„In Leipzig ist das extrem“ Fast Fashion und neue Gesetze: Drei Gründe, warum Leipzigs Kleidercontainer überfüllt sind

Müll und Kleidung verstreuen sich um die Altkleidercontainer: In Leipzig sind die Behälter immer häufiger überfüllt oder werden aufgebrochen. Drei Faktoren stecken dahinter.
Leipzig. Das Metall ist verbogen und aufgeplatzt. Ruß hat es geschwärzt. Unbekannte haben anscheinend die Altkleidercontainer an der Holzhäuser Straße in Leipzig-Stötteritz aufgebrochen. Nun stapeln sich Kleidung und teilweise Müll daneben: eine weiße Decke, ein geblümtes T-Shirt, eine zerknitterte Jacke.
Ein Bild, das sich so ähnlich an vielen der 400 Altkleidercontainer in Leipzig wiederholt. Eigentlich sind die Betreiber laut Stadt Leipzig dazu verpflichtet, die Umgebung fünf Meter um den Container sauber zu halten. Warum klappt das nicht mehr?
Die Stadtreinigung leert ihre 111 Container wöchentlich und im Einzelfall auf Abruf, sagt eine Sprecherin. Neben der Stadtreinigung betreiben auch vier private Firmen Altkleiderbehälter in Leipzig. Einer davon ist Matthias Gerisch, Leiter der Entsorgungsfirma APR GmbH. „Manchmal leeren wir die Container sogar zwei oder drei Mal wöchentlich“, sagt er. Manche der 150 Behälter seien täglich überfüllt. „Es gibt Plätze, da könnten wir morgens, mittags und abends hinfahren.“ Hinter der Situation scheinen drei Gründe zu stecken.
1. Fast Fashion: Große Mengen Altkleider, sinkender Verkaufswert
Die Menge an Altkleidern, die in Deutschland pro Jahr anfällt, ist laut Statistischem Bundesamt in den letzten zehn Jahren um 55 Prozent angestiegen. „Durch Fast-Fashion-Läden wird das immer mehr und mehr“, sagt Gerisch. Die billig hergestellten Kleidungsstücke haben eine kürzere Lebensdauer und landen schneller im Container – qualitativ niedrige Stoffe wiederzuverwerten, ist schwierig.
Gleichzeitig können Fast-Fashion-Produkte auf dem Markt mit Second-Hand-Kleidung konkurrieren. Der Verband kommunaler Unternehmen (VKU) spricht von einer Krise auf dem Alttextilmarkt. Das ist auch in Leipzig spürbar: Nachdem die Textilrecycling-Firma Soex (einer der größten Abnehmer von Alttextilien in Deutschland) im Oktober 2024 Insolvenz angemeldet hat, haben sich „viele Sammler von Alttextilien, die Alttextilcontainer auf Privatflächen bewirtschaftet haben, zurückgezogen“, schreibt die Stadt. Und auch Matthias Gerisch beobachtet, dass sich besonders überregionale Akteure, zum Beispiel das Rote Kreuz, teilweise zurückziehen.
2. Wie eine neue Gesetzlage die Situation verschärft
Ein weiterer Faktor erhöht die Menge an Klamotten und drückt gleichzeitig die Preise auf dem Alttextilmarkt. Seit Januar 2025 gelten eine neue EU-Richtlinie und eine Änderung im Kreislaufwirtschaftsgesetz (KrWG). Das neue Gesetz besagt: Textilien wie Kleidung, Schuhe und Bettwäsche dürfen nicht mehr im Hausmüll landen – außer sie sind verschmutzt. Es müssen also rechtlich alle EU-Länder verstärkt Altkleider sammeln und recyceln. „Dadurch gibt es ein Überangebot auf dem Markt“, sagt Gerisch.
Der Preis für Altkleider sei laut dem Unternehmer seit 2023 um etwa 50 Prozent zurückgegangen.
Seit Januar muss also fast die gesamte Menge an Stoffen, die früher in Leipziger Haushalten im Restmüll landete, zum Altkleiderbehälter oder auf den Wertstoffhof gebracht werden. Laut Stadt Leipzig bestehe deswegen „möglicherweise der subjektive Eindruck“, dass die Container häufiger voll seien. Mehr Behälter plane die Stadt jedoch nicht, wie aus einer Antwort auf eine Anfrage der Grünen-Fraktion herausgeht.
Verwirrung um EU-Richtlinie: Mehr Müll in Leipzigs Altkleidercontainern
Doch bei der Kommunikation rund um die EU-Richtlinie gab es Probleme, da sind sich die Stadt Leipzig und private Unternehmer wie Matthias Gerisch einig. Denn viele Menschen würden fälschlicherweise verschlissene oder stark verschmutzte Altkleider in die Behälter werfen – obwohl nur brauchbare Stoffe dort landen dürfen.
Die Folge: enorm volle Container, deren Inhalt laut Gerisch in Leipzig zu rund zwanzig Prozent aus Müll bestehe. In den vergangenen Jahren habe sich der Müll-Anteil mehr als verdoppelt. Der Abfall lande manchmal auch neben dem Container, sagt die Sprecherin der Leipziger Stadtreinigung. Zum Beispiel Sperrmüll oder stark verschmutzte Altkleidung. „Das erschwert unsere Arbeit erheblich und beeinträchtigt das Stadtbild.“
3. Vandalismus und Diebstahl werden mehr
Ein dritter Grund erschwert es Unternehmen und Stadt, der Vermüllung an Containern entgegenzuwirken: „Die Betreiber melden eine Zunahme von Vandalismus“, schreibt die Stadt. Immer wieder würden Unbekannte Container anzünden oder aufbrechen und den Inhalt stehlen. „In Leipzig ist das extrem“, sagt Gerisch. „Früher hatten wir abgebrannte Container nur zu Silvester. Mittlerweile kommt das monatlich vor.“ Einen neuen Container aufzustellen, koste Matthias Gerisch rund 650 Euro.
Die Polizei Leipzig hat zum aktuellen Jahr noch keine Zahlen, sagt ein Sprecher. 2024 registrierten die Behörden 23 Anzeigen wegen Sachbeschädigung und 21 Anzeigen wegen einfachem oder schwerem Diebstahl im Zusammenhang mit Altkleidercontainern. Ob dahinter in Leipzig eine Struktur steckt, also zum Beispiel Gruppierungen, die gezielt Altkleider stehlen, um sie zu verkaufen („Altkleidermafia“), das sei nicht zu erkennen.
„Die meisten der Anzeigen laufen gegen Unbekannt“, sagt der Polizeisprecher. „Es müssen viele Faktoren zusammen spielen, um einen Verdächtigen zu fassen – die Polizei muss rechtzeitig informiert werden oder zufällig vor Ort sein.“ Das komme selten vor. „Und wenn wir keine Person gefasst haben und befragen können, werden wir nicht wissen, was sie mit den entwendeten Kleidungsstücken machen.“
Alternativen: Wohin mit der Kleidung, wenn der Container voll ist?
Und was, wenn Personen mit einem Sack voller Altkleider ankommen, und der Container zerstört oder überfüllt ist? „Bitte nicht einfach daneben werfen“, sagt Matthias Gerisch. Denn dann kann der Inhalt vielleicht nicht mehr wiederverwertet werden. Die bessere Lösung: Auf jedem Container steht eine Telefonnummer des Betreibers. Dort können Personen anrufen und melden, dass der Behälter voll ist. Die alte Kleidung sollten sie dann wieder mit nach Hause nehmen, betont Gerisch.
Außerdem gibt es im gesamten Stadtgebiet Tauschschränke, in denen Personen ihre gebrauchten Gegenstände vom Wetter geschützt unterbringen können. Auch nimmt der Verein „Verschenkekiste e.V.“ in seinem Umsonstladen im Leipziger Osten oder der Laden „Wiederschön“ in den Höfen am Brühl Kleidungsstücke an.
Eine weitere Alternative sind Flohmärkte oder Kleidertausch-Aktionen. Im „Laden fürs Beraten“ in der Markgrafenstraße 5 findet auch einmal pro Monat eine offene Textilreparatur-Werkstatt statt. Ein weiterer Anlaufpunkt sind die 15 Wertstoffhöfe im Stadtgebiet.
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Vinz Rauchhaus
07.06.2025,
Hunderte Anzeigen – Stadt Leipzig geht gegen Verschenkekisten vor
Kisten mit der Aufschrift „Zu verschenken“ sieht man auf Leipzigs Gehwegen regelmäßig. Eine nette Geste, aber eine Ordnungswidrigkeit – die mit hohen Bußgeldern bestraft werden kann.
Leipzig. „Zu verschenken“ steht auf den Pappkisten, darin oft alte Pfannen, Bücher oder Babykleidung. Viele Leipzigerinnen und Leipziger stellen ihre alten Sachen auf die Straße, in der Hoffnung, dass sich andere noch darüber freuen.
Eine nette Geste, aber eine Ordnungswidrigkeit, mahnt David Quosdorf aus der Pressestelle der Leipziger Stadtverwaltung. Es handele sich dabei nämlich um eine „wilde Abfallablagerung“ und damit um einen Verstoß gegen das Kreislaufwirtschaftsgesetz.
Über 1500 Anzeigen mit Abfallbezug
Verschenkekisten werden in der Statistik des Ordnungsamts nicht einzeln erfasst, Quosdorf zufolge sind in Leipzig aber seit Beginn des Jahres 2024 über 1500 Anzeigen mit Bezug zum Abfallrecht eingegangen. Über 1200 davon seien von den sogenannten Abfalldetektiven der Leipziger Stadtreinigung gestellt worden.
Der Rest gehe auf Hinweise aus der Bevölkerung, der Polizei oder dem Amt für Umweltschutz zurück. Die meisten Umweltsünder werden aber – wenn sie für ihre Verschenkekiste nicht gerade einen Karton mit ihrer Anschrift darauf verwendet haben – nicht erwischt.
Wie viel es kosten kann, wenn man doch erwischt wird, lässt sich nicht pauschal sagen. Die Spanne reicht von 5 bis 100.000 Euro. „Im konkreten Einzelfall“, so Quosdorf, „wird stets geprüft, um welche Abfälle und welche Mengen es sich handelt.“ Entscheidend für die Höhe des Bußgelds ist auch, wo die Verschenkekiste abgestellt wird.
Viele legale Alternativen in Leipzig
In jedem Fall lässt sich ein Bußgeld leicht vermeiden. In Leipzig gibt es viele legale Alternativen zur Verschenkekiste auf der Straße. Im gesamten Stadtgebiet gibt es zum Beispiel Tauschschränke, in denen man seine gebrauchten Gegenstände vom Wetter geschützt unterbringen kann. Außerdem nimmt der Verein „Verschenkekiste e.V.“ in seinem Umsonstladen im Leipziger Osten diverse Gegenstände an.