Linke und Grüne gegen schärfe Auflagen in Fußballstadien

Die Linken und Grünen im Sächsischen Landtag sind gegen schärfere Auflagen in Fußballstadien. «Für eine lebendige Fankultur – gegen Kontroll- und Ausschlussphantasien der Innenministerkonferenz» (IMK) überschrieb die Linke-Politikerin Juliane Nagel ihre Stellungnahme zu der heute beginnenden IMK.

Die Konferenz will unter anderem über Richtlinien für Stadionverbote, personalisierte Tickets und eine Videoüberwachung mit Unterstützung Künstlicher Intelligenz (KI) beraten. Gegen die Verschärfung von Auflagen protestieren sei Wochen Fußballfans in den Stadien.

Fußballfans als Versuchskaninchen für Sicherheitsmaßnahmen?

«Seit Jahren werden an Fußballfans in Deutschland allerhand Sicherheitsmaßnahmen ausprobiert, bevor sie auf die Gesellschaft übertragen werden. Wir unterstützen die Proteste der Fans und Verbände», erklärte Nagel. Sogar die Zahlen der Polizei zeigten, dass Fußballstadien sicherer seien als etwa ein Besuch auf dem Oktoberfest. Bislang habe aber kein Innenminister für Hausverbote, personalisierte Tickets oder eine komplette Videoüberwachung mit KI-Auswertung gefordert.

Grüne: Pläne stammen aus der Mottenkiste der Sicherheitspolitik

Ähnlich äußerten sich die Grünen. «Die Gewalt im Zusammenhang mit Fußballspielen ist rückläufig», betonte der Abgeordnete Valentin Lippmann. «Die geplanten weitreichenden Eingriffe in die Bürgerrechte und die Eingriffe in die Fankultur sind rein ideologiegetriebene Pläne aus der Mottenkiste der Sicherheitspolitik.»

Die Personalisierung von Tickets verhindere die Weitergabe von Dauerkarten an Freunde und Bekannte, außerdem sei sie datenschutzrechtlich bedenklich, kritisierte Lippmann. «Auch die Pläne, verpflichtende Stadionverbote schon bei Einleitung eines Ermittlungsverfahrens einzuführen, sind nicht nur sinnentleert, sie verstoßen klar gegen rechtsstaatliche Prinzipien.»

Lippmann: KI-Videoüberwachung kriminalisiert große Zahl von Fans

«Die Krönung ist allerdings die Idee, in Stadien und deren Umfeld eine KI-gestützte Videoüberwachung einzuführen. Damit wird eine große Zahl friedfertiger und rechtstreuer Fußballfans, die eigentlich nur Spaß im Stadion haben wollen, zum Ziel ungesteuerter Massenüberwachung und kriminalisiert», erklärte Lippmann. Er warf dem sächsischen Innenminister Armin Schuster (CDU) vor, die «Speerspitze» bei der Verschärfung der Auflagen zu bilden.

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Juliane Nagel: Für eine lebendige Fankultur – gegen Kontroll- und Ausschluss­phantasien der Innenminister­konferenz

Heute beginnt die Innenministerkonferenz in Bremen. Dabei werden fußballrelevante Fragen verhandelt. So sollen die Stadionverbotsrichtlinien verschärft, personalisierte Tickets eingeführt und KI-gestützte Videoüberwachung eingesetzt werden. Gegen diese Sicherheitsverschärfungen in den Stadien protestieren seit Wochen Fußballfans und ihre Verbände. Juliane Nagel, Sprecherin der Linksfraktion für demokratische Gesellschaft, erklärt:

„Seit Jahren werden an Fußballfans in Deutschland allerhand Sicherheitsmaßnahmen ausprobiert, bevor sie auf die Gesellschaft übertragen werden. Wir unterstützen die Proteste der Fans und Verbände. Letztlich geht es dabei auch darum, überbordende Überwachungs- und Kontrollphantasien zurückzudrängen. Insbesondere der sächsische Innenminister Armin Schuster hat sich in den letzten Wochen mit falschen Zahlen und Behauptungen geäußert. Er wurde vom Dachverband der Fanhilfen öffentlich zur Mäßigung aufgerufen, verbunden mit der Bitte, sich an die Fakten zu halten. Sogar die Zahlen der Polizei zeigten, dass Fußballstadien sicherer sind als ein Besuch auf dem Oktoberfest. Dementsprechend hat bisher kein Innenminister bundesweite Hausverbote, personalisierte Tickets oder eine komplette Videoüberwachung mit KI-Auswertung für Volksfeste gefordert. Wir begrüßen es, dass die Proteste Wirkung zeigen und das Thema der personalisierten Tickets offenbar von der Tagesordnung genommen wurde.

Fußballfans sorgen nicht nur für fantastische Stimmung im Stadion. Viele bringen sich zudem auf vielfältige Weise in gesellschaftliche Prozesse ein und engagieren sich in Verein und Stadt in sozialen Projekten. So wurden Fans der BSG Chemie Leipzig erst kürzlich mit dem ELNET Award 2025 für ihr Engagement gegen Antisemitismus ausgezeichnet. Sie können sich darauf verlassen, dass die Linke an ihrer Seite steht, wenn es um die Verteidigung von Freiheitsrechten geht. So werden wir auch in der Debatte über die Polizeigesetz-Novelle in Sachsen vorgehen.“

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Aufruf zur Mäßigung – Fan-Brief an den sächsischen Innenminister Armin Schuster

Anfang Dezember planen die Innenminister der Länder auf ihrer Konferenz (IMK) in Bremen, neue weitreichende Maßnahmen gegen alle Fußballfans zu beschließen. Begründet werden diese zum wiederholten Male mit Falschinformationen. Darauf wurde nun reagiert.

„Immer wieder werden in der aktuellen Debatte um die Stadionsicherheit Falschbehauptungen in den Raum gestellt. Der sächsische Innenminister Armin Schuster hat sich hierbei in den vergangenen Tagen besonders hervorgetan. Die von ihm verbreiteten Mythen über angebliche Sicherheitsrisiken in den Stadien bringen Fans massiv in Misskredit. Gleichzeitig positioniert sich Herr Schuster als Hardliner in einer von ihm selbst angezettelten Debatte, die keinerlei Faktenbasis besitzt. Da wir dies im Sinne aller Fans nicht weiter hinnehmen können, rufen wir Innenminister Armin Schuster erneut zur Mäßigung und Anerkennung der bekannten Fakten auf: Die Stadien sind sichere Orte“, so Finn-Christian Frömming, Vorstandsmitglied im Dachverband der Fanhilfen e. V.

Am vergangenen Wochenende haben Fans überall im Land ein eindrucksvolles Zeichen des Protests gegen die Pläne der Innenministerkonferenz gesetzt. Deutschlandweit wurde in den ersten 12 Minuten der Spiele an diesem Wochenende geschwiegen, um den Kontrast zu dem, was die Innenminister planen, deutlich zu machen. In den Stadien gab es dafür große Unterstützung. Auch zahlreiche Vereine haben sich bereits entsprechend positioniert.

„Weiterhin sind alle Dokumente zu den neuen Maßnahmen unter Verschluss, um ganz bewusst eine öffentliche Debatte zu verhindern. Und dann, wenn sich von politischer Seite geäußert wird, werden wie im Fall von Armin Schuster zahlreiche Falschbehauptungen verbreitet. Dieser schädliche Umgang mit der Realität und der interessierten Öffentlichkeit muss endlich beendet werden, bevor noch mehr Schaden angerichtet wird“, so Finn-Christian Frömming abschließend.

Sehr geehrter Herr Innenminister Schuster,

mit großer Verwunderung haben wir Ihre Äußerungen rund um die große und
farbenfrohe Fan-Demo am vergangenen Sonntag zur Kenntnis genommen.
Über 20.000 Fans aus dem ganzen Land haben in Leipzig in großer Geschlossenheit
für den Erhalt der vielfältigen Fankultur demonstriert.

Die Teilnehmenden haben sich dabei auch nicht von einem überzogenen Polizeiaufgebot mit 600 Einsatzkräften samt Helikopter, Räumfahrzeugen und Wasserwerfern davon abbringen lassen, ihre Forderungen auf die Straße zu bringen. Anstatt den Protest ernst zu nehmen und die Anliegen der Fans miteinzubeziehen, haben Sie sich jedoch leider mit Ihren fragwürdigen Aussagen dazu entschieden, die Fronten weiter zu verhärten.

Am 16.11.2025 haben Sie gegenüber dem MDR behauptet, „Wer sagt hier, dass es
wenig oder viel ist, wenn wir 50, 60, 70 Menschen haben, die durch Pyro verletzt
werden. Alleine in Sachsen in einem Jahr.“.

Die polizeieigenen Zahlen der ZIS zeigen aber, dass es in der vergangenen Saison im gesamten Land 95 verletzte Personen durch Pyrotechnik gab. Eine Einbeziehung von Verletzten in der letzten Silvesternacht durch Sie ist naheliegend, wurde von Ihnen aber so nicht korrekt aufgeschlüsselt. Dass Fans hingegen mit falschen Zahlen durch Sie öffentlich in Misskredit gebracht werden, ist nicht nachzuvollziehen.

Ebenso haben Sie am selben Tag im Deutschlandfunk behauptet, im Rahmen der
Stadionallianzen würden Sie regelmäßig mit Fans sprechen. Auch diese Aussage
entspricht nicht der Wahrheit, da in Ihrem Bundesland keine Fans in den
Stadionallianzen sitzen. Vielmehr soll dieses Instrument dafür genutzt werden, den
Vereinen und Fanprojekten die einseitige Sichtweise der Polizei auf die
Sicherheitslage aufzudrücken. So sollen laut den maßgeblich von Ihnen
vorangetriebenen Plänen etwa zukünftig die Vereine und Fanprojekte bei
Zwischenfällen ausschließlich Polizeimeldungen übernehmen müssen. Dieser
faktische Maulkorb widerspricht massiv den Prinzipien einer kritischen
Meinungsvielfalt, da sich dadurch ausschließlich die Sichtweise einer Konfliktpartei
(der Polizei) in der Öffentlichkeit wiederfinden wird.

Schon beim sogenannten „Sicherheitsgipfel“ in München im Herbst 2024 hatten Sie
zur Arbeit der Fanprojekte ausgeführt, dass Sie gerne „eine Auswirkungsanalyse“ über
deren Arbeit hätten. Sie führten weiter aus: „Es geht nicht darum, mehr Geld
einzusetzen, sondern, dass die Wirkung passt.“ Dieser Aussage steht deutlich
entgegen, dass die Fanprojekte standardmäßig alle drei Jahre auf ihre Wirksamkeit
hin überprüft werden. Eine zusätzliche Analyse ist somit nicht notwendig. Was jedoch
zur Stärkung der Arbeit der Fanprojekte ohne zusätzliche Kosten zu verursachen
beitragen würde, wäre die Festschreibung eines Zeugnisverweigerungsrechts für die
Soziale Arbeit und somit ein Ausschluss der Kriminalisierung der Mitarbeitenden, wie
zuletzt beim Fanprojekt Karlsruhe geschehen.

Sehr geehrter Herr Innenminister Schuster,
von einem demokratisch gewählten Amtsträger erwarten nicht nur wir, dass dieser
entlang der bekannten Fakten sowie der realen Lage argumentiert. Und diese sind
eindeutig: Die Fußballstadien in Deutschland sind sichere Orte. Das sagen nicht nur
wir Fans, sondern auch die Vereine, die Bundesarbeitsgemeinschaft Fanprojekte und
sogar Ihre eigenen Polizeizahlen der ZIS. Wir fordern Sie daher erneut dazu auf,
diesen Umstand endlich anzuerkennen.

Ebenso erwarten wir von Ihnen im Lichte der Proteste und der zahlreichen
Wortmeldungen der vergangenen Wochen, endlich für Transparenz zu sorgen und die
Geheimhaltung rund um die Ergebnisse der BLoAG zu beenden. Fans, Vereine und
die Öffentlichkeit haben ein Recht darauf zu erfahren, was Sie und die IMK planen.
Stoppen Sie die Pläne für neue weitreichende Sicherheitsmaßnahmen, die ein Ende
der vielfältigen Fankultur in den Stadien bedeuten würden. Sie haben es in der Hand.

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Franziska Höhnl, Johannes David und Andreas Debski
02.12.2025

Wegen Pyrotechnik und Gewalt – Sachsens Innenminister und Polizeivertreter für strengere Kontrollen im Fußball

Bundesweit protestieren Fans gegen schärfere Regeln für mehr Sicherheit im Fußballstadion. Doch sowohl Sachsens Innenminister als auch Vertreter der sächsischen Polizeikräfte finden: Es braucht mehr Konsequenz. Wie begründen sie das?

In der Debatte über Sicherheit in Fußballstadien fordert Sachsens Innenminister Armin Schuster, dass die Vereine Kontrollen und Verbote konsequenter umsetzen. „Eine Zugangskontrolle zum Beispiel muss nicht strenger sein. Die Qualität muss stimmen“, sagte der CDU-Politiker der Leipziger Volkszeitung und der Sächsischen Zeitung.

Gewalt oder Pyrotechnik im Stadion ist Thema der Innenministerkonferenz, die am Mittwoch in Bremen beginnt. Die organisierte Fanszene protestiert seit Wochen gegen strengere Regeln und warnt vor kollektiver Überwachung.

Von der Vertretung sächsischer Polizistinnen und Polizisten kommen deutliche Forderungen. „Ein klares Ja für strengere Regeln in Fußballstadien“, sagte Cathleen Martin, Landeschefin der Deutschen Polizeigewerkschaft, dieser Zeitung. „Es kann nicht sein, dass immer wieder unbeteiligte Menschen durch Hooligans verletzt werden, die einfach nur ins Stadion gehen, um zu zerstören. Das ist No-Go.“

Mehr als 1100 Verletzte, Großteil Unbeteiligte

Die Polizei sammelt bekannte Vorkommnisse in Sachen Fußball. Laut aktuellstem Jahresbericht der zuständigen Stelle gab es in der vergangenen Saison im Betrieb von Bundesliga bis Dritte Liga rund 1100 Verletzte. Das waren etwas weniger als im Vorjahr, weil weniger Ordner und Polizeikräfte verletzt wurden. Doch mehr als 620 Betroffene, also mehr als die Hälfte, waren Unbeteiligte. Die Polizei ermittelte in 5200 Strafverfahren. Das Stadion war der häufigste Tatort.

Der Bericht verweist darauf, dass diesen Sommer dem Deutschen Fußball-Bund (DFB) zufolge rund 600 bundesweite Stadionverbote galten. Das Verhältnis zwischen Strafverfahren und Stadionverboten bleibe ein Indiz, dass Verbände und Vereine nur selten die dafür besprochenen einheitlichen Regeln anwendeten, heißt es in dem Bericht weiter.

Sachsen verhandelt mit zu „Fußball ohne Gewalt“

Da setzt der Unmut der Innenminister an. Niedersachsen hat das Thema auf die politische Agenda gesetzt, weil dem Bundesland die bisherigen Bemühungen der Vereine sowie von DFB und Deutscher Fußball-Liga (DFL) nicht ausreichen. „Sicherheit im Stadion ist keine Verhandlungsmasse“, sagte die niedersächsische Innenministerin Daniela Behrens (SPD) zuletzt der Hannoverschen Allgemeine. „Wir fordern verbindliche Konzepte zur Einführung personalisierter Tickets bei Risikospielen, bessere Einlasskontrollen, konkrete Konzepte gegen Pyrotechnik und eine Verschärfung der Stadionverbotsrichtlinie.“

Darüber unterhalten sich Bund, Länder und Vertreter der Sportverbände seit Längerem in der Arbeitsgruppe „Fußball ohne Gewalt“ – aus Sicht von Behrens bisher mit zu wenig konkreten Lösungen. Sachsen verhandelt dort federführend mit.

Innenminister Schuster meint, dass es in den Stadien Videotechnik geben müsse: Wenn es im öffentlichen Raum, etwa in der Straßenbahn, Straftaten gebe, erwarteten die Bürgerinnen und Bürger, dass die Täter gefunden werden – auch dank Videoaufnahmen. „Und deshalb muss man nicht strenger sein. Wir können nur nicht ein Stadion anders behandeln als eine Innenstadt.“

Schuster geht nicht davon aus, dass nach der Innenministerkonferenz am Freitag alle Probleme gelöst sind. Zu personalisierten Tickets und Pyrotechnik werde wahrscheinlich weiter verhandelt, sagte er. Dabei gehe es nicht darum, Stehplätze abzuschaffen oder herauszufinden, welche Person wo sitze. „Es geht uns um eine einzige Tatsache, und das ist, dass die Heimvereine wissen, dass Menschen, die nicht im Stadion sein dürfen, auch nicht drin sind.“ Eine Lösung für den Umgang mit verbotener Pyrotechnik hält Schuster für „das dickste Brett“.

Ein erheblicher Anteil von Fans und Zuschauern lehne Pyrotechnik grundsätzlich ab oder sei unentschieden, sagte Harald Lange, Fanforscher und Sportwissenschafts-Professor der Uni Würzburg. Gleichzeitig warnte er: „Wir dürfen Pyrotechnik nicht mit Gewalt oder mit Sicherheitsproblematiken gleichsetzen. Das ist letztlich ein ganz anderes Thema.“