Leipziger „Tag X“: Staatsanwalt brauchte nach Tweet von Grünen-Politiker Kasek Polizeischutz

Ex-Grünen-Stadtrat Jürgen Kasek soll einen Staatsanwalt als Provokateur beim linksradikalen „Tag X“ in Leipzig bezeichnet haben. Vor Gericht berichtete der Jurist, dass er danach Polizeischutz brauchte.
Seine Vernehmung vor Gericht dauerte fast drei Stunden: Ein Leipziger Staatsanwalt (37) sagte am Montag im Verleumdungsprozess gegen den früheren Leipziger Grünen-Stadtrat Jürgen Kasek (44) aus. Der Kommunalpolitiker soll wenige Tage nach den linksradikalen Krawallen beim „Tag X“ in Leipzig den Mitarbeiter der Anklagebehörde auf Twitter (heute X) als „Agent Provocateur“ – jemand, der Straftaten provoziert – dargestellt haben. Für Staatsanwalt Peter M. (Name geändert) führte das zu einer handfesten Bedrohungslage. „Ab da wurde es persönlich“, erinnerte er sich.
Es war am 3. Juni 2023, als sich die linke Szene zum „Tag X“ in der Messestadt versammelte. Eine geplante Großdemo als Reaktion auf die Verurteilung von Mitgliedern der linksextremistischen „Hammerbande“ um die Leipziger Studentin Lina E. war untersagt worden. Kasek war Leiter eines Aufzugs für Versammlungsfreiheit im Süden der Stadt. Die Demo eskalierte, es flogen Steine und Böller, 18 Polizisten wurden verletzt. Einsatzkräfte kesselten für weitere polizeiliche Maßnahmen die Menschenmenge ein.
Staatsanwalt M. war nach eigenen Angaben bis dahin im Führungsstab bei der Polizeidirektion in der Dimitroffstraße, fuhr nach Auflösung der Versammlung vor Ort. Es sei um den Tatverdacht des schweren Landfriedensbruchs, der gefährlichen Körperverletzung und des tätlichen Angriffs auf Vollstreckungsbeamte gegangen, sagte er. Um seine Identität zu schützen, hätte die Polizei ihm angeboten, sein Gesicht zu verhüllen.
Das abfotografierte Standbild eines YouTube-Livestreams zeigt den vermummten Staatsanwalt zusammen mit einer gleichfalls maskierten Kriminalbeamtin. „Mitten im schwarzen Block dabei, der für die Eskalation sorgte ein Staatsanwalt“, twitterte Kasek am Abend des 20. Juni (Interpunktion im Original). Und: „Der ermittelnde Staatsanwalt, der mutmaßlich die Reihe von rechtswidrigen Maßnahmen zum Leipziger Kessel festlegte, begab sich vorher vermummt im Schwarzen Block Outfit in die Versammlung, die wegen Vermummung aufgelöst wurde…“
Staatsanwalt zu Tweet zum „Tag X“: Das ist falsch, absoluter Käse
Von bewusst wahrheitswidrigen Aussagen sprach die zuständige Staatsanwaltschaft Chemnitz und klagte den reichweitenstarken Politiker wegen Verleumdung an. Kasek habe gewusst, dass die Versammlung bereits aufgelöst war, als sich der Staatsanwalt maskierte. „Ich soll vermummt in einer Menschenmenge Leute angestachelt haben“, meinte Peter M. „Wenn es gestimmt hätte, wäre das ein krasses Unding gewesen. Aber das ist falsch, absoluter Käse.“ Erst eine Stunde, nachdem die Polizei den Kessel gebildet hatte, sei er dort eingetroffen.
Wenig später seien sein Foto, sein Wohnort und seine sozialen Aktivitäten im Netz verbreitet worden. Ein Sozialarbeiter, der dafür inzwischen verurteilt wurde, retweetete ein Bild von M. und merkte an: „Hier auch mal ohne Maske – falls er euch in den leeren Gassen Grimmas über den Weg läuft.“ Zwei Wochen lang habe er unter Polizeischutz gestanden, so der Staatsanwalt. „Aufgrund der Bedrohungslage habe ich mehrere Nächte nicht geschlafen.“ Noch Monate später hätte es regelmäßige Streifen an der Wohnadresse seiner Familie gegeben.
Jürgen Kasek: Es tut mir aufrichtig leid
Dem Angeklagten machte Peter M. bittere Vorwürfe. „Gerade, wenn man sich bewusst ist, dass es diese aufgeheizte Stimmung gibt, sollte man sich dreimal überlegen, was man postet“, sagte er. „Herr Kasek könnte vor Gericht die Größe haben und auch mal sagen, dass er – bei aller allgemeinen Kritik an polizeilichen Maßnahmen – zu weit gegangen ist.“
Ganz so weit ging der Angeklagte dann doch nicht. Kasek betonte, dass er den Namen des Staatsanwaltes in seinen Tweets nicht genannt und damals auch gar nicht gekannt habe. „Es tut mir aufrichtig leid“, wandte er sich an den Staatsanwalt. „Es sollte nicht sie treffen, sondern war eine allgemeine Unmutsbekundung.“ Er würde das „so nicht noch einmal schreiben“.
Der Prozess wird in zwei Wochen fortgesetzt.