Was treibt die kurdische „terroristische Vereinigung“ PKK in Sachsen?

Die Generalstaatsanwaltschaft Dresden hat einen Kader der PKK festnehmen lassen. Die Organisation kämpfte jahrzehntelang für die Autonomie der Kurden in der Türkei – und ist auch in Sachsen stramm organisiert.

Der Einsatz war über Ländergrenzen hinweg koordiniert: Am Montagabend vergangener Woche ließ die Generalstaatsanwaltschaft Dresden einen 54-jährigen türkischen Staatsbürger in Hamburg festnehmen, seine Wohnung in Köln durchsuchen.

Die Anklagebehörde wirft dem Mann die „Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung im Ausland“ vor. Er soll von Anfang 2015 bis Juli 2018 „Gebietsleiter“ der kurdischen Arbeiterpartei PKK in Sachsen gewesen zu sein. Mittlerweile befindet er sich in Untersuchungshaft.

Die Verhaftung wirft ein Schlaglicht auf eine extremistische Szene, die in Sachsen selten im Fokus steht, aber überraschend stramm organisiert ist. Nach Erkenntnissen des Verfassungsschutzes geben die Führungskräfte der PKK in der Türkei oder im Irak Ziele vor, die die Kader in Deutschland „ohne eigenverantwortlichen Entscheidungsspielraum“ umsetzen.

Auch Sachsen sei dabei „Rückzugs-, Finanzierungs- und Rekrutierungsraum“. Über Jahrzehnte kämpfte die PKK für die Selbstverwaltung der Kurden im Nahen Osten und bekannte sich zu Dutzenden Terroranschlägen in der Türkei, zuletzt im Oktober 2024. Was macht die seit 1993 in Deutschland verbotene Organisation in Sachsen? Und geht von ihr auch hier eine Gefahr aus?

Nachfolger wurde zu Freiheitsstrafe von vier Jahren verurteilt

Über konkrete Aktivitäten des ehemaligen „Gebietsleiters“ will man sich bei der Generalstaatsanwaltschaft mit Verweis auf die laufende Ermittlung nicht äußern. Nur so viel: Der 54-Jährige soll Propagandaveranstaltungen organisiert, Spenden für die PKK gesammelt und Untergebene beaufsichtigt haben. Unter anderem wohl zwei Männer, bei denen am Dienstagmorgen in Bautzen Hausdurchsuchungen stattfanden. Einer der beiden soll die PKK in Dresden geleitet haben, neben Leipzig ein Zentrum der Aktivitäten. Bei den Durchsuchungen wurden laut Generalstaatsanwaltschaft „Unterlagen und größere Mengen Bargeld“ sichergestellt.

Mehr ist bekannt über das Handeln von Ali Ö., der das „Gebiet Sachsen“ Mitte 2019 übernahm, eines von insgesamt 31 in Deutschland. Im vergangenen Jahr verurteilte das Oberlandesgericht Frankfurt am Main ihn zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren. Zuvor hatten die Behörden seine Kommunikation überwacht und sein Fahrzeug verwanzt.

Der „Gebietsverantwortliche“ hatte laut Urteil unter anderem an einem Kadertreffen in Dresden teilgenommen, Berichte in Postfächern deponiert und telefonisch Befehle an Untergebene weitergegeben. Diese vertraten die PKK wiederum in Leipzig, Dresden, Chemnitz und Zwickau, aber auch Aktivisten in Halle an der Saale und Magdeburg befehligte Ö.

Selten halten sich PKK-Führungskräfte lange an einem Ort auf. Sie würden in der Regel für ein Jahr eingesetzt, heißt es im Urteil. „Der Wechsel der Kaderämter vollzieht sich nach einem vorherigen Kongress der Europaorganisation, auf dem darüber entschieden wird.“ Der vorige Woche festgenommene Mann war nach seinem Aufenthalt in Sachsen erst nach Süddeutschland, später nach Hamburg versetzt worden.

Die regelmäßigen Standortwechsel würden auch dem „Schutz der PKK und ihrer Strukturen vor behördlichen Maßnahmen“ dienen, heißt es vom sächsischen Landesamt für Verfassungsschutz, das die Organisation beobachtet.

Demnach stünden in Sachsen seit Jahren konstant 160 Personen der PKK nahe – nur ein Bruchteil der 15.000 Sympathisanten bundesweit. Das „Mobilisierungspotenzial“ der PKK liegt laut Verfassungsschutz aber deutlich über dieser Zahl, weil auch Linksextremisten die Anliegen der Kurden unterstützen. Derzeit seien der Behörde aber keine gemeinsamen Aktivitäten bekannt.

PKK-Führer rief zur Niederlegung der Waffen auf

Auch insgesamt beobachte der Verfassungsschutz „in den vergangenen Jahren abnehmende Aktivitäten“ der PKK-Anhänger und ein „weitgehend gewaltfreies Erscheinungsbild“. Zwar würden nach wie vor bundesweit zweistellige Millionenbeträge pro Jahr als Spenden gesammelt. „Die PKK verwendet diese Gelder zur Finanzierung des bewaffneten Kampfes in ihrer Kernregion sowie für die Finanzierung der Gesamtorganisation“, heißt es vom Verfassungsschutz. Derzeit beobachte man aber keine Rekrutierungen von Kämpfern in Sachsen.

Auch die Nachrichtendienste müssen sich die Frage stellen, welche Gefahr noch von der PKK ausgeht. Denn Ende Februar rief PKK-Führer Abdullah Öcalan, seit 26 Jahren in türkischer Haft, seine Anhänger dazu auf, die Waffen niederzulegen. Aufgrund dessen klagt die PKK derzeit vor dem Verwaltungsgericht Berlin auf eine Aufhebung des Verbots.

In Sachsen beobachtete der Verfassungsschutz allerdings „keine nennenswerten Veränderungen im Verhalten“ von Öcalans Anhängern. Erst im Mai war in Leipzig ein deutsch-kurdisches Zentrum eröffnet worden, das auch von PKK-Anhängern frequentiert werde.

Dort wurde auch einer kurdischen Kämpferin aus Hamburg gedacht, die offenbar bei einem türkischen Drohnenschlag im Nordirak getötet wurde. Offenbar beobachten PKK-Mitglieder auch in Sachsen genau, ob in den kurdischen Gebieten tatsächlich Frieden einkehrt.