PKK
Im Nahen Osten gab es zuletzt eine Annäherung zwischen der türkischen Regierung und der PKK: Die türkische Justiz lockerte die Haftbedingungen für den seit 1999 inhaftierten PKK-Gründer Abdullah Öcalan. Die PKK verkündete im Mai ihre Auflösung, im Juli verbrannte sie symbolisch Waffen im Nordirak, im Oktober begann sie nach eigenen Angaben, Kämpfer aus der Türkei abzuziehen. Es ist ein Paradigmenwechsel nach einem jahrzehntelangen blutigen Kampf gegen den türkischen Staat.
Dresdner Bundestagsabgeordneter hofft auf besseren Schutz der Kurden
Das deutsche Vorgehen gegen die PKK steht in der Kritik. Beispielsweise forderte Jan van Aken, Vorsitzender der Partei Die Linke im Juli, dass „das Verbot der PKK auch in Deutschland aufgehoben werden“ muss. Und auch der Dresdner Bundestagsabgeordnete Kassem Taher Saleh (Grüne) erklärte dem MDR, dass er nach Jahrzehnten von Menschenrechtsverletzungen und politischer Repression „aus der kurdischen Community, sowohl hier in Deutschland als auch in der Türkei, große Zuversicht und Hoffnung auf eine friedliche Zukunft“ spüre.
Die PKK habe mit der Niederlegung der Waffen ihren Beitrag dazu geleistet, führt der Dresdner weiter aus. Die Rechte und den Schutz der Kurdinnen und Kurden in der türkischen Verfassung zu verankern, werde laut Taher Salehs Einschätzung ein langwieriger Prozess und fordert: „Wir in Deutschland sollten uns mit aller Kraft hinter die Bemühungen stellen, politische Strukturen zu schaffen, die dies ermöglichen.“
Bundesregierung bleibt bei Einstufung als Terrororganisation
Die deutsche Bundesregierung begrüßte zwar die Auflösung der PKK. An der Einstufung als Terrororganisation hält das Bundesinnenministerium dennoch fest. „Ankündigungen und Beschlüsse allein genügen nicht“, antwortete die Bundesregierung im Mai auf eine Anfrage eines Linken-Politikers. Seit 2002 steht die PKK zudem auf der EU-Terrorliste.
Auch das Bundesjustizministerium zieht die allgemeine Verfolgungsermächtigung, die es erlaubt, die PKK als ausländische terroristische Vereinigung auch innerhalb Deutschlands strafrechtlich zu verfolgen, bisher nicht zurück. Diese hatte sie 2011 erteilt. Sie werde anlassbezogen überprüft, teilte das Justizministerium auf MDR-Anfrage mit. Bislang sei sie „weder ausgeweitet noch eingeschränkt“ worden.
Würde Justizministerin Stefanie Hubig (SPD) die Ermächtigung aufheben, träfe das auch laufende Verfahren wie jenes von Aziz K. in Dresden. Denn ohne die Ermächtigung ist eine Anklage wegen Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung im Ausland nach Paragraf 129b des Strafgesetzbuches nicht möglich.
Kriminalbeamter Peglow: Prüfung der Neubewertung „gut und richtig“
Der Vorsitzende des Bundes deutscher Kriminalbeamter e.V. Dirk Peglow erklärte dem MDR, dass die Bewertung der PKK als Terrororganisation in einer Zeit entstand, als sich ihre Anhänger aus Protest selbst anzündeten und Terroranschläge in Deutschland verübten. „Heute haben wir eine andere Art der Erkenntnisnahme über die PKK. Insofern ist es nur gut und richtig, wenn das möglicherweise auf den Prüfstand gestellt wird“, sagte Peglow. Er betonte jedoch, dass für eine Neubewertung bestimmte Bedingungen erfüllt sein müssen: Die Ankündigungen der PKK-Führung müssten in Taten umgesetzt werden. Bisher sah Peglow die Voraussetzungen noch nicht erfüllt.
PKK klagt gegen Betätigungsverbot
Seit 1993 gibt es hierzulande ein Betätigungsverbot für die PKK. Mindestens 35 Organisationen mit Verbindungen zur Kurdischen Arbeiterpartei sind seither verboten.
Die PKK selbst startete 2022 einen Versuch, legal in Deutschland zu agieren. Doch im vergangenen Jahr lehnte die damalige Bundesinnenministerin Nancy Faeser den Antrag auf eine Aufhebung des Verbots ab. Dagegen klagt die PKK derzeit vor dem Verwaltungsgericht Berlin. Ein Urteil wird 2026 erwartet.