„Das ist ein deutliches Warnsignal“: So reagieren Vereine und Politiker auf das JN-Treffen in Döbeln

Mittelsächsische Politiker und Vereine reagieren auf den „Gemeinschaftstag“ der JN in Döbeln. Sie zeigen sich solidarisch mit dem Töpelwinkel, fordern klare Haltungen und vor allem finanzielle Mittel.
Ende März haben sich die Jungen Nationalisten (JN) für ihren bundesweiten „Gemeinschaftstag“ im Töpelwinkel in Döbeln getroffen. Von der Veranstaltung hat der Verein, der das Natur- und Freizeitzentrum betreibt, erst im Nachhinein durch einen RTL-Fernsehbeitrag erfahren. Angemeldet wurde der Gemeinschaftstag beim Verein als „Geburtstagsfeier“.
Sowohl der Verein als auch das Landratsamt distanzierten sich von der Veranstaltung, stellten Anzeige und erarbeiten momentan Maßnahmen, wie dies künftig verhindert werden kann.
Döbelns Oberbürgermeister Sven Liebhauser (CDU) sagte, dass auch die Stadt erst durch den Bericht von dem Sachverhalt erfahren hat. Das Dargestellte sei erschütternd, und die Stadt stehe im engen Austausch mit den Behörden, die die Ermittlungen aufgenommen haben. „Rechtsextremistisches Gedankengut hat keinen Platz in unserer Stadt“, teilte er weiter mit.
Treibhaus solidarisiert sich mit Töpelwinkel-Verein
Clemens Albrecht, Geschäftsführer des Vereins Treibhaus, spricht im Namen des Vereins seine volle Solidarität und Unterstützung gegenüber dem Töpelwinkel aus. „Das zeigt, wie unglaublich schwer es ist, sich zu schützen und solche Akteure immer im Blick zu haben“, sagte er. Gleichzeitig sei das aber auch ein Aufruf, dass die Gesellschaft solche Vereine, aber auch die Akteure, die sich mit Rechtsextremismus auseinandersetzen, nicht allein kämpfen lassen soll.
„Aber wir haben auch die Forderung an die Politik: Stellt dafür finanzielle Mittel zur Verfügung, damit kleinere Vereine nicht im Regen stehen“, sagte er weiter. Treibhaus ist dafür wohl das beste Beispiel: Mehrere Projekte mussten aufgrund fehlender Gelder eingestellt werden.
Clemens Albrecht sagte aber auch, dass es nicht überraschend sei, dass es in Döbeln rechte Strukturen gibt. Aktuell sei es cool, rechtsextrem zu sein, und die Szene werde immer jünger – das sei allerdings ein bundesweites Phänomen. „Wir nehmen das auch bei den Gegendemos des CSD wahr, aber auch in vielen Presseberichten“, so Clemens Albrecht weiter.
Henning Homann fordert klare politische und gesellschaftliche Haltung
Henning Homann, SPD-Landtagsabgeordneter sowie Partei- und Fraktionsvorsitzender der sächsischen SPD, sagte, dass es ein deutliches Warnsignal sei, dass erneut ein Treffen der Jungen Nationalisten mitten in Mittelsachsen stattfinden konnte. „Wir dürfen uns nicht daran gewöhnen, dass sich Rechtsextreme in unseren Städten und Dörfern versammeln, als sei das normal – weder in Döbeln noch anderswo“, ergänzte er.
Kreissportbund: Auch Sportvereine sind wichtige gesellschaftliche Strukturen
Gleichzeitig zeigte er sich froh, dass der Töpelwinkel-Verein konsequent reagiert hat, sobald er vom wahren Charakter der Veranstaltung erfahren hat. Es brauche eine klare politische und gesellschaftliche Haltung. „Rechtsextremen dürfen weder öffentliche Räume noch gesellschaftliche Akzeptanz eingeräumt werden.“ Aufklärung, demokratische Bildung und die Stärkung zivilgesellschaftlichen Engagements seien die zentralen Bausteine im Kampf gegen rechtsextreme Strukturen.
Bei den „Gemeinschaftstagen“ spielt häufig auch Sport eine Rolle. Mit Wanderungen versucht die JN zudem, Angebote für Jugendliche zu schaffen. „Dass extremistische Gruppierungen versuchen, junge Menschen über sportähnliche Aktivitäten an sich zu binden, ist natürlich kritisch zu sehen – denn das hat mit dem, wofür der organisierte Vereinssport steht, nichts zu tun“, sagte Benjamin Kahlert, Geschäftsführer des Kreissportbundes Mittelsachsen.
Die Sportvereine „schaffen Orte der Begegnung, des Zusammenhalts und der persönlichen Entwicklung – besonders im ländlichen Raum, wo es oft nur wenige andere Strukturen gibt“, sagte er weiter. Vereinssport vermittle Werte wie Fairness, Respekt und Teamgeist.
Gerade in Zeiten knapper Haushalte dürfe der organisierte Sport nicht nur als freiwillige Aufgabe betrachtet und immer wieder zur Disposition gestellt werden. „Wer seine positive Wirkung für das Gemeinwesen erhalten will, muss auch in schwierigen Finanzlagen für Verlässlichkeit in der Förderung sorgen“, merkte Benjamin Kahlert weiter an.
—————————————-
Lea Heilmann 13.05.2025
Treffen war als Geburtstagsfeier getarnt – Rechtsextremer „Gemeinschaftstag“: Junge Nationalisten treffen sich in Döbeln
Eine Stern-Recherche zeigt, dass sich Mitglieder der Jungen Nationalisten im Töpelwinkel in Döbeln getroffen haben, mit dabei war auch ein Leisniger Stadtrat. Nach der Ausstrahlung reagieren Verein und Landratsamt darauf. Es war nicht das erste JN-Treffen in der Region.
Regelmäßig veranstalten die Jungen Nationalisten (JN), die Nachwuchs-Organisation der Heimat (ehemals NPD), Gemeinschaftstage. Bei denen kommen junge Menschen zusammen. Neben Vorträgen gibt es oftmals Morgenappelle oder Wanderungen. Zudem gehört auch der „Treueschwur“ mit dazu. Ende März fand wieder solch ein Gemeinschaftstag statt – im Töpelwinkel in Döbeln.
Das zeigen Aufnahmen von „Stern investigativ“ aus der Reportage „Das braune Kinderzimmer“, die Anfang Mai veröffentlicht wurde. Eine Reporterin hatte sich monatelang in die Strukturen der Jungen Nationalisten eingeschleust. Sie war auf Demonstrationen, unter anderem in Dresden, war Verantwortliche für den Standort in Berlin und wurde deshalb zum Gemeinschaftstag eingeladen.
Bei den verdeckten Aufnahmen ist die Unterkunft am Töpelwinkel deutlich zu erkennen, und auch der Verfassungsschutz bestätigte auf Anfrage, dass dort vom 28. bis zum 30. März der Gemeinschaftstag stattfand. Der Verein Natur- und Freizeitzentrum Töpelwinkel distanziert sich eindringlich von den Geschehnissen und sei erschüttert sowie traurig, wie es in einer Mitteilung heißt.
JN-Gemeinschaftstag wurde als Geburtstag angemeldet
„Die besagte Veranstaltung, die bei uns als Geburtstag gebucht wurde, ist uns erst vor Kurzem als eine andere Art von Veranstaltung bekannt geworden“, heißt es in der Mitteilung weiter. Der Verein sei zutiefst entsetzt über diese Täuschung und lehne derartige Veranstaltungen ausdrücklich ab. Der Vorfall wurde umgehend nach Bekanntwerden zur Anzeige gebracht.
Laut Patricia Vernhold, die Pressesprecherin des Verfassungsschutzes Sachsen, finden die Gemeinschaftstage unter bundesweiter Beteiligung statt. „Sie dienen den Jungen Nationalisten dazu, ihre innere Struktur zu festigen und Jugendliche und junge Erwachsene für die Organisationen zu schulen“, erklärt sie. Diese Gemeinschaftstage seien geprägt von zumeist sportlichen und gemeinschaftsbildenden Aktivitäten, wie Frühsport, Appellen, Vorträgen, Fackelmärschen sowie der Vereidigung neuer Mitglieder.
Dies war auch bei dem Tag im Töpelwinkel der Fall. Im Kreis stellten sich die Teilnehmer mit Fackeln auf, und drei junge Mädchen leisteten ihren Treueschwur. Laut der Stern-Reporterin sei die Jüngste 13 Jahre alt gewesen. Die Reportage vermittelte den Eindruck, dass sich die Teilnehmer frei auf dem Gelände bewegen konnten, auf der Wiese vor der Unterkunft führten sie sowohl den Treueschwur als auch den Morgenappell durch.
Leisniger Stadtrat tritt als Redner auf
Während unter der Woche häufig Schulklassen, Horte und Vereine die Angebote des Töpelwinkels nutzen, finden am Wochenende laut der Vereinsleitung häufig private Festlichkeiten wie Geburtstage oder Hochzeiten statt. Gegenüber seinen Gästen zeige der Verein ein großes Vertrauen und respektiere die Privatsphäre. „Somit sind – auch aus organisatorischen Gründen – an den Wochenenden, wenn keine Bewirtung erwünscht ist, keine Mitarbeiter des Vereins auf dem Gelände“, so der Verein weiter. Er zeige sich enttäuscht, dass dieses Vertrauen missbraucht wurde.
Einer der bekanntesten Gesichter auf der Veranstaltung war Sebastian Weigler. Der Braunschweiger ist Bundesvorsitzender der JN. Als Referent war zudem Christian Fischer zu Gast. Er wird den sogenannten völkischen Siedlern zugeordnet und wohnt seit 2018 in Leisnig. Früher war er Teil der Jungen Nationaldemokraten, zudem nahm er an Lagern der Heimattreuen Deutschen Jugend (HDJ) teil. Diese Organisation bot laut der Bundeszentrale für politische Bildung ideologisch geprägte Freizeitprogramme für Familien und Kinder an, Ziele waren die Nachwuchsgewinnung sowie Herausbildung einer völkisch geprägten Elite. 2009 wurde die HDJ verboten. Seit 2024 sitzt Christian Fischer für die rechtsextremen Freien Sachsen im Stadtrat in Leisnig.
Bei dem Gemeinschaftstag hielt er einen Vortrag über das Verhalten auf Demonstrationen. An die Jugendlichen gerichtet, sagte er unter anderem, dass sie im Kampf für Deutschland stehen würden. „Wir sind nicht gewalttätig, aber wir alle müssen bereit sein, auch in solchen Situationen Gewalt anzuwenden. Das heißt, dass wir gewaltbereit sind”, sagte er weiter.
Vor zwei Jahren gab es in der Region bereits einen JN-Gemeinschaftstag
Christian Fischer ist in Sachsen nicht die einzige Verbindung zwischen den Freien Sachsen und den Jungen Nationalisten. So trat laut dem Verfassungsschutz Neonazi Michael Brück, der auch bei den Freien Sachsen aktiv ist, 2023 als Referent bei einer Veranstaltung zum Thema „Umgang mit der Polizei und Justiz“ auf. Auch mit Stefan Trautmann, der seit Jahren für die JN aktiv ist sowie seit 2024 für die Freien Sachsen wieder im Döbelner Stadtrat sitzt, gibt es eine weitere Überschneidung der beiden Gruppen in der Region.
Und es ist auch nicht der erste Gemeinschaftstag in der Region Döbeln. Im Jahr 2023 wurde dieser in Arras, einem Ortsteil von Geringswalde, in dem ehemaligen „Gasthof Sanssouci” ausgetragen. Damals waren unter anderem Frühsport, Vorträge, ein Fackelmarsch sowie die Gründung des JN-Stützpunktes Südbrandenburg Teil der Veranstaltung. Zu dem Zeitpunkt war Stefan Trautmann Teil des Vorstandes des Vereins Gasthof Sanssouci. Im Oktober 2024 ist er aus diesem ausgeschieden.
Landratsamt und Verein wollen rechte Aktionen unterbinden
Anders als in Geringswalde ist das Natur- und Freizeitzentrum nicht in privatem Besitz. Eigentümer der Immobilie ist der Landkreis Mittelsachsen. „Über die Bilder sind wir sehr erschrocken und entsetzt. Wir distanzieren uns ausdrücklich von den Ereignissen auf dem Gelände“, teilte Pressereferentin Peggy Hähnel mit.
Der Verein arbeitet die Ereignisse derzeit mit dem Bereich Extremismusprävention des Landratsamtes auf. „Wir entwickeln gemeinsam Maßnahmen und Anpassungen in unseren Verträgen, um zukünftig solchen Veranstaltungen keinen Raum zu bieten“, so der Verein. Peggy Hähnel ergänzte, dass das Landratsamt dem Verein helfen und in der Prävention unterstützen will, um solche Aktionen dort zu verhindern.
Der Verein rund um den Töpelwinkel hofft, dass der Vorfall keine negativen Auswirkungen habe, da die Mitglieder „mit Herz und Seele jeden Monat für die Gäste und den Verein alles geben, um diesen schönen, naturbelassenen Ort am Leben zu erhalten“. Aufgrund wirtschaftlicher Herausforderungen befinde sich der Verein bereits jetzt in einer schwierigen Lage und es sei umso tragischer, wenn die Mitglieder diesen durch eine solche Täuschung letztendlich aufgeben müssten, heißt es weiter.